959. Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union, der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Familie und Senioren empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat teilt die mit dem Richtlinienvorschlag verfolgte Intention, Eltern und pflegenden Angehörigen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern und durch verbesserte Bedingungen der Unterrepräsentation von Frauen im Berufsleben zu begegnen und ihre Laufbahnentwicklung zu unterstützen. Ziel des von der Kommission als Begleitdokument zur Mitteilung "Einführung einer europäischen Säule sozialer Rechte" am 26. April 2017 vorgelegten Richtlinienvorschlags ist es, für Frauen und Männer Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz zu gewährleisten. Der Richtlinienvorschlag möchte damit den sozialen Besitzstand in diesem Bereich aktualisieren und an den heutigen Herausforderungen ausrichten. Damit erfahren die in der Säule der sozialen Rechte niedergelegten Prinzipien ihre erste Konkretisierung auf europäischer Ebene.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass viele Mitgliedstaaten in eigener Zuständigkeit bereits Regelungen getroffen haben, die zu einer deutlichen Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige geführt haben. Er begrüßt, dass gemeinsame Mindeststandards für Strategien im Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige nunmehr in allen Mitgliedstaaten zum Tragen kommen sollen. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass innerhalb der EU die Erwerbsbeteiligung von Frauen weiter gefördert, der Zugang von Frauen zum und ihre Stellung am Arbeitsmarkt weiter verbessert, dem geschlechtsspezifischen Lohn- und Rentengefälle begegnet und damit der Altersarmut von Frauen entgegenwirkt werden muss.
- 3. Der Bundesrat bedauert, dass dem Richtlinienvorschlag keine Einigung der Sozialpartner auf europäischer Ebene zu Grunde liegt. Im Rahmen der Konsultation durch die Kommission haben die Sozialpartner unterschiedliche - sich widersprechende - Stellungnahmen abgegeben. Nach Auffassung des Bundesrates ist es jedoch wichtig, bei beschäftigungs- und sozialpolitischen Maßnahmen eine Abstimmung der Sozialpartner zu erreichen. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, die anschließende Umsetzung der Richtlinie im engen Dialog mit den Sozialpartnern zu gestalten und die wechselseitigen Interessen angemessen zu berücksichtigen.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen und die neuen höheren Mindeststandards die ausgewogene Inanspruchnahme von Urlaubsregelungen durch Männer und Frauen anregen und die Wahrnehmung der Erziehungsverantwortung für Männer erhöhen können, wobei fraglich ist, ob dieser Effekt nachhaltig und vor allem ausreichend sein wird. Gleichzeitig gibt der Bundesrat zu bedenken, dass die Verwendung des Begriffs "Urlaub" im Hinblick auf die Wertigkeit und Realität von Erziehung und Pflege nicht angebracht ist. Alternativ sollte etwa der Begriff der "Elternzeit" bzw. "Pflegezeit" genutzt werden.
- 5. Der Bundesrat begrüßt ferner die Regelung, wonach die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach einer Eltern-, Vaterschafts- oder Pflegezeit an ihren früheren oder an einen gleichwertigen Arbeitsplatz zurückkehren können, wobei sie von etwaigen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten, profitieren, ihre erworbenen Rechte behalten und ihr Beschäftigungsverhältnis aufrechterhalten bleibt.
- 6. Nach Auffassung des Bundesrates wird die Möglichkeit, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flexible Arbeitsregelungen in Anspruch nehmen können, zum Beispiel indem sie Telearbeit oder flexible Arbeitsmodelle nutzen oder ihre Arbeitszeiten reduzieren, künftig zunehmend größere Bedeutung erlangen. Der Bundesrat begrüßt daher grundsätzlich das für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern bis zum Alter von mindestens zwölf Jahren sowie pflegende Angehörige vorgesehene Recht, flexible Arbeitsregelungen für Betreuungs- und Pflegezwecke zu beantragen. In vielen Bereichen der Wirtschaft lassen sich jedoch nicht alle diese Arbeitsmodelle, wie zum Beispiel Telearbeitsplätze, praktisch umsetzen. Ein durchsetzbarer Rechtsanspruch bedarf daher Regelungen zur Unterstützung der Unternehmen bei der Umsetzung. Insbesondere kleine und mittelständische Betriebe sind hier auf Beratung angewiesen.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Artikel 3 Buchstabe d der vorgeschlagenen Richtlinie den Begriff "Angehöriger" bzw. "Angehörige" enger fasst, als dies für den Begriff des "nahen Angehörigen" im Rahmen des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes der Fall ist. Er spricht sich dafür aus, dass bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie in nationales Recht die Begriffsbestimmung des § 7 Absatz 3 Pflegezeitgesetz, welche gemäß § 2 Absatz 3 Familienpflegezeitgesetz entsprechend gilt, beibehalten wird.
- 8. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
B
- 9. Der Gesundheitsausschuss, der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.