Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten

A. Problem und Ziel

Offener Antisemitismus nimmt zu. Laut einer am 22. Januar 2019 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage halten 61 Prozent der Deutschen Antisemitismus für ein wachsendes Problem. Die Werte für Deutschland liegen damit höher als in vielen anderen Ländern Europas. EU-weit nimmt lediglich jeder Dritte einen Anstieg von Antisemitismus wahr. Noch gravierender ist die Wahrnehmung aus Sicht der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Eine Befragung der EU-Agentur für Grundrechte im Auftrag der Europäischen Kommission Ende des Jahres 2018 ergab, dass für 85 Prozent der deutschen Juden der Antisemitismus das größte soziale oder politische Problem in ihrem Heimatland ist. 41 Prozent der in Deutschland Befragten gaben an, im vergangenen Jahr mindestens einmal belästigt worden zu sein.

Die Zunahme antisemitischer Tendenzen spiegelt sich aber nicht nur in subjektiven Wahrnehmungen wider, sie lässt sich auch objektiv belegen. So haben antisemitische Straftaten in den vergangenen Jahren (wieder) signifikant zugenommen. Die vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat veröffentlichte Statistik zur Politisch Motivierten Kriminalität (PMK-Statistik) weist für das Jahr 2018 bundesweit 1.799 antisemitische Straftaten aus. Das bedeutet gegenüber dem Jahr 2013 einen Anstieg von über 40 Prozent. Erfasst sind dabei nur die polizeilicherseits bekanntgewordenen Taten, während zugleich Anhaltspunkte für ein hohes Dunkelfeld bestehen. Die Taten reichen dabei von verbalen über tätliche Attacken auf Menschen jüdischen Glaubens bis hin zu Schändungen jüdischer Friedhöfe und Mahnmale sowie Angriffen auf Synagogen. Insbesondere die Zunahme strafbarer antisemitischer Äußerungen im Internet stellt durch die Möglichkeit der schnellen Verbreitung und der großen Reichweite ein besorgniserregendes Phänomen aus neuerer Zeit dar.

Antisemitische Taten sind nicht nur als Angriffe auf einzelne Personen, sondern immer auch als ein stellvertretender Angriff auf die Menschen jüdischen Glaubens insgesamt zu verstehen. Mit der Tat, die häufig im öffentlichen Raum stattfindet, wird zugleich eine symbolische Botschaft der Einschüchterung und Verunsicherung an eine ganze Bevölkerungsgruppe übermittelt. Es handelt sich um eine Manifestation von Intoleranz, die sich gegen die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in einer zivilisierten Gesellschaft und gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde als Gemeinschaftswert richten. Solche Taten haben daher eine besondere gesellschaftliche Dimension, die den Rechtsfrieden weit über den Lebenskreis der Verletzten hinaus beeinträchtigt.

Ein demokratischer Rechtsstaat kann und darf es nicht hinnehmen, dass ein bedeutsamer Teil seiner Bevölkerung zum Angriffspunkt von Hass und Übergriffen gemacht wird. Wo sich Antisemitismus ausbreitet und Juden aus Sorge vor Übergriffen davon absehen, ihre Zugehörigkeit zum Judentum offen zu zeigen, findet soziale Ausgrenzung statt, welche die kollektive Identität der jüdischen Gemeinschaft in ihrem Kern berührt und deren Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt. Darüber hinaus schädigen derartige Taten den Zusammenhalt der Gemeinschaft und gefährden die Stabilität der Gesellschaft insgesamt. Der Staat ist hier daher in besonderem Maße zum Handeln aufgerufen. Gerade eingedenk der menschenverachtenden Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden während der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft trägt die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung und Verpflichtung dafür, den wiedererstarkenden Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen und sich schützend vor die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu stellen. Dies beinhaltet insbesondere auch eine nachdrückliche Strafverfolgung antisemitischer Straftaten. Nicht zuletzt unter generalpräventiven Gesichtspunkten ist es von herausragender Bedeutung, dass antisemitische Straftaten als solche erkannt und benannt wie auch konsequent verfolgt und schuldangemessen geahndet werden.

Das Strafgesetzbuch (StGB) trägt der gesamtgesellschaftlichen wie auch forensischen Bedeutung, die antisemitisch motivierten Taten - zumal in Zeiten steigender Fallzahlen - zukommt, bislang nicht ausreichend Rechnung. Zwar ermöglicht die allgemeine Regelung zur Strafzumessung in § 46 StGB ausdrücklich, rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe oder Ziele des Täters strafschärfend zu berücksichtigen. Dabei lassen sich antisemitische Beweggründe und Ziele auch als menschenverachtend in diesem Sinne qualifizieren. Im

Gegensatz zu rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründen, die ebenfalls besondere Ausprägungen der menschenverachtenden Beweggründe sind, werden sie aber nicht explizit benannt und bleiben hinter dem abstrakten Oberbegriff "menschenverachtend" verborgen. Dadurch wird die - auch praktische - Relevanz antisemitischer Straftaten, die zusammen mit den rassistischen und fremdenfeindlichen Taten den statistisch größten Teil der Hasskriminalität ausmachen, im Gesetz nur unzureichend abgebildet.

Angesichts der vorgenannten Umstände und der beschriebenen Entwicklung sollte der Strafgesetzgeber im Bereich der allgemeinen Regelungen zur Strafbemessung auf eine klarstellende wie auch wertsetzende Regelung zur strafschärfenden Bedeutung antisemitischer Tatmotivationen nicht verzichten. Es ist vielmehr geboten, eine solche für das Gemeinwesen grundlegende Wertung der hiesigen Rechtsordnung gesetzlich in besonderer Weise zu dokumentieren und zu bekräftigen. Eine derartige Hervorhebung trägt auch dazu bei, die Ermittlungsbehörden zu einer frühzeitigen Aufklärung und Berücksichtigung möglicher antisemitischer Beweggründe und Ziele beim Beschuldigten anzuhalten.

B. Lösung

Der Entwurf sieht vor, die Regelung zur Strafzumessung in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB um antisemitische Beweggründe und Ziele als ein weiteres Beispiel für menschenverachtende Tatmotivationen zu ergänzen.

C. Alternativen

Beibehaltung des bisherigen, unbefriedigenden Zustands.

D. Haushaltsaufgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Keiner.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Keiner.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Keiner.

F. Weitere Kosten

Mehrkosten im justiziellen Kernbereich sind nicht zu erwarten. Die vorgeschlagene Neuregelung enthält für den Bereich der Strafzumessung eine klarstellende Regelung, ohne den Bereich des ohnehin bereits Strafbaren auszudehnen.

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten

Der Bayerische Ministerpräsident München, 15. Oktober 2019

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther

Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung wird der als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügte Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten mit dem Antrag übermittelt, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.

Es wird gebeten, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 982. Sitzung am 8. November 2019 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Söder

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafzumessung bei antisemitischen Straftaten

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuchs

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998(BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ... vom ... (BGBl. I S. ...), wird wie folgt geändert:

In § 46 Absatz 2 Satz 2 wird nach dem Wort "fremdenfeindliche" ein Komma und das Wort "antisemitische" eingefügt.

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung des Entwurfs und Notwendigkeit der Regelungen

Offener Antisemitismus nimmt zu. Laut einer am 22. Januar 2019 von der Europäischen Kommission veröffentlichten Eurobarometer-Umfrage halten 61 Prozent der Deutschen Antisemitismus für ein wachsendes Problem. Die Werte für Deutschland liegen damit höher als in vielen anderen Ländern Europas. EU-weit nimmt lediglich jeder Dritte einen Anstieg von Antisemitismus wahr. Noch gravierender ist die Wahrnehmung aus Sicht der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Eine Befragung der EU-Agentur für Grundrechte im Auftrag der Europäischen Kommission Ende des Jahres 2018 ergab, dass für 85 Prozent der deutschen Juden der Antisemitismus das größte soziale oder politische Problem in ihrem Heimatland ist. 41 Prozent der in Deutschland Befragten gaben an, im vergangenen Jahr mindestens einmal belästigt worden zu sein.

Die Zunahme antisemitischer Tendenzen spiegelt sich aber nicht nur in subjektiven Wahrnehmungen wider, sie lässt sich auch objektiv belegen. So haben antisemitische Straftaten in den vergangenen Jahren (wieder) signifikant zugenommen. Die vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat veröffentlichte Statistik zur Politisch Motivierten Kriminalität (PMK-Statistik) weist für das Jahr 2018 bundesweit 1.799 antisemitische Straftaten aus (2013: 1.275; 2014: 1.596; 2015: 1.366; 2016: 1.468; 2017: 1.504). Das bedeutet gegenüber dem Jahr 2013 einen Anstieg von über 40 Prozent. Erfasst sind dabei nur die polizeilicherseits bekanntgewordenen Taten (sog. Hellfeld), während zugleich Anhaltspunkte für ein hohes Dunkelfeld bestehen (vgl. BT-Drs. 18/11970, S. 117 f.). Die Taten reichen dabei von verbalen über tätliche Attacken auf Menschen jüdischen Glaubens bis hin zu Schändungen jüdischer Friedhöfe und Mahnmale sowie Angriffen auf Synagogen. Insbesondere die Zunahme strafbarer antisemitischer Äußerungen im Internet stellt durch die Möglichkeit der schnellen Verbreitung und der großen Reichweite ein besorgniserregendes Phänomen aus neuerer Zeit dar.

Antisemitische Taten sind nicht nur als Angriffe auf einzelne Personen, sondern immer auch als ein stellvertretender Angriff auf die Menschen jüdischen Glaubens insgesamt zu verstehen. Mit der Tat, die häufig im öffentlichen Raum stattfindet, wird zugleich eine symbolische Botschaft der Einschüchterung und Verunsicherung an eine ganze Bevölkerungsgruppe übermittelt. Es handelt sich um eine Manifestation von Intoleranz, die sich gegen die Grundlagen des friedlichen Zusammenlebens in einer zivilisierten Gesellschaft und gegen die Unantastbarkeit der Menschenwürde als Gemeinschaftswert richten. Solche Taten haben daher eine besondere gesellschaftliche Dimension, die den Rechtsfrieden weit über den Lebenskreis der Verletzten hinaus beeinträchtigt.

Ein demokratischer Rechtsstaat kann und darf es nicht hinnehmen, dass ein bedeutsamer Teil seiner Bevölkerung zum Angriffspunkt von Hass und Übergriffen gemacht wird. Wo sich Antisemitismus ausbreitet und Juden aus Sorge vor Übergriffen davon absehen, ihre Zugehörigkeit zum Judentum offen zu zeigen, findet soziale Ausgrenzung statt, welche die kollektive Identität der jüdischen Gemeinschaft in ihrem Kern berührt und deren Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigt. Darüber hinaus schädigen derartige Taten den Zusammenhalt der Gemeinschaft und gefährden die Stabilität der Gesellschaft insgesamt. Der Staat ist hier daher in besonderem Maße zum Handeln aufgerufen. Gerade eingedenk der menschenverachtenden Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden während der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft trägt die Bundesrepublik Deutschland eine besondere Verantwortung und Verpflichtung dafür, den wiedererstarkenden Antisemitismus entschlossen zu bekämpfen und sich schützend vor die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu stellen. Dies beinhaltet insbesondere auch eine nachdrückliche Strafverfolgung antisemitischer Straftaten. Nicht zuletzt unter generalpräventiven Gesichtspunkten ist es von herausragender Bedeutung, dass antisemitische Straftaten als solche erkannt und benannt wie auch konsequent verfolgt und schuldangemessen geahndet werden.

Das Strafgesetzbuch (StGB) trägt der gesamtgesellschaftlichen wie auch forensischen Bedeutung, die antisemitisch motivierten Taten - zumal in Zeiten steigender Fallzahlen - zukommt, bislang nicht ausreichend Rechnung. Zwar ermöglicht die allgemeine Regelung zur Strafzumessung in § 46 StGB ausdrücklich, rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Beweggründe oder Ziele des Täters strafschärfend zu berücksichtigen. Dabei lassen sich antisemitische Beweggründe und Ziele auch als menschenverachtend in diesem Sinne qualifizieren. Im

Gegensatz zu rassistischen und fremdenfeindlichen Beweggründen, die ebenfalls besondere Ausprägungen der menschenverachtenden Beweggründe sind, werden sie aber nicht explizit benannt und bleiben hinter dem abstrakten Oberbegriff "menschenverachtend" verborgen. Dadurch wird die - auch praktische - Relevanz antisemitischer Straftaten, die zusammen mit den rassistischen und fremdenfeindlichen Taten den statistisch größten Teil der Hasskriminalität ausmachen, im Gesetz nur unzureichend abgebildet.

Die Entwurf schlägt daher - im Einklang mit einer jüngst erhobenen Forderung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung - vor, den Katalog der bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehenden Umstände in § 46 Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs ausdrücklich um antisemitische Tatmotivationen zu ergänzen.

Die Ergänzung dient dabei in erster Linie der Klarstellung der bereits bestehenden und auch allgemein anerkannten Rechtslage, nach der antisemitische Beweggründe und Ziele bei der Ahndung von Straftaten grundsätzlich strafschärfend zu berücksichtigen sind. Dies ergibt sich bereits jetzt - zumindest mittelbar - aus der Regelung in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB, die mit dem am 1. August 2015 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2015 (BGBl. I S. 925) dahingehend klarstellend ergänzt wurde, dass "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe und Ziele des Täters bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind. Die "sonstigen menschenverachtenden" Beweggründe und Ziele bilden dabei den Oberbegriff und erfassen ausweislich der Gesetzesbegründung unter anderem auch antisemitisch motivierte Taten (BT-Drs. 18/3007, S. 15; anders Cremer/Cobbinah, StV 2019, 648 [650], die eine antisemitisch motivierte Tat als "rassistisch" ansehen). Auch vor dieser Gesetzesänderung war es im Übrigen bereits weitgehend anerkannt, die vorgenannten Beweggründe und Ziele strafschärfend zu berücksichtigen.

Die ausdrückliche Aufnahme der antisemitischen Beweggründe und Ziele in den Gesetzestext dient darüber hinaus aber auch dazu, die Betrachtung noch weitergehend auf diesen auch und gerade für die Strafbemessung bedeutsamen Umstand zu fokussieren und eine für das Gemeinwesen grundlegende Wertung der hiesigen Rechtsordnung gesetzlich zu dokumentieren und zu bekräftigen. Zugleich soll durch die Aufnahme unterstrichen werden, dass die Ermittlungsbehörden bei ihren Ermittlungen schon frühzeitig ein solches Motiv aufzuklären und zu berücksichtigen haben, da sich nach § 160 Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auch auf die Umstände erstrecken sollen, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen der Tat von Bedeutung sind (vgl. auch BT-Drs. 18/3007, S. 1 f. und 7). Auf diese Weise soll letztlich eine nachdrückliche Verfolgung und Ahndung antisemitischer Straftaten noch besser sichergestellt werden.

Die klarstellende Aufnahme der antisemitischen Motive in den Katalog des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB ist auch mit Blick auf die statistischen Daten zur politisch motivierten Kriminalität betreffend der Straftaten im Bereich Hasskriminalität konsequent und geboten. Denn danach entfiel in den vergangenen beiden Jahren von der dem Phänomenbereich PMK - rechts- zuzuordnenden Hasskriminalität, die etwa 90 Prozent der polizeilich erfassten Hasskriminalität ausmacht, der ganz überwiegende Teil auf fremdenfeindliche (2018: 7.064 Fälle; 2017: 6.166 Fälle), antisemitische (2018: 1.603 Fälle; 2017: 1.412 Fälle) und rassistische (2018: 1.664 Fälle; 2017: 1.277 Fälle) Straftaten (wobei zur präzisen Darstellung der Motivlage eine Mehrfachnennung möglich war). Diese drei Arten von Tatmotivationen haben - was weitergehenden Ausweitungstendenzen bei § 46 StGB entgegensteht - mit Abstand die größte praktische Bedeutung innerhalb der rechtsextrem motivierten Kriminalität wie auch der Hasskriminalität insgesamt. Dann ist es aber nur konsequent, auch alle drei Arten in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB zu erwähnen, nicht lediglich - wie derzeit - die rassistisch und fremdenfeindlich, sondern eben auch die antisemitisch motivierten Taten.

Die Entwurf setzt diesen statistischen Befund konsequent im Gesetzestext um und trägt dabei zugleich auch der besonderen geschichtlichen Verantwortung Rechnung, die Deutschland auf Grund der Verbrechen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft trägt. Diese Verantwortung folgt - wie das Bundesverfassungsgericht betont - aus dem Unrecht und Schrecken, das die nationalsozialsozialistische Herrschaft in den Jahren 1933 und 1945 in unermesslichem Ausmaß über Europa und die Welt gebracht hat, und der als Gegenentwurf hierzu verstandenen Entstehung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 -, Rn. 52, 64 f, 68, 85, juris). Im Zentrum dieses Unrechts steht insbesondere der Massenmord an den Juden in seiner ungeheuerlichen und beispiellosen Dimension. Das bewusste Absetzen von der Unrechtsherrschaft des nationalsozialistischen Regimes war historisch zentrales Anliegen aller an der Entstehung wie Inkraftsetzung des Grundgesetzes beteiligten Kräfte und bildet ein inneres Gerüst der grundgesetzlichen Ordnung, um eine Wiederholung solchen Unrechts ein für alle Mal auszuschließen (ebenda Rn. 65). Vor diesem geschichtlichen Hintergrund ist es geboten, dass die Bundesrepublik Deutschland auch auf einfachgesetzlicher Ebene - über die Sonderregelungen in § 130 Absatz 3 und 4 StGB hinausgehend - durch eine entsprechende Ergänzung der allgemeinen Regelung zur Strafzumessung in § 46 Absatz 2 Satz 2 StPO zum Ausdruck bringt, dass sie ihre Verantwortung bei der Bekämpfung des Antisemitismus wahrnimmt und sich schützend vor die Opfer antisemitischer Straftaten stellt. Gerade für die Opfer solcher Straftaten und die von derartiger Vorurteilskriminalität stets mitbetroffene Bevölkerungsgruppe ist es wichtig, transparent zu machen, dass die antisemitische Motivation der Tat von der Strafjustiz - auch schon auf Gesetzesebene - berücksichtigt und insoweit auch die besondere Verwerflichkeit der Handlungsbestrebungen des Täters herausgestellt wird. Die vorgesehene Ergänzung weist schließlich auch deutlicher auf das besondere Leid hin, das durch derartige (Hass-)Taten sowohl dem individuellen Opfer als auch der jüdischen Gemeinschaft insgesamt zugefügt wird.

Mit einer solchen Regelung verbindet sich ein deutliches und unmissverständliches Zeichen gegen Antisemitismus und judenfeindliche Tendenzen. Die plakative Hervorhebung der staatlichen Missbilligung gerade derartiger Beweggründe und Ziele erfolgt nicht zuletzt auch mit Blick auf Personen aus fremden Rechts- bzw. Kulturkreisen. Auch wenn der größte Teil antisemitischer Straftaten weiterhin rechts motiviert ist, so ist doch nicht zu verkennen, dass ein verstärkter Antisemitismus auch mit der Zuwanderung aus den Ländern Nordafrikas, dem Nahen und Mittleren Osten, in denen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit einen besonderen Nährboden haben, neu hinzugetreten ist (vgl. BT-Drs. 19/444, S. 1; näher BT-Drs. 18/11970, S. 209 ff., auch S. 79 ff., 109 f., 119 f.). Diesen Tendenzen muss der Staat entgegenwirken, indem er die Grundregeln und gemeinsamen Werte des Zusammenlebens in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland vermittelt. Dazu gehört insbesondere auch eines klares gesetzgeberisches Signal gegen Antisemitismus oder anderen Formen der Menschenfeindlichkeit in der zentralen Kodifikation zum Strafrecht, dem Strafgesetzbuch. Die vorgeschlagene Ergänzung des § 46 StGB ist dazu geeignet, das Bewusstsein hierfür zu schaffen und zu schärfen, indem sie die Bedeutung antisemitischer Motive des Täters für die Bemessung der Strafe im Gesetzestext unmissverständlich benennt und hervorhebt.

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 74 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Der Entwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.

III. Auswirkungen

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt sind durch den Entwurf nicht zu erwarten. Mehrkosten im justiziellen Kernbereich sind nicht zu erwarten. Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein Erfüllungsaufwand.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuchs)

Aus den im Allgemeinen Teil genannten Gründen wird die Regelung zu den bei der Strafzumessung in Betracht zu ziehenden Umständen in § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB dahingehend klarstellend ergänzt, dass neben den bereits erwähnten rassistischen und fremdenfeindlichen Motiven ausdrücklich auch antisemitische Motivationen als Beispiele für die "sonstigen menschenverachtenden" Beweggründe und Ziele erwähnt werden.

Damit knüpft der Entwurf an die bereits mit dem Gesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 2015 (BGBl. I S. 925) erfolgte Ergänzung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB an und schreibt diese entsprechend der praktischen Relevanz der antisemitischen Delikte innerhalb der politisch motivierten Hasskriminalität konsequent fort.

Hinsichtlich der Auslegung des Begriffs "antisemitisch" kann dabei an bereits bestehende Definitionen und Begriffsklärungen angeknüpft werden.

Als Anknüpfungspunkt für die nähere Ausfüllung der Regelung kann insbesondere die Begriffsbestimmung durch den Unabhängigen Expertenkreis Antisemitismus herangezogen. Danach wird Antisemitismus definiert als "Sammelbezeichnung für alle Einstellungen und Verhaltensweisen, die den als Juden wahrgenommenen Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aufgrund dieser Zugehörigkeit negative Eigenschaften unterstellen" (BT-Drs. 18/11970, S. 24). Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn sich die Abneigung gegen eine jüdische Person aus deren Zuordnung zur jüdischen Religionsgruppe ergibt.

Als Orientierungshilfe kann auch auf die von der International Holocaust Remembrance Alliance (IRHA) verwendete Arbeitsdefinition zurückgegriffen werden. Danach ist Antisemitismus "eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen" (http://www.holocaustremembrance.com/de/node/196). In den Erläuterungen zu dieser Definition, in der zur Veranschaulichung auch einige Beispiele genannt werden, heißt es in einem erweiternden Sinne ferner:

"Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden" (ebd.). Schließlich findet sich in den Erläuterungen zur Definition auch noch eine präzisierende Aussage zu antisemitischen Straftaten. Straftaten sind danach dann antisemitisch, "wenn die Angriffsziele, seien es Personen oder Sachen - wie Gebäude, Schulen, Gebetsräume und Friedhöfe - deshalb ausgewählt werden, weil sie jüdisch sind, als solche wahrgenommen oder mit Juden in Verbindung gebracht werden" oder "wenn sie als solche vom Gesetz bestimmt sind (z.B. in einigen Ländern die Leugnung des Holocausts oder die Verbreitung antisemitischer Materialien)" (ebd.).

Wesensmerkmal ist mithin die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit (vgl. BT-Drs. 18/11970, S. 28 f., auch zu besonderen Spezifika des Antisemitismus). Entsprechend der allgemeinen Bestimmung von "Hass- oder Vorurteilskriminalität" bilden den Hintergrund der jeweiligen Tat weniger persönliche, situationsbedingte Beweggründe, sondern vielmehr die übergreifende Motivation der Ausgrenzung, Unterdrückung und Diskriminierung einer ganzen (hier: jüdischen) Gemeinschaft als Resultat von Abneigung, Vorurteilen oder "Hass".

In rechtstechnischer Hinsicht fügt sich die vorgeschlagene Ergänzung um antisemitische Beweggründe und Ziele in die bereits vorhandene beispielhafte Aufzählung von besonders bei der Strafzumessung zu beachtenden Umständen ein und zwar als ein Umstand, bei dem - ebenso wie bei den bereits gesetzlich fixierten rassistischen,

fremdenfeindlichen oder sonst menschenverachtenden Motiven - grundsätzlich eine strafschärfende Bedeutung anzunehmen ist. Dies soll allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass nach den anerkannten Grundsätzen der Strafzumessung auch weiterhin eine umfassende Gesamtbetrachtung von Tatgeschehen und Täterpersönlichkeit erforderlich ist, bei der die einzelnen Strafzumessungsumstände je nach ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht im konkreten Einzelfall gegeneinander abzuwägen sind (vgl. dazu BT-Drs. 18/3007, S. 16).

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.