Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament: Forscher im europäischen Forschungsraum - ein Beruf, vielfältige Karrieremöglichkeiten KOM (2003) 436 endg.; Ratsdok. 12420/03

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 6. Oktober 2003 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 25. September 2003 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 089/00 = AE-Nr. 000383 und
Drucksache 227/01 = AE-Nr. 010931

Einleitung

Humanressourcen sind in den meisten Fällen ausschlaggebend für Erfolge in der Forschung, die Erbringung von Spitzenleistungen und die Erreichung eines hohen Leistungsniveaus. In diesem Zusammenhang sind die Anzahl der Forscher und deren Mobilität zwei maßgebliche Aspekte. Ein dritter, damit in direktem Zusammenhang stehender Aspekt, der aber seltener und auf europäischer Ebene nie in Betracht gezogen wird ist die Frage des Berufs und der Karrieremöglichkeiten der Forscher.

Dieser Frage kommt entscheidende Bedeutung zu, denn dieser Aspekt des Forschungssystems hat weitgehende Auswirkungen auf die Forschungstätigkeit. Dies trifft vor allem auf Europa zu, denn bedingt durch die Strukturierung und die Organisation der Laufbahnen von Forschern hat Europa nicht die Möglichkeit, das auf diesem Gebiet vorhandene Potenzial voll auszuschöpfen.

Diese Mitteilung hängt eng mit der Umsetzung des europäischen Forschungsraums zusammen und mit dessen Forderung, das von der europäischen Forschung benötigte Potenzial an Humanressourcen zu entwickeln und zu fördern. Sie enthält eine Analyse der verschiedenen Komponenten, die den Beruf des Forschers charakterisieren und die Definition der verschiedenen Faktoren, die bei der Entwicklung von Forscherkarrieren auf europäischer Ebene eine bestimmende Rolle einnehmen: Bedeutung und Art der Ausbildung, die Unterschiede bei den Einstellungsverfahren, vertragliche und finanzielle Aspekte und letztendlich die Bewertungsmechanismen und die Aussichten auf berufliche Weiterentwicklung.

Unter Bezugnahme auf die Bereiche, in denen die Forscher tätig sind, oder das geografische rechtliche, administrative und kulturelle Umfeld, in dem sie arbeiten, zeigt die Mitteilung sowohl strukturelle Schwachpunkte als auch ausgeprägte Unterschiede bei all diesen Komponenten auf. Diese Unterschiede und die mangelnde Offenheit der Forscherlaufbahnen in Europa führen dazu, dass sich in Europa weder interessante Karriereaussichten noch ein wirklicher Beschäftigungsmarkt entwickeln können, ungeachtet dessen, ob der Aspekt der geografischen Lage, der Tätigkeitsbereiche oder der Chancengleichheit betrachtet wird. Diese Unterschiede wirken sich auch nachteilig auf die Attraktivität einer beruflichen Laufbahn im F&E-Bereich für junge Wissenschaftler und auf die Anerkennung von Forschern durch die Allgemeinheit aus.

Diese Überlegungen stehen in Konflikt mit den Prioritäten, die bei verschiedenen Anlässen von den Staats- und Regierungschefs in Hinblick auf den Ausbau der wissensbasierten Wirtschaft, die Umsetzung des europäischen Forschungsraums und das "3%-Ziel" festgelegt wurden.

Gleichzeitig lenkt die Mitteilung die Aufmerksamkeit auf zahlreiche Beispiele vorbildlicher Praktiken auf nationaler Ebene und verweist auf verschiedene einzelstaatliche Initiativen, die die Auswirkungen der oben genannten Unterschiede mildern sollen.

Die Mitteilung schlägt in diesem Zusammenhang eine Reihe praktischer Initiativen vor, um auf europäischer Ebene den Dialog zwischen den verschiedenen Akteuren, nämlich der Europäischen Gemeinschaft, den einzelstaatlichen Regierungen und den wissenschaftlichen Gemeinschaften, zu fördern.

Des Weiteren wird in dieser Mitteilung vorgeschlagen, bei Bedarf die Ursachen und Auswirkungen der oben genannten Unterschiede einer genaueren Analyse zu unterziehen.

Sie beabsichtigt auch, eine Reihe von spezifischen Maßnahmen auf freiwilliger Basis zu treffen deren Zielsetzungen eine insgesamt bessere Koordinierung der Bestrebungen zur Anerkennung des Berufs des Forschers und die Schaffung eines wirklichen europäischen Arbeitsmarktes sind, in den die potenziellen Kapazitäten aller Akteure, unabhängig von ihrem geografischen Standort, dem Bereich, in dem sie tätig sind und ihrem Geschlecht, einbezogen sind, und anerkennt die Notwendigkeit einer Gesamtsicht der F&E-Humanressourcen für die verschiedenen Laufbahnen sowie ausreichend detaillierter, zuverlässiger und harmonisierter Indikatoren für die entsprechende Messung1.

1. Politischer Kontext für Humanressourcen in F&E

Im Januar 2000 verabschiedete die Kommission eine Mitteilung, in der die Schaffung eines europäischen Forschungsraums (EFR)2 vorgeschlagen wurde. Sie hob unter anderem die Notwendigkeit der Einführung einer europäischen Dimension in Laufbahnen im F&E-Bereich hervor und forderte den Ausbau der Humanressourcen und die Erhöhung der Mobilität. Die zweite Forderung war Gegenstand der Mitteilung "Eine Mobilitätsstrategie für den Europäischen Forschungsraum"3, deren Ziel darin besteht, die Dynamik zu schaffen, die erforderlich ist, um ein günstiges Umfeld für die Mobilität der Forscher im gesamten Verlauf ihrer Laufbahn aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Die Umsetzung dieser Strategie erfolgt durch zahlreiche konkrete Maßnahmen4, wie die Schaffung des Mobilitätsportals für Forscher5, die Errichtung des Netzes der Mobilitätszentren und Initiativen für Rechtsakte zur Erleichterung der Aufenthaltsgenehmigungen für Forscher aus Drittländern.

Auf seinen nachfolgenden Frühjahrstagungen (Lissabon 2000, Stockholm 2001, Barcelona 2002 und Brüssel 2003) billigte der Europäische Rat den EFR und legte eine Reihe von Zielen fest. Insbesondere ersuchte er die Kommission und die Mitgliedstaaten, dem möglichen Mangel an Humanressourcen in F&E und der Notwendigkeit der Förderung von Ausbildung und Mobilität der Forscher Rechnung zu tragen. Die Problematik der Humanressourcen in F&E wurde auch im Zusammenhang mit dem 3%-Ziel6 behandelt, wobei in der Mitteilung "Mehr Forschung für Europa - hin zu 3% des BIP"7 die Tatsache unterstrichen wurde, dass sich die Mitgliedstaaten und die Forschergemeinde der Gefahr bewusst sein müssen, dass Personalmangel ein wesentlicher Hinderungsgrund bei der Erreichung des 3%-Ziels ist. In der kürzlich angenommenen Mitteilung "In die Forschung investieren: Aktionsplan für Europa"8 wird weiter darauf eingegangen.

Die Schaffung von Kapazitäten muss allerdings auch in Zusammenhang mit anderen Faktoren, z.B. der Alterung des F&E-Personals, gesehen werden9. Dieser besondere Aspekt wurde auch in dem Bericht "Benchmarking Human Resources in RTD"10 behandelt in dem hervorgehoben wird, dass "die Tendenz, sich Forschern im mittleren Alter durch Frühpensionierung oder erzwungene Pensionierung zu entledigen oder ihnen nichtwissenschaftliche Arbeitsplätze zuzuweisen, im Steigen begriffen ist .... wodurch Talente und Erfahrungswerte verloren gehen".

Im Jahr 1999 wurden in der Mitteilung "Frauen und Wissenschaft"11 spezielle Maßnahmen zur Einbindung der Dimension der Chancengleichheit in die europäische Forschungspolitik vorgestellt und in der Folge durch den "Aktionsplan - Wissenschaft und Gesellschaft"12 umgesetzt.

Des Weiteren wurden bei der Ausarbeitung dieser Mitteilung die vom Europäischen Forschungsbeirat EURAB13 an die Europäische Kommission abgegebenen Empfehlungen berücksichtigt.

Die Überlegungen zur Rolle der Humanressourcen in F&E stehen auch in Zusammenhang mit einer umfassenderen Perspektive, die das Ergebnis verschiedener Initiativen ist, die in der EU unternommen wurden, um den Entwicklungen des Arbeitsmarkts und den geänderten Arbeitsbedingungen gerecht zu werden. Die Mitteilung ergänzt die kürzlich im Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die "Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten"14 vorgestellten Maßnahmen, vor allem in Hinblick auf die "Bewältigung des Wandels und Förderung der Anpassungsfähigkeit in der Arbeitswelt" und "Mehr und bessere Investitionen in Humankapital und Strategien des lebenslangen Lernens" , wobei die Erhöhung der Investitionen in die Humanressourcen im Mittelpunkt der Bemühungen stehen.

Letztendlich stützt sich die Mitteilung auf die Ergebnisse des "Aktionsplans für Qualifikation und Mobilität"15und steht in Einklang mit der Umsetzung der Mitteilung der Kommission "Einen Europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen"16. Sie liegt auch auf einer Linie mit den Aktivitäten im Zuge der "Verstärkten Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung: der Kopenhagen-Prozess"17,mit den Themen, auf die in der Mitteilung "Wirkungsvoll in die allgemeine und berufliche Bildung investieren: eine Notwendigkeit für Europa"18 eingegangen wird, und mit der Mitteilung "Europäische Benchmarks für die allgemeine und berufliche Bildung: Follow-up der Tagung des Europäischen Rates von Lissabon"19.

2. Definition eines Forschers

Um ein besseres Verständnis für die Faktoren zu gewinnen, die die Entwicklung der Laufbahn von Forschern beeinflussen, müssen zahlreiche Variable berücksichtigt werden.

Sie alle bilden dann die "Typologie" von Forschern in ihren unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen. Dieser "Typologie" der Forscher liegt die international anerkannte Definition der Forschung des Frascati-Handbuches20 zugrunde:

"Unter Forschung und experimenteller Entwicklung (F&E) werden alle systematischen und schöpferischen Tätigkeiten verstanden, die dazu dienen sollen den Kenntnisstand in Hinblick auf Menschen, Kultur und Gesellschaft zu erweitern und mit dem Ziel neuer Anwendungsmöglichkeiten zu nutzen".

Demzufolge lautet die Beschreibung der Forscher:

"Spezialisten, die mit der Planung oder der Schaffung von neuem Wissen, Produkten, Verfahren, Methoden und Systemen sowie mit dem Management diesbezüglicher Projekte betraut sind".

Diese Definition bezieht sich auf berufliche Aktivitäten, die sich gleichermaßen auf "Grundlagenforschung", "strategische Forschung", "angewandte Forschung", "experimentelle Entwicklung" und den "Wissenstransfer" beziehen. Dazu gehören auch Innovation und beratende Tätigkeiten, je nachdem ob Entdeckungen oder der Erwerb von Wissen auf eine bestimmte Anwendung (für die Industrie oder im sozialen Umfeld) abzielen oder nicht.

Diese unterschiedlichen Tätigkeiten werden in den verschiedensten Forschungseinrichtungen durchgeführt:

Der Status der Forscher wird von den Wissenschaftlern je nach Arbeitsbereich, dem Forschungsrahmen und der Art der Forschung unterschiedlich bewertet. Da jedoch jegliche Form der Forschung eine wichtige Rolle bei der Schaffung einer wissensbasierten Gesellschaft spielt, müssen alle in direktem oder indirektem Zusammenhang mit F&E stehenden Aktivitäten, wozu auch das Wissensmanagement, das Management von geistigem Eigentum, die Verwertung von Forschungsergebnissen oder der Wissenschaftsjournalismus zählen, als fester Bestandteil einer beruflichen Karriere im F&E-Bereich berücksichtigt werden. Für die Politik gilt demnach, dass alle diese beruflichen Laufbahnen gleichberechtigt zu behandeln und zu bewerten sind, wobei der Rolle einer akademischen Forschungskarriere als einziger Maßstab, um jungen Wissenschaftlern diese Laufbahn attraktiv zu machen, nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden sollte22. Des Weiteren sollten Möglichkeiten für eine lebenslange Weiterbildung in den verschiedenen Fachbereichen in größerem Ausmaß als bisher geboten werden.

3. Karriereaussichten im F&E-Bereich

3.1. Voraussichtlicher Personalbedarf in F&E

Die kürzlich veröffentlichte Mitteilung der Kommission: "In die Forschung investieren:

Aktionsplan für Europa"23 hebt hervor, "dass in Europa mehr und entsprechend ausgebildete Forscher benötigt werden, um der angestrebten Steigerung der Investitionen in die Forschung bis 2010 gerecht zu werden. Verstärkte Investitionen in die Forschung werden zu einem größeren Bedarf an Wissenschaftlern führen: Abgesehen von der Ersetzung der Forscher, die in den Ruhestand gehen, werden rund 1,2 Millionen zusätzliche Mitarbeiter in der Forschung, darunter 700.000 Wissenschaftler, benötigt, um dieses Ziel24 zu erreichen".

Im Jahr 0125 arbeiteten ungefähr 1,8 Millionen vollzeitbeschäftigte (VZE)

Arbeitnehmer in Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen der Gemeinschaft, von denen weniger als 1 Million unter die Definition des Forschers fallen26. Die neuesten verfügbaren Zahlen zeigen, dass die Gesamtanzahl der Forscher in EU-15 von 2000 auf 2001 leicht angestiegen ist (2%). Diese Entwicklung entspricht weitgehend den ebenfalls leicht ansteigenden F&E-Ausgaben.

Allgemein besteht die Gefahr, dass das Angebot an Humanressourcen im F&E-Bereich und die erforderlichen Lehrkräfte dem zukünftigen Bedarf nicht genügen könnten oder zumindest die Erreichung des 3%-Ziels27 in Frage stellen könnten, wie die ersten Ergebnisse des Benchmarkings für nationale F&E-Politiken zeigen28. Außerdem besteht eine Kluft zwischen scheinbar günstigen Aussichten, wie sie durch kürzlich durchgeführte makroökonomische Analysen belegt werden (Arbeitsmöglichkeiten für tausende Forscher), und ungünstigen Prognosen für den entstehenden Bedarf, da die meisten Forschungsorganisationen ein langsames Wachstum oder sogar Rückgänge bei den privaten und öffentlichen Investitionen verzeichnen müssen und weniger Bereitschaft zeigen Posten langfristig mit Forschern zu besetzen.

Um gesicherte Berufsaussichten für die Forscher zu schaffen und somit die Erreichung des 3%-Ziels zu erreichen, ist es unabdingbar erforderlich, diese offensichtliche Diskrepanz zwischen globalen Erfordernissen und betriebswirtschaftlichem Verhalten zu verringern.

Lehre, Lernen und FuE sind anerkanntermaßen die potenzielle Grundlage für Wirtschaftswachstum in der wissensgestützten Gesellschaft, doch wird sich dies in der Praxis nur dann verwirklichen lassen, wenn die Nachfragebedingungen für erfolgreiche Innovation, für Investitionen und die Verbreitung in der EU erheblich gegenüber den Bedingungen verbessert werden, von denen unsere großen internationalen Wettbewerber profitieren.

Um die anspruchsvollen Ziele von Lissabon und Barcelona erreichen zu können, müssen die Kapazitäten im Bildungssystem drastisch erhöht und dafür Sorge getragen werden, dass diese quantitative Zunahme nicht um den Preis einer Senkung der Qualitätsstandards erfolgt.

Der Erfolg der Bemühungen, ausreichende Kapazitäten zur Erfüllung der 2010-Ziele29 aufzubauen wird auch davon abhängen, wie junge Studierende die Berufs- und Beschäftigungsaussichten in der Forschung wahrnehmen. Falls sie befürchten, dass seitens der Forschungsinstitute und innovativer Unternehmen keine Nachfrage nach solchen Qualifikationen besteht, entscheiden sie sich möglicherweise nicht für solche Studien, oder dafür, nach dem Studienabschluss ins Ausland zu gehen.

3.2. Die Anerkennung der Forscherberufe durch die Allgemeinheit

Zwischen der Bereitstellung von finanziellen Mitteln für Forscher durch den öffentlichen Sektor und der Betrachtung der Wissenschaft als Mittel zur Weiterentwicklung der Gesellschaft besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Die Allgemeinheit ist sich des Einflusses technologischer Innovationen auf die Lebensqualität bewusst30, aber dieser Einfluss kann sowohl positiv als auch negativ empfunden werden. Die breite Öffentlichkeit versteht nicht, was Forscher tun, warum sie es tun und welche Vorteile die Gesellschaft davon hat. Die Anerkennung durch die Allgemeinheit orientiert sich meist am Beschäftigungsstatus der Forscher und beschränkt sich oft auf Titel wie "Professor" an der Hochschule und "Doktor" bei den medizinischen Berufen.

Um der maßgeblichen politischen Bedeutung der Forschung für die Entwicklung unserer Gesellschaft mehr Gewicht zu verleihen, muss der Zusammenhang zwischen den Inhalten der Forschung und dem tatsächlichen Gewinn für die Gesellschaft deutlich hervorgehoben werden. Ebenso sollte von der Gesellschaft der Rolle der Forschung, ihrer Relevanz und dem Wert der Forschungskarrieren mehr Bedeutung beigemessen werden.

Unter diesem Aspekt ist das Bekenntnis der Politiker zur Anerkennung der wichtigen Rolle, die Forschern in der Gesellschaft zukommt, von grundlegender Bedeutung.

Einerseits bietet die Schaffung des EWR den Rahmen für die Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für die Bedeutung von Forschung und Forschern in der Gesellschaft, und in einigen europäischen Ländern wurden diesbezügliche Initiativen mit Erfolg durchgeführt31. Ein geeignetes Mittel, um diesem Mangel abzuhelfen und der Öffentlichkeit das Thema näher zu bringen, wäre die Veranstaltung eines "Europäischen Jahres der Forscher", das dazu genutzt werden könnte, dem menschlichen Faktor mehr Bedeutung zu verleihen und das somit ein Kernelement einer derartigen Strategie darstellen würde32.

Andererseits verwirklicht die Kommission mit der Umsetzung des "Aktionsplans -Wissenschaft und Gesellschaft" eine gesamteuropäische Initiative, deren Zielsetzung in der Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts in den Schulen besteht. Der naturwissenschaftliche Unterricht in der Schule spielt eine zentrale Rolle. Von frühester Kindheit an interessieren sich Jugendliche für wissenschaftliche Themen, aber im Zuge der schulischen Ausbildung schwindet dieses Interesse33. Sobald Entscheidungen über Studien zu treffen sind, die für die zukünftige berufliche Laufbahn bestimmend sind, beurteilen die Schüler das Studium der Naturwissenschaften oft als uninteressant und zu schwierig. Die wichtigste Aufgabe kommt den Lehrern zu, aber es wird erwartet, dass sich ein breiterer Kreis an Beteiligten, die ein Interesse am Einsatz und an der Förderung wissenschaftlicher Fähigkeiten junger Menschen haben (Lehrer, Erzieher, Wissenschaftler und Forscher bzw. Industrieforscher), dieser Initiative anschließt. Die Initiative wird eine Beratung über die besten Möglichkeiten und Methoden, um Wissenschaft praxisnah zu veranschaulichen, anbieten. Die Einbeziehung von Wissenschaftlern, die ihren Beruf ausüben, wird die Kluft zwischen dem theoretischen naturwissenschaftlichen Unterricht und dem praktischen Einsatz der Naturwissenschaften überbrücken. Eine hochrangige Gruppe wurde eingerichtet, die weitere Maßnahmen vorschlagen soll, damit mehr junge Menschen Interesse an der Wissenschaft zeigen.

Aber während der Wert der Forschung für die Gesellschaft in Form einer Aufgabe oder einer Vision dargestellt werden kann, hängt die berufliche Wahl des Einzelnen enger mit Aspekten wie Zufriedenheit, Stabilität, Höhe des Gehalts, Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs und Status zusammen als mit Argumenten, denen gesellschaftliche Erfordernisse zu Grunde liegen.

3.3. Wege zwischen akademischem Bereich und Industrie

Die Zusammenarbeit zwischen dem akademischen Bereich und der Industrie oder privaten und öffentlich finanzierten Forschungsorganisationen in Form von Partnerschaften erwies sich als unabdingbare Notwendigkeit, um den Transfer von Wissen und Innovation zu gewährleisten, aber es ist nach wie vor nicht geklärt, wie derartige Beziehungen aufzubauen sind, geschweige denn, wie der Austausch von Personal erfolgen könnte oder gemeinsame Ausbildungsprogramme gefördert werden könnten.

Ein Grund dafür mag der Begriff der akademischen Freiheit sein, die sich die Forscher bewahren möchten. In den letzten Jahren stieg der soziale, politische und finanzielle Druck und rechtfertigte die praktische Relevanz von Forschung im akademischen Bereich. Trotz dieser Entwicklung wird Projekten im Bereich der angewandten Forschung nach wie vor ein geringerer Status zuerkannt und Akademiker, die in der Industrie tätig sind, werden nicht als ernste Kandidaten für eine akademische Karriere betrachtet. In diesem Zusammenhang gesehen kann eine Beschäftigung in der Industrie als zweite Wahl angesehen werden. Desgleichen erschweren die formalen Voraussetzungen (Doktorat) für die Besetzung akademischer Positionen Industrieforschern den Zugang zum akademischen Bereich. Problembereiche wie der Wechsel zwischen Renten- bzw. Sozialversicherungssystemen34, der Verlust bereits erworbener Leistungen und des beruflichen Status, die vollkommen verschiedenen Kulturen, für die einerseits die Vertraulichkeit von Forschungsergebnissen und der Schutz des geistigen Eigentums und andererseits Veröffentlichungen von Bedeutung sind wirken sich ebenfalls nachteilig auf die Mobilität aus.

Kurz, zwischen akademischer Welt und Industrie (oder dem öffentlichen und dem privaten Sektor) und umgekehrt kann Mobilität nur in äußerst geringem Ausmaß beobachtet werden. Deshalb sollte darauf hingewiesen werden, dass sich beide Sektoren weiterentwickeln müssen und gemeinsam ein ausreichendes Angebot an Arbeitskräften in allen Bereichen der F&E fördern müssen, um somit einen besser strukturierten Austausch von Personal zu ermöglichen35.

Die meisten europäischen Länder können einige Beispiele für vorbildliche Praktiken36 vorweisen und in diesem Zusammenhang ist auch der Bericht der Europäischen Wissenschaftsstiftung "Agents for Change: bringing industry and academia together to develop career opportunities for young researchers" erwähnenswert, da er eine Agenda vorschlägt die vierzehn praktische Maßnahmen37 enthält.

Die Europäische Kommission wird die im Zuge der Umsetzung der "Strategie für die Mobilität im Europäischen Forschungsraum"38 und dem "Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität"39 begonnenen Bestrebungen weiterführen und mittels einer Reihe zielgerichteter Initiativen den Austausch von Beispielen für vorbildliche Praktiken aus allen europäischen Ländern fördern, um sie der gesamten Forschergemeinschaft zugänglich zu machen.

3.4. Die europäische Dimension in den Forscherberufen

Die Berufsaussichten im F&E-Bereich hängen mit der Größe der nationalen Arbeitsmärkte zusammen. Eine kürzlich fertiggestellte Studie40 kam zu dem Schluss, dass angesichts der Tatsache, dass in Europa die nationalen Arbeitsmärkte für F&E

Humanressourcen begrenzt sind, "dem Einzelnen keine große Auswahl an alternativen Stellenangeboten zur Verfügung steht, was wiederum bewirkt, dass es besser ist, sich in einem effizienten Arbeitsmarkt niederzulassen (...). Es ist noch ein weiter Weg, bis die Arbeitsmärkte für Wissenschaftler und Spitzeningenieure in ganz Europa besser integriert sein werden."

Geografische und sektorüberschreitende Mobilität werden häufig als Faktoren angeführt, die sich günstig auf eine Forschungskarriere auswirken. Dies wird aber nur dann der Fall sein wenn die Erfahrung, die im Zuge der beruflichen F&E-Laufbahn gewonnen werden konnte entsprechend bewertet wird und demzufolge auch bei der weiteren Laufbahnentwicklung berücksichtigt wird.

Es müssen Mechanismen und Instrumente41 geschaffen werden, mit Hilfe derer die erzielten beruflichen Leistungen und der Mehrwert der Mobilität dokumentiert werden können. Sie müssten ungeachtet der Beschäftigungsbedingungen von Forschern auf Qualitätsanforderungen gegründet sein, auf vergleichenden Leitlinien und vergleichbaren Kriterien, zu denen auch die Auswirkungen der Mobilität sowohl auf die berufliche Entwicklung von Forschern als auch auf ihre Produktion von Wissen zählen.

Die Ausarbeitung eines "Rahmens für die Anerkennung der beruflichen Erfahrung von Forschern" wäre die Grundlage für eine dynamische berufliche Weiterentwicklung und würde zu einer veränderten Wahrnehmung der unsicheren Beschäftigungssituation von Forschern führen, die häufig vielen unterschiedlichen und prekären Anstellungsverträgen ausgesetzt sind.

Im Zuge der Ausarbeitung dieses Rahmens sollten Synergien mit den Erfahrungen und den laufenden Maßnahmen für die Verwirklichung sowohl des Europäischen Hochschulraums als auch des Europäischen Raums des lebenslangen Lernens42 hergestellt werden. Nach der jüngsten Einführung von "EU-Master-Studiengängen" (als zentralem Element des Programms ERASMUS-Mundus) und im Hinblick auf den größeren Stellenwert, den der Bologna-Prozess43 der dritten (Doktorats-)Stufe des neu entstehenden europäischen Bezugsrahmens für Qualifikationen beimisst, ist es möglicherweise an der Zeit, die "europäischen" Doktorate und die Anerkennung von Doktoratsabschlüssen in Europa hinsichtlich der F&E-Berufe neu zu betrachten, was dadurch geschehen könnte, dass die Universitäten diese Aufgabe als Herausforderung an sich selbst betrachten, indem sie ihre höchsten akademischen Abschlüsse für berufliche Aktivitäten gegenseitig anerkennen, und dadurch, dass die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, ihren Rechtsrahmen so anzupassen, dass sich gemeinsame Doktorate leichter verwirklichen lassen. Auch mit weiteren Initiativen zur Verwirklichung der "Förderung einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung: der "Kopenhagen-Prozess"44 und dem "Aktionsplan für Qualifikation und Mobilität"45 und mit weiteren Initiativen der Kommission und der Mitgliedstaaten, wie der zwischenstaatlichen Arbeitsgruppe, die von den Generaldirektionen der Mitgliedstaaten für die öffentliche Verwaltung eingerichtet wurde sollten Synergien geschaffen werden. Des Weiteren werden die Maßnahmen auf den in der Mitteilung "Freizügigkeit der Arbeitnehmer: Volle Nutzung der Vorteile und Möglichkeiten"46 dargestellten Ergebnissen aufbauen.

Schließlich sollte die Förderung der europäischen Dimension in den F&E-Laufbahnen in einem strukturierten und koordinierten rechtlichen Rahmen auf europäischer Ebene verankert sein, der den Forschern und ihren Familien ein hohes Maß an sozialer Sicherheit garantiert und das Risiko des Verlusts von bereits erworbenen Sozialversicherungsleistungen auf ein Minimum reduziert. In diesem Zusammenhang sollten Forscher von der laufenden Arbeit auf EU-Ebene profitieren können, deren Ziel es ist die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu modernisieren und zu vereinfachen47 (wozu auch die Ausdehnung dieser Bestimmungen auf Drittstaatsangehörige zählt48) sowie eine europäische Krankenversicherungskarte einzuführen. Den speziellen Bedürfnissen der Forscher und ihrer Familien sollte dabei zur Gänze Rechnung getragen werden.

3.5. Geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Forscherberufen

Im politischen Kontext dieser Mitteilung wurde bereits festgestellt, dass sich die EU, die Mitgliedstaaten49 und auch die assoziierten Länder sehr wohl der Tatsache bewusst sind, dass die Frauen in zu geringer Anzahl in den F&E-Berufen tätig sind und dass diese Unterrepräsentanz beseitigt werden muss, wenn ein optimaler Einsatz der Humanressourcen in der Forschung erzielt werden soll. Für die Erreichung des 3%-Ziels ist somit die Erhöhung der Zahl der Forscherinnen von entscheidender Bedeutung.

Frauen machen ungefähr 30% der im öffentlichen Bereich50, aber nur 15% der in der industriellen Forschung51 tätigen Forscher aus. Diese Prozentsätze, die sich auf die Gesamtbeteiligung der Frauen beziehen, dürfen aber nicht das wohlbekannte Phänomen der "leaky pipeline" verschleiern, das die überproportionale Verringerung der Beteiligung von Frauen bewirkt, je höher sie auf der Karriereleiter kommen. Eine Folge davon ist, dass sie weniger als 10% der Ordinarien in der EU ausmachen.

Die neuesten Zahlen aus dem Jahr 2001 zeigen, dass auf Frauen bereits ungefähr 40% der Doktorate in der Europäischen Union kommen. Die Anzahl der Frauen mit hochqualifizierter Ausbildung ist also im Steigen begriffen. Diese Entwicklung darf allerdings nicht als die Lösung für eine Verbesserung der Chancengleichheit gesehen werden. Der Dritte Bericht über Wissenschafts- und Technologieindikatoren 0252 zeigt auf dass die Unterrepräsentanz der Frauen in F&E das Ergebnis mehrerer komplexer Faktoren ist, aus denen eine subtile, allmählich zunehmende Diskriminierung entsteht, zu deren Abschaffung verschiedene Maßnahmen gefordert sind.

Die Einstellung, dauerhafte Bindung und Förderung von Frauen in der Forschung erfordert innovative Ansätze in der Leistungsbewertung und den Entlohnungssystemen.

Um auch für Frauen attraktiv zu sein, darf dem Beruf des Forschers nicht länger der Ruf anhaften familienfeindlich zu sein, wobei beinahe ausschließlich Frauen mit diesem Problem zu kämpfen haben53. Ferner sollten Frauen für ihre Leistungen anerkannt und nicht dadurch unter zusätzlichen Druck gesetzt werden, dass sie bessere Leistungen als ihre männlichen Kollegen erbringen müssen. Auch der Vernetzung und dem Mentoring kommt bei der Unterstützung der Frauen in der Gestaltung ihrer beruflichen Laufbahn große Bedeutung zu. Industriebetriebe und Forschungsorganisationen sollten mit vorbildlichen Beispielen, wie flexible Arbeitszeiten, doppelte Karrieren, Tage, an denen speziell Mädchen in die Betriebe eingeladen werden, usw., vorangehen.

Abgesehen von den spezifischen Maßnahmen ist es von größter Bedeutung, dass die Analyse der Forscherlaufbahnen unter Beachtung geschlechtsspezifischer Aspekte erfolgt. Das bedeutet, dass die unterschiedlichen Auswirkungen der strukturellen Besonderheiten der Forscherberufe auf männliche und weibliche Forscher anerkannt und berücksichtigt werden müssen. Dies gilt auch für die Überlegungen, wie die Wissenschaft für junge Leute schon zu einem frühen Zeitpunkt möglichst attraktiv gemacht werden kann: um das Interesse von Jungen und Mädchen zu wecken, ist eine Vielfalt von Ansätzen erforderlich. Dies sind die Forderungen des Mainstreaming und aus diesem Grund bietet die geschlechtsspezifische Dimension nicht nur die Möglichkeit, zu einer echten Gleichstellung der Geschlechter zu gelangen, sondern sie vermag auch neue Perspektiven zu eröffnen.

4. Faktoren, die eine F&E-Laufbahn beeinflussen

Zur Beseitigung der Mechanismen, die einer dynamischen Entwicklung von Laufbahnen im F&E-Bereich entgegenstehen, bedarf es einer Analyse der verschiedenen Faktoren und aktuellen Trends, die sich auf diese Laufbahnen in Europa auswirken.

4.1. Forschungsausbildung

4.1.1. Ein sich änderndes Umfeld

Um dem in der kürzlich veröffentlichten Mitteilung der Kommission "In die Forschung investieren: Aktionsplan für Europa"54 umrissenen Bedarf von 700 000 Forschern in Europa gerecht werden zu können, wird dem ausreichenden Angebot an geeigneten Ausbildungsmöglichkeiten für Forscher steigende Bedeutung zukommen.

Wie schon in der Mitteilung "Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens"55 betont kommt den Universitäten trotz ihrer Heterogenität56 eine zentrale Bedeutung bei der Ausbildung der Forscher zu. Es bestehen allerdings Bedenken, ob die Universitäten in der Lage sind, den ihnen gestellten Forderungen zu entsprechen, da die Industrie unter Verweis darauf, dass Forscher mit Doktorat zu spezialisiert seien, eher dazu neigt, Forscher ohne Doktorgrad zu beschäftigen57.

Richtungsweisende Berater der Forschergemeinde fordern, dass die Forscher in ihrer Ausbildung auf eine breitere Berufspalette als bisher vorbereitet werden sollen. Wie in dem Bericht: "Vorausschau auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen Hochschulbildung und Forschung im Blickwinkel des Europäischen Forschungsraums"58 dargelegt übernehmen "nichtakademische" Einrichtungen (Unternehmen, gemeinnützige öffentliche oder private Organisationen, private und öffentliche unabhängige Forschungszentren, usw.) in steigendem Ausmaß Forschungsarbeit. Demzufolge "ist die Aussicht, Forschungsstudenten darauf vorzubereiten, am "nichtakademischen" Markt zu arbeiten eine echte Herausforderung. Zur Zeit bilden die meisten Hochschul/Forschungseinrichtungen ihre Studenten unter dem "endogenen" Aspekt aus, das heißt, es wird davon ausgegangen, dass die Mehrheit im akademischen Forschungsumfeld beruflich tätig sein wird"59.

Deshalb sollte sich die Ausbildung und Vorbereitung der Studienabgänger nicht nur auf eine berufliche Tätigkeit im endogenen akademischen Markt beschränken, sondern auch den breit gefächerten exogenen Markt in Betracht ziehen. Eine derartige Vorbereitung der Absolventen auf den Forschungsberuf entspricht allerdings einer radikalen Abkehr von der gegenwärtigen Praxis und Einstellung, da "dies eine stärkere Einbindung des Studenten in Kooperationsprojekte mit "nichtakademischen" Partnern und auch eine direktere Einbindung von "nichtakademischen" Partnern in die Ausbildung der Forscher (sie könnten beispielsweise im Bereich der angewandten Forschung an der Entwicklung und/oder der Leitung von Universitätsprogrammen für Doktoranden und Postdoktoranden mitarbeiten) mit sich bringen könnte"60.

4.1.2. Folgen für Doktoratsprogramme

Die neuesten Programme für Doktoranden beinhalten Initiativen, die die Beschäftigungsaussichten für Forscher verbessern sollen. Dazu gehört sowohl die Ausbildung in den Kernbereichen (z .B. Ausbildung in den wissenschaftlich/technologischen Fähigkeiten) als auch die Vermittlung von beschäftigungsrelevanten Qualifikationen (z.B. Forschungsmanagement, kommunikative Fähigkeiten, Vernetzung und Teamfähigkeit), damit sie die ständig steigenden Anforderungen in einem ungewissen und offenen Arbeitsmarkt besser erfüllen können61.

Den Forschungsstudenten wird somit die Möglichkeit des "learning by doing" geboten.

Dazu gehört auch, dass die Ausbildung durch Forschung Teil der tatsächlichen Forschungstätigkeit des Laboratoriums ist, dem der Doktorand zugeteilt ist62.

Diese Entwicklungen werden sich sicherlich auch auf die Gestaltung der Ausbildung für Forscher und auf die Überlegungen zur Überprüfung dieser Ausbildung im Zuge der im Rahmen des Bologna-Prozesses stattfindenden Erörterungen und der Schaffung des Europäischen Hochschulraums auswirken. Bei Inangriffnahme der nächsten Phase63 könnten die Bildungsminister bei der Einbindung der Doktoratsstudien in den Bologna-Prozess mehr Initiative zeigen. Dies ist von umso größerer Bedeutung als mit der Schaffung des Europäischen Forschungsraums bis 2010 ein ehrgeiziges Ziel gesetzt wurde und diese beiden Prozesse eng miteinander verflochten sind.

Die für Doktoranden angebotenen Programme unterscheiden sich von Land zu Land, sie reichen von der individuell organisierten Ausbildung bis zu Standardausbildungsprogrammen, die für Doktoranden aus verwandten Fachgebieten gruppenweise veranstaltet werden. In einigen europäischen Ländern, vor allem in den nordischen Ländern64, in den Niederlanden, im Vereinigten Königreich und im Versuchsstadium in anderen Ländern wie Deutschland oder Spanien65 findet die Idee einer organisierten Ausbildung (z.B. in Forschungsschulen, Graduiertenkollegs oder Schulen für Doktoranden) bereits Anklang.

Ein weiteres wichtiges Element im Zuge dieser strukturierten Ausbildung stellt das Vorhandensein und die Qualität eines Betreuers dar. Betreuer unterscheiden sich in ihrer Qualität und in einigen Ländern können die Doktoranden den Betreuer nicht wechseln, ohne auch das laufende Forschungsprojekt abbrechen zu müssen. Dementsprechend sollten Doktoranden in allen Stadien besseren Zugang zu den Betreuern haben und jede Einrichtung, die Programme für Doktoranden anbietet, einen "unabhängigen Ombudsmann" oder einen speziellen Ausschuss bestellen, um den Doktoranden zu unterstützen und zu beraten, falls es sich als notwendig erweisen sollte, den Betreuer zu wechseln.

Zahlreiche professionelle Doktorandenorganisationen verweisen darauf, dass erfahrene Forscher persönlich mit dem Mentoring der Doktoranden betraut werden sollten, indem sie sie voll in das Forschungsumfeld einbeziehen, sie gegebenenfalls auf alternative Berufsmöglichkeiten hinweisen und ihnen möglichst viele neue Kontakte verschaffen.

Obwohl Mentoring von Fall zu Fall unterschiedlich verläuft, sollte "immer der erklärte Wille vorhanden sein, weiterführende, tiefgehende Beziehungen durch Dialoge, Entscheidungen und Überlegungen wachsen zu lassen, - ein Vorgang, der in der herkömmlichen wissenschaftlichen Betreuung oft nicht vorhanden ist."66 Das Mentoring sollte daher ein fester Bestandteil aller Doktorandenprogramme sein.

Die Finanzierung von Programmen für Doktoranden stellt nach wie vor ein Problem dar, da von den Doktoranden, um zugelassen zu werden, unter Umständen verlangt wird, die Finanzierung für die gesamte Laufzeit des Studiums zu garantieren. Außerdem können die Finanzierungsquellen auch innerhalb ein- und desselben Landes sehr unterschiedlich sein67. Diese Problematik steht in Zusammenhang mit der oben erwähnten uneinheitlichen Anerkennung des Doktorgrades im breiteren Beschäftigungskontext.

Dazu kommt, dass die Kategorie der Doktoranden eine ausgesprochen heterogene Gruppe in den verschiedenen europäischen Ländern darstellt. Doktoranden können Studenten, Mitglieder des Personals, Arbeiter oder auch Forscher sein. Somit sind die finanzielle Situation und die Sozialversicherungsrechte zahlreicher Doktoranden nach wie vor prekär. Selbst in Ländern, die den Doktoranden umfassende Sozialleistungen gewähren sind die Rechte im Zusammenhang mit dem Mutterschutz während des Doktoratstudiums wenig zufrieden stellend.

Doktoranden sollten prinzipiell eine geeignete Finanzierung, sei es in Form eines Zuschusses, eines Kredits oder eines Gehalts erhalten und auf jeden Fall Anspruch auf ein Minimum an Sozialleistungen, unter anderem auch auf Elternurlaub haben68.

Es wird erforderlich sein, den unterschiedlichen Status dieser heterogenen Gruppe zu analysieren um ein systematisches Bestandsverzeichnis der Strukturierung, der Organisation der Ausbildung von Forschern und der Zugangsanforderungen in den europäischen Ländern erstellen zu können und somit einen vollständigen Überblick über die Besonderheiten der Ausbildungsmöglichkeiten zum Forscher in Europa zu erhalten.

4.2. Eine Vielzahl von Rekrutierungsverfahren

Die Frage der Rekrutierung hängt mit der Stufe zusammen, auf der sie erfolgt und in welcher Organisation Stellen zu besetzen sind. Freie Stellen kann es auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene für Nachwuchswissenschaftler oder erfahrene Wissenschaftler, in Organisationen des öffentlichen Bereichs oder als Lehrstellen in Universitäten, die über Forschungsmöglichkeiten verfügen, geben. Der private Sektor sucht Forscher in jedem Stadium ihrer Laufbahn auf den nationalen, europäischen und internationalen Arbeitsmärkten.

Die Rekrutierungssysteme sind sowohl von Land zu Land als auch zwischen privaten und öffentlichen Organisationen unterschiedlich. In allen europäischen Ländern gelangen langjährig erprobte Einstellungsverfahren zum Einsatz69. Die Stellenausschreibungen erfolgen meist über Anzeigen in der Presse bzw. Internet oder mittels nationaler oder internationaler Wettbewerbe. Im öffentlichen Bereich werden die Entscheidungen meist in einem Auswahlausschuss getroffen und die Kommission verwies bereits auf die Notwendigkeit, bestehende Hemmnisse zu beseitigen, die ausländische Forscher daran hindern an Auswahl- und Bewertungsausschüssen teilzunehmen70. In der Praxis hängen Einstellungen allerdings nach wie vor weitgehend von Faktoren wie dem Einfluss des Betreuers, Abkommen, die auf lokalen Kulturen basieren, der Tatsache, dass in den Gremien keine externen Mitglieder vertreten sind oder dass ein offener zu einem lokalen Wettbewerb wird, ab, was in gewisser Weise die mangelnde Öffnung der akademischen oder öffentlichen Forschungsstrukturen widerspiegelt.

Ein weiterer Problempunkt, der behandelt werden muss, bezieht sich auf die Rekrutierungsintegrität auf der Grundlage wissenschaftlicher Standards. Die Auswahl erfolgt entweder anhand schriftlicher Unterlagen (Lebenslauf und Veröffentlichungen), schriftlicher Tests, Interviews oder einer Kombination daraus. Die Einstellungskriterien orientieren sich im Wesentlichen an dem offiziell verlangten Ausbildungsniveau und an anderen Anforderungen, die in Zusammenhang mit dem Bedarf der Organisation stehen.

Bei Stellenausschreibungen im akademischen Bereich werden im Allgemeinen ein Doktorgrad oder Veröffentlichungen in international anerkannten, wissenschaftlichen Zeitschriften verlangt.

Im Gegensatz dazu erfolgen Einstellungen von Forschern im privaten Sektor oft in einem globaleren Kontext und stehen in engem Zusammenhang mit der Kultur und dem Bedarf des jeweiligen Unternehmens, vor allem, was den Wert anbelangt, der einem Doktorgrad zuerkannt wird.

Einer der Punkte für die Schaffung eines offenen Marktes für Forscher in Europa hängt mit der tatsächlichen Öffnung der einzelstaatlichen öffentlichen Bereiche für die Besetzung von freien Stellen durch EU-Forscher und Forscher aus Drittländern zusammen - eine Forderung, die von der Europäischen Kommission71 bereits gestellt wurde . "Alle (...) Einstellungsverfahren müssen offen sein72 (...) Außerdem dürfen die Mitgliedstaaten Wanderarbeitnehmern den Beamtenstatus (falls einschlägig) nicht verweigern wenn sie einmal im öffentlichen Sektor beschäftigt sind. In all diesen Punkten beabsichtigt die Kommission, die einschlägigen nationalen Vorschriften und Praktiken strikt zu überwachen und die notwendigen Schritte einzuleiten, um eine effektive Befolgung des Gemeinschaftsrechts sicher zu stellen, gegebenenfalls auch durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren".

In der Praxis wird meist verlangt, dass der Nachweis der beruflichen Erfahrung im Lebenslauf des Forschers in Form einer chronologische Liste erbracht wird, wobei genaue Angaben zu Ausbildung und beruflicher Erfahrung, zusätzlichen Qualifikationen, der Beherrschung von Fremdsprachen usw. verlangt werden. Eines der wichtigsten Kriterien bei der Berufserfahrung scheint aber die "Linearität" der beruflichen Laufbahn zu sein, mit Stufen wie bei einer Leiter, ohne chronologische Lücken.

Viele Forscher empfinden dies als Faktor, der sie benachteiligt, vor allem wenn sie das Fachgebiet wechseln, was im gesamten Innovationsprozess als wichtiges Kriterium angesehen wird, aber oft nicht als solches anerkannt wird. Dies gilt auch für vorübergehende Unterbrechungen aus persönlichen oder familiären Gründen.

Vorschlägen zufolge sollten Forscher die Möglichkeiten haben, eine gewisse Anzahl von Jahren aus ihrem Lebenslauf zu streichen, falls sie dies bei der Bewerbung für eine freie Stelle als notwendig und zweckdienlich erachten. Dies würde aber auch eine Haltungsänderung seitens aller Akteure der Forschergemeinde erfordern, die "nicht linearen" Laufbahnen offener gegenüberstehen müssten und ihr Urteil auf Verdiensten und nicht zwangsläufig auf Lebensläufen in chronologischer Reihenfolge gründen müssten.

Es sollte ein "Verhaltenskodex für die Rekrutierung von Forschern" auf der Grundlage der besten Verfahrensweisen ausgearbeitet werden, um zu besseren Rekrutierungsmethoden zu gelangen, die die erforderliche Offenheit auf europäischer Ebene und unterschiedliche Arten der Beurteilung von Verdiensten und exzellenten Leistungen widerspiegeln.

4.3. Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen

4.3.1. Tendenz zur Liberalisierung im System der akademischen Laufbahnen

Für das Karrieresystem der Forscher sind verschiedene Arten von Stipendien, eine Reihe von zeitlich begrenzten Verträgen, Tenure-Track-Positionen oder feste Beschäftigungsverhältnisse kennzeichnend. Die Entwicklung der Struktur einer Forscherlaufbahn hängt daher von formalen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, die den entsprechenden rechtlichen und vertraglichen Bestimmungen unterliegen, ab, wobei es je nach Land, Art der Forschungseinrichtung (öffentlich oder privat) und Fachbereich Unterschiede gibt.

Für die Beschäftigungsverhältnisse des F&E-Personals gibt es im Allgemeinen drei Möglichkeiten: staatliche Gesetze, tarifvertragliche Vereinbarungen zwischen Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer oder - im Fall von akademischem Personal -Beschäftigungsbestimmungen seitens der Hochschuleinrichtungen.

Im Einklang mit der Studie: "Employment and Working Conditions of Academic Staff in Europe73: A Comparative Study in the European Community" bestehen in verschiedenen Hochschulsystemen traditionelle Mechanismen zur Verhandlung von Einzelverträgen zwischen den Mitgliedern des akademischen Personals und Vertretern des Arbeitgebers (staatliche Behörde oder Leiter der betreffenden Institution). Die Regelungen und Regeln könnten somit in Dokumenten mit Rechtswirkung oder Beschäftigungsverträgen, je nachdem wie sie zustande kamen, festgehalten werden, entweder einseitig durch staatliche Gesetze bzw. Regelungen des Arbeitgebers oder bilateral in Form von nationalen, lokalen oder auch Einzelverhandlungen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Kombination aus mehreren Elementen. Im Allgemeinen beziehen sich diese Regeln auf Bestimmungen zu Gehalt, Arbeitszeit, Sicherheit des Arbeitsplatzes und Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, Verfahren für Einstellungen und Beförderungen, freiwillige Sozialleistungen, Urlaubsjahre, Pensionsvereinbarungen, usw.

In den Hochschulsystemen zeichnet sich eine Tendenz zu mehr Dezentralisierung bei der Regelung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen von Akademikern ab. Die Umschichtung der Verantwortung und Entscheidungsprozesse verläuft je nach Land unterschiedlich74 und könnte, wenn keine Einbeziehung in ein koordiniertes Rahmenwerk erfolgt die Komplexität des Systems noch weiter erhöhen.

Bei den Arbeitsbedingungen für Forscher sollten einige Punkte noch intensiver nachgefragt und untersucht werden. Dazu gehören die Flexibilität bei der Arbeit (Telearbeit, Teilzeitbeschäftigung), das Recht auf lebenslange Weiterbildung, die Möglichkeit, eine Freistellung zu beantragen, und schließlich die Qualität von Infrastrukturen und Ausrüstung, einschließlich der Entwicklung der e-Forschung und der Cyberinfrastruktur75.

In diesem Zusammenhang soll darauf hingewiesen werden, dass die Zukunft von befristeten Arbeitsverträgen, somit auch von Forschungsverträgen, auch in Bezug zur Umsetzung der "EU-Richtlinie über befristete Arbeitsverträge"76 steht. Die Richtlinie soll verhindern dass Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen nur deswegen, weil für sie ein befristeter Arbeitsvertrag oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gilt, gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten schlechter behandelt werden, ebenso wie den Missbrauch durch aufeinander folgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse; ferner soll sie befristet beschäftigten Arbeitnehmern der Zugang zu angemessenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten erleichtern und dafür sorgen, dass befristet beschäftigte Arbeitnehmer über Dauerstellen, die im Unternehmen oder Betrieb frei werden informiert werden.

Sinnvoll wäre die Analyse, inwieweit die mit diesem Problemkreis zusammenhängenden Gesetze, die in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten neu erlassen werden, dem oben erwähnten Arbeitsumfeld gerecht werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass die Strukturierung und Zukunft von Stipendien nach dem Doktoratsstudium und die Auftragsforschung in den europäischen Ländern neu überdacht werden.

Forscher und deren Arbeitgeber sollten eine Diskussion über die Entwicklung der Arbeitsbedingungen für Forscher im Rahmen eines sozialen Dialogs führen, um dieses Ziel leichter erreichen zu können.

4.3.2. Finanzielle Anreize für den Beruf des Forschers

Die Höhe des Gehalts ist eines der sichtbarsten Zeichen für die Anerkennung einer beruflichen Laufbahn. Die Gehälter von Forschern scheinen hinter denen, die z.B. Arbeitnehmern in Managementpositionen gezahlt werden, herzuhinken. Dies wird als einer der Gründe für einen Berufswechsel gesehen, und es können somit öffentliche Mittel verloren gehen, die in die Ausbildung von Forschern investiert wurden. Eine höhere Mobilität, die Notwendigkeit von mehr Transparenz und Vergleichbarkeit, um besser auf die Attraktivität des Forscherberufs hinweisen zu können, verlangen nach Vergleichsstudien über die finanziellen Bedingungen und Gehälter von Forschern.

Bisher wurden keine derartigen systematischen Studien77 durchgeführt, wofür folgende Schwierigkeiten verantwortlich sind: Unterschiede im Status oder der Definition des Personals, das Fehlen vergleichbarer internationaler Statistiken, die Unterschiede zwischen Brutto- und Nettoeinkommen (das aufgrund heterogener Steuer- und Sozialversicherungssysteme in den einzelnen Ländern äußerst unterschiedlich ist) und schließlich der finanzielle Beitrag des Forschers zu den erzielten wissenschaftlichen Ergebnissen oder die Möglichkeit, Forschungsverträge mit individuellen Begünstigungen abzuschließen. Um einen vollständigen Überblick zu erhalten, sollten auch Vergleiche zwischen dem Einkommen von wissenschaftlichen Arbeitnehmern im privaten Sektor und finanziellen Erträgen aus der Vergabe von Lizenzen oder anderen Möglichkeiten der Verwertung durchgeführt und den Forschern zugänglich gemacht werden.

Dies stellt insofern eine große Herausforderung dar, als eine Vielfalt von Themen davon betroffen ist und die benötigten Daten komplex und oft einander widersprechend sind78.

Daher sollte eine Studie auf europäischer Ebene durchgeführt werden. Mit Hilfe derartiger Studien können die Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten der Laufbahnentwicklung festgestellt und mögliche Gehaltsanpassungen bestimmt werden, um einen Vergleich zwischen Angebot und Nachfrage zu erleichtern.

4.3.3. Wachsende Nachfrage nach alternativen Beschäftigungsverhältnissen

Die Notwendigkeit einer Laufbahnstruktur für Forscher wurde erst vor relativ kurzer Zeit erkannt wobei zwei Faktoren zu berücksichtigen sind, die langfristigen Perspektiven erschweren: das Bewusstsein sowohl für die Struktur der Laufbahn als auch für die Tatsache, dass es vor allem bei Berufen im akademischen Bereich keine Aussichten auf Langzeitbeschäftigungen gibt79.

Einerseits wurden in einigen europäischen Ländern die Laufbahnstrukturen, vor allem die der Vertragsforscher, analysiert80, erörtert und weiter ausgebaut. Beispiele für derartige Initiativen finden sich im Vereinigten Königreich mit der "Research Career Initiative (RCI)"81 bzw. in Irland mit der Initiative "Attracting & retaining researchers in Ireland"82. Andererseits wird das Thema des "US Tenure-Track-Modells" in verschiedenen europäischen Ländern, vor allem im Licht der Reform des Hochschulsystems, diskutiert. Ein Beispiel dafür ist das Modell der "Juniorprofessur" in Deutschland83.

Das INSERM, das Französische Institut für Gesundheit und medizinische Forschung, hat 2002 in Zusammenarbeit mit Krankenhäusern und Universitäten ein neues Tenure-Track-Modell für biomedizinische Forschung geschaffen. Das neue System bietet Anstellungen mit einem fixen Jahresgehalt (inbegriffen sind Krankenversicherung für die Familie und Rentenvorsorge), dessen Höhe von der beruflichen Erfahrung abhängt und einen 5-Jahresvertrag mit Option auf Verlängerung, wobei das Krankenhaus oder die Universität ein zusätzliches Gehalt zahlen.

Durch diese Entwicklung der Beschäftigungsverhältnisse können sich auch neue Möglichkeiten eröffnen, um Wege zwischen einer "akademischen" und einer "industriellen" Karriere in der Forschung zu finden. Dies ist vor allem solange von Bedeutung, als die starren Strukturen der akademischen Beschäftigungsbedingungen eines der Haupthindernisse für sektorüberschreitende Mobilität sind, wie aus dem Schlussbericht der hochrangigen Sachverständigengruppe zur Verbesserung der Mobilität von Forschern hervorgeht84. Die Milderung solch starrer Strukturen macht den Weg frei für kombinierte Ansätze bei Beschäftigung und Entlohnung und es können sich neue Partnerschaften entwickeln und zu einem Tenure Track für Forscher zwischen Industrie und akademischem Bereich führen85.

Solch alternative Tenure Tracks müssen geschaffen werden, um die Forscher in reguläre und dauerhafte Personalstrukturen einbeziehen zu können. In diesem Zusammenhang bieten sich besser strukturierte Partnerschaften zwischen Hochschuleinrichtungen und nationalen oder regionalen Forschungszentren/Laboratorien bzw. Partnerschaften zwischen der Industrie und der akademischen Welt an. Diese neue Gestaltungsmöglichkeit der Karriere bietet zahlreiche Vorteile, von einer besseren Organisation der Verbindungen zwischen angewandter Forschung und Grundlagenforschung bis zu einer Steigerung der Motivation durch höhere Flexibilität, wodurch auch die drei Dimensionen: Lehre, Forschung und Themen wie Wissenstransfer und Innovation, die mit der Industrie bzw. dem Unternehmensbereich in Zusammenhang stehen einbezogen werden.

4.3.4. Systeme zur Evaluierung der beruflichen Laufbahn

Je mehr unterschiedliche Berufserfahrungen aus einem alternativen Tenure Track hervorgehen desto größer wird die Bedeutung eines geeigneten Evaluierungs- bzw.

Bewertungssystems.

Veröffentlichungen in Form von Artikeln in bedeutenden Zeitschriften, internationale Veröffentlichungen, Bücher und Kapitel sind grundlegende Kriterien für die Beurteilung eines Forschers und dessen Produktivität. Wie aus der Studie "Researchers" Appraisal at European Universities"86 hervorgeht, gewinnen "andere Indikatoren" wie Computerprogramme, wissenschaftliche Preise, Vorträge bei Konferenzen, die Teilnahme an Ausstellungen, Seminaren, Workshops, die Organisation derartiger Veranstaltungen, berufliche Ernennungen, Lehrtätigkeiten, nationale und internationale Zusammenarbeit, Forschungsmanagement, Einkommen aus der Forschung und in geringerem Ausmaß Patente, Lizenzen und produktive Nebeneffekte immer mehr an Bedeutung.

Einige mit der Evaluierung betraute Organisationen ziehen diese "anderen Indikatoren" vor um ausgezeichnete Forscher zu ermitteln und zu belohnen, andere wiederum sehen sie nur als Zusatzinformationen, die sie in ihrer Meinung über einen Forscher bestätigen.

Dieser Studie zufolge gibt es für die Evaluierung von Forschern mehrere Zeitpunkte: vor der Promotion, während einer Projektevaluierung zwecks Finanzierung, in Form einer regelmäßigen Bewertung (z.B. jährliche Bewertung), im Zuge der Vorbereitung auf Gehaltsverhandlungen oder Verhandlungen über Beschäftigungsbedingungen.

Die Studie gibt auch einen Überblick über die Verfahren verschiedener Länder für die Evaluierung von Forschern im akademischen Bereich. Je nach Art der Bewertung und nach Land werden die Bewertungen von Forschungsräten und Ministerien, Universitätsdekanen und Forschungsgruppen vorgenommen. Im Vereinigten Königreich und einigen anderen europäischen Staaten (Deutschland, Irland, Niederlande, Norwegen usw.) erfolgt die Evaluierung der Forscher im Einklang mit den nationalen Rahmenwerken für eine generisch ausgerichtete Humanressourcenpolitik unter Einbeziehung von individuellen Leistungen und Zielsetzungen.

An den meisten Universitäten erfolgt die Evaluierung der Forscher in Form von Protokollen über Humanressourcen, in denen Spitzenleistungen angegeben werden. In Frankreich, Dänemark, Portugal und Spanien werden nicht Veröffentlichungen und Lehrtätigkeiten zur Evaluierung der Tätigkeit von Forschern, sondern Listen mit Indikatoren herangezogen. In einigen Ländern (Deutschland, Portugal) werden neue Evaluierungsansätze erarbeitet und umgesetzt.

Angesichts der Tatsache, dass unterschiedlichen F&E-Laufbahnen gleichberechtigt behandelt werden sollten, müssen Verfahren und Indikatoren entwickelt werden, die eine Evaluierung der Forscher unter Rücksichtnahme auf die Art der von ihnen ausgeübten Forschungstätigkeit zulassen. Das bedeutet auch, dass sich die Evaluierung von Leistungen und Ergebnissen nicht hauptsächlich auf die Zitierungshäufigkeit und die Berechnung der Zitierungsrate konzentriert. Werden diese "anderen Indikatoren" nicht hinreichend berücksichtigt, könnten Forscher entmutigt werden, Forschungsergebnisse zu verwerten was unter dem sozio-ökonomischen Aspekt wiederum bedeutet, dass die Gesellschaft keinen Nutzen aus der Forschung ziehen kann.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines besseren Verständnisses für diese unterschiedlichen Ansätze, zu denen Peer Review, leistungsbezogene Systeme und individuelle Bewertungssysteme auf der Grundlage lokaler, nationaler oder internationaler Standards zählen. Dies sollte durch eine Reihe von Workshops auf europäischer Ebene erfolgen, die sich mit den einschlägigen vorbildlichen Verfahren befassen.

In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig festzustellen, inwieweit die geografische und die sektorüberschreitende Mobilität als Teil der Laufbahnentwicklung bewertet werden. In ihrem Schlussbericht gelangte die hochrangige Sachverständigengruppe87 zu der Ansicht, dass Arbeits- oder Ausbildungszeiten im Ausland oder in einem anderen Sektor einige Nachteile sowohl für Forscher, die noch keine Dauerstellung hatten, als auch für Forscher mit Dauerstellung mit sich brächten.

5. Vorgeschlagene Massnahmen und Initiativen

Die in dieser Mitteilung behandelten Aspekte und Überlegungen unterstreichen die Notwendigkeit von Maßnahmen mit folgenden Schwerpunkten:

Basierend auf den bereits vorliegenden Ergebnissen und gestützt auf den Austausch vorbildlicher Praktiken, das Benchmarking und die freiwillige Zusammenarbeit wird Folgendes vorgeschlagen:

Die Kommission wird

In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten beabsichtigt die Kommission,

Die Kommission schlägt den Mitgliedstaaten und den Akteuren der Forschergemeinde vor,