Der Bundesrat hat in seiner 803. Sitzung am 24. September 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass elektronische Gesundheitsdienste künftig für die Entwicklung der Gesundheitsversorgung und der Gesundheitswirtschaft immer wichtiger werden. Elektronische Gesundheitsdienste bergen ein großes Potenzial für die Steigerung der Qualität, die Verbesserung des Zugangs und Entlastungen bei der Finanzierung der Gesundheitsversorgung.
Die von der Kommission aufgegriffenen Fragen und die in der Mitteilung entwickelte Situationsbeschreibung sind generell zutreffend. Insoweit ist die Initiative der Kommission zu begrüßen.
Kritisch bewertet werden die von der Kommission mitgeteilten Ergebnisse eines Vergleichs innerhalb der EU-15, wonach im Jahr 2002 nur 42 % der deutschen Ärzte einen Internetanschluss hatten, während der Durchschnitt innerhalb der EU-15 bei 78 % lag. Diese Zahlen lassen nach Auffassung des Bundesrates nicht darauf schließen, dass in Deutschland ein genereller Nachholbedarf bei elektronischen Gesundheitsdiensten besteht, sondern können allenfalls Ausgangspunkt einer differenzierteren Analyse unter Berücksichtigung von nationalen berufs- und datenschutzrechtlichen Vorgaben sein.
- 2. Die Kommission selbst hat auf den Zusammenhang mit ihren bereits vorliegenden Mitteilungen zur Entwicklung im Bereich der Gesundheitsversorgung (Modernisierung des Sozialschutzes, BR-Drucksache 365/04 (PDF) ; Patientenmobilität, BR-Drucksache 336/04 (PDF) ) hingewiesen. Der Bundesrat nimmt insoweit auf seine Stellungnahmen hierzu Bezug (vgl. BR-Drucksache 365/04(B) vom 11. Juni 2004 und BR-Drucksache 336/04(B) vom 9. Juli 2004).
- 3. Für die Regelung und Ausgestaltung von elektronischen Gesundheitsdiensten sind die Mitgliedstaaten zuständig. Der Bundesrat verweist insoweit auf seine grundsätzliche Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission "eEurope - eine Informationsgesellschaft für alle" vom 17. März 2000 (BR-Drucksache 028/00(Beschluss) ). Zwar kann die Gemeinschaft im Gesundheitswesen die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördern und deren Politik ergänzen.
Der Bundesrat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinschaft Verpflichtungen der Mitgliedstaaten nicht einfordern darf.
- 4. Die Mitteilung beschreibt Ziele und entwirft Aktionen, die auf Ebene der Mitgliedstaaten vielfältigen und unterschiedlichen Aufgabenträgern und Zuständigkeiten zugeordnet sind (in Deutschland: Bund, Länder, Selbstverwaltung, Industrie). Die Kommission weist zwar darauf hin, dass auf den verschiedenen Ebenen noch zahlreiche komplexe Fragen zu lösen sind, geht aber auf die unterschiedlichen Zuständigkeiten und die sich daran knüpfenden Konsequenzen nicht näher ein. Auf diese wird bei den weiteren Schritten daher besonders zu achten sein. Auch insoweit wird auf die Stellungnahme des Bundesrates (vgl. BR-Drucksache 028/00(Beschluss) ) Bezug genommen.
Der Bundesrat hält es durchaus für sinnvoll, innerhalb der Europäischen Union die Systeme elektronischer Gesundheitsdienste zu vergleichen und vorbildliche Verfahren auf diesem Gebiet auszutauschen. Im Hinblick auf die in den einzelnen Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Organisation und Finanzierung der Gesundheitssysteme darf hierdurch jedoch die Entscheidung der Mitgliedstaaten über weitere Schritte nicht festgelegt oder vorweggenommen werden. Im Übrigen bezweifelt der Bundesrat, dass es möglich sein wird, praktikable Kriterien zur Bewertung der verschiedenen elektronischen Gesundheitsdienste zu finden.
- 5. Bei dem von der Kommission vorgesehenen "hochrangigen Forum" sind, abgesehen von einer Beratungsfunktion gegenüber der Kommission, Aufgaben und Zusammensetzung noch unklar. Es ist darauf zu achten, dass insoweit keine Verwischung der Zuständigkeiten und Entscheidungsebenen eintritt. Die Schnittstellen zu anderen Gremien im Bereich der Gesundheitsversorgung sind noch zu definieren. Die Bundesregierung wird gebeten, auf Klarstellung hinzuwirken.
- 6. Die Bundesregierung sollte sicherstellen, dass die Vorarbeiten für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in die europäische Entwicklung eingebracht werden und unnötige Doppelarbeit verhindert wird. Mehrere Länder haben bereits Modellprojekte zur Erprobung der elektronischen Gesundheitskarte, von elektronischen Heilberufsausweisen und weiteren Elementen einer Telematikinfrastruktur in die Wege geleitet. In diesem Zusammenhang unterstützt der Bundesrat Aktivitäten der Bundesregierung, einen Austausch zwischen Regierungsvertretern zu Fragen der Telematikarchitekturen und des Einsatzes von internationalen Standards mit dem Ziel zu fördern, nationale Insellösungen in Europa zu vermeiden.
- 7. Wie sich in Deutschland bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte bereits gezeigt hat, bestehen bei der Einführung elektronischer Gesundheitsdienste erhebliche technische und sonstige Probleme und Fragestellungen.
Diese Erfahrungen sollte die Bundesregierung bei der Entwicklung des weiteren Zeitplans einbringen und hierzu eigene konkrete Vorstellungen zu den Vorschlägen der Kommission und einen entsprechenden "Ablaufplan" entwickeln.
Dieser bedarf einer Einbindung von und enger Abstimmung mit allen Beteiligten.
Auch hierbei sind auf realistische Umsetzungsschritte, einen flexiblen "Fahrplan" und die Kompatibilität der Aktivitäten auf europäischer Ebene mit den nationalen Aktionen zu achten.
- 8. Die Absicht der Kommission, ein europäisches Gesundheitsportal einzurichten, wird grundsätzlich begrüßt. Dabei ist auf die Kompatibilität zu schon bestehenden "öffentlichen" Angeboten in den Mitgliedstaaten und ausreichende Qualitätssicherung zu achten.
- 9. Der von der Kommission so bezeichnete Aktionsplan ist in der zeitlichen Zielsetzung einerseits sehr ehrgeizig, andererseits im konkreten Ablauf eher skizzenhaft.
Er stellt sich so mehr als allgemeiner Rahmen für einen noch konkret daraus zu entwickelnden Aktionsplan dar.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung im Hinblick auf den Beschluss der 2586. Tagung des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 1./2. Juni 2004, in dem die Mitteilung der Kommission "zur Kenntnis" genommen wird, sich für die Aufstellung eines mit den Mitgliedstaaten abgestimmten Aktionsplans einzusetzen.
Gegenüber der Kommission sollte dabei unter anderem im Hinblick auf die nicht absehbaren technischen und finanziellen Probleme auf eine sinnvolle Priorisierung und Flexibilisierung des noch konkret zu entwickelnden Aktionsplans hingewirkt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass zur Finanzierung der Maßnahmen auf europäischer Ebene bestehende Programme in Anspruch genommen bzw. Mittel aus diesen Programmen sinnvoll umgewidmet werden. Im Einklang mit der Stellungnahme des Bundesrates (vgl. BR-Drucksache 028/00(Beschluss) ) sind Finanzierungsverpflichtungen auf nationaler bzw. regionaler Ebene an die Zustimmung der jeweiligen Regierungen (in Deutschland: Bundesregierung, Landesregierungen) zu knüpfen.
- 10. Bei elektronischen Gesundheitsdiensten handelt es sich um einen datenschutzrechtlich sehr sensiblen Bereich. Der Bundesrat hält es daher für unabdingbar, bei der Umsetzung des Aktionsplans der Kommission streng auf die Anforderungen des Datenschutzes zu achten. Andernfalls könnten in der Bevölkerung Ängste aufkommen, die verhindern, dass die elektronischen Gesundheitsdienste die erforderliche Akzeptanz finden.