A. Problem und Ziel
Die ambulante Versorgung akuter Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren mit einer jährlichen Steigerungsrate von 8 - 10 Prozent in Richtung Krankenhäuser verschoben. Immer mehr Patienten suchen eigenständig die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf. Dabei handelt es sich zu einem hohen Anteil um Patienten mit dringlichem, aber nicht akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf - also um Patienten, die nach der Festlegung des § 75 SGB V ambulant, im vertragsärztlichen Bereich (einschließlich ärztlichem Bereitschaftsdienst) versorgt werden sollen und können.
Stattdessen müssen heute immer mehr dieser Patienten aufgrund Selbsteinweisung auf der höchsten Versorgungsebene "Krankenhaus" versorgt werden. Damit werden von diesen Patienten Ressourcen in Anspruch genommen, die eigentlich für die Versorgung von Patienten mit akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf zur Verfügung stehen sollten.
Ambulante Notfallpatienten sollen gemäß des in § 75 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen zugewiesenen Sicherstellungsauftrages rund um die Uhr im vertragsärztlichen Bereich versorgt werden. Der im Gesetz als "Notdienst" definierte ärztliche Bereitschaftsdienst ist Teil des Sicherstellungsauftrages gemäß § 75 Absatz 1 b SGB V. Allerdings umfasst dieser Notdienst derzeit nur die sprechstundenfreien Zeiten, ansonsten sind die Praxen der niedergelassenen Ärzte zuständig. Daher ist auch die telefonische Erreichbarkeit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) auf diese Zeiten beschränkt.
In Schleswig-Holstein werden seit 2007 sogenannte "Anlaufpraxen" von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) betrieben. In den derzeit 33 Anlaufpraxen, die gleichmäßig über das Land verteilt sind und sich meist in Krankenhäusern befinden, das heißt in räumlicher Nähe zur Notfallambulanz, findet die vertragsärztliche Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Sprechzeiten statt. Es erfolgt also eine Leistungserbringung durch niedergelassene Ärzte im Rahmen des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes in den Räumlichkeiten eines Krankenhauses.
Gleichwohl suchen die Patientinnen und Patienten mit akutem, aber nicht lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf selbständig auch zur regulären Praxisöffnungszeit die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf. Eine Öffnung der "Anlaufpraxen" während der regulären Praxisöffnungszeiten ist aber derzeit für die Kassenärztliche Vereinigungen rechtlich nicht möglich. Es ist somit nicht möglich, diese Patientinnen und Patienten jenseits der Notaufnahmen der Krankenhäuser in den "Anlaufpraxen" behandeln zu können. Aus diesem Grund ist die Aufhebung der zeitlichen Beschränkung des insgesamt bewährten Konzeptes notwendig. Ziel muss die Möglichkeit eines 24/7/365-Betriebes für den ärztlichen Bereitschaftsdienst sein, um eine Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser sinnvoll zu erreichen.
Für eine zukunftssichere Ausgestaltung der Notfallversorgung bedarf es einer gezielten, die Sektoren "ambulant" und "stationär" übergreifenden Koordination. Ein geeignetes Instrument dafür könnten im zeitlichen Umfang von den "Anlaufpraxen" zu "Portalpraxen" fortentwickelte Anlaufstellen im Krankenhaus sein, wie sie durch das KHSG durch die Ergänzung des § 75 Absatz 1b SGB V für die sprechstundenfreien Zeiten bereits möglich wurden. Mit diesen "Portalpraxen" im 24/7/365-Betrieb könnte sichergestellt werden, dass alle gesetzlich Krankenversicherten, die eigenständig und aus eigenem Entschluss (ohne Einweisungsschein) eine klinische Notaufnahme aufsuchen, zunächst in der "Portalpraxis" vorgestellt werden. Dort würde dann über die Zuordnung des Patienten zur adäquaten Versorgungsebene entschieden. Dies kann auch dazu führen, dass eine Patientin oder ein Patient lediglich die Information erhält, dass ein Besuch beim Hausarzt oder Facharzt zur Abklärung ausreichend sei. Ziel ist explizit kein Angebot, das den Praxisbesuch bei einer niedergelassenen (Haus-)Ärztin bzw. einem niedergelassen (Haus-)Arzt voll ersetzt.
Strukturell entsprechen diese weiterentwickelten "Portalpraxen" den vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen im Werkstattgespräch im September 2017 vorgeschlagenen integrierten Notfallzentren (INZ).
B. Lösung
Der Gesetzentwurf setzt auf die seit 01.01.2016 aufgrund der Änderung des § 75 Absatz 1 b Satz 2 SGB V geforderte Errichtung von Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern oder Einbindung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser in den ärztlichen Bereitschaftsdienst auf.
Durch Änderungen in den §§ 75 und 105 SGB V soll in begründeten Ausnahmefällen die Möglichkeit der Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser auch während der Sprechstundenzeiten geschaffen werden. Die jetzt schon möglichen Kooperationsverträge gemäß § 75 Absatz 1 b Satz 2 SGB V sind um die unmittelbare ambulante medizinische Versorgung der Versicherten in diesen Einrichtungen (Portalpraxen) in Fällen einer notwendigen medizinischen Akutversorgung auch während der Sprechstundenzeiten zu erweitern. Dazu soll ein neuer Absatz 6 in den § 105 SGB V eingefügt werden. In § 75 Absatz 1 b Satz 1 SGB V soll klargestellt werden, dass der Sicherstellungsauftrag der KVen auch die in § 105 Absatz 6 SGB V definierte Akutversorgung umfasst. In § 75 Absatz 1b Satz 3 SGB V soll durch einen zweiten Halbsatz klargestellt werden, dass bei Vorliegen entsprechender Kooperationsverträge auch die Akutversorgung Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung darstellt.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Die Regelungen dieses Gesetzes führen zu keinen zusätzlichen Haushaltsbelastungen auf Bundesebene. Vielmehr sollen Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden und so letztlich möglicherweise sogar Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung eingespart werden, indem nämlich Versicherte nicht mehr auf der teuersten Versorgungsebene "Krankenhaus" versorgt werden, wenn dies gar nicht erforderlich ist.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Das Gesetz betrifft die Lenkung der Patientinnen und Patienten zur angemessenen Versorgungsebene, Erfüllungsaufwand für Patientinnen und Patienten ergibt sich aus den Änderungen nicht. Erfüllungsaufwand für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist ebenfalls nicht erkennbar.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für Krankenhäuser bzw. Krankenhausträger entsteht dann, wenn sie - im Einvernehmen mit den jeweiligen kassenärztlichen Vereinigungen als Kooperationsvertragspartner - von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, möglicherweise die Notwendigkeit baulicher Veränderungen und in geringem Umfang personeller Umstrukturierungen.
E.3 Erfüllungaufwand für die Verwaltung
Auch für kassenärztliche Vereinigungen, die in Selbstverwaltung als Körperschaften öffentlichen Rechts staatliche Aufgaben wie insbesondere die Sicherstellung der ambulanten Versorgung wahrnehmen, entsteht dann, wenn sie - im Einvernehmen mit den jeweiligen Krankenhausträgern als Kooperationsvertragspartner - von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, möglicherweise die Notwendigkeit baulicher Veränderungen und in geringem Umfang personeller Umstrukturierungen in den von ihnen betriebenen Anlaufpraxen.
F. Weitere Kosten
Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im ärztlichen Notdienst mittels weiterentwickelter Portalpraxen
Schleswig-Holstein Kiel, 7. März 2018
Der Ministerpräsident
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Schleswig-Holstein hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sektorenübergreifenden
Zusammenarbeit im ärztlichen Notdienst mittels weiterentwickelter Portalpraxen zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 966. Sitzung am 23. März 2018 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Günther
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Zusammenarbeit im ärztlichen Notdienst mittels weiterentwickelter Portalpraxen
Vom.
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch
Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBL. I S. 2477, 2482), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. August 2017 (BGBl. I S. 3214) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. § 75 Absatz 1 Buchstabe 1 b wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 werden nach dem Wort "(Notdienst)" die Wörter "sowie die Akutversorgung während der Sprechstundenzeiten in Einrichtungen nach § 105 Absatz 6" eingefügt.
- b) In Satz 3 wird der Punkt am Ende durch ein Semikolon ersetzt und die Wörter "dies gilt für den Fall einer gemäß § 105 Absatz 6 Satz 1 erweiterten Kooperationsvereinbarung auch für die Einbeziehung in die Akutversorgung" angefügt.
- 2. Dem § 105 wird folgender Absatz 6 angefügt:
"Die Kassenärztlichen Vereinigungen können zur Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser in begründeten Ausnahmefällen die Kooperationsverträge gemäß § 75 Absatz 1 b Satz 2 mit zugelassenen Krankenhäusern um die unmittelbare ambulante medizinische Versorgung der Versicherten in diesen Einrichtungen (Portalpraxen) für die Fälle einer notwendigen medizinischen Akutversorgung auch während der Sprechstundenzeiten erweitern. Ein begründeter Ausnahmefall liegt vor, wenn die Erstversorgung von Akutfällen auf andere Weise nicht nachhaltig gesichert werden kann. Ein Akutfall liegt vor, wenn dringende, aber nicht lebensbedrohliche Behandlungsbedürftigkeit besteht. In den Kooperationsverträgen nach Satz 1 ist insbesondere festzulegen, dass die Portalpraxen den Versicherten an sieben Tagen pro Woche und 24 Stunden pro Tag zur Verfügung stehen und dass die ärztlichen Tätigkeiten in den Portalpraxen von niedergelassenen Ärzten oder von im Krankenhaus angestellten Ärzten durchgeführt werden. § 14 Absatz 7 Satz 3 des Apothekengesetzes gilt entsprechend. Die in den Portalpraxen erbrachten ärztlichen Leistungen werden nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung vergütet."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelung
Die ambulante Versorgung akuter Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren mit einer jährlichen Steigerungsrate von 8 - 10 Prozent in Richtung Krankenhäuser verschoben. Immer mehr Patienten suchen eigenständig die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf. Dabei handelt es sich zu einem hohen Anteil um Patienten mit dringlichem, aber nicht akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf - also um Patienten, die nach der Festlegung des § 75 SGB V ambulant, im vertragsärztlichen Bereich (einschließlich ärztlichem Bereitschaftsdienst) versorgt werden sollen und können. Stattdessen müssen heute immer mehr dieser Patienten aufgrund Selbsteinweisung auf der höchsten Versorgungsebene "Krankenhaus" versorgt werden. In der Notaufnahme des Krankenhauses entsteht so ein enormer Mehraufwand
- - durch die erforderliche Vorselektion von echten Notfällen, die zur stationären Behandlung weitergeleitet werden müssen sowie
- - durch die Behandlung von akuten, aber nicht lebensbedrohlichen Fällen.
Damit werden von diesen Patienten Ressourcen in Anspruch genommen, die eigentlich für die Versorgung von Patienten mit akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf zur Verfügung stehen sollten. Diese Problematik stellt sich außerhalb, aber in steigendem Maße auch während der Praxisöffnungszeiten.
Die Ursachen dieser Entwicklung liegen u.a. in der häufig eher unrealistischen Erwartung, in der Notaufnahme eines Krankenhauses schneller und umfassender behandelt zu werden als im ambulanten Bereich. Auch ist der Bekanntheitsgrad der für viele Fälle adäquateren Hilfsmöglichkeit, nämlich dem unter "116 117" bundesweit einheitlich erreichbaren ärztlichen Bereitschaftsdienst, noch immer recht gering. Diese Gesamtsituation dürfte zu einem großen Teil auch Folge der sektoralen Trennung und den für Patienten nicht immer klar erkennbaren Zuständigkeiten in der medizinischen Versorgung sein.
Ambulante Notfallpatienten sollen gemäß des in § 75 SGB V den Kassenärztlichen Vereinigungen zugewiesenen Sicherstellungsauftrages rund um die Uhr im vertragsärztlichen Bereich versorgt werden. Der im Gesetz als "Notdienst" definierte ärztliche Bereitschaftsdienst ist Teil des Sicherstellungsauftrages gemäß § 75 Absatz 1 b SGB V. Allerdings umfasst dieser Notdienst derzeit nur die sprechstundenfreien Zeiten, ansonsten sind die Praxen der niedergelassenen Ärzte zuständig. Daher ist auch die telefonische Erreichbarkeit des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (116 117) auf diese Zeiten beschränkt.
In Schleswig-Holstein werden seit 2007 sogenannte "Anlaufpraxen" von der Kassenärztlichen Vereinigung (KVSH) betrieben. In den derzeit 33 Anlaufpraxen, die gleichmäßig über das Land verteilt sind und sich meist in Krankenhäusern befinden, das heißt in räumlicher Nähe zur Notfallambulanz, findet die vertragsärztliche Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Sprechzeiten statt. Es erfolgt also eine Leistungserbringung durch niedergelassene Ärzte im Rahmen des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes in den Räumlichkeiten eines Krankenhauses. Teilweise verbinden diese schleswigholsteinischen Anlaufpraxen heute schon die Notaufnahme und eine für aus eigenem Antrieb das Krankenhaus aufsuchende Patienten eingerichtete Notfallambulanz des Krankenhauses. Dies erfolgt vor allem durch gemeinsame Nutzung des Empfangstresens. Insbesondere durch die letztgenannte Variante können Patienten heute schon deutlich gezielter als früher auf die für ihr Problem angebrachte Versorgungsebene gesteuert werden - allerdings bisher nur außerhalb der Sprechstundenzeiten.
Gleichwohl suchen die Patientinnen und Patienten mit akutem, aber nicht lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf selbständig auch zur regulären Praxisöffnungszeit die Notaufnahmen der Krankenhäuser auf. Eine Öffnung der "Anlaufpraxen" während der regulären Praxisöffnungszeiten ist aber derzeit für die Kassenärztliche Vereinigungen rechtlich nicht möglich. Es ist somit nicht möglich, diese Patientinnen und Patienten jenseits der Notaufnahmen der Krankenhäuser in den "Anlaufpraxen" behandeln zu können. Aus diesem Grund ist die Aufhebung der zeitlichen Beschränkung des insgesamt bewährten Konzeptes notwendig. Ziel muss die Möglichkeit eines 24/7/365-Betriebes für den ärztlichen Bereitschaftsdienst sein, um eine Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser sinnvoll zu erreichen.
Für eine zukunftssichere Ausgestaltung der Notfallversorgung bedarf es einer gezielten, die Sektoren "ambulant" und "stationär" übergreifenden Koordination. Ein geeignetes Instrument dafür könnten im zeitlichen Umfang von den "Anlaufpraxen" zu "Portalpraxen" fortentwickelte Anlaufstellen im Krankenhaus sein, wie sie durch das KHSG durch die Ergänzung des § 75 Absatz 1b SGB V für die sprechstundenfreien Zeiten bereits möglich wurden. Mit diesen "Portalpraxen" im 24/7/365-Betrieb könnte sichergestellt werden, dass alle gesetzlich Krankenversicherten, die eigenständig und aus eigenem Entschluss (ohne Einweisungsschein) eine klinische Notaufnahme aufsuchen, zunächst in der "Portalpraxis" vorgestellt werden. Dort würde dann über die Zuordnung des Patienten zur adäquaten Versorgungsebene entschieden. Dies kann auch dazu führen, dass eine Patientin oder ein Patient lediglich die Information erhält, dass ein Besuch beim Hausarzt oder Facharzt zur Abklärung ausreichend sei. Ziel ist explizit kein Angebot, das den Praxisbesuch bei einer niedergelassenen (Haus-)Ärztin bzw. einem niedergelassen (Haus-)Arzt voll ersetzt.
Strukturell entsprechen diese weiterentwickelten "Portalpraxen" den vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen im Werkstattgespräch im September 2017 vorgeschlagenen integrierten Notfallzentren (INZ). Die Unterschiede bestehen in Folgendem:
- - Der Sachverständigenrat sieht den INZ vorgeschaltete einheitliche Leitstellen für ärztlichen Bereitschaftsdienst und Rettungsdienst vor, die nur noch über eine einheitliche Nummer erreichbar sein sollen. Die heutigen kommunalen Leitstellen des Rettungsdienstes erfüllen jedoch unter "112" ebenso Aufgaben von Brand- und Katastrophenschutz. Ein Auseinanderreißen von Rettungsdienst und Brand- und Katastrophenschutz dürfte ausgesprochen kontraproduktiv sein, was auch seitens des Deutschen Landkreistags zum SVR-Gutachten ausdrücklich bestätigt wird. Der Sachverständigenrat läßt diese Fragestellung bisher offenbar außer Acht. - Nach dem bisher bekannten Modell des Sachverständigenrats sollen Krankenhaus und KV gemeinsam als Träger des INZ agieren, Betreiber soll aber zur Vermeidung von unangemessenen Anreizen zur stationären Versorgung die KV sein. Beim Modell der weiterentwickelten Portalpraxen sollten KV und Krankenhaus ebenfalls gemeinsam Träger sein, wobei es sich rechtlich bei der Portalpraxis um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handeln würde. Diese GbR wäre dann auch Betreiber der Portalpraxis mit eigenem Leistungserbringerstatus, vergleichbar z.B. einem MVZ.
- - Die Finanzierung soll nach den Vorstellungen des Sachverständigenrates durch einen extrabudgetären separaten Finanztopf für sektorenübergreifende Versorgung erfolgen. Beim Modell der weiterentwickelten Portalpraxen sollten die erbrachten ärztlichen Leistungen nach den für Vertragsärzte geltenden Grundsätzen aus der vertragsärztlichen Gesamtvergütung vergütet werden. Unterstützt wird das Konzept der weiterentwickelten Portalpraxen durch verschiedene bereits laufende Bemühungen.
- - Die grundsätzliche Verbesserung der Zusammenarbeit der Leitstellen des Rettungsdienstes mit der Leitstelle des ärztlichen Bereitschaftsdienstes ist ein bundesweit mit verschiedenen Instrumenten angestrebtes Ziel. - Die Ärztekammern der Länder diskutieren intensiv darüber, das in den ärztlichen Berufsordnungen verankerte Verbot der sog. "Fernbehandlung ohne vorigen persönlichen Erstkontakt" aufzuheben. Möglich werden soll so auch ein 24-stündiger Betrieb der bundeseinheitlichen Rufnummer "116 117" des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, der dann bei Bedarf auch Fernbehandlung beinhalten würde. Damit wäre für Hilfesuchende der direkte Weg zur "112" nicht mehr so naheliegend wie heute, und die Rettungsleitstellen könnten durchgehend bei akuten, aber nicht lebensbedrohlichen Beschwerden an den ärztlichen Bereitschaftsdienst weiterleiten.
- - In einem im Februar 2017 bewilligten Innovationsfondsprojekt ("Implementierung einer standardisierten Ersteinschätzung als Basis eines DEMAND Managements in der ambulanten Notfallversorgung", Akronym: DEMAND), an dem zehn Kassenärztliche Vereinigungen beteiligt sind, soll ein standardisiertes Instrument zur Einschätzung des tatsächlichen Versorgungsbedarfs an bestimmten Erstkontaktstellen zur (ambulanten) Notfallversorgung sowie der anschließenden Steuerung von Patienten entwickelt werden.
II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs
Die neue Regelung setzt auf die seit 01.01.2016 aufgrund der Änderung des § 75 Absatz 1 b Satz 2 SGB V geforderte Errichtung von Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern oder Einbindung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser in den ärztlichen Bereitschaftsdienst auf.
Durch Änderungen in den §§ 75 und 105 SGB V soll in begründeten Ausnahmefällen die Möglichkeit der Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser auch während der Sprechstundenzeiten geschaffen werden. Die jetzt schon möglichen Kooperationsverträge gemäß § 75 Absatz 1 b Satz 2 sind um die unmittelbare ambulante medizinische Versorgung der Versicherten in diesen Einrichtungen (Portalpraxen) in Fällen einer notwendigen medizinischen Akutversorgung auch während der Sprechstundenzeiten zu erweitern.
III. Alternativen
Keine.
IV. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 Grundgesetz.
V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und mit den völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland geschlossen hat, vereinbar.
VI. Gesetzesfolgen
1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung
Die Änderungen dienen der besseren Koordination zwischen ambulantem und stationärem Bereich und somit der besseren Lenkung von Patienten zur richtigen Versorgungsebenen. Damit stellen diese Änderungen einen Beitrag zur Vereinfachung des Gesundheitswesens aus Sicht des Patienten dar.
2. Nachhaltigkeitsaspekte
Die Neuregelungen dienen dem Erhalt und der Verbesserung der Notfallversorgung, die unter anderem wegen des demografischen Wandels immer mehr in Anspruch genommen wird. Zugleich erfordert der sich auch aus Gründen des demografischen Wandels verstärkende Fachkräftemangel einen effizienteren Einsatz insbesondere der personellen Ressourcen. Mithin dient das Vorhaben der nachhaltigen Sicherung der Notfallversorgung.
3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Die Regelungen dieses Gesetzes führen zu keinen zusätzlichen Haushaltsbelastungen auf Bundesebene. Vielmehr sollen Ressourcen zielgerichteter eingesetzt werden und so letztlich möglicherweise sogar Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung eingespart werden, indem nämlich Versicherte nicht mehr auf der teuersten Versorgungsebene "Krankenhaus" versorgt werden, wenn dies gar nicht erforderlich ist.
4. Erfüllungsaufwand
Das Gesetz betrifft die Lenkung der Patientinnen und Patienten zur angemessenen Versorgungsebene, Erfüllungsaufwand für Patientinnen und Patienten ergibt sich aus den Änderungen nicht. Erfüllungsaufwand für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ist ebenfalls nicht erkennbar. Für Krankenhäuser und kassenärztliche Vereinigungen entsteht dann, wenn sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, möglicherweise die Notwendigkeit baulicher Veränderungen und in geringem Umfang personeller Umstrukturierungen.
5. Weitere Kosten
Auswirkungen auf die Wirtschaft, auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
VII. Zustimmungsbedürftigkeit
Liegt nicht vor.
VIII. Befristung, Evaluation
Es handelt sich hier nicht um ein Modellprojekt, sondern um eine neu zu schaffende Möglichkeit zur Entlastung der Notaufnahmen der Krankenhäuser zur besseren Lenkung der Patienten. Letztlich ist diese Möglichkeit im Gesamtkontext der Umgestaltung der Notfallversorgung zu sehen. Die politische Diskussion zur Umgestaltung der gesamten Notfallversorgung steht noch am Anfang. Für Befristung und Evaluation ist dieser Einzelbaustein ungeeignet.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des 5. Buches des Sozialgesetzbuchs)
Zu Nummer 1 a (§ 75 Absatz 1 b Satz 1)
In § 75 Absatz 1 b Satz 1 SGB V soll klargestellt werden, dass der Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auch die in § 105 Absatz 6 SGB V definierte Akutversorgung umfasst. Die ausdrückliche Nennung dieser Versorgungsart wurde erforderlich, da ein hoher und weiter steigender Anteil von Patienten mit dringlichem, aber nicht akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf inzwischen direkt die Notaufnahmen der Krankenhäuser aufsucht und damit Ressourcen in Anspruch nimmt, die eigentlich für die Versorgung von Patienten mit akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf zur Verfügung stehen sollten. Die Patienten mit dringlichem, aber nicht akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf sind vielmehr nach § 75 SGB V ambulant im vertragsärztlichen Bereich zu versorgen. Durch durchgehend geöffnete Portalpraxen können diese Patienten trotz Erstkontakt mit dem Krankenhaus gezielt in die ambulante Versorgung als die angemessene Versorgungsebene geleitet werden. In der Portalpraxis ist nur eine Akutversorgung zu leisten, aber keine den Praxisbesuch vollständig ersetzende Versorgung.
Zu Nummer 1 b (§ 75 Absatz 1 b Satz 3)
Durch die Anfügung des neuen Halbsatzes an § 75 Absatz 1 b Satz 3 SGB V soll klargestellt werden, dass bei Vorliegen entsprechender Kooperationsverträge auch die Akutversorgung eine Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung darstellt.
Zu Nummer 2 (§ 105 Absatz 6)
Durch die Anfügung des neuen Absatzes 6 an § 105 SGB V wird die Rechtsgrundlage für ein weiteres Instrument zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung geschaffen, da es sich herausgestellt hat, dass es heute konkrete Bedarfe zwischen regulärer vertragsärztlicher Versorgung und Notfallversorgung gibt, nämlich die notwendige medizinische Akutversorgung. Die aufgrund der Neuregelung möglichen Kooperationsverträge setzen an der Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer Versorgung an. Die richtige Steuerung der Patienten an die ihrem konkreten Bedürfnis entsprechende Versorgungsebene soll durch die durchgehend geöffneten Portalpraxen erfolgen können. Dadurch soll es erleichtert werden, dass Krankenhäuser ihre Ressourcen für ihre eigentliche Aufgabe in der Notfallversorgung einsetzen können, nämlich die Behandlung von Patienten mit akut lebensbedrohlichem Behandlungsbedarf.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Das Gesetz soll am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.