Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 308157 - vom 7. Juni 2005. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 28. April 2005 angenommen.
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Modernisierung des Sozialschutzes und zur Entwicklung einer hochwertigen Gesundheitsversorgung (2004/2189(INI))
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission zur Modernisierung des Sozialschutzes für die Entwicklung einer hochwertigen, zugänglichen und zukunftsfähigen Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege: Unterstützung der einzelstaatlichen Strategien durch die "offene Koordinierungsmethode" (KOM (2004) 0304),
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2000 zu der Mitteilung der Kommission über "Eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes" 1,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. Januar 2003 zu der Mitteilung der Kommission zur Zukunft des Gesundheitswesens und der Altenpflege: Zugänglichkeit, Qualität und langfristige Finanzierbarkeit sichern2,
- - unter Hinweis auf die Tagung des Europäischen Rates in Brüssel vom 20. bis 21. März 2003 und die Schlussfolgerungen der vorhergehenden Tagungen des Europäischen Rates in Lissabon, Göteborg und Bärcelona über die Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege,
- - unter Hinweis auf das Weißbuch der Kommission zur Daseinsvorsorge (KOM (2004) 0374),
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über die "Stärkung der sozialen Dimension der Lissabonner Strategie: Straffung der offenen Koordinierung im Bereich Sozialschutz" (KOM (2003) 0261),
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. März 2004 zu der Mitteilung der Kommission über einen Vorschlag für einen gemeinsamen Bericht
"Gesundheitsversorgung und Altenpflege: Unterstützung nationaler Strategien zur Sicherung eines hohen Sozialschutzniveaus"3,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie der Stellungnahme des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (A6-0085/2005),
A. in der Erwägung, dass das Recht auf Gesundheit ein Grundrecht ist, das auch in Artikel II-95 des derzeit zur Ratifizierung anstehenden Vertrags über eine Verfassung für Europa4 verankert ist, und in der Erwägung, dass die Charta der Grundrechte der Europäischen Union5 das Recht jeder Person auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge sowie auf ärztliche Versorgung anerkennt, sowie das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen, kulturellen und Arbeütsleben,
B. in der Erwägung, dass die Gesundheit eines jeden Menschen in allen Phasen und Situationen seines Lebens ein eigener Wert und eine der Grundvoraussetzungen für seinen aktiven Beitrag zur Gesellschaft ist, und in der Erwägung, dass die öffentliche Gesundheit Teil unseres gesellschaftlichen Wertesystems ist und ihre Erhaltung eine der grundlegendsten Aufgaben der Gesellschaft ist,
C. in der Erwägung, dass die Gesundheit von vielen Faktoren beeinflusst wird, zu denen unter anderem die genetische Prädisposition, der Lebensstil und die soziale Situation gehören, und in der Erwägung, dass die Gesundheitsversorgung nur begrenzt zum allgemeinen Gesundheitszustand des Einzelnen beiträgt (in diesem Zusammenhang wird oft ein Prozentsatz von 10 % genannt),
D. in der Erwägung, dass die Gewissheit, dass eine angemessene Gesundheitsversorgung bei Bedarf verfügbar ist, für die reibungslose Funktionsfähigkeit des Einzelnen in der Gesellschaft in allen Phasen und allen Situationen des Lebens unerlässlich ist,
E. in der Erwägung, dass die Freizügigkeit (einschließlich von Arbeitnehmern) eines der Grundprinzipien der Europäischen Union und zugleich von wesentlicher Bedeutung für die weitere Entwicklung sowohl der einzelnen Mitgliedstaaten als auch der Union als Ganzes ist, und in der Erwägung, dass durch die offene Koordinierung der Sozialsysteme das Vertrauen der Bürger in die Verfügbarkeit und Qualität der Gesundheitsversorgung infolge ihrer grenzüberschreitenden Mobilität gestärkt werden kann,
F. in der Erwägung, dass es nicht zuletzt infolge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu einer vermehrten Mobilität bei den Patienten und der Inanspruchnahme grenzüberschreitender Leistungen kommen wird und dass diese Entwicklung, zusammen mit einer Vertiefung des Binnenmarktes, immer größere Auswirkungen auf die nationalen Gesundheitssysteme haben wird, deren Grundsätze und Ziele hierdurch nicht gefährdet werden dürfen,
G. in der Erwägung, dass die Europäische Krankenversicherungskarte geeignet ist, die Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union zu gewährleisten, auch wenn die einzelstaatlichen Sozialsysteme sehr unterschiedliche Strukturen haben,
H. in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof mehrfach den Anspruch von Patienten auf Erstattung von Kosten für die ärztliche Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt hat, wobei er jedoch zwischen einer Behandlung in und außerhalb eines Krankenhauses unterschieden hat, und damit die Wahrnehmung dieses Anspruchs an bestimmte Bedingungen geknüpft hat, die insbesondere für finanzielle Ausgewogenheit und soziale Sicherheit sorgen sollen, stets mit dem Ziel, einen hohen Standard beim Gesundheitsschutz zu gewährleisten,
I. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner genannten Entschließung vom 11. März 2004 die Mitgliedstaaten aufgefordert hat, ihre öffentlichen und privaten Behandlungs- und Pflegeeinrichtungen durch die Wahrnehmung des im Herkunftsland des Patienten verfügbaren Gesamtangebots zu verstärken,
J. in der Erwägung, dass die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten auf den Grundsätzen der Gleichheit und der Solidarität beruhen, welche eine angemessene und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege gebieten, die allen Bürgern zur Verfügung steht und die unabhängig von ihrem Alter oder ihren finanziellen Mitteln auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten ist,
K. in der Erwägung, dass die Förderung eines hohen Sozialschutzniveaus beständiges Ziel der Union ist und eine effektivere Zusammenarbeit im Bereich Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege zur nachhaltigen Modernisierung des europäischen Sozialmodells und zu größerem sozialem Zusammenhalt beiträgt; und in der Erwägung, dass es sich bei der Gesundheitsversorgung und der Langzeitpflege um Leistungen der Daseinsvorsorge handelt, bei denen dem Grundsatz der Solidarität Vorrang einzuräumen ist,
L. in der Erwägung, dass die Gesundheitssysteme als Teil der sozialen Sicherungssysteme der Mitgliedstaaten den Herausforderungen aufgrund neuer Diagnose- und Therapiemethoden, der Bevölkerungsalterung (d.h. einem enormen Zuwachs der Zahl der sehr Alten und Gebrechlichen, die eine bedarfsgerechte Beurteilung ihres Gesundheitszustands und entsprechende Versorgung benötigen), der steigenden Erwartungen der Öffentlichkeit und der Sicherung des universellen Zugangs für alle Bürger zu diesen Systemen begegnen müssen,
M. in der Erwägung, dass die Überalterung der im Gesundheitswesen Tätigen in einigen Mitgliedstaaten eine Herausforderung darstellen, wie das Altern vieler, die unbezahlte Pflegeleistungen erbringen,
N. in der Erwägung, dass die neuen Diagnose- und Therapiemethoden nicht nur das finanzielle Gleichgewicht der Gesundheitssysteme gefährden, sondern auch im stetigen Kampf der Menschheit gegen Krankheit und Alter neue Perspektiven eröffnen und neue Hoffnung geben; dass jedoch auch die steigende Altersarmut mit berücksichtigt werden muss,
0. in der Erwägung, dass die Vorbeugung die effektivste und effizienteste Form der Gesundheitsversorgung ist, und in der Erwägung, dass erschwingliche, für jeden zugängliche und qualitativ hochwertige Vorbeugemaßnahmen zu einer Erhöhung der mittleren Lebenserwartung, einer Senkung der Krankheitshäufigkeit sowie niedrigeren Gesundheitsausgaben führen und zur langfristigen Finanzierbarkeit der Gesundheitssysteme beitragen,
P. in der Erwägung, dass zwar die große Mehrheit der älteren Menschen gesund und unabhängig lebt, allerdings eine erhebliche Anzahl nach wie vor an Krankheiten und unter Behinderung leiden und daher Zugang zu gut integrierten Sozial- und Gesundheitsdiensten von hoher Qualität benötigen, die eine angemessene geriatrische (multidisziplinäre und ganzheitliche) Bewertung bieten, was das einzige Mittel darstellt, um Einschränkungen abzubauen und für Angehörige dieser Bevölkerungsgruppe unnötige Langzeitpflege zu verhindern,
Q. in der Erwägung, dass der einzelne Patient Dreh- und Angelpunkt des Gesundheitswesens ist und jener Empfänger der Gesundheitsdienstleistungen ist, für die er entweder direkt oder in Form von Versicherungsbeiträgen oder Steuern zahlt; in der Erwägung, dass die breite Bevölkerung ein äußerst hohes Interesse an der Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Angemessenheit und Qualität der Gesundheitsversorgung hat und deshalb 1aufend und vollständig informiert werden muss sowie ein Mitspracherecht und eine Wahlmöglichkeit - bei den Behandlungsmöglichkeiten und der Inanspruchnahme haben muss,
R. in der Erwägung, dass die Qualität der Gesundheitsversorgung vor allem von dem Aus- und Fortbildungsniveau der Angehörigen der Gesundheitsberufe, ihren angemessenen Arbeits - und Arbeitsschutzbedingungen, der Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Diagnose- und Therapietechnologien, der Organisation der Gesundheitsdienste sowie der Qualität der Kommunikation und des Informationsaustauschs zwischen den Gesundheitsdienstleistern und den Patienten abhängt,
S. in der Erwägung, dass angesichts der enormen Zunahme der gebrechlichen älteren Menschen ein dringender Bedarf an Ausbau und der Förderung gerontologischer und geriatrischer Ausbildung in Ausbildungsprogrammen sowohl vor der Graduierung als auch in postgraduellen Ausbildungsprogrammen besteht, um alle Angehörigen der Gesundheitsberufe mit dem Fachwissen und den Fähigkeiten auszustatten, die für eine bessere und angemessenere Versorgung dieser Gruppe erforderlich sind,
T. in der Erwägung, dass das Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2003-2008) einen allgemeinen Rahmen für gesundheitspolitische Maßnahmen und medizinische Versorgung bietet, und zwar unter anderem auf der Basis der Gesundheitsförderung und Primärprävention, der Beseitigung gesundheitsgefährdender Faktoren, der Berücksichtigung eines hohen Gesundheitsschutzes bei der Ausarbeitung und Umsetzung aller sektoralen Politiken sowie der Bekämpfung von sozialen Ungleichheiten als Ursache von Gesundheitsproblemen,
U. in der Erwägung, dass die Gesundheit ebenso wie die Wirtschaft ein äußerst wichtiges Wissens- und Forschungsgebiet ist, dass sie ein sehr breites Feld für die wissenschaftliche Entwicklung und Forschung und zugleich für die alltägliche Anwendung der Forschungsergebnisse bietet und dass sie einen Wirtschaftszweig darstellt, der einen nennenswerten Beitrag zur Arbeitsplatzbeschaffung und wirtschaftlichen Wertschöpfung leistet,
V. in der Erwägung, dass ergänzend zur Grundlagenforschung ein starker Bedarf an klinischer Forschung besteht, die sich mit den derzeitigen Gesundheitsproblemen einer wachsenden Zahl gebrechlicher älterer Menschen befasst und auf die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden abzielt, um die wirksamste und wirkungsvollste Versorgung zu bieten und zu einer hohen Lebensqualität beizutragen,
W. in der Erwägung, dass die Gesundheit ein unmittelbar mit dem Wirtschaftswachstum und der nachhaltigen Entwicklung verbundener Sektor ist und daher nicht nur als ein Kostenfaktor, sondern auch als eine mit einer wirksamen Gesundheitspolitik zu verwirklichende produktive Investition zu betrachten ist,
X. in der Erwägung, dass die Zusammenarbeit im Gesundheitswesen ein Teil der Bemühungen für ein gesünderes Europa ist, und dass es vor allem in der Verantwortung der Mitgliedstaaten liegt, diese zu organisieren; um eine hochqualitative, allgemein zugängliche und nachhaltige Gesundheitsversorgung zu verbessern bzw. zu entwickeln, muss ein Erfahrungsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten stattfinden; die Gesundheitsversorgung sollte in der Lissabon-Strategie einen bedeutenden Stellenwert einnehmen,
Y. in der Erwägung, dass der häusliche Pflegedienst, der die Betreuung im vertrauten familiären Umfeld ermöglicht, immer stärker nachgefragt wird und eine sinnvolle Ergänzung zum stationären Dienst ist und dass er eine wichtige Dienstleistung mit großem Beschäftigungspotenzial darstellt,
Z. in der Erwägung, dass es in der Mitteilung der Kommission über die Sozialpolitische Agenda (KOM (2000) 0379) heißt, dass die Einführung der sozialen Krankenversicherung ein wesentliches Element der Gesundheitsreform war, und dass herausgestellt wird, dass sieben von zehn neuen Mitgliedstaaten ein System auf Versicherungsbasis einem System auf Steuerbasis vorziehen,
- 1. stellt fest, dass die Kommission unter anderem im Rahmen der offenen Methode der Koordinierung die nationalen und gegebenenfalls die regionalen Regierungen bei der Entwicklung und Reform der Gesundheitssysteme unterstützen will, und fordert in diesem Zusammenhang, dass die uneingeschränkte Souveränität der nationalen und gegebenenfalls der regionalen Regierungen bei der Organisation der Gesundheitssysteme voll respektiert wird, insbesondere die verschiedenen Finanzierungssysteme, damit diese gemeinsam definierte Ziele zur Modernisierung der Sozialschutzsysteme erreichen können;
- 2. weist darauf hin, dass bei dem Prozess der offenen Methode der Koordinierung weder die Kompetenzen der Mitgliedstaaten im Sozialschutzbereich aufgeweicht noch der Grundsatz der Subsidiarität unterlaufen werden darf; auch in Zukunft muss jeder Mitgliedstaat selbst entscheiden, wie gemeinsam definierte Ziele zur Modernisierung der Sozialschutzsysteme zu erreichen sind;
- 3. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, bei der Festlegung der gemeinschaftlichen Ziele und Indikatoren der Bedeutung von Prävention und Gesundheit stärker Rechnung zu tragen;
- 4. kritisiert, dass die offene Methode der Koordinierung in ihrer geplanten Ausgestaltung im Gesundheitsbereich, insbesondere durch die rastermäßige Datenerfassung, die administrativen Kapazitäten der Mitgliedsstaaten deutlich überfordert; schlägt vor, dass die Datenerfassung sich zunächst auf wenige besonders relevante Bereiche erstrecken soll;
- 5. begrüßt den Beschluss des Rats zur Anwendung der offenen Methode der Koordinierung im Bereich Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege; bekräftigt seine Zustimmung für die drei grundsätzlichen Ziele - allgemeiner Zugang unabhängig von Einkommen oder Vermögen, hochwertige Qualität und langfristige Finanzierbarkeit; fordert die Mitgliedstaaten auf, diese Prioritäten ausdrücklich als solche auszuweisen und die Bereitstellung einer universellen und erschwinglichen Gesundheitsversorgung ohne unangemessene Wartelisten zu gewährleisten, und weist darauf hin, dass nachhaltige Bemühungen erforderlich sind, um diese Ziele miteinander in Einklang zu bringen; ist der Auffassung, dass die Rechte der Bürger auf gleichwertige Gesundheitsversorgung in jedem Mitgliedstaat verstärkt werden müssen; fordert jeden Mitgliedstaat auf, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass diese Rechte beachtet werden und dass vor allem Urlaubern nicht gegen ihren Willen und unter Verstoß gegen ihre Rechte kostspielige private Behandlungen aufgezwungen werden;
- 6. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, aktive Schritte zur Behandlung der Gesundheitsbedürfnisse der ärmsten Mitglieder der Gesellschaft und deren Zugang zur Gesundheitsversorgung in Erwägung zu ziehen; weist darauf hin, dass eine universelle Erfassung auf Solidarität beruhen und ein Sicherheitsnetz gegen Armut und soziale Ausgrenzung schaffen muss, vor allem zu Gunsten derjenigen mit niedrigem Einkommen und derjenigen, deren Gesundheitszustand aufwändige, dauernde oder kostspielige Pflege erfordert, einschließlich Palliativmedizin und Sterbebegleitung;
- 7. bedauert, dass die Kommission die Modernisierung des Sozialschutzes im Bereich der Gesundheitsversorgung im Wesentlichen aus der Perspektive der Erfordernisse des Stabilitätspaktes betrachtet; bedauert, dass die Kommission in ihrem Text weder auf die Entwicklung der Ausgaben für die Gesundheitsversorgung in den verschiedenen Bereichen (Behandlungen, Krankenhauspflege usw.) noch auf die Auswirkungen der Prävention in den einzelnen Mitgliedstaaten eingeht;
- 8. teilt die Auffassung, dass die Gesundheitssysteme in der Union aufgrund des medizinischtechnischen Fortschritts, der demographischen Entwicklung, insbesondere der wachsenden Zahl gebrechlicher älterer Menschen, die an Mehrfacherkrankungen leiden, die häufig durch ungünstige soziale Umstände erschwert werden, der steigenden Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen und medizinischen Produkten sowie der immer größeren Mobilität der Unionsbürger vor gemeinsamen Herausforderungen stehen;
- 9. ist der Meinung, dass das zunehmende Altern eine Herausforderung darstellt und zugleich als Chance genutzt werden sollte, Menschen mit ihren langjährigen und wertvollen Erfahrungen im Rahmen des "active aging" stärker in die Gesellschaft und die Unternehmen einzubinden;
- 10. weist darauf hin, dass die steigende Lebenserwartung für die Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur besser koordinierte medizinische Leistungen und Pflegedienstleistungen erfordert;
- 11. erkennt an, dass eine zunehmend mobile Bevölkerung in der Gemeinschaft und Einwanderer aus anderen Ländern eine administrative Herausforderung darstellen können;
- 12. betont die ausschlaggebende Bedeutung der Vorbeugung und der bezahlbaren individuellen Gesundheitsversorgung für eine wirksame Krankheitsbekämpfung und fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die Koordinierung der Programme der Gesundheitsprävention für unterschiedliche Altersgruppen zu fördern, die Förderung der Gesundheit und die Gesundheitsaufklärung zu einer Priorität zu machen und der Prävention einen deutlich größeren Stellenwert bei der tatsächlichen Inanspruchnahme entsprechender Dienstleistungen einzuräumen, die unter anderem regelmäßige medizinische Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, entsprechend dem jeweiligen Stand der Forschung, vorsehen, sowie allgemeinen Zugang zu solchen Maßnahmen zu gewährleisten; empfiehlt angemessene geriatrische Untersuchungen für gebrechliche ältere Menschen, um ihre Lebensqualität zu verbessern und unnötige langfristige Krankenhausaufenthalte und häusliche Krankenpflege zu vermeiden, was wiederum einen enormen Beitrag zur Kürzung der Gesundheitsausgaben leisten wird;
- 13. weist darauf hin, dass die Haupttodesursachen (zum Beispiel Krebserkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen) und wichtige Krankheitsursachen (zum Beispiel Erkrankungen des Bewegungsapparats und andere chronische Berufskrankheiten, Gesundheitsprobleme aufgrund ungesunder Ernährung, Drogenmissbrauch, Umweltverschmutzung und unzureichender körperlicher Betätigung) durch allgemeine interdisziplinäre und individuelle Vorbeugemaßnahmen sowie bessere Ursachenbekämpfung krankmachender Faktoren in der Arbeits- und Lebenswelt der Menschen erheblich gesenkt werden könnten; betont daher die Bedeutung einer betrieblichen Gesundheitsversorgung, um Krankheiten und Gesundheitsprobleme frühzeitig aufdecken und diesen vorbeugen zu können;
- 14. weist darauf hin, dass der einzelne Patient in seiner Eigenschaft als Gesundheitsdienstleistungsempfänger im Mittelpunkt eines jeden Gesundheits- und Langzeitpflegesystems steht, dass die Rechte des Einzelnen an oberster Stelle stehen, dass das wichtigste dieser Rechte eine vollständige Aufklärung über den jeweiligen individuellen Gesundheitszustand, die Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sowie die Qualität der einzelnen am Markt angebotenen Dienstleistungen ist;
- 15. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, insbesondere mit Hilfe des Gesundheitsaktionsprogramms für eine Angleichung der Datenerhebung und eine Verbesserung der Datenlage zu sorgen sowie Bürgern und Leistungserbringern über das im Aufbau befindliche EU-Gesundheitsportal den Zugang zu Informationen über die Gesundheitsversorgung und Gesundheitspolitik anderer Mitgliedstaaten zu ermöglichen;
- 16. begrüßt die Bedeutung, welche die Kommission der fach- und einrichtungsübergreifenden Verständigung und Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Dienstleistungserbringern im Bereich der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege im Hinblick auf die Vorbeugung, Diagnose und Behandlung beimisst; weist darauf hin, dass der für die primäre Gesundheitsversorgung zuständige Arzt eine Schlüsselrolle bei dieser Verständigung und Zusammenarbeit spielt und dass der Austausch der verfügbaren Informationen die Qualität und Effizienz der angebotenen Gesundheitsversorgung steigert, die Gesundheitsrisiken für den Patienten senkt sowie die Wirksamkeit des" Einsatzes von Arbeitskräften und anderen Ressourcen erhöht;
- 17. ist besorgt über die großen Unterschiede, die zwischen den alten und den meisten neuen Mitgliedstaaten in Bezug auf den Gesundheitszustand ihrer Bevölkerung, den Zugang zur und die Qualität der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sowie den Ressourceneinsatz im Gesundheitswesen bestehen; fordert die Kommission und die alten Mitgliedstaaten auf, die neuen Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen um eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege im Rahmen des Aktionsprogramms im Bereich der öffentlichen Gesundheit und anderer angemessener Maßnahmen, insbesondere der offenen Methode der Koordinierung, zu unterstützen;
- 18. betont die große volkswirtschaftliche Bedeutung des Gesundheitssektors, der Langzeitpflege und der Sozialassistenz aufgrund der hohen Zahl der in diesen Bereichen derzeit Beschäftigten und seines großen Arbeitsplatzpotenzials bei verschiedenen Dienstleistern, was den Wettbewerb erhöht und für mehr Wachstumspotenzial bei den nationalen Volkswirtschaften sorgt; weist auf die in der Zukunft zunehmende Überalterung der Bevölkerung in der Europäischen Union hin, was die Verwendung von mehr wirtschaftlichen und humanen Ressourcen zur Unterstützung der Älteren erfordern wird; ist ferner der Auffassung, dass in vielen Mitgliedstaaten die dringende Notwendigkeit besteht, aktive Maßnahmen zur Einstellung und Weiterbeschäftigung von im Gesundheitswesen tätigem Personal zu ergreifen;
- 19. weist darauf hin, dass der zunehmende Bedarf an Dienstleistungen im Gesundheits- und Pflegesektor zusätzliche Arbeitsplätze mit steigender Qualität schafft;
- 20. fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um den individuellen Zugang zur Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege zu verbessern, die der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen zu verstärken und die individuellen Wahlmöglichkeiten in Bezug auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege zu erhöhen; weist darauf hin, dass dies nur möglich ist, wenn eine größere Vielfalt an Dienstleistungserbringern im Pflegebereich sowie angemessene Informationen über gesunden Lebensstil sowie Vorbeugemaßnahmen und Diagnose- und Therapiemethoden zur Verfügung stehen, und dass die Verfügbarkeit derartiger Informationen nicht eingeschränkt werden darf, schon gar nicht aus Kostengründen;
- 21. weist darauf hin, dass einige Mitgliedstaaten den vom Patienten zu tragenden Eigenanteil an den Gesundheitskosten erhöhen, und fordert in diesem Zusammenhang, dass benachteiligte Gruppen auch weiterhin Zugang zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung haben;
- 22. zeigt sich besorgt, dass in einer größeren Zahl von Mitgliedstaaten unangemessen lange Wartezeiten für bestimmte akute und nicht akute Behandlungen bestehen; fordert diese Mitgliedstaaten auf, gezielte Anstrengungen zu einer Reduzierung der Wartezeiten zu unternehmen; fordert die Mitgliedstaaten auf, immer dann, wenn lange Wartelisten existieren und eine gleichwertige oder gleich effiziente Behandlung für die Patientinnen und Patienten im Inland nicht rechtzeitig erfolgen kann, eng zusammenzuarbeiten, um unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips, der Ausgewogenheit der nationalen Systeme und eines finanziellen Gleichgewichts ein hohes Niveau beim Gesundheitsschutz und der sozialen Sicherheit sämtlicher EU-Bürgerinnen und Bürger sicherzustellen;
- 23. fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, den Informationsaustausch (auch zwischen den verschiedenen an der Pflege von einzelnen Patienten beteiligten Einrichtungen und Fachbereichen) und den Einsatz elektronischer Kommunikationstechnologien in der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege praktisch zu unterstützen; fordert die Kommission und die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, die Entwicklung elektronischer Gesundheitsdienste (eHealth) verstärkt und gezielter zu unterstützen;
- 24. zeigt sich besorgt, dass in vielen Mitgliedstaaten - wenn auch in unterschiedlicher Dimension - ein zunehmender Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, medizinischem und pflegerischem Personal besteht; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, gezielte Anstrengungen zu unternehmen, um die Arbeitsqualität zu verbessern, diese Berufe attraktiver zu machen und die bestehenden Personalengpässe zu beseitigen; betont die Notwendigkeit der Förderung von Aus- und Weiterbildung der Freiwilligen sowie der bereits qualifizierten Beschäftigten in diesem Bereich;
- 25. bedauert, dass in Fragen von verstärkter Koordinierung kein besonderer Wert auf eine Rückkopplung mit den Akteuren an der Basis gelegt wird; weist darauf hin, dass innerhalb funktionierender Steuerungsmodelle dem Informationsfluss von unten nach oben ein herausragender Stellenwert eingeräumt wird;
- 26. bedauert, dass im Allgemeinen kein stärkeres Augenmerk auf wissenschaftliche Bedarfsanalysen gelegt wird; erinnert daran, dass wissenschaftliche Daten anderer Organisationen nicht ohne vorherige Überprüfung übernommen werden können; empfiehlt, die Verarbeitung eigener Daten verstärkt über bestehende Forschungsprogramme abzuwickeln;
- 27. fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, ihre Ausbildungssysteme für Gesundheitsberufe einander stärker anzunähern, die Anerkennung von Berufsqualifikationen voranzutreiben und somit die Mobilität der Gesundheitsberufe zu erleichtern, die Normen für die Ausstattung von Gesundheitseinrichtungen und den Einsatz neuer Diagnose- und Therapiemethoden besser zu koordinieren und stärker anzugleichen und so eine gleichmäßige Qualität der Gesundheitsversorgung in allen Mitgliedstaaten zu fördern;
- 28. betont, dass die nachhaltige Sicherung der Finanzierbarkeit eine optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen voraussetzt; unterstreicht, dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn die Qualität der Gesundheitsversorgung stärker als bisher transparent gemacht wird, wenn die Mitgliedstaaten systematische Programme zur Qualitätssicherung und evidenzbasierte Behandlungsleitlinien einführen und wenn sie öffentliche Mittel nur noch für medizinische Produkte und Technologien mit nachgewiesenem Nutzen einsetzen;
- 29. unterstreicht die Notwendigkeit, dass die Mitgliedstaaten den medizinischen und medizintechnischen Fortschritt in stärkerem Maße auf Wirksamkeit, Nutzen und Wirtschaftlichkeit hin überprüfen; fordert die Kommission auf, die Möglichkeit einer Vernetzung und Koordinierung der in den Mitgliedstaaten vorgenommenen Evaluierung von Gesundheitstechnologie und medizinischen Leitlinien zu prüfen;
- 30. fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, ihre vorläufigen Länderberichte rechtzeitig für die nächste Tagung des Europäischen Rats vorzulegen;
- 31. ist der Auffassung, dass die Gesundheitsversorgung der gebrechlichen älteren Menschen einen angemessenen Bereich für Forschungen auf europäischer Ebene darstellt;
- 32. fordert die Kommission auf, bis Ende 2005 einschlägige Vorschläge mit gesundheitspolitischen Orientierungen, gemeinsamen Zielen, Arbeitsmethoden und einem genauen Zeitplan vorzulegen; betont ferner, dass die Verantwortung für die Volksgesundheit bei den einzelnen Mitgliedstaaten liegt;
- 33. betont, dass bei der Bildung von Indikatoren und der Interpretation der Ergebnisse sehr sorgfältig vorzugehen ist und die bestehenden Unterschiede zwischen den Gesundheitssystemen zu beachten sind; drängt insbesondere auf die Ausarbeitung von Indikatoren zur Messung eines gerechten Zugangs, von Versorgungsqualität und Effizienz;
- 34. fordert den Europäischen Rat auf, zur Rationalisierung der offenen Koordinierungsmethode im Frühjahr 2006 einen integrierten Rahmen im Bereich Sozialschutz zu beschließen und eine einheitliche Liste gemeinsamer Ziele in den Bereichen soziale Eingliederung, Renten, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege anzunehmen;
- 35. fordert die Kommission und den Rat auf, das Europäische Parlament über ihre Vorschläge zu unterrichten;
- 36. fordert die Mitgliedstaaten und die Kommission auf, Patientenorganisationen stärker als bisher an gesundheitspolitischen Entscheidungen zu beteiligen und deren Arbeit angemessen zu unterstützen;
- 37. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, frauenspezifische Aspekte bei allen gesundheitsbezogenen Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen; fordert die Kommission auf, einen neuen Bericht zur gesundheitlichen Situation der Frauen in der Europäischen Union vorzulegen;
- 38. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Ausschuss für Sozialschutz sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
" AB1. C 339 vom 29.11.2000, S. 154.
2 AB1. C 38 E vom 12.2.2004, S. 269.
3 ABI. C 102 E vom 28.4.2004, S. 862.
4 ABI. C 310 vom 16.12.2004.
5 AB1.C364vom 18.12.2000,S. 1.