Der Bundesrat hat in seiner 963. Sitzung am 15. Dezember 2017 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat erinnert an seine der Kommission bereits übermittelte Stellungnahme vom 16. Dezember 2016 (BR-Drucksache 612/16(B) ).
Übertragungspflichten ("Must-Carry")
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass der neue Rechtsrahmen weiterhin die Möglichkeit der Mitgliedstaaten vorsieht, Betreibern öffentlicher Kommunikationsnetze Pflichten zur Übertragung bestimmter Rundfunkinhalte aufzuerlegen.
Er betont, dass es angesichts der Kulturhoheit der Mitgliedstaaten weiterhin in deren Ermessensspielraum bleiben muss, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird.
- 3. Der Bundesrat erachtet es für notwendig, die Begriffe "Hörfunk- und Fernsehkanäle", "damit verbundene [...] Dienste", "Dienste des vernetzten Fernsehens" und "elektronische Programmführer" durch eine gesetzliche Definition klarzustellen, um eine unterschiedliche Interpretation in den Mitgliedstaaten zu vermeiden.
- 4. Der Bundesrat bekräftigt, dass Übertragungspflichten keinen wirtschaftlichen, sondern einen gesellschaftspolitischen Hintergrund haben. Sie sollen die Verbreitung bestimmter Inhalte im Interesse der Meinungsvielfalt fördern. Er lehnt deshalb die neu vorgeschlagene Formulierung in Erwägungsgrund 269 des Richtlinienvorschlags ab, wonach die Übertragungspflichten so gestaltet werden sollten, dass sie ausreichende Anreize für effiziente Investitionen in Infrastrukturen bieten.
- 5. Mit Blick auf die aktuelle Debatte weist er vorsorglich darauf hin, dass die Einführung von sogenannten Must-Offer-Pflichten für Inhalte-Anbieter als Pendant zur Übertragungspflicht der Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze über den Gegenstand der Telekommunikationsregulierung hinausgeht. Für eine derartige Regelung ist im Kontext der Regulierung der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste kein Raum.
Zugangsregulierung
- 6. Der Bundesrat begrüßt, dass die Regelungen der Zugangsrichtlinie mit Bezug auf Zugang und Zusammenschaltung in Artikel 59 Absatz 1 und Artikel 60 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags aufrechterhalten bleiben.
- 7. Er hält eine klarstellende Definition der Begriffe "Hörfunk- und Fernsehdienste" für notwendig.
- 8. Angesichts des sich wandelnden Mediennutzungsverhaltens und der steigenden Bedeutung der Abrufdienste muss der Schutzbereich der Artikel 59 Absatz 1 und Artikel 60 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags nach Auffassung des Bundesrates im Interesse der Meinungs- und Angebotsvielfalt über Hörfunk-und Fernsehdienste hinaus auf alle audiovisuellen Mediendienste und damit verbundenen Zusatzdienste erstreckt werden.
- 9. Er begrüßt grundsätzlich, dass der Kodex ausdrücklich an der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Festlegung von Verpflichtungen in Bezug auf die Darstellungsaspekte elektronischer Programmführer und ähnlicher Anzeige-und Orientierungshilfen festhält (Artikel 60 Absatz 4 des Richtlinienvorschlags).
- 10. Nach Auffassung des Bundesrates sollte die Öffnungsklausel jedoch zukunftssicher sowie technologieneutral gefasst sein und statt "ähnliche" "andere" Anzeige- und Orientierungshilfen umfassen. Er unterstützt insofern die Änderungsanträge 19 und 45 in der Stellungnahme des Ausschusses für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments vom 10. Mai 2017 [2016/0288 (COD)].
Frequenzpolitik
- 11. Der Bundesrat begrüßt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, alternative Nutzung harmonisierten Frequenzspektrums zu genehmigen.
- 12. Er sieht jedoch die in Artikel 45 Absatz 3 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Beschränkung auf Fälle, in denen auf nationaler oder regionaler Ebene keine ausreichende Nachfrage nach der Nutzung eines harmonisierten Frequenzbands besteht, kritisch. Nach Auffassung des Bundesrates müssen die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, alternative Nutzungen harmonisierter Frequenzbänder auch in anderen begründeten Fällen zu genehmigen, um den jeweiligen nationalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen.
Interoperabilität von digitalen Radioempfangsgeräten
- 13. Der Bundesrat bedauert, dass die Kommission die Überarbeitung des Rechtsrahmens für die elektronische Kommunikation nicht zum Anlass nimmt, die Digitalisierung der Hörfunkverbreitung in der EU voranzutreiben.
- 14. Die Interoperabilität digitaler Radioempfangsgeräte kann einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Kommunikationsnetze und -dienste sowie insgesamt zur Stärkung des Binnenmarktes für die elektronische Kommunikation in der EU leisten.
- 15. Der Bundesrat spricht sich deshalb dafür aus, den Anwendungsbereich des Artikels 105 und des Anhangs X des Richtlinienvorschlags um digitale Radioempfangsgeräte zu erweitern.
- 16. Aus Verhältnismäßigkeitsgründen sollte die Interoperabilitätsverpflichtung nur überwiegend für den Radioempfang vorgesehene Endgeräte erfassen und technologieneutral formuliert sein.
*) Erster Beschluss des Bundesrates vom 16. Dezember 2016, Drucksache 612/16(B)