830. Sitzung des Bundesrates am 16. Februar 2007
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt und unterstützt vor dem Hintergrund der bevorstehenden energiepolitischen Herausforderungen die Entwicklung einer europäischen Strategie zur effizienten und sparsamen Verwendung von Energie in allen Bereichen des Lebens.
- 2. Der Bundesrat begrüßt daher den von der Kommission vorgelegten Aktionsplan Energieeffizienz. Die effiziente und sparsame Verwendung von Energie ist vor dem Hintergrund des weltweit steigenden Energiebedarfs, der Bedeutung des Klimaschutzes und angesichts begrenzter fossiler Energiequellen eine Strategie, die in der EG konsequent fortgesetzt und - wo erforderlich - auch verstärkt werden muss.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Mindesteffizienz- bzw. Kennzeichnungsregelungen zwar ein wesentliches Instrument zur Information der Verbraucher sind und zunehmend zu Marketingzwecken eingesetzt werden, allerdings einen hohen administrativen Überprüfungsaufwand verursachen. Bei der Ausdehnung des Geltungsbereichs bzw. bei der Überarbeitung bereits bestehender Richtlinien sollten daher die Grenzen der Belastbarkeit von öffentlichen Haushalten, Unternehmen und Verbrauchern berücksichtigt werden. Weitergehende Verpflichtungen sind von der Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen abhängig zu machen.
- 4. Weiteren Handlungsbedarf sieht der Bundesrat bei der Umsetzung von Mindestnormen für die Kennzeichnung von Geräten und Anlagen. Entsprechende Vergleichstests haben erhebliche Mängel ergeben. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich dafür einzusetzen, dass im Rahmen der EnVKV (92/75/EG) die Akkreditierung von Messlaboren nach Maßgabe einheitlicher Vorgaben vorgeschrieben wird.
- 5. Ohne eine nachvollziehbare Kennzeichnung des Energieverbrauchs von Haushaltsgeräten läuft das Bestreben der Verbraucherinnen und Verbraucher, Energie zu sparen, ins Leere. Der Bundesrat hält es daher für erforderlich, die Energieverbrauchskennzeichnung, wie sie sich beispielsweise bei Kühlschränken bewährt hat, auf andere Produktgruppen auszudehnen und in regelmäßigen Abständen fortzuschreiben.
- 6. Der Bundesrat sieht zur Erreichung der Ziele des Aktionsplans die Notwendigkeit der Entwicklung eines Markts für energieeffiziente Güter und Dienstleistungen. Zu dessen Verwirklichung müssen vorrangig marktgerechte und kosteneffiziente Instrumente eingesetzt werden. Bereits entwickelte bzw. in der Entwicklung befindliche Märkte, z.B. im Bereich der Wärmebereitstellung, dürfen nicht durch unverhältnismäßig hohe staatliche Eingriffe behindert werden.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf zu achten, dass Maßnahmen zur Effizienzsteigerung nicht mit einer weiteren Förderung durch öffentliche Mittel vorgenommen werden. Eine zusätzliche Belastung der öffentlichen Haushalte in den Mitgliedstaaten ist zu vermeiden.
Zu Punkt 3 Einsparpotenziale und Auswirkungen
- 8. Der Bundesrat sieht die sparsame Nutzung von Energie im Gebäudebereich als einen wesentlichen Bereich zur Verbesserung der Energieeffizienz und bittet, den eingeschlagenen Weg beschleunigt weiter zu verfolgen und die Einführung des Passivhausstandards für neue Wohngebäude in die Gesetzgebung und Regelwerke schrittweise auf den Weg zu bringen. Auf diese Weise kann die Wärmeversorgung in diesem Bereich zukünftig kostengünstig und emissionsfrei - d. h. praktisch ohne Klimagas-, Partikel- und Staubemissionen - erfolgen.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, sich dafür einzusetzen, dass die Effizienzanforderungen an Gebäude mittels Einführung der Passivhaustechnik im Neubausektor und bei größeren Renovierungsmaßnahmen hinsichtlich der Mindestanforderungen an dem aktuellen Stand der Technik ausgerichtet werden.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Deutschland im internationalen Vergleich hinsichtlich der erreichten Energieeffizienz im Gebäudebereich eine Spitzenposition einnimmt. Dennoch bleibt ein erheblicher Ergänzungsbedarf. Dies hat die Bundesregierung mit der Aufstockung des CO₂-Gebäudesanierungsprogramms anerkannt.
- 11. Der Bundesrat geht davon aus, dass durch die Umsetzung der Gebäuderichtlinie in nationales Recht weitere Impulse für die Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden ausgehen werden. Weitergehende Maßnahmen sollten allerdings auf den Erfahrungen aus der Richtlinie aufbauen. Dabei muss das bereits erreichte Effizienzniveau jedes Mitgliedstaates mit den national geltenden Vorschriften ebenso ausreichend berücksichtigt werden, wie die Belastbarkeit von öffentlichen Haushalten, Unternehmen und Verbrauchern. Zusätzliche Bürokratie ist unbedingt zu vermeiden. Die Vorschläge für den Gebäudebereich sind bereits für die Jahre 2008/2009 vorgesehen und erscheinen vor diesem Hintergrund verfrüht. Außerdem sollte die künftige Diskussion auf die Anwendung von ausgereiften Techniken gerichtet sein.
- 12. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Bereitstellung von EU-Fördergeldern zur Energieeffizienzsteigerung - insbesondere in der Wohnraumförderung - unter dem Subsidiaritätsgesichtspunkt kritisch zu betrachten ist.
Zu Punkt 5.3 Im Verkehr etwas bewegen
- 13. Der Verkehrsbereich ist zutreffend als Schwerpunkt des Aktionsplans zur Verbesserung der Energieeffizienz definiert. Der Bundesrat sieht es als notwendig an, dass neben den für die Energieeinsparung zentralen Maßnahmen zur Erhöhung der Kraftstoffeffizienz nun auch weitere Maßnahmen benannt werden, die zu einer effizienten Nutzung aller Verkehrsträger einschließlich eines Wandels im Mobilitätsverhalten führen sollen.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Verkehrssektor für die Anwendung eines integrierten CO₂-Ansatzes ("Integrated Approach CO₂") einzusetzen. Damit kann der Aktionsplan effektiv und volkswirtschaftlich effizienter umgesetzt werden. Zur ganzheitlichen und kosteneffizienten Reduktion der CO₂-Emissionen im Verkehrssektor sollen durch geeignete Maßnahmen über die Fahrzeughersteller hinaus die Mineralölindustrie, die Kunden und die Politik beitragen. Damit wird dem Prinzip der geteilten Verantwortung gefolgt und eine CO₂-Reduktion über den gesamten Pkw-Bestand ermöglicht.
- 15. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich im Verkehrssektor dafür einzusetzen, dass durch einen integrierten Ansatz sowohl die Fahrzeughersteller als auch die Mineralölindustrie, die Hersteller alternativer Kraftstoffe, Politik und Verbraucher in die Maßnahmen zur Effizienzsteigerung im Verkehr einbezogen werden.
- 16. Anstelle des Zielwerts von 120 g CO₂/km ist vielmehr das gesamte Reduktionspotenzial in Form eingesparter Mio. t CO₂ - und demnach der absolute Beitrag zum Klimaschutz - in den Mittelpunkt zu stellen. (bei Annahme entfällt Ziffer 17)
- 17. Um den Zielwert von 120 g CO₂/km bis 2012 doch noch zu erreichen, ist die Selbstverpflichtung der Automobilindustrie durch zusätzliche, volkswirtschaftlich kostengünstige Maßnahmen zu flankieren.
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darüber hinaus, für alle Fahrzeugklassen gleichermaßen eine Senkung der CO₂-Emissionen anzustreben. Instrumente zur CO₂-Reduktion sollten die unterschiedlichen Produktportfolios der Fahrzeughersteller berücksichtigen, um Markt- und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.
- 19. Hinsichtlich der von der Kommission angestrebten Entwicklung von Märkten für umweltfreundlichere Kraftfahrzeuge verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme in BR-Drucksache 011/06(B) zum Vorschlag für eine Richtlinie über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge (KOM (2005) 634 endg.), hinsichtlich des angekündigten Grünbuchs zum Stadtverkehr auf seine Stellungnahme in BR-Drucksache 173/04(B) , Ziffer 5.
Zu Punkt 5.5 Änderung des Umgangs mit Energie
- 20. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, wonach die Änderung des Umgangs mit Energie als eine zentrale Voraussetzung für die Verbesserung der Energieeffizienz erscheint. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit, die zu einem rationellen und verantwortlichen Umgang mit Energie führen soll, spielt hierbei eine entscheidende Rolle.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Energieeffizienz auf den Bereich der vorschulischen und frühkindlichen Erziehung zu erweitern. Gerade in diesem Alter werden wichtige Verhaltensformen gebildet und ein Ressourcen schonendes Verhalten geprägt. Hierbei kommt den Erziehern/Pädagogen eine besondere Verantwortung zu. Er ... bittet die Bundesregierung ferner, sich dafür einzusetzen, die diesbezüglichen Grundlagen für eine Qualifizierung der Berufsschullehrpläne für die Erzieherausbildung zu schaffen und die entsprechenden Unterrichtshilfen gut zugänglich bereitzustellen.
Abstimmung der Verwaltungsbehörden
- 21. Der Bundesrat hebt besonders die Bedeutung einer vermehrten europäischen Abstimmung der Verwaltungsbehörden hervor. Nur unter dieser Voraussetzung können die Regelungen zur Steigerung der Energieeffizienz ihre Wirkung zeigen.
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- 22. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.