A. Problem und Ziel
Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren.
B. Lösung
Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes - BNichtrSchG -. C. Alternativen
Keine. Erwartungen, dass auf freiwilliger Basis auf das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren verzichtet wird, haben sich nicht erfüllt. Das Deutsche Krebsforschungszentrum in D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
2. Vollzugsaufwand
Den Ländern kann ein allenfalls geringfügiger Erfüllungsaufwand aufgrund der Durchführung zusätzlicher Kontrollen entstehen, da die Überwachung der Einhaltung der geänderten Regelung im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrollen durchgeführt werden kann.
E. Sonstige Kosten
Keine
F. Bürokratiekosten
Keine
Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes - BNichtrSchG
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 11. September 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierungen von Nordrhein-Westfalen, Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes - BNichtrSchG zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 20. September 2019 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesnichtraucherschutzgesetzes - BNichtrSchG
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Das Gesetz zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz - BNichtrSchG) in der Fassung vom 20. Juli 2007 (BGBl. I S. 1595) wird wie folgt geändert:
1. § 1 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 3 wird der Punkt am Ende durch ein Kommazeichen "," ersetzt.
- b) Folgende Nummer 4 wird angefügt:
"4. in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren."
2. § 2 wird wie folgt geändert:
- a) Nummer 3 wird durch "Nummer 3 a)" und "Nummer 3 b)" ersetzt.
- b) Nummer 3a) wird wie folgt gefasst:
"Fahrzeuge sind alle Fortbewegungsmittel - mit Ausnahme der in § 24 StVO genannten -, die zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen und am Verkehr auf der Straße teilnehmen. "
- c) Nummer 3b) wird wie folgt gefasst:
"Fahrzeuge i.S. von § 1 Absatz 1 Nummer 4 sind geschlossen, wenn das jeweilige Fahrzeug keine Kabrio-Limousine ist und auch nicht zu einem solchen umgebaut werden kann; dies gilt auch, wenn Fenster, Türen, oder ein Schiebedach teilweise oder vollständig geöffnet sind. Als Fahrzeuge i.S. von § 1 Absatz 1 Nummer 4 gelten auch Kabrio-Limousinen, deren Dach nicht vollständig geöffnet ist."
- d) Die Nummern 3 und 4 werden die Nummern 4 und 5.
3. § 5 wird wie folgt geändert:
In Absatz 2 wird folgender Satz angefügt:
"Im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Absatz 1 Nummer 4 beträgt die Geldbuße mindestens 500 und höchstens 3.000 Euro."
Artikel 2
Dieses Gesetz tritt am ... [einsetzen: Datum des auf die Verkündung folgenden Tages] in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Handlungsbedarf und Ziel
Dass Passivrauchen die Gesundheit gefährdet, ist hinlänglich bekannt. In verbranntem Tabak sind rund 90 nachgewiesene toxische oder krebserregende Substanzen enthalten. Die Konzentration dieser Giftstoffe ist dabei im abgegebenen Rauch sogar höher als im aktiv inhalierten. Passivrauchen ist folglich noch gesundheitsschädlicher als aktives Rauchen durch den Filter.
Nach Untersuchungen des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) werden bei Kindern eine ganze Reihe von gesundheitlichen Folgen beobachtet. Hierzu gehören die Schädigung der sich entwickelnden Lunge, Atemwegsbeschwerden und Atemwegserkrankungen, beeinträchtigte Lungenfunktion und Mittelohrentzündungen sowie eine Steigerung des Risikos eines plötzlichen Kindstods bei Säuglingen. Kinder sind von dem Passivrauchen besonders betroffen, da sie u.a. eine höhere Atemfrequenz aufweisen und sich die Lungen bis zum 20. Lebensjahr noch entwickeln. Darüber hinaus ist ihr Entgiftungssystem nicht in dem Maße ausgereift wie dies bei Erwachsenen der Fall ist. Minderjährige, die wiederholt Tabakrauch ausgesetzt sind, erleiden daher massive Gesundheitsschäden: Sie erkranken häufiger an Lungenunterfunktion, Mittelohrentzündungen, akuten und chronischen Atemwegserkrankungen, erleiden die Verschlimmerung einer bereits vorhandenen Asthma-Erkrankung oder auch eine Erhöhung des Blutdrucks. Mediziner diagnostizieren ferner ein erhöhtes Risiko für Aufmerksamkeitsstörungen, Übergewicht und Diabetes II.
Außerdem erhöht Passivrauchen das Krebsrisiko. So erkranken Minderjährige, deren Eltern rauchen, beispielsweise häufiger an Lebertumoren oder Leukämie. Weltweit sterben jährlich 166.000 Kinder an den Folgen des Passivrauchens.
Gerade in geschlossenen Räumen sind Minderjährige und auch ungeborene Kinder dem Passivrauchen verstärkt ausgesetzt. Dies gilt insbesondere in Fahrzeugkabinen: Die Passivrauchkonzentration ist für Minderjährige nirgends so hoch wie als Mitfahrer.
Die Tabakrauchbelastung in geschlossenen Fahrgasträumen erreicht bereits beim Rauchen einer einzigen Zigarette innerhalb weniger Minuten ein Vielfaches einer stark verrauchten Gaststätte.
Nach Messungen des Deutschen Krebsforschungszentrums liegt die Schadstoffkonzentration in einem verrauchten Auto fünf Mal so hoch wie in einer durchschnittlich verrauchten Bar. Das dkfz schätzt, dass rund eine Million Minderjährige in Deutschland dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt sind.
In Raucherhaushalten werden Kinder besonders häufig Tabakrauch ausgesetzt. Der Gesetzgeber hat hier kaum eine Möglichkeit, ein Rauchverbot in Gegenwart von Kindern durchzusetzen. Durch ein Rauchverbot in Kraftfahrzeugen jedoch, in denen die Belastung aufgrund des geringen Raumvolumens auch noch besonders hoch ist, könnte ein wichtiger und effektiver Beitrag zum Schutz der Minderjährigen und des ungeborenen Lebens geschaffen werden. Auch in weiteren europäischen Ländern wie beispielsweise Österreich, Italien, Frankreich, England und Wales, Schottland, Irland, Griechenland und Zypern, gibt es bereits solche Rauchverbote in unterschiedlicher Ausprägung.
II. Inhalte und Maßnahmen des Gesetzes
Künftig ist in geschlossenen Fahrzeugen in Anwesenheit von Minderjährigen oder Schwangeren das Rauchen verboten.
III. Gesetzgebungskompetenz
Art. 74 Abs.1 Nummer 19 GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für Maßnahmen gegen gemeingefährliche Krankheiten zu. Ein Rauchverbot in PKW bei Anwesenheit von Schwangeren und Kindern ist eine Maßnahme gegen eine gemeingefährliche Krankheit. Gemeingefährliche Krankheiten im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nummer 19 GG sind solche, die zu schweren Gesundheitsschäden oder zum Tod führen können, ohne ansteckend zu sein. Tabakrauch ist der bedeutendste und gefährlichste vermeidbare Innenraumschadstoff und die führende Ursache von Luftverschmutzung in Innenräumen, in denen geraucht wird. Tabakrauch enthält über 4.800 verschiedene Substanzen. Bei über 70 dieser Substanzen ist nachgewiesen, dass sie krebserregend sind oder im Verdacht stehen, Krebs zu erzeugen. Krebs ist nach ganz herrschender Meinung eine gemeingefährliche Krankheit i.S.v. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Rn. 211; Stern/Geerlings, Nichtraucherschutzgesetz in Deutschland, S. 35; Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 74 Rn. 84). Damit ist die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gegeben. Einer zusätzlichen Erforderlichkeitsprüfung bedarf es gemäß Art. 72 Abs. 2 GG nicht.
Ergänzend kann die Gesetzgebungskompetenz des Bundes auch aus Art. 74 Abs. 1 Nummer 22 - Straßenverkehr - hergeleitet werden. Die Regelungen betreffen durch die Konzentration auf "Fahrzeuge" spezifisch den Straßenverkehr. Die Erfordernisse der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG sind erfüllt. Einzelne landesrechtliche Regelungen bei einem mobilen Innenraum, in dem man sich über die Ländergrenzen hinweg bewegt, würden den Landesgrenzen überschreitenden Verkehr beeinträchtigen. Damit ist im gesamtstaatlichen Interesse eine bundeseinheitliche Regelung erforderlich.
Auch eine Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines Rauchverbotes in Autos bei Anwesenheit von Minderjährigen hat dargelegt, dass eine solche Regelung in Deutschland formell verfassungskonform wäre (WD3-215/15 Rauchverbot in Anwesenheit von Kindern verfassungsrechtliche Zulässigkeit - https://www.bundestag.de/service).
Zu diesem Ergebnis sind auch die Sachverständigen im Rahmen einer jüngst durchgeführten Anhörung des Ausschusses für Familie, Kinder und Jugend sowie des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales im Landtag von Nordrhein-Westfalen gelangt.
IV. Finanzielle Auswirkungen
keine
V. Kosten und Preiswirkungen
keine
VI. Bürokratiekosten
keine
VII. Gleichstellungspolitische Bedeutung
Die Absicht des Gesetzgebers, Minderjährige vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen betrifft Mädchen und Jungen gleichermaßen. Dies gilt ebenso für den Schutz des ungeborenen Kindes. Für schwangere Frauen ist durch das Gesetz eine geschlechtsspezifische positive Wirkung zu erwarten.
VIII. Gesetzesfolgen
Eine Gesetzesfolgenabschätzung zu diesem Gesetz wird nicht für notwendig erachtet, da zu den positiven Auswirkungen von Rauchverboten auf den Gesundheitszustand zahlreiche internationale Studien vorliegen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Bundesnichtraucherschutzgesetz)
Zu § 1 (Rauchverbot)
Zu Absatz 1
Zu a) Absatz 1 Nummer 3
Redaktionelle Änderung
Zu b) § 1 Absatz 1 Nummer 4
Tabakrauch ist ein Gemisch aus zahlreichen giftigen und krebserregenden Stoffen. Wie durch das Rauchen werden auch durch das Passivrauchen schwere Erkrankungen ausgelöst. Minderjährige und auch ungeborene Kinder sind besonders durch das Passivrauchen gefährdet und können sich dem nicht selbstständig entziehen. Rauchen im Auto führt zudem zu deutlich höheren Schadstoffkonzentrationen in der Atemluft als Rauchen in Räumen. Kinder und Schwangere werden dadurch entsprechend hoch belastet. Daher ist es notwendig, dass der Staat Regelungen schafft, um diese Personengruppe möglichst umfassend vor dem Passivrauchen zu schützen.
Zu § 2 (Begriffsbestimmungen)
Zu Nummer 3
Zu a) Nummer 3
Redaktionelle Änderung
Zu b) Nummer 3a)
Der Begriff "Fahrzeug" wird in § 315c StGB und in § 316 StGB verwandt. Fahrzeuge i.S. dieser Vorschriften sind alle Fahrzeuge, die zur Beförderung von Personen oder Sachen dienen und am Verkehr auf der Straße teilnehmen (Schönke/Schröder/Cramer, StGB, 30. Aufl., § 315c Rn. 5). Erfasst werden alle Verkehrsarten einschließlich des Eisenbahn-, Schiffs- und Luftverkehrs, soweit dieser bodengebunden ist. Dabei ist es letztlich gleichgültig, ob sich die Fahrzeuge mit eigener Kraft bewegen oder auf andere Weise fortbewegt werden können. Nicht zu den Fahrzeugen i.S.d. §§ 315c und 316 StGB gehören die besonderen Fortbewegungsmittel des § 24 StVO.
Zu c) Nummer 3b)
In zahlreichen Studien wurde nachgewiesen, dass bereits beim Rauchen einer Zigarette die Konzentration der Tabakrauchpartikel im Fahrzeuginneren aufgrund des geringeren Raumvolumens rapide ansteigt und selbst bei leicht geöffnetem Fenster Werte ähnlich wie in einer Raucherkneipe erreicht werden.1
Der Fahrzeugschein, ausgestellt von der Kraftfahrzeugzulassungsbehörde, unterscheidet bei der Art des Aufbaus zwischen Personenkraftwagen "geschlossen" und "offen". "Offen", bedeutet hier, dass das jeweilige Auto zur Kategorie Kabrio-Limousine gehört oder leicht in eine Kabrio-Limousine umgebaut werden kann (Verzeichnis zur Systematisierung von Kraftfahrzeugen und ihren Anhängern (SV 1) des Kraftfahrtbundesamtes).
Zu d) Nummer 3c)
Redaktionelle Änderung
Zu § 5 (Bußgeldvorschrift)
Zu e) Absatz 2 Satz 21
St Helen G, Jakop P, 3rd, Peng M, Dempsey DA, Hammond SK & Benowitz NL (2014) Intake of Toxic and Cardiogenic Volatile Organic Compounds from Secondhand Smoke in Vehicles. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 23: 2774-2782
Ott W, Klepeis N & Switzer P (2008) Air change rates of motor vehicles and invehicle pollutant concentrations from secondhand smoke. J Expo Sci Environ Epidemiol 18: 312-325
Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Durch das Rauchen im Kraftfahrzeug in Anwesenheit von Minderjährigen und ungeborenen Kindern werden diese gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, denen sie sich nicht eigenständig entziehen können. Demgegenüber kann der Raucher im Kraftfahrzeug durchaus aufs Rauchen verzichten oder die Fahrt zu diesem Zweck unterbrechen.
Angesichts der Tatsache, dass die Giftstoffbelastung im Auto selbst bei leicht geöffnetem Fenster bis zu fünfmal so hoch ist, wie in einer Raucherkneipe, betroffene Kinder ein um 50 bis 100 Prozent erhöhtes Risiko für Infektionen der unteren Atemwege, für Asthma, Bronchitis oder Lungenentzündung haben, die Schadstoffe bei Kleinkindern zu Mittelohrentzündungen führen, den Geruchssinn sowie Herz und Kreislauf schädigen können und das Risiko für einen plötzlichen Kindstod deutlich steigt, sind zur Bestrafung, zur Normbekräftigung und Aufrechterhaltung des Rechtsbewusstseins und präventiv zur Abschreckung deutliche Geldbußen notwendig.