Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die außergerichtliche Streitbeilegung in Verbrauchersachen und zur Änderung weiterer Gesetze

Der Bundesrat hat in seiner 978. Sitzung am 7. Juni 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

Zum Gesetzentwurf insgesamt

9. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 14 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 Nummer 3 - neu - VSBG)

Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:

"4. § 14 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Das Anliegen, eine Parallelität zwischen Musterfeststellungsklage und Verbraucherschlichtung zu vermeiden, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erscheint statt einer zwingenden Ablehnung die Aufnahme in den Katalog der fakultativen Ablehnungsgründe in § 14 Absatz 2 VSBG vorzugswürdig. Insoweit wird die in der Begründung des Gesetzentwurfs wiedergegebene Einschätzung geteilt, die Verbraucherschlichtungsstelle müsse "in diesen Fällen auch die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens ablehnen können" (vgl. BR-Drucksache 197/19 (PDF), Seite 33). Soweit der Gesetzentwurf über diese Begründung hinaus die Verbraucherschlichtungsstellen zwingen will, solche Anträge stets abzulehnen, ist dies nicht sachgerecht. Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage sperrt zwar die Individualklage ( § 610 Absatz 3 ZPO), beschränkt aber die Verfügungsgewalt der Parteien über den betreffenden Anspruch nicht. Verbraucher und Unternehmen können parallel zur Musterfeststellungsklage durchaus verhandeln und auch Vergleiche schließen. Zwar mag dies nicht der Regelfall sein, andererseits kann es Ausnahmefälle geben, für die die Schlichtung nach dem VSBG nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte. So könnte sich etwa für einen womöglich geringen Anteil der von der Musterfeststellungsklage betroffenen Ansprüche eine Einigung anbieten, ohne dass ein Teilvergleich nach § 611 ZPO praktikabel wäre. Ferner sollen nach dem Entwurf Schlichtungsverfahren bezogen auf Ansprüche, die zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage hätten angemeldet werden können, aber nicht werden, (zutreffenderweise) zulässig bleiben; insoweit könnte es sich anbieten, in ein solches VSBG-Verfahren auch angemeldete Ansprüche einzubeziehen. Wenn die Verbraucherschlichtungsstelle für diese oder andere Konstellationen die Möglichkeit der Schlichtung offenhalten möchte, sollte sie vom Gesetz daran nicht gehindert werden.

So würde im Übrigen auch Kohärenz mit § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 VSGB-E gewahrt. Wenn die Schlichtungsstelle trotz Rechtshängigkeit des Anspruchs ein VSBG-Verfahren vorsehen darf, sollte sie durch Gesetz nicht zum Ausschluss von zur Musterfeststellungsklage angemeldeten Ansprüchen, die dadurch nicht einmal rechtshängig werden, gezwungen werden.

Die Entscheidung, ob ein Verbraucher, der Ansprüche zum Klageregister zu einer Musterfeststellungsklage angemeldet hat, daneben noch die Möglichkeit einer Schlichtung haben soll, sollte (deshalb) den Schlichtungsstellen überlassen bleiben. Aus Sicht der Verbraucher wie auch der Unternehmer kann vor allem bei einem längeren Prozessverlauf ein Interesse an einer institutionalisierten außergerichtlichen Einigung bestehen, zumal die Musterfeststellungsklage nicht auf Befriedigung des individuellen Anspruchs gerichtet ist. Auch bestünde ein gewisser Wertungswiderspruch, wenn selbst eine individuelle Klage lediglich einen optionalen Ablehnungsgrund nach § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 VSBG-E darstellt. Daher ist die Anmeldung des streitigen Anspruchs zum Klageregister bei einer rechtshängigen Musterfeststellungsklage besser im Katalog der optionalen Ablehnungsgründe des § 14 Absatz 2 VSBG-E zu verankern.

Als Folgeänderung sollte erwogen werden, die Zuständigkeit der Universalschlichtungsstelle in § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 VSBG-E um solche Streitigkeiten zu erweitern.

10. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 26 Absatz 4 - neu - VSBG)

In Artikel 1 Nummer 5 ist dem § 26 folgender Absatz anzufügen:

(4) Die zuständige Behörde kann unbeschadet der Absätze 1 bis 3 die notwendigen Anordnungen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes sicherzustellen. Sie hat dabei die Unabhängigkeit der Streitmittler zu wahren. "

Folgeänderung:

Der Überschrift sind die Wörter "und Befugnisse der zuständigen Behörde" anzufügen.

Begründung:

Die Aufsichtsmöglichkeiten der zuständigen Behörde sind derzeit auf den Widerruf der Anerkennung und Anordnungen, die dem Widerruf vorausgehen, beschränkt. Diese Beschränkung ist nicht sachgerecht. Zum einen stellt nicht jeder Gesetzesverstoß einen Widerrufsgrund dar, zum anderen bedürfen manche Gesetzesverstöße einer sofort wirksamen Anordnung ohne der in § 26 Absatz 1 VSBG-E vorgesehenen Drei-Monats-Frist. Wenn beispielsweise eine Schlichtungsstelle ihre Pflicht zur Begründung der Schlichtungsvorschläge nach § 19 Absatz 1 Satz 3 VSBG-E nicht erfüllt, ist zum Schutz der Parteien mit noch laufenden Schlichtungsverfahren ein sofortiges Handeln geboten. Daher ist die Aufnahme einer allgemeinen Befugnisnorm notwendig, wie sie üblicherweise Aufsichtsbehörden zur Verfügung steht. Bei der Ausübung der Aufsichtsbefugnisse ist die Unabhängigkeit der Tätigkeit der Schlichtungsstellen und der Streitmittler zu wahren.

11. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 31 Absatz 1 Satz 2 VSBG)

In Artikel 1 Nummer 9 sind in § 31 Absatz 1 Satz 2 nach den Wörtern "des Schlichtungsverfahrens" die Wörter "; maßgeblich ist dabei die Berechnungsgrundlage, die zu geringeren Gebühren führt" einzufügen.

Begründung:

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung lässt offen, ob und in welchen Fällen sich die Gebühr nach dem Streitwert oder nach dem tatsächlichen Aufwand des Schlichtungsverfahrens richtet. Die vorgeschlagene Ergänzung schafft die erforderliche Klarheit und Rechtssicherheit. Darüber hinaus gewährleistet sie, dass keine Gebühren erhoben werden, die den tatsächlichen Aufwand des Schlichtungsverfahrens übersteigen.

12. Zu Artikel 1 Nummer 12a - neu - (§ 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG)

Nach Artikel 1 Nummer 12 ist folgende Nummer 12a einzufügen:

"12a. In § 36 Absatz 1 Nummer 1 wird das Wort "inwieweit" durch das Wort "dass" ersetzt."

Begründung:

Nach der gegenwärtigen Regelung des § 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG muss ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, Verbraucherinnen und Verbraucher unter anderem darüber in Kenntnis setzen, ob er grundsätzlich bereit ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Das VSBG setzt mit dieser Vorschrift Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nummer 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) um. Während Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie jedoch eine entsprechende Informationspflicht des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher nur dann vorsieht, wenn der Unternehmer bereit ist, Stellen der außergerichtlichen Streitbeilegung einzuschalten, schreibt § 36 Absatz 1 VSBG eine Unterrichtung der Verbraucher in jedem Fall vor - also auch in dem Fall, in dem er grundsätzlich Streitigkeiten nicht vor einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle beilegen will. Diese überschießende nationale Regelung hat sich nicht bewährt. Für Unternehmer stellt die Vorschrift eine zusätzliche bürokratische Belastung dar und bringt vor allem für eher handwerklich geprägte Betriebe und sonstige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einen erhöhten formalistischen Aufwand mit sich. Darüber hinaus zwingt sie den Unternehmer, sich in einem ganz frühen Stadium für oder gegen eine Verbraucherschlichtung zu entscheiden mit der Folge, dass eine negative Entscheidung im Zweifel auch im Einzelfall nicht mehr revidiert werden wird.

Durch die Ersetzung des Wortes "inwieweit" durch das Wort "dass" in § 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG wird der Anwendungsbereich der normierten Informationspflicht beschränkt und dem Umfang und der Zielsetzung der zu Grunde liegenden Regelung des Artikels 13 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/11/EU angeglichen. Die Pflicht, auf Webseiten und in AGB auf Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle zu informieren, soll nur noch diejenigen Unternehmen treffen, die zur Teilnahme an einem solchen Verfahren bereit oder verpflichtet sind.

13. Zu Artikel 7 ( § 47a Absatz 1 TKG)

Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Artikel 7 folgende Regelung zur Änderung von § 47a Absatz 1 des Telekommunikationsgesetzes aufgenommen werden sollte:

"In § 47a Absatz 1 werden nach dem Wort "Telekommunikationsdiensten" die Wörter "zu einer Streitigkeit über Ansprüche aus einem Vertrag über Telekommunikationsdienste oder" eingefügt."

Begründung:

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss ausweislich ihrer Tätigkeitsberichte jährlich mehr als 800 Schlichtungsanträge mangels Zuständigkeit abweisen. Die Kunden haben die Vorstellung und Erwartung, dass die BNetzA über die bestehende Schlichtungsaufgabe des § 47a Telekommunikationsgesetz (TKG) hinaus auch vertragsrechtliche Streitigkeiten im Bereich der Telekommunikation schlichtet. Diese wegen Unzuständigkeit abgelehnten Schlichtungsanträge werden auch nicht oder nur in geringem Umfang bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle fortgeführt, wie die dortigen Fallzahlen belegen. Das Schlichtungsangebot im Bereich der Telekommunikation deckt damit nur unzureichend die Nachfrage der Kundenseite ab.

Ziel sollte es sein, durch eine Erweiterung von § 47a TKG um vertragsrechtliche Streitigkeiten ein nachfragegerechtes und effektives Schlichtungsangebot mit hoher fachlicher Kompetenz im Bereich der Telekommunikation zu schaffen.

14. Zu Artikel 11 Nummer 3 Buchstabe a - neu - (§ 57b Absatz 1 Satz 1a - neu - LuftVG)

In Artikel 11 ist die Nummer 3 wie folgt zu fassen:

"3. § 57b wird wie folgt geändert:

Begründung:

Wenn der Fluggast den Beförderungsvertrag kündigt, das heißt den Flug storniert, kommt es häufig zu Streitigkeiten mit der Fluggesellschaft darüber, ob und in welchem Umfang geleistete Zahlungen rückerstattet werden müssen. Daran hat auch die Entscheidung des BGH vom 20. März 2018 (Az.: X ZR 25/17) zur Wirksamkeit des Ausschlusses der Erstattung des geleisteten Beförderungsentgelts nur wenig geändert, da zum einen die Vertragsklauseln und Tarifstrukturen nicht in allen Fällen identisch sind, zum anderen häufig auch Streit über die Rückzahlung der Steuern und Gebühren besteht.

Für eine außergerichtliche Beilegung dieser Streitigkeiten steht zwar grundsätzlich der Weg zu den allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen offen, jedoch ist es mit Blick auf die hohe fachliche Kompetenz und breite Akzeptanz der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. sowie des Bundesamts für Justiz vorzugswürdig, diese Streitigkeiten den branchenbezogenen Schlichtungsstellen zuzuweisen. Daher ist der Anwendungsbereich der §§ 57 und 57a LuftVG auf Ansprüche im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Luftbeförderungsvertrags zu erweitern. Der Tatbestand wird dabei so formuliert, dass auch andere Fallkonstellationen erfasst sind, bei denen der Fluggast Ansprüche auf Rückerstattung von Steuern und Gebühren haben kann.

Außerdem sollen die branchenbezogenen Schlichtungsstellen aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz für Streitigkeiten zuständig sein, die sich beim Nichtantritt eines Teils der gebuchten Flugreise und der von den Fluggesellschaften vorgenommenen Neuberechnung des Flugpreises ergeben können.