Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss über Nanowissenschaften und Nanotechnologien: Ein Aktionsplan für Europa 2005 bis 2009

KOM (2005) 243 endg.; Ratsdok. 10013/05
Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 16. Juni 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 8. Juni 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.

Hintergrund

Nanowissenschaften und Nanotechnologien (N&N) bilden ein neues Feld für die Forschung und Entwicklung (FuE). Sie gelten dem Studium von Phänomenen und der Bearbeitung von Materialien auf atomarer, molekularer und makromolekularer Ebene, deren Eigenschaften sich bedeutend von denen auf höherer Ebene unterscheiden.

FuE und Innovation auf dem Gebiet der N&N ermöglichen Fortschritte in einem breiten Spektrum. Diese Fortschritte können die Bedürfnisse der Bürger erfüllen und zu den Zielen der Union in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung sowie ihren politischen Konzepten auf zahlreichen Gebieten beitragen, darunter Volksgesundheit, Beschäftigung, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, Informationsgesellschaft, Energie, Verkehr, Sicherheit und Raumfahrt.

Produkte auf der Grundlage von N&N sind bereits in Gebrauch, und Analysten erwarten ein Marktwachstum um Hunderte von Milliarden Euro noch in diesem Jahrzehnt. Europa muss eine Wiederholung des europäischen "Paradoxons" vermeiden, das bei anderen Technologien beobachtet wurde, und seine FuE von Weltklasse auf dem Gebiet der N&N in nützliche, Wohlstand schaffende Produkte umwandeln, im Einklang mit den Maßnahmen zur Förderung des Wachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen gemäß der "Lissabonner Strategie" der Union.1

Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltrisiken, die mit N&N-Produkten und Anwendungen verbunden sein können, müssen im Vorhinein und während des gesamten Lebenszyklus angegangen werden.

Ein besserer Dialog zwischen Forschern, Entscheidungsträgern in öffentlichen Stellen und Unternehmen, anderen interessierten Kreisen und der Öffentlichkeit hilft beim Verständnis möglicher Ängste und ihrem Abbau von Seiten der Wissenschaft und Verwaltung und fördert informierte Beurteilung und Beteiligung.

Am 12. Mai 2004 veröffentlichte die Kommission die Mitteilung Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie2, in der sie eine sichere, integrierte und verantwortungsvolle Strategie vorschlug. Diese Strategie soll die führende Stellung der Union bei FuE und Innovation in den N&N festigen und gleichzeitig im Vorhinein Befürchtungen in Bezug auf Umwelt, Gesundheit, Sicherheit und Gesellschaft ansprechen. Folgende notwendige Maßnahmen wurden in diesem Zusammenhang hervorgehoben:

In seinen Schlussfolgerungen vom 24. September 20043 begrüßt der Rat "Wettbewerbsfähigkeit" das vorgeschlagene integrierte und verantwortungsvolle Konzept und die Absicht der Kommission, einen Aktionsplan Nanotechnologie zu erstellen. Anschließend, am 10. November 20044, verabschiedete der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss eine Stellungnahme, in der er das vorgeschlagene Konzept der Kommission unterstützt.

Alle interessierten Kreise wurden im Zuge einer umfangreichen öffentlichen Konsultation aufgefordert, bis zum 15. Oktober 2004 zum Vorschlag der Kommission Stellung zu nehmen. Es gingen über 750 Antworten ein, die die einzelnen Punkte des Vorschlags der Kommission unterstützten. Die Ergebnisse dieser Erhebung, der umfangreichsten ihrer Art in Europa, werden an anderer Stelle5 beschrieben.

Unter Berücksichtigung des oben Gesagten hat die Kommission diesen Aktionsplan erstellt, in dem eine Reihe zusammenhängender Maßnahmen festgelegt werden, die die auf der Grundlage der in der genannten Mitteilung herausgestellten prioritären Bereiche einer sicheren, integrierten und verantwortungsvollen N&N-Strategie unmittelbar umsetzen. In Bezug auf die Nanobiotechnologie ergänzt dieser Aktionsplan die Kommissionsstrategie für Europa auf dem Gebiet der Biowissenschaften und Biotechnologie.6

Die Kommission ersucht das Europäische Parlament und den Rat, dem Aktionsplan zuzustimmen, und fordert die Mitgliedstaaten auf, zu seiner raschen Verwirklichung beizutragen.

1. Forschung, Entwicklung und Innovation: Europa benötigt Wissen

Die Zusammenführung öffentlicher und privater Organisationen in ganz Europa zur gemeinsamen Durchführung von FuE ist entscheidend für den für N&N oft

1.1 Die Kommission wird

1.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

2. INFRASTRUKTUR und Europäische Spitzenleistungzentren

Spitzenleistungszentren und eine FuE-Infrastruktur von Weltklasse sind lebensnotwendig, um auf dem Gebiet der N&N wettbewerbsfähig zu bleiben. Europa benötigt ein geeignetes, vielfältiges und zugleich kohärentes Infrastruktursystem, das sowohl Einzelstandorte als auch "verteilte" (vernetzte) Einrichtungen umfasst. Wegen ihrer Interdisziplinarität und Komplexität sowie ihrer Kosten erfordert diese Infrastruktur für FuE und Innovation auf dem Gebiet der N&N eine kritische Masse an Ressourcen, die die Möglichkeiten regionaler, und oft sogar nationaler Regierungen und der Industrie übersteigt.

2.1 Die Kommission wird

2.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

3. INTERDISZIPLINÄRE Humanressourcen: Europa braucht Kreativität

Unsere Fähigkeit zur Schaffung von Wissen hängt ab von modernem Unterricht, moderner Ausbildung und lebenslangem Lernen von Forschern, Ingenieuren und anderem qualifizierten Persona1. Die interdisziplinäre FuE auf dem Gebiet der N&N geht über herkömmliche Konzepte hinaus, und diese Gruppen müssen sich stärker der unternehmerischen, ethischen, gesundheitlichen, sicherheitsbezogenen (auch am Arbeitsplatz), ökologischen und sozialen Fragen bewusst werden. Gleichzeitig verbessert die Mobilität über Grenzen zwischen der akademischen und der unternehmerischen Welt, Landesgrenzen und Disziplinen hinaus die Qualität des Unterrichts und der Ausbildung. Dies gilt insbesondere für das Gebiet der N&N, das sich rasch weiterentwickelt und auf dem die Interdisziplinarität eine entscheidende Rolle spielt.

3.1 Die Kommission wird

3.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

4. INDUSTRIELLE Innovation: VOM Wissen zum Markt

Wegen des konstruktiven Charakters der N&N lassen sich Fortschritte in praktisch allen Technologiebereichen erzielen. Die europäische Industrie, FuE-Einrichtungen, Universitäten und Finanzinstitute sollten zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass hervorragende FuE auf dem Gebiet der N&N in kommerziell lebensfähige, in sich sichere Produkte und Verfahren umgesetzt wird.

Normen sorgen für gleiche Voraussetzungen auf den Märkten und beim internationalen Handel und sind Vorbedingungen für einen gerechten Wettbewerb, vergleichende Risikobewertungen und Regulierungsmaßnahmen. Der Schutz der Rechte am geistigen Eigentum (IPR) ist für die Innovation essenziell, und zwar sowohl für das Anziehen von Startkapital als auch zur Gewährleistung späterer Einkünfte.

4.1 Die Kommission wird

4.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

5. Einbeziehung der gesellschaftlichen Dimension: eingehen auf Erwartungen und Ängste

Während die N&N unserer Gesellschaft wichtige Fortschritte und Vorteile bringen, die unsere Lebensqualität verbessern, beinhalten sie, wie jede Technologie, einige Risiken, die von Beginn an erkannt und untersucht werden müssen.

Als wesentliches Element dieser verantwortungsvollen Strategie für die N&N müssen Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltaspekte in die technologische Entwicklung der N&N einbezogen werden. Weiter muss ein wirkungsvoller Dialog mit allen interessierten Kreisen aufgebaut werden, bei dem diese über Fortschritte und erwartete Vorteile unterrichtet werden und Erwartungen und (realen und empfundenen) Ängsten Rechnung getragen wird, um die Entwicklungen in eine Richtung lenken zu können, die negative Auswirkungen auf die Gesellschaft vermeiden hilft.

Die Kommission möchte zur Entwicklung einer Gesellschaft beitragen, in der die Öffentlichkeit, die Wissenschaftler, die Industrie, die Finanzinstitute und politischen Entscheidungsträger wie selbstverständlich mit Fragen in Bezug auf die N&N umgehen. Aufgrund der Eigenheiten der N&N können gesellschaftliche Probleme entstehen, die bereits im Vorfeld angegangen werden müssen. Dabei geht es etwa um die Problematik gering qualifizierter Arbeitskräfte, die Risiken eines Ungleichgewichts zwischen verschiedenen Regionen der EU und darum, dass sichergestellt werden muss, dass der Zugang zu dem Nutzen der N&N etwa auf dem Gebiet der Nanomedizin erschwinglich ist.

5.1 Die Kommission wird

5.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

6. öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz

Jede Art der Anwendung und Gebrauch der N&N muss den hohen Anforderungen der Gemeinschaft zum Schutz der Volksgesundheit, Sicherheit, der Verbraucher, der Arbeitnehmer sowie der Umwelt genügen.20 Produkte auf der Grundlage von N&N dürften sich auf dem Markt rasch verbreiten, auch über den weniger kontrollierten Internethande1.

Nanopartikel kommen in der Natur vor, und sie können - absichtlich oder unabsichtlich - durch den Menschen erzeugt werden. Da kleinere Teilchen pro Mengeneinheit eine größere (re)aktive Oberfläche besitzen als größere, können auch ihre Toxizität und die möglichen Gesundheitsgefahren ausgeprägter sein.21 Darum werden Auswirkungen von Nanopartikeln auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt als potenziell problematisch angesehen.

Auf allen Stufen des Lebenszyklus der Technologie, vom Entwurf einschließlich der FuE, über die Herstellung, Verteilung und Verwendung bis zur Entsorgung oder der Wiederverwertung muss eine verantwortungsvolle Bewertung der Risiken für die menschliche Gesundheit, die Umwelt, die Verbraucher und die Arbeitnehmer durchgeführt werden. So müssen etwa vor Beginn der Massenproduktion technisch hergestellter Nanomaterialien geeignete Vorabbewertungen erfolgen und Verfahren für die Risikobeherrschung erarbeitet werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dabei Produkten zu widmen, die bereits oder beinahe auf dem Markt sind, wie etwa Haushaltsprodukte, Kosmetika, Pestizide, Materialien, die in Berührung mit Lebensmitteln kommen, medizinische Produkte und Geräte.

Der Europäische Aktionsplan Umwelt und Gesundheit 2004-201022 und die Gemeinschaftsstrategie für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz23 bilden eine Grundlage möglicher künftiger Initiativen. Der Kommissionsvorschlag zu REACH24 kann einige Aspekte von in sehr hohen Mengen erzeugten Nanopartikeln abdecken. Bis zur Verabschiedung von REACH gilt das Notifizierungssystem der Richtlinie 67/548/EWG für neue Stoffe und gemeldete Stoffe mit wesentlich neuen Verwendungen.

6.1 Die Kommission wird

6.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

7. Internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der N&N ist erforderlich sowohl mit wirtschaftlich und industriell fortgeschrittenen Ländern (um Wissen gemeinsam zu nutzen und von einem kritischen Umfang zu profitieren) als auch mit den weniger fortgeschrittenen (um ihnen den Zugang zum Wissen zu sichern und eine "Nano-Kluft" oder "Apartheid des Wissens" zu vermeiden). Besondere Aufmerksamkeit wird der Zusammenarbeit mit Ländern gelten, die unter die Europäische Nachbarschaftspolitik fallen, und mit solchen, mit denen W&T-Kooperationsabkommen abgeschlossen wurden.

7.1 Die Kommission wird, entsprechend ihren internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Rahmen der Welthandelsorganisation,

7.2 Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

ihre Unterstützung für die FuE auf dem Gebiet der N&N und den Aufbau von Kapazitäten in weniger entwickelten Ländern zu verstärken. Sie weist auf die Möglichkeiten der N&N hin, einen Beitrag zu den Millennium-Entwicklungszielen26 und der nachhaltigen Entwicklung zu liefern, z.B. bei der Abwasserreinigung, der Erzeugung hochwertiger und sicherer Nahrungsmittel, der wirksameren Verabreichung von Impfstoffen, geringeren Kosten für Gesundheits-Massenuntersuchungen, der effizienteren Einsparung und Nutzung von Energie.

8. Durchführung einer stimmigen und sichtbaren Strategie auf europäischer Ebene

Eine integrierte Strategie lässt sich nicht linear durchführen sondern erfordert kohärente und koordinierte Maßnahmen. Wegen des zunehmenden Interesses der Bürger an den Auswirkungen der N&N ist es außerdem wichtig, dass Maßnahmen auf EU-Ebene entsprechend öffentlichkeitswirksam bekannt gemacht werden.

Technologiepolitik auf Ministerebene vom 29.-30. Januar 2004.

Science, Technology, and innovation.

Als Reaktion auf die Aufforderungen des Rates zu einem koordinierten Management der N&N-Initiativen auf europäischer Ebene27 wird die Kommission eine zentrale Stelle für die Koordinierung auf EU-Ebene einrichten, die die Aufgabe hat,

Hinweis: vgl. Drucksache 558/04 (PDF) = AE-Nr. 041905
1 KOM (2005) 24.
2 KOM (2004) 338.
3 Schlussfolgerungen des Rates "Wettbewerbsfähigkeit" vom 24. September 2004.
4 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 15. Dezember 2004.
5 Nanoforum Report, Dezember 2004, http://www.nanoforum.org
6 KOM (2002) 27. erforderlichen interdisziplinären Ansatz sowie für die optimale Nutzung der Ressourcen. Rund zwei Drittel aller europäischen öffentlichen FuE Investitionen auf dem Gebiet der N&N sind auf nationale und regionale Initiativen zurückzuführen. Die FuE auf dem Gebiet der N&N sollte verstärkt und besser koordiniert werden, um Größenvorteile zu erzielen und Synergien mit Ausbildung und Innovation zu bilden und so das "Dreieck des Wissens" zu schaffen, das für den europäischen Forschungsraum des Wissens für Wachstum7 erforderlich ist.
7 KOM (2005) 118.
8 KOM (2005) 119.
9 Vision 2020: Nanoelectronics at the centre of change, Bericht der hochrangigen Gruppe EUR 21149 (Juni 2004), http://www.cordis.lu/ist/eniac.
10 Research Needs on Nanoparticles, 25.-26. Januar 2005, http://www.cordis.lu/nanotechnology/src/pe_workshop_reports.htm#particles.
11 CREST Report on the open method of coordination in favour of the Barcelona research investment objective, http://europa.eu.int/comm/research/era/3pct/pdf/3pct-app_open_method_coordination.pdf .
12 KOM (2003) 690.
13 KOM (2004) 156.
14 CEN-Entschließung BT C005/2004, http://www.cenorm.be.
15 Science, Technology and Innovation for the 21st Century OECD-Ausschuss für Wissenschafts- und Technologiepolitik auf Ministerebene vom 29.-30. Januar 2004.
16 http://irc.cordis.lu
17 KOM (2001) 714.
18 http://europa.eu.int/comm/mediatheque/video/index_en.html
19 http://www.cordis.lu/nanotechnology
20 Siehe EG-Vertragsartikel 152 (Gesundheit), 153 (Verbraucher) und 174 (Umwelt).
21 Siehe Ziffer 22 von Kapitel 9 (S. 82) des Berichts 2004 der UK Royal Society und der Royal Academy of Engineering "Nanoscience and nanotechnologies: opportunities and uncertainties".
22 KOM (2004) 416.
23 KOM (2002) 118.
24 Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals (Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien), http://europa.eu.int/comm/environment/chemicals/reach.htm .
25 Science, Technology and Innovation for the 21st Century OECD-Ausschuss für Wissenschafts- und Technologiepolitik auf Ministerebene vom 29.-30. Januar 2004.
26 innovation: Applying Knowledge in Development. UN Millennium Project 2005, Task Force on
27 Schlussfolgerungen des Rates "Wettbewerbsfähigkeit" vom 24. September 2004.