Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Rat und das Europäische Parlament: Überprüfung der EU-Strategie der nachhaltigen Entwicklung 2005 - Erste Bestandsaufnahme und künftige Leitlinien KOM (2005) 37 endg.; Ratsdok. 6433/05

Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 21. Februar 2005 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).

Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 15. Februar 2005 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 326/01 = AE-Nr. 011398, AE-Nr. 020862,
Drucksache 917/04 (PDF) = AE-Nr. 043278, AE-Nr. 050337 und
Drucksache 107/05 (PDF) = AE-Nr. 050403

Vorwort

Nachhaltige Entwicklung ist ein grundlegendes Ziel des Vertrags über die Europäische Union. Sie ist außerdem eine globale Herausforderung für unsere Partner in der ganzen Welt. Sie wirft die Frage auf, wie sich wirtschaftliche Entwicklung, sozialer Zusammenhalt, Nord-Süd-Gerechtigkeit und Umweltschutz miteinander in Einklang bringen lassen. Ihre Bedeutung spiegelt sich im EU-Vertrag wider und kommt auch in der Verfassung zum Ausdruck, in der die Union aufgefordert wird, "die nachhaltige Entwicklung Europas anzustreben auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums, einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie eines hohen Maßes an Umweltschutz und der Verbesserung der Umweltqualität".

Angesichts der rapiden demographischen Veränderungen werden in den nächsten Jahrzehnten die Ressourcen der Welt zunehmend stark beansprucht werden. Dies gilt sowohl für den Klimawandel als auch für die natürlichen Ressourcen, die biologische Vielfalt und das Nord-Süd-Wohlstandsgefälle. Wir müssen heute tätig werden, um das empfindliche wirtschaftliche, soziale und ökologische Gleichgewicht der Welt für morgen zu erhalten.

Europas Zukunft kann nur in diesem globalen Zusammenhang begriffen werden. Die EU hat zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung intern und international bereits erhebliche Anstrengungen unternommen. Durch proaktives Handeln kann die EU den Bedarf nach Umweltschutz und sozialem Zusammenhalt in Chancen für Innovation, Wachstum und Beschäftigung umwandeln. Mit der Überprüfung der Strategie der nachhaltigen Entwicklung bekräftigen wir unsere Verpflichtungen, legen genauer fest, welche Strukturveränderungen in unseren Volkswirtschaften und Gesellschaften erforderlich sind und stellen eine positive Agenda auf, um diesen Prozess des Wandels für eine bessere Lebensqualität aller zu steuern.

Diese Herausforderung kann nur durch ein koordiniertes Vorgehen und eine starke Führungsrolle der Union bewältigt werden, um Lösungen zu entwickeln, die für die Menschen in Europa und auf der ganzen Welt von dauerhafter Wirkung sein werden.

Deshalb hat sich die Europäische Union zu Beginn dieses Jahrtausends zwingend verpflichtet, ein Programm für den Wandel durchzuführen, um sicherzustellen, dass nicht nachhaltigen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Trends begegnet wird. Im Jahr 2000 wurde mit der Lissabon-Strategie eine ehrgeizige Agenda für wirtschaftliche und soziale Reformen aufgestellt, die auf eine dynamische und

wettbewerbsfähige Wissensgesellschaft zielt. 2001 beschloss der Europäische Rat in Göteborg eine umfassende Strategie der nachhaltigen Entwicklung und 2002 wurde deren Außendimension in Barcelona im Vorfeld des UN-Weltgipfels über nachhaltige Entwicklung im Sommer 2002 definiert. Jeder dieser Schritte wurde durch wichtige Beschlüsse und Maßnahmen flankiert, um diese Verpflichtungen zu erfüllen. Trotz all dieser Anstrengungen wurden nicht genügend Fortschritte erzielt; nicht nachhaltige Entwicklungen sind nach wie vor ungebrochen und die internationalen Herausforderungen sind nach wie vor groß.

Der Beginn des Mandats der neuen Kommission und des neu gewählten Europäischen Parlaments ist der geeignete Zeitpunkt, die erzielten Fortschritte zu bewerten und darauf zu drängen, dass das Tempo der Veränderung beschleunigt wird.

Die ersten Schritte wurden bereits getan. Mit den von ihr vorgeschlagenen strategischen Zielen der Union für die nächsten fünf Jahre hat die Kommission ihre Verpflichtung zur nachhaltigen Entwicklung bekräftigt. In der Halbzeitüberprüfung der Lissabon-Strategie hat sie jüngst vorgeschlagen, eine erneuerte Lissabon-Agenda zu unserer Strategie für die Schaffung von Wachstum und Beschäftigung zu machen, die es uns ermöglicht, den Antrieb einer dynamischeren Wirtschaft zur Erfüllung unserer umfassenderen sozialen und umweltpolitischen Ziele zu nutzen. Somit bleibt die Lissabon-Strategie eine wesentliche Komponente des im EU-Vertrag genannten Gesamtziels der nachhaltigen Entwicklung: nachhaltige Steigerung des Wohlstands und Verbesserung der Lebensbedingungen für die heutige und künftige Generationen. Hierzu stellte die Kommission in der vorgenannten Halbzeitüberprüfung Folgendes fest: "Sowohl die Lissabonner Strategie als auch die Strategie für nachhaltige Entwicklung leisten einen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels. Da sie sich wechselseitig verstärken, zielen sie auf ergänzende Maßnahmen ab, nutzen sie unterschiedliche Instrumente und erzielen sie ihre Ergebnisse zu unterschiedlichen Zeiten."

Ferner geht die Überprüfung der Lissabon-Strategie mit einer aktualisierten EU-Sozialagenda einher, die ebenfalls heute von der Kommission lanciert wird; diese zeigt Strategien auf, die helfen können, mehr Zusammenhalt auf unserem Kontinent und die Weiterentwicklung unseres Sozialmodells unter Berücksichtigung der nicht nachhaltigen Trends zu gewährleisten. Auf diese Weise leistet unsere Sozialagenda einen eigenständigen Beitrag zur Erreichung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung.

Diese Mitteilung bildet den ersten Schritt der Kommission bei der Überprüfung der Strategie der nachhaltigen Entwicklung im Jahr 2005. Sie zieht eine vorläufige Bilanz der seit 2001 erzielten Fortschritte und legt künftige Leitlinien für die Überprüfung

dieser Strategie dar, die im Laufe des Jahres in einer getrennten Mitteilung an das Europäische Parlament und den Rat vorgestellt werden soll. Sie stützt sich sowohl auf die im vergangenen Jahr geführte Debatte als auch auf die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses vom April letzten Jahres und die Ergebnisse der im Oktober letzten Jahres von der Kommission durchgeführten öffentlichen Konsultation1.

Die Europäische Union verfügt über eine umfassende und langfristige Zukunftsvision. Wir glauben an die Stärke und die Grundwerte unseres dynamischen europäischen Modells. Wir werden dafür sorgen, dass die Bedürfnisse der gegenwärtigen und der künftigen Generationen erfüllt werden können. Dieses grundlegende Ziel wird sich durch alle Politikbereiche der Union ziehen. Nachhaltige Entwicklung erfordert, dass jetzt gehandelt wird. Die Europäische Union ist fähig, kompetent und kreativ genug, die erforderlichen Veränderungen vorzunehmen. Die Europäer und alle anderen Bürger in der Welt können sich darauf verlassen, dass sich die Union für eine nachhaltige Zukunft für alle einsetzt.

1 Eine ausführlichere Zusammenfassung der Ergebnisse findet sich in den Teilen 1 und 2 des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen, SEK(2005) 225. Der vollständige Bericht der Kommission über die Ergebnisse der Konsultation wird in Kürze vorliegen (http://europa.eu.int/comm/sustainable/pages/review_en.htm ).

Teil I: Nachhaltige Entwicklung - Was steht auf dem Spiel?

1. Einleitung

Nachhaltige Entwicklung - eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können - ist ein grundlegendes Ziel des EU-Vertrags2 und der Verfassung. Sie ist ein Rahmenkonzept, das allen Politikfeldern, Aktionen und Strategien der EU zugrunde liegt und fordert, die Wirtschafts-, Umwelt- und Sozialpolitik so zu konzipieren und durchzuführen, dass sich diese Politikfelder gegenseitig stärken.

In einer immer stärker globalisierten Welt bedarf es klarer politischer Vorgaben, um heute und in Zukunft ein dynamisches europäisches Modell zu befördern. Die Kommission setzt sich nachdrücklich für eine nachhaltige Entwicklung ein und möchte eine positive Agenda für den Wandel aufstellen. Für unsere Zukunft in Europa und der Welt sind eine langfristige Vision und Maßnahmen in einer breiten Palette von Politikfeldern notwendig. Die Kommission ist überzeugt, dass wir mehr Wohlstand, Solidarität und Sicherheit anstreben müssen, um für uns und die kommenden Generationen eine höhere Lebensqualität zu erreichen. Wir benötigen Wachstum und mehr Arbeitsplätze sowie eine saubere und gesündere Umwelt. Wir brauchen eine Gesellschaft mit mehr Zusammenhalt, in der in Europa und darüber hinaus für alle Wohlstand herrscht und Chancen offen stehen. Wir brauchen mehr Innovation, Forschung und Bildung. Wir müssen unserer globalen Verantwortung nachkommen und unsere Verpflichtungen erfüllen. Unser Wohlstand und unsere Lebensqualität werden in Zukunft davon abhängen, inwieweit wir fähig sind und uns dafür einsetzen, unser Produktions- und Konsumverhalten zu ändern und das Wirtschaftswachstum von der Verschlechterung der Umwelt abzukoppeln.

Die Maßnahmen zu diesen Themen dürfen nicht auf die Union beschränkt bleiben. Nachhaltigkeit bleibt eine globale Herausforderung. Deshalb ist es unabdingbar, dass Europa nach innen wie nach außen eine Führungsrolle übernimmt. Dies erfordert ein integriertes Konzept und trägt der Tatsache Rechnung, dass die EU angesichts der Globalisierung und der zunehmenden Interdependenz der Probleme ihre zentralen Prioritäten nur dann vollständig verwirklichen kann, wenn sie gleichzeitig auch auf internationaler Bühne erfolgreich agiert. Will die EU Worte in Taten umsetzen und weltweit weiterhin eine glaubwürdige Führungsrolle im Bereich der nachhaltigen Entwicklung spielen, ist es ebenso wichtig, dass sie in der Lage ist, ihre globalen Verpflichtungen in alle ihre Politikfelder aufzunehmen.

Das Mandat dieser Kommission reicht zwar nur bis Ende 2009, doch sie ist eindeutig auch verpflichtet, bei der Formulierung der Strategie über diesen Termin hinaus zu sehen. Wenn wir unsere künftigen Ziele verwirklichen wollen, dürfen wir nicht bis morgen warten, sondern müssen jetzt handeln. Die Verwirklichung der langfristige Vision erfordert konkrete Ziele, um langfristige Trends steuern zu können, sowie Mechanismen, um die Ziele einhalten zu können. Damit muss jetzt angefangen werden. Die amtierende Kommission hat bereits bekräftigt, wie wichtig ihre zentralen strategischen Ziele des Wohlstands, der Solidarität und Sicherheit für die nachhaltige Entwicklung sind3.

Die EU hat ihr Bekenntnis zu einer nachhaltigen Entwicklung erstmals im Juni 2001 formuliert. Damals nahm der Europäische Rat von Göteborg auf Grundlage einer Mitteilung der Kommission die EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung an. Im Jahr 2002 legte die Kommission eine zweite Mitteilung4 mit Schwerpunkt auf der Außendimension der nachhaltigen Entwicklung vor, die vom Europäischen Rat in Barcelona gebilligt wurde. Gemeinsam bilden diese Texte die Grundlage der umfassenden EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung. Die Kommission hat sich verpflichtet, die Strategie zu Beginn der Amtszeit jeder neuen Kommission zu überprüfen. Dies wird im Laufe des Jahres 2005 anhand der Erfahrungen der letzten vier Jahre geschehen.

In der überarbeiteten Strategie der nachhaltigen Entwicklung muss ein umfassenderes Konzept gewählt werden, bei dem die notwendigen strukturellen Änderungen in der Wirtschaft hervorgehoben werden, um in Richtung nachhaltige Produktions- und Verbrauchsmuster und Bekämpfung nicht nachhaltiger Trends voranzukommen. Mit der überarbeiteten Strategie wird das neue Konzept der Politikgestaltung weiter gestärkt, was ihre dreidimensionale Ausrichtung bekräftigt und dafür sorgt, dass die Außenaspekte der nachhaltigen Entwicklung vollständig einbezogen und gestärkt werden. Darüber hinaus wird mit ihr der im Vorschlag über die finanzielle Vorausschau 2007-2013 eingegangenen Verpflichtung, dass nachhaltige Entwicklung Leitprinzip für die Politik der EU sein wird, bekräftigt.

2 Artikel 2 EU-Vertrag

3 KOM (2005) 12 vom 26.1.2005 : "Strategische Ziele 2005-2009 - Europa 2010: Eine Partnerschaft für die Erneuerung Europas: Wohlstand, Solidarität und Sicherheit".

4 KOM (2002) 82 vom 13.2.2002: "Auf dem Weg zu einer globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung".

2. das EU-Konzept der nachhaltigen Entwicklung

Die Strategie der nachhaltigen Entwicklung umfasst folgende Komponenten:

Zunächst wird allgemein dargelegt, was Nachhaltigkeit bedeutet. Die Kernaussage der Strategie lautet, dass die wirtschaftliche, soziale und ökologische Dimension der Nachhaltigkeit letzten Endes Hand in Hand gehen und sich gegenseitig verstärken müssen: "Die nachhaltige Entwicklung bietet der Europäischen Union die positive langfristige Perspektive einer wohlhabenderen und gerechteren Gesellschaft; sie verspricht eine sauberere, sicherere und gesündere Umwelt - eine Gesellschaft, die uns, unseren Kindern und Enkeln eine bessere Lebensqualität bietet"5. Es kommt entscheidend darauf an, die Bedeutung dieser drei Säulen der nachhaltigen Entwicklung und die Beziehungen zwischen ihnen zu verstehen.

Im zweiten und wahrscheinlich ehrgeizigsten Teil der Strategie wird versucht, die Art und Weise der Politikgestaltung zu verbessern und sich auf die Verbesserung der politischen Kohärenz und die Bewusstseinsbildung für mögliche Kompromisse zwischen widersprüchlichen Zielen zu konzentrieren, so dass fundierte politische Entscheidungen getroffen werden können. Dazu müssen alle Folgen dieser Entscheidungen einschließlich der Folgen des Nichthandelns sorgfältig geprüft werden, insbesondere durch eine rechtzeitige Folgenabschätzung und die richtigen Signale an den Markt durch richtige Preise. Außerdem müssen die politischen Entscheidungsträger der EU die weltweiten Zusammenhänge berücksichtigen und sich aktiv für die Schlüssigkeit der internen und externen Politik einsetzen. Darüber hinaus sind Investitionen in Wissenschaft und Technologie erforderlich, um die notwendigen Anpassungen für die nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Schließlich werden bei dem neuen Konzept der Politikformulierung die Verbesserung der Kommunikation und die Einbindung von Bürgern und Unternehmen hervorgehoben.

Drittens wird eine begrenzte Anzahl an Trends aufgegriffen, die eindeutig nicht nachhaltig sind, etwa die Probleme des Klimawandels und der Energienutzung, Gefahren für die öffentliche Gesundheit, Armut und soziale Ausgrenzung, Alterung der Gesellschaften, Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen sowie Landnutzung und Verkehr.

Schließlich wird im Rahmen der globalen Dimension auf einige internationale Ziele eingegangen, wobei für den Beitrag der EU zum Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung Prioritätsziele festgelegt werden: Einhegung der Globalisierung, Handel im Dienst der nachhaltigen Entwicklung, Armutsbekämpfung, soziale Entwicklung, nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen und ökologischen Ressourcen, Verbesserung der Kohärenz der Politikfelder der EU, verantwortungsvolleres Regieren auf allen Ebenen sowie die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklung.

5 KOM (2001) 264 "Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung ", S. 2.

3. Gründe für die Überprüfung

Die Kommission ist bereits verpflichtet, die Strategie zu Beginn der Amtszeit jeder neuen Kommission zu überprüfen. Das Europäische Parlament hat dies zuletzt im Juni und November 2004 begrüßt. Darüber hinaus wird die Notwendigkeit einer Überprüfung zum jetzigen Zeitpunkt durch eine Reihe weiterer Entwicklungen untermauert:

4. Bestandsaufnahme der Fortschritte

Zum einen wurden bei der Umsetzung der Strategie einige Fortschritte erzielt und können keine unmittelbaren Ergebnisse erwartet werden, zum anderen ist klar, dass noch viel zu tun bleibt. Es gibt nur wenige Anzeichen, dass die meisten Bedrohungen der nachhaltigen Entwicklung abgewendet wurden. Diese Bedrohungen bedürfen dringender und anhaltender Aufmerksamkeit. Eine eingehende Aufstellung der Fortschritte kann dem Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen6 entnommen werden. Eine Reihe bedeutender Entwicklungen sind hervorzuheben:

Teil II: Den Herausforderungen begegnen

5. Künftige Leitlinien

Angesichts der fortgesetzten Herausforderungen muss Europa nicht nur zu seinem Engagement für eine langfristige Agenda für nachhaltige Entwicklung und mehr Lebensqualität stehen, sondern auch Wege finden, diesen Herausforderungen wirksamer zu begegnen.

5.1. Bekräftigung der Grundprinzipien der Strategie der Europäischen Union für nachhaltige Entwicklung

Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung und die Komplementarität zwischen der Strategie für nachhaltige Entwicklung und der Lissabon-Strategie wurden im Vorwort beschrieben.

Darüber hinaus wird in der Überprüfung bekräftigt, dass der grundlegende dreidimensionale Charakter der nachhaltigen Entwicklung den Stützpfeiler der Strategie bildet, was bedeutet, dass eine solche Entwicklung nur erreicht werden kann, wenn wirtschaftliches Wachstum, soziale Eingliederung und Umweltschutz in Europa wie in anderen Teilen der Welt Hand in Hand gehen.

Außerdem wird die Überprüfung den Beitrag der EU zur globalen nachhaltigen Entwicklung auf zweierlei Weise berücksichtigen: erstens durch die Darlegung der internationalen Aspekte der sechs nicht nachhaltigen Trends, die in der Strategie genannt werden, und zweitens durch die Einbeziehung der auswärtigen Politiken der EU, die zur globalen nachhaltigen Entwicklung beitragen. Dabei wird die EU ihre Verpflichtung, beim Vorantreiben der Entwicklungsagenda auf globaler Ebene eine führende Rolle zu übernehmen, bekräftigen und verstärken.

5.2. Bekräftigung des neuen Konzepts für die Politikgestaltung und die politische Kohärenz

Bei der Überprüfung wird das "neue Konzept für die Politikgestaltung" als zentrales Instrument dienen, um die nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt der Politik der EU zu stellen. Insbesondere wird die künftige EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung den einzelnen Komponenten der EU-Agenda für bessere Rechtsetzung mehr Nachdruck verleihen, einschließlich der Folgenabschätzung, der Konsultation der Beteiligten und der Vereinfachung der Rechtsvorschriften.

Das bedeutet, dass eine nachhaltige und kosteneffiziente Politikgestaltung durch die bessere Rechtssetzung gefördert wird, u.a. durch einen wirksameren Einsatz eines ausgewogenen Folgenabschätzungsmechanismus , der sich auf neue innen- wie außenpolitische Initiativen der Kommission erstreckt. Darüber hinaus werden wichtige Handelsabkommen weiterhin auf Nachhaltigkeit geprüft. Diese Nachhaltigkeitsprüfungen (sustainability impact assessments) wurden in jüngster Zeit auf der Grundlage der ersten Erfahrungen10 bereits verbessert, doch es muss noch weiter nach möglichen Wegen zur Verbesserung der Methode gesucht werden, vor allem mit Blick auf die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Aspekte der nachhaltigen Entwicklung. In diesem Zusammenhang beabsichtigt die Kommission auch, die Konsultation der Betroffenen zur Politik der EU zu verbessern. Ferner wird die Bedeutung eines angemessenen Follow-up zur Interinstitutionellen Vereinbarung mit dem Europäischen Parlament und dem Rat11 berücksichtigt (z.B. müssen das Europäische Parlament und der Rat bei der Abschätzung der Folgen von substanziellen Änderungen zu Kommissionsvorschlägen dieselben Grundsätze und Standards anwenden).

Das neue Konzept beinhaltet außerdem die offene Koordinierungsmethode, vor allem in den Bereichen soziale Eingliederung, Zugang zum Arbeitsmarkt und Sozialschutz, wo diese Methode eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung der Sozialschutzsysteme spielt.

Im Rahmen des neuen Konzepts für die Politikgestaltung wird die Kommission weiter die Verwendung von marktgestützten Instrumenten fördern, die die tatsächlichen Kosten widerspiegeln, die der Gesellschaft durch die Ressourcennutzung und ihre Auswirkungen entstehen. Beispielsweise werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, zu prüfen, wie sie die Steuerlast von der Arbeit auf die Ursachen von Umweltschäden verlagern können. Darüber hinaus wird die Überprüfung weiteren Nachdruck auf die Bedeutung legen, die Investitionen in Wissenschaft und Technik für die nachhaltige Entwicklung haben. Zu den möglichen Mitteln für die Förderung von Umweltinnovationen zählen das Forschungsprogramm der EU, die Innovationspolitik der Kommission und öffentliche Aufträge. Der Austausch von Informationen über nachhaltige Forschung, Wissenschaft und Technik mit Drittlandspartnern wird ebenfalls gefördert werden.

5.3. Weitere Konzentration auf die wichtigsten nicht nachhaltigen Trends und nähere Erforschung der Verbindungen zwischen ihnen

Der Schwerpunkt der Strategie liegt nach wie vor auf der Überprüfung der Trends, die die nachhaltige Entwicklung am stärksten gefährden. Den meisten dieser

10 Siehe "Impact Assessment: Next Steps - in support of Competitiveness and Sustainable Development", SEK(2004) 1377 vom 21.10.2004.

11 Interinstitutionelle Vereinbarung "Bessere Rechtssetzung", ABl. C 321 vom 31.12.2003, S. 1.

Trends kann nur durch kontinuierliche Maßnahmen über einen längeren Zeitraum hinweg entgegengewirkt werden und sie erfordern größere strukturelle Veränderungen in der Funktionsweise unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften. Doch dies sollte nicht als Vorwand dienen, um kurzfristig gar nichts zu unternehmen.

Die Überprüfung wird daher einen sorgfältige Untersuchung der von der derzeitigen Strategie erfassten nicht nachhaltigen Trends beinhalten, um die Ziele und die erforderlichen Maßnahmen für die kommenden Jahre festzulegen. Die im Jahr 2001 ermittelten Prioritäten sollten außerdem mit den internationalen Verpflichtungen in Einklang gebracht werden, die die EU auf dem Weltgipfel zur nachhaltigen Entwicklung, auf der Konferenz der Vereinten Nationen zur Entwicklungsfinanzierung, in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen und im Rahmen anderer einschlägiger multilateraler Vereinbarungen eingegangen ist. Darüber hinaus werden die Prioritäten aktualisiert, um dem EU-Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten - sowie der in nicht allzu ferner Zukunft anstehenden nächsten Erweiterung - Rechnung zu tragen, die neue Herausforderungen an die Fähigkeit der EU stellen, sich mit den nicht nachhaltigen Trends zu befassen. In diesem Zusammenhang wird bei der Überprüfung auch die Möglichkeit untersucht, eine begrenzte Anzahl neuer oder bisher nicht berücksichtigter Trends, einschließlich wirtschaftlich nicht nachhaltiger Trends, einzubeziehen.

Schließlich wird der Untersuchung von Wechselbeziehungen zwischen den ausgewählten nicht nachhaltigen Trends in der Überprüfung größere Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei wird versucht, die positiven Synergieeffekte zu maximieren und Kompromisse zu reduzieren. So ist es z.B. möglich, durch die Förderung einer Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene die Treibhausgas-Emissionen zu verringern und gleichzeitig die Verkehrsüberlastung zu reduzieren (wovon alle Seiten profitieren). Ein weiteres Beispiel wären Investitionen in grundlegende technologische Veränderungen, die zu besserer Wettbewerbsfähigkeit führen und gleichzeitig die Qualität der Umwelt und den sozialen Zusammenhalt verbessern.

5.4. Festlegung von Zielen, Vorgaben und Etappen

Mit der Strategie von 2001 wurde der Ansatz verfolgt, mittelfristige Oberziele für die einzelnen nicht nachhaltigen Trends zu definieren und eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung festzulegen. Die Überprüfung wird bestätigen, dass klarere Zielsetzungen, Vorgaben und Fristen erforderlich sind, um die Durchführung zielgerichteter Aktionen in den prioritären Bereichen und die Messung der Fortschritte zu ermöglichen.

Auch wenn es sich bei den Trends um langfristige Probleme handelt, die langfristiger Lösungen bedürfen, kann nur durch die Festlegung klarer Etappenziele und die Messung der Fortschritte sichergestellt werden, dass die Gesellschaft sich in die richtige Richtung bewegt. Die Festlegung langfristiger Ziele darf daher nicht als Vorwand dienen, um Maßnahmen auf später zu verschieben.

Die überarbeitete Strategie wird daher neue Oberziele für jeden nicht nachhaltigen Trend enthalten und Etappenziele nennen, die der EU die Überwachung der Fortschritte ermöglichen. Die operationellen Ziele und Aktionspläne werden innerhalb der jeweiligen internen und externen Sektorpolitiken festgelegt, die auch den Rahmen für die Durchführung und Überwachung der politischen Initiativen einschließlich der im Rahmen der Millenniumserklärung und der Gipfeltreffen in Barcelona und Monterrey eingegangenen Verpflichtungen bilden werden.

5.5. Gewährleistung eines wirksamen Monitoring

Die in Göteborg beschlossene Gewährleistung eines jährlichen Monitoring der Strategie auf den Frühjahrstagungen des Europäischen Rates blieb hinter den Erwartungen zurück. In der Überprüfung wird daher ein verbessertes Berichterstattungssystem beschrieben, dessen Schwerpunkt auf der kurz- und mittelfristigen Verwirklichung der Ziele der Strategie liegen wird, wobei die derzeitigen Berichte über Fragen der nachhaltigen Entwicklung so weit wie möglich miteinander verknüpft und zugleich vereinfacht werden sollen. Die institutionellen Zuständigkeiten (vor allem die Rolle des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments) im Monitoring-Prozess werden ebenfalls klarer definiert.

Das Monitoring wird vor allem auf der Basis von Indikatoren für die nachhaltige Entwicklung erfolgen, die von der Kommission aufgestellt werden. Diese werden sich unter anderem an den verschiedenen im Rahmen der sektorpolitischen Prozesse entwickelten Indikatoren und an der bereits erstellten Synthese der strukturellen Indikatoren orientieren, mit denen die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele im Rahmen der Reformagenda des Lissabon-Prozess überwacht wurden. Darüber hinaus werden die Bemühungen um die Entwicklung von Zukunftsmodellen und Prognosen sowie um die Erhebung wissenschaftlicher Daten verstärkt, um ein wirksames Monitoring zu unterstützen.

5.6. Stärkung der Eigenverantwortung und Verbesserung der Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Akteuren auf allen Ebenen

Es bedarf weiterer Maßnahmen zur Schärfung des Bewusstseins sowie zur Mobilisierung und Einbeziehung der Akteure auf allen Ebenen. So muss klar definiert sein, wer zu welchem Zeitpunkt für welche Maßnahme zuständig ist und wer die Kosten trägt. Zu diesem Zweck wird die Kommission prüfen, wie wirksame Partnerschaften mit der Industrie, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherverbänden begründet werden können, um vor allem zu erörtern, wie ein Beitrag zur Umkehrung der nicht nachhaltigen Trends geleistet werden kann, die im Rahmen der Überprüfung ermittelt werden.

Es wird eine größere Übereinstimmung zwischen den Initiativen der EU und globalen, nationalen, regionalen und lokalen Initiativen zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung angestrebt. Mögliche Maßnahmen wären die Ermittlung gemeinsamer Prioritäten im Rahmen jedes Oberziels, die Einhaltung eines Lernprozesses gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und/oder Regionen und die Einführung von Mechanismen für den ständigen Informationsaustausch über bewährte Methoden.

Die Europäische Union muss außerdem ihre Bemühungen um die Anregung weiterer Maßnahmen in anderen Teilen der Welt - sowohl in den Industrie- und Transformationsländern als auch in den Entwicklungsländern - verstärken. Die Kommission wird einen intensiveren Dialog über die Ziele der nachhaltigen Entwicklung mit Partnern außerhalb der EU anstreben, vor allem mit den Verwaltungen und der Zivilgesellschaft in Drittländern sowie mit internationalen Organisationen und NRO, die sich schwerpunktmäßig mit globalen Fragen befassen.

6. Nächste Schritte

Die Kommission fordert den Europäischen Rat, den Rat, das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten, die regionalen Behörden und sämtliche Gruppen der Zivilgesellschaft auf, ihre Bemerkungen zu den vorgeschlagenen Leitlinien für die Strategie abzugeben. Eine erste Gelegenheit zur Diskussion wird sich im Interessensforum bieten, das der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss am 14. und 15. April 2005 veranstaltet. Die Kommission wird später in diesem Jahr einen Vorschlag für eine überarbeitete Strategie für die nachhaltige Entwicklung vorlegen.