830. Sitzung des Bundesrates am 16. Februar 2007
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A), der Finanzausschuss (Fz) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, darauf hinzuwirken, dass der Verordnungsvorschlag des Europäischen Parlaments und des Rates über Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln zurückgezogen wird.
Begründung
:Der vorliegende Verordnungsvorschlag zeigt aus Sicht der amtlichen Statistik keinen nachvollziehbaren Weg auf, wie die Zielsetzung, die die Einführung einer obligatorischen Datenerhebung, die Berechnung harmonisierter Risikoindikatoren sowie die Ermittlung der Fortschritte im Hinblick auf eine nachhaltigere Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der gesamten Gemeinschaft ermöglicht, erreicht werden kann. Daher fehlen auch brauchbare Anhaltspunkte dafür, welche Belastungen und welche Kosten auf nationaler Ebene damit verbunden sind.
Dieser Empfehlung widerspricht der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union mit folgender
Begründung
:Die Forderung an die Bundesregierung, die Kommission aufzufordern, einen bereits im Verhandlungsprozess befindlichen Vorschlag für eine Verordnung zurückzuziehen, ist ein auf EU-Ebene sehr unübliches Verfahren und würde den Ruf der Bundesregierung als seriöser Verhandlungspartner in Frage stellen. Insbesondere während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erscheint ein solches Vorgehen nicht opportun. Die berechtigte fachliche Kritik an dem Vorschlag findet sich in den Stellungnahmen von EU, A und Fz wieder. Ziffer 4 enthält darüber hinaus eine Aufforderung an die Bundesregierung, sich im Verhandlungsprozess gegen den Vorschlag auszusprechen.
- 2. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass künftig erstmalig in allen Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen detaillierte Daten über Verkäufe und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ermittelt werden sollen. Mittels dieser obligatorisch erhobenen Daten soll eine Berechnung harmonisierter Risikoindikatoren inklusive einer Fortschrittsermittlung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in allen Mitgliedstaaten der EU erfolgen.
- 3. Der Bundesrat hat bereits mit Beschluss vom 22. September 2006 (BR-Drucksache 527/06(B) ) zu Artikel 14 des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über einen Aktionsrahmen der Gemeinschaft für den nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (KOM (2006) 373 endg.; Ratsdok. 11896/06) festgestellt, dass die in Artikel 14 erwähnte, von der Kommission geplante Statistik-Verordnung zu einer erheblichen Erhöhung des Kontroll- und Verwaltungsaufwands und damit der Kosten in den Ländern führt.
- 4. Mit dem vorliegenden Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Statistiken zu Pflanzenschutzmitteln werden nun die bestehenden Vorbehalte des Bundesrates gegen diese Verordnung bestätigt. Des Weiteren ist die Verordnung im Sinne des Sechsten Umweltaktionsprogramms und der "Thematischen Strategien zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden" als nicht zielführend anzusehen. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich weiterhin mit Nachdruck gegen diese Verordnung auszusprechen.
- 5. Die Pflanzenschutzmittelstatistik ist als Indikator zur Erfassung einer umweltschonenden Verwendung von Pflanzenschutzmitteln ungeeignet. Die vorgesehene Datenerhebung trägt nicht zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln oder deren Reduzierung bei.
- 6. Der Aufwand und die Kosten für die Datenerhebung sind zu hoch und für das vorgesehene Ziel ineffizient und nicht erforderlich, zumal nach der Richtlinie 91/414/EWG, die gegenwärtig überarbeitet wird, die Hersteller, Inverkehrbringer und Einführer von Pflanzenschutzmitteln bereits jetzt schon verpflichtet sind, die jährlich produzierten, gehandelten und eingeführten Mittelmengen der Zulassungsbehörde zu melden. Es wäre ausreichend, wenn dieses exakte System EU-weit umgesetzt würde.
Durch die Verknüpfung dieser Daten mit den aktuellen Anbauflächen der jeweiligen Kulturen könnten die dort ausgebrachten Mittelmengen abgeschätzt werden.
- 7. Die Verpflichtung der Inverkehrbringer von Pflanzenschutzmitteln zur Meldung von Daten zum Verkauf von Pflanzenschutzmitteln ist in Deutschland bewährte Praxis. Diese Daten sind mit vertretbarem Aufwand zu ermitteln und erlauben bei mehrjähriger Betrachtung eine zuverlässige Beurteilung der mengenmäßigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft.
- 8. Die Ermittlung von Risikoindikatoren für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft ist grundsätzlich sinnvoll und im Rahmen der thematischen Strategie zur nachhaltigen Nutzung von Pflanzenschutzmitteln zu begrüßen. Solche Risikoindikatoren lassen sich - wie die Erfahrungen aus den so genannten NEPTUN-Erhebungen in Deutschland zeigen - jedoch auch auf Basis von freiwilligen Stichprobenerhebungen mit ausreichender Genauigkeit und Zuverlässigkeit ermitteln. Hierzu bedarf es keiner verpflichtenden Erhebung in allen landwirtschaftlichen Betrieben oder zur Einführung von Meldepflichten auf Grundlage einer Buchführung über die Verwendung der Pflanzenschutzmittel. Die Bundesregierung wird gebeten, sich in diesem Sinne für einen Verzicht auf obligatorische Erhebungen oder Meldepflichten über die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln und für die Nutzung freiwilliger Stichprobenerhebungen einzusetzen.
- 9. Die Einführung neuer statistischer Pflichten für eine Vielzahl von Betrieben der Landwirtschaft und des Gartenbaus widerspricht dem Streben von Bund und Ländern nach Abbau von Bürokratie und Verringerung administrativer Belastungen der Wirtschaft und ist abzulehnen.
- 10. Die Hinweise zur Verordnung beinhalten u. a. auch den Widerspruch, dass zum einen ein EU-weit harmonisierter, vergleichbarer Datenpool notwendig ist, andererseits den Mitgliedstaaten aber eine ausreichende Flexibilität eingeräumt werden soll, wobei sich die Erhebungsverfahren erheblich unterscheiden können (z.B. Schätzung, repräsentative Erhebung). Eine Vergleichbarkeit bzw. Kombination der Datensätze aller Mitgliedstaaten wird zumindest auf Anwenderebene auf Grund unterschiedlicher örtlicher Gegebenheiten nicht zu erreichen sein.
- 11. In Anbetracht der Tatsache, dass aus Personal- und Kostengründen wichtige statistische Erhebungsverfahren eingestellt und abgebaut werden müssen, kann dem Vorschlag der Verordnung nicht zugestimmt werden, zumal dadurch keine besseren Erkenntnisse als die bereits vorhandenen gewonnen werden. Ein Beitrag zur Reduzierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln ist ebenso wenig zu erwarten wie eine bessere Markttransparenz. Die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten sind daher den Betroffenen (Industrie, Handel, Landwirtschaft) auch nicht vermittelbar.
B
- 12. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.