Der Bundesrat hat in seiner 992. Sitzung am 3. Juli 2020 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates für einen zielorientierten Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen adäquaten Rahmen für den Übergang in die Post-EEG-Phase
- 1. Zwei Jahrzehnte nach Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) würdigt der Bundesrat den großen Erfolg dieses Gesetzes bezüglich des Ausbaus der Erneuerbaren Energien in Deutschland. Das EEG hat maßgeblich dafür gesorgt, dass der bilanzielle Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 6,2 Prozent im Jahr 2000 auf 42,2 Prozent im Jahr 2019 angestiegen ist.
- 2. Der Bundesrat stellt zugleich fest, dass im anstehenden Jahrzehnt ein ambitionierter Ausbau der Erneuerbaren Energien erforderlich ist, um den sowohl aus klimapolitischer Sicht als auch im Hinblick auf die Gewährleistung einer sicheren und preisgünstigen Energieversorgung erforderlichen Anteil der Erneuerbaren Energien in Höhe von mindestens 65 Prozent des Bruttostromverbrauchs bis zum Jahr 2030 zu erreichen.
- 3. Der Bundesrat stellt fest, dass der Strombedarf aufgrund der Sektorkopplung und der Elektrifizierung von industriellen Fertigungsprozessen ansteigen wird. Der Bundesrat verweist diesbezüglich auf den im Januar 2020 von den Übertragungsnetzbetreibern vorgelegten Entwurf des Szenariorahmens Strom 2021 (2035), nach dem der Bruttostromverbrauch von derzeit rund 575 TWh bis zum Jahr 2035 auf 637 TWh bis 739 TWh ansteigen wird.
- 4. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, unverzüglich eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zur Anpassung der Ausbaupfade für die Erneuerbaren Energieträger vorzulegen, damit - unter Berücksichtigung des ansteigenden Strombedarfs - eine für alle Akteure planungssichere Erreichung des 65 Prozent-Ziels bis zum Jahr 2030 sichergestellt wird.
- 5. Der Bundesrat stellt darüber hinaus fest, dass ab 2021 Windenergieanlagen sukzessive aus der Förderung nach dem EEG herausfallen und betont, dass für diese Anlagen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um Stilllegungen ohne Ersatzneubau möglichst zu vermeiden.
- 6. Aus Sicht des Bundesrates kann der Weitertrieb bzw. das Repowering bestehender Windenergieanlagen, die in den nächsten Jahren aus der bisherigen Förderung nach dem EEG fallen, einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten.
- 7. Vor diesem Hintergrund betont der Bundesrat die Notwendigkeit, für Windenergieanlagen, bei denen unter den derzeitigen Voraussetzungen ein standortgleicher Ersatz durch eine Neuanlage aus planungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist und baurechtlich ein Weiterbetrieb zulässig ist, wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen.
- 8. Aus Sicht des Bundesrates sollten hierfür die Rahmenbedingungen für Power Purchase Agreements (PPA) und die regionale Grünstromvermarktung verbessert werden, um die Voraussetzungen für einen wettbewerblichen Grünstrommarkt zu schaffen.
- 9. Um bestehende und akzeptierte Anlagenstandorte weitestgehend zu erhalten, spricht sich der Bundesrat dafür aus, genehmigungsrechtliche Voraussetzungen (zum Beispiel beim Artenschutz) für ein vereinfachtes Repowering-Verfahren zu schaffen.
Begründung:
Am 1. April 2000 trat das so gennannte Erneuerbare-Energien-Gesetz als zentrale Säule für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Stromsektor in Kraft. In der Folge wurde bis zum Jahr 2019 eine Verzehnfachung der installierten Leistung im Bereich der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und ein bundesweiter bilanzieller Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in Höhe von 42,3 Prozent erreicht.
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien bleibt zugleich eine zentrale Voraussetzung zur Umsetzung der Klimaziele. In ihrem Klimaschutzprogramm 2030 bekennt sich die Bundesregierung zu dem Ziel, den bilanziellen Anteil der Erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch bis zum Jahr 2030 auf mindestens 65 Prozent zu erhöhen. Um dieses Ziel mit der für alle betroffenen Akteure erforderlichen Planungssicherheit umsetzen zu können, bedarf es unverzüglich der gesetzlichen Festlegung adäquater Ausbaupfade für die einzelnen erneuerbaren Energieträger. Dabei sind auch neueste Erkenntnisse zur Entwicklung des Stromverbrauchs aus dem Entwurf des Szenariorahmens Strom 2021 (2035) einzubeziehen. Danach steigt der Stromverbrauch in den kommenden 15 Jahren aufgrund der zunehmenden Sektorkopplung und der zunehmenden Elektrifizierung von industriellen Fertigungsprozessen deutlich an. Die im Klimaschutzplan 2030 benannten Zielgrößen für das Jahr 2030 (Wind Onshore: 67 bis 71 Gigawatt, Wind Offshore: 20 Gigawatt, PV: 98 Gigawatt, Biomasse: 8,4 Gigawatt, Wasserkraft und Sonstige: 6 Gigawatt) müssen entsprechend nach oben angepasst und in Form jahresscharfer Ausbaumengen im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankert werden.
Die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz ist auf 20 Jahre zuzüglich des Inbetriebnahmejahres begrenzt. Daher werden ab 2021 ältere Anlagen sukzessive aus der Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz herausfallen. Neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien muss daher auch der Weiterbetrieb von Anlagen in der Post-EEG-Phase verstärkt in den Fokus genommen werden. Dieser Weiterbetrieb ist gerade in der anstehenden Umbruchphase im Bereich der Stromversorgung, in der der Kernenergieausstieg abgeschlossen und auch der Kohleausstieg schrittweise vollzogen wird, von erheblicher Bedeutung für eine sichere und preisgünstige Stromversorgung. Daher gilt es geeignete Bedingungen für wirtschaftliche Alternativkonzepte zu schaffen, die einen Weiterbetrieb dieser Anlagen ermöglichen. Hierzu sollten zum einen die Rahmenbedingungen für regionale Grünstromvermarktung und PPA verbessert werden, um die Voraussetzung für einen wettbewerblichen Grünstrommarkt zu schaffen, auf dem neue Finanzierungs- und Erlösstrategien entwickelt werden können. Zum anderen sollte im Sinne des Erhalts bestehender Standorte das Repowering genehmigungsrechtlich vereinfacht werden und Voraussetzungen für ein Repowering auch mit Anlagen der 2-Megawatt-Klasse geschaffen werden.