Bundesministerium der Finanzen Berlin, den 27. Januar 2005
Der Bundesminister
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
in der Anlage übersende ich Ihnen den
- Bericht der Bundesregierung über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 2003 ("Subsidiaritätsbericht 2003").
Das Bundeskabinett hat den Bericht am 17. November 2004 zustimmend zur Kenntnis genommen und seine Zuleitung an den Deutschen Bundestag und an den Bundesrat beschlossen.
Mit freundlichen Grüßen
Hans Eichel
Bundesministerium der Finanzen
Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 2003 ("Subsidiaritätsbericht 2003")
I. Überblick
Der Bundesminister der Finanzen legt entsprechend dem Auftrag des Bundeskabinetts vom 12. November 2003 für das Jahr 2003 einen Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips durch die Europäische Union vor. Der Bericht schließt an den Subsidiaritätsbericht der Bundesregierung für 2002 vom 30. Oktober 2003 an und erfasst den Zeitraum 1. April 2003 bis 31. März 2004.
Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen wie in den Vorjahren die Ergebnisse der Subsidiaritätsprüfungen durch die Bundesressorts und den Bundesrat. Ferner befasst sich der Subsidiaritätsbericht mit dem Bericht der Europäischen Kommission "Bessere Rechtsetzung 2003" vom 17. Dezember 2003 und dessen Bewertung durch die Bundesregierung und den Bundesrat. Darüber hinaus geht der Bericht auf die Neuerungen ein, die sich für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips mit Inkrafttreten der Europäischen Verfassung durch das dabei geänderte Subsidiaritätsprotokoll der Gemeinschaft ergeben werden.
Die dem Bericht zugrunde liegende Analyse der Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft zeigt, dass die Gemeinschaftsorgane sich mehr denn je der großen Bedeutung des Subsidiaritätsprinzips bewusst sind und sich um seine Beachtung bei der Gemeinschaftsgesetzgebung bemühen. Dies wird zum einen aus der Darstellung der umfangreichen Maßnahmen der Kommission in ihrem Bericht "Bessere Rechtsetzung 2003" und zum anderen aus den Ergebnissen der Subsidiaritätsprüfungen durch die Bundesressorts und den Bundesrat deutlich. Die Bundesressorts haben im Berichtszeitraum nach einer Prüfung von insgesamt 106 Kommissionsvorschlägen für neue Rechtsakte lediglich zehn Vorschläge als teilweise unvereinbar mit dem Subsidiaritätsprinzip bewertet. Der Bundesrat hat bei seinen Subsidiaritätsprüfungen zwar eine größere Zahl von Vorschlägen und sonstigen Maßnahmen beanstandet (insgesamt 15), diese liegt jedoch deutlich unter der Anzahl der im Vorjahr kritisierten Rechtsakte (insgesamt 27). Unter Berücksichtigung der Bemühungen, im Rahmen der noch laufenden Verhandlungen Änderungen zu bewirken, verbleibt jedoch wie schon in den Vorjahren nur eine relativ geringe ZahI, bei denen grundlegende Bewertungsunterschiede zwischen Bundesregierung und Bundesrat zu erkennen sind.
II. Subsidiaritätsprüfungen durch die Bundesressorts und den Bundesrat
1. Rechtliche Grundlagen
Maßstab für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips durch die Bundesregierung ist die Definition, die Art. 5 Abs. 2 EG-Vertrag enthält. Danach wird die Gemeinschaft in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen,
"nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können".
Seit dem 1. Januar 1999 legt die Bundesregierung ihrer Prüfung ferner die Leitlinien zugrunde, die in dem "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" von 1997 zum EG-Vertrag enthalten sind. Danach (Ziffer 5 des Protokolls)Kommt ein Tätigwerden der Gemeinschaft nur in Betracht,
- wenn der betreffende Bereich "transnationale Aspekte" aufweist,
- wenn alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen gegen die Anforderungen des Vertrags verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen würden und
- wenn Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene im Vergleich zu Maßnahmen auf mitgliedstaatlicher Ebene "deutliche Vorteile" mit sich bringen.
Die Sachdienlichkeit ihrer Vorschläge hat die Kommission unter dem Aspekt der Subsidiarität ausführlich zu begründen (Art. 253 EG).
Bereits 1992 hat die Bundesregierung für die Prüfung neuer Kommissionsvorschläge unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität ein Prüfraster entwickelt (§ 74 Abs. 1 GGO, Anlagen 9 und 10), das an die materiellen Prüfungsanforderungen aus dem Subsidiaritätsprotokoll angelehnt ist. Die Prüfung durch die Ressorts findet ihren Niederschlag in einem sog. Prüfbogen, der dem EU-Ausschuss des Bundesrates übermittelt wird.
Der Umfang der Prüfung wird durch dieses Prüfraster maßgeblich bestimmt. Danach wird neben formalen Aspekten in materieller Hinsicht von den Ressorts die Subsidiarität gemäß Art. 5 Abs. 2 EG geprüft. Nach dem Prüfraster ist Subsidiarität als "dynamischer Grundsatz" zu verstehen, der sowohl zu einer Beschränkung oder Aussetzung als auch zu einer Ausweitung der Gemeinschaftstätigkeit führen kann. Subsidiarität nach EG-Recht betrifft somit das Ausmaß, in dem die Gemeinschaft die ihr zugewiesenen Kompetenzen ausüben soll.
Geprüft wird ferner auch die Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme gemäß Art. 5 Abs. 3 EG. Die Maßnahmen der Gemeinschaft dürfen nach letzterer Vorschrift nicht über das für die Erreichung der Ziele des EG-Vertrages erforderliche Maß hinausgehen (vgl. auch Ziff. 6, S. 2, des Subsidiaritätsprotokolls). Bei der Verhältnismäßigkeit geht es mithin um das "Wie" einer gemeinschaftlichen Kompetenzausübung.
Die Frage, ob die Gemeinschaft überhaupt tätig werden kann, d.h. ob eine Rechtsgrundlage für ihr Handeln im Vertrag besteht, ist hingegen nicht Gegenstand der Prüfung. Ob eine Kompetenz für den Erlass eines neuen gemeinschaftlichen Rechtsaktes besteht, stellt lediglich eine Vorfrage für die Subsidiaritätsprüfung dar: nur im Falle einer "konkurrierenden" oder "parallelen" Gesetzgebungszuständigkeit ist die Subsidiarität zu prüfen, während bei einer ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft eine Subsidiaritätsprüfung gar nicht unternommen werden kann.
Gegenstand der Prüfung anhand des Prüfrasters sind alle formellen Vorschläge der Europäischen Kommission für neue Rechtsakte (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen und Empfehlungen). Daneben können auch andere Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft (z.B. Aktionsprogramme)einbezogen werden, soweit sie darauf angelegt sind, zu Rechtsakten zu führen, und/oder finanzwirksam werden können. Geprüft werden weiterhin Rahmenbeschlüsse und überein Kommen gemäß der 2. und 3. Säule des EU-Vertrages.
Im Rahmen dieser 2. und 3. Säule des EU-Vertrages kann der Rat aber nicht nur auf Vorschlag der Kommission tätig werden, sondern auch auf Initiative eines Mitgliedstaats (Art. 22, 34 Abs. 2 EU). Da das Subsidiaritätsprinzip für alle Maßnahmen der Gemeinschaft, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen (Art. 5 EG), und über Art. 2 S. 2 EU auch für das Handeln der Union gilt, müssen auch Maßnahmen, die nicht auf Vorschlag der Kommission, sondern auf Initiative eines Mitgliedstaats beschlossen werden, mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sein. Diese Auslegung entspricht auch der Definition eines dem Subsidiaritätsprinzip unterliegenden "Europäischen Gesetzgebungsaktes" gemäß dem neuen, mit Inkrafttreten der Europäischen Verfassung wirksam werdenden Subsidiaritätsprotokolls (siehe unter IV.), die ebenfalls Vorschläge der Mitgliedstaaten erfasst. Daher wurden auch Subsidiaritätsprüfungen, die von den Mitgliedstaaten initiierte Maßnahmen betrafen, in den Bericht einbezogen. Eine entsprechende Anpassung des Prüfrasters im Rahmen der GGO, nach der diese Vorschläge künftig einer systematischen Prüfung unterliegen sollen, wurde bereits durch die Bundesregierung eingeleitet.
Durchführungsakte der Kommission unterfallen in der Regel nicht der Prüfung, da sie auf bereits geprüften und verabschiedeten Basisrechtsakten beruhen. Auch Verwaltungsakte und sonstige Maßnahmen, die nicht legislativen Charakter haben, wie z.B. Mitteilungen, Grün- und Weißbücher der Kommission, werden in diesem Rahmen nicht berücksichtigt. Die Bundesregierung vertritt jedoch wie der Bundesrat grundsätzlich die Auffassung, dass auch Überlegungen und informelle Vorschläge, die in Grün- und Weißbüchern sowie in Mitteilungen und Berichten der Kommission enthalten sind, dem Subsidiaritätsprinzip uneingeschränkt entsprechen sollten, da sie als Vorbereitungsakte für formelle Rechtsetzungsvorschläge in der Praxis meist in konkrete Rechtsakte münden und eine frühzeitige Berücksichtigung dieses Rechtsgedankens daher sinnvoll erscheint. Die Bundesregierung äußert sich deshalb in ihren Stellungnahmen zu Grün- und Weißbüchern entsprechend und bemüht sich im Rahmen der gemeinschaftlichen Verhandlungen über diese informellen Rechtsakte auch um eine Beachtung etwaiger Subsidiaritätsbedenken.
Die Bundesregierung berücksichtigt bei ihrer Prüfung die Stellungnahmen, die der Bundesrat und der Deutsche Bundestag zur Vereinbarkeit neuer Kommissionsvorschläge mit dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in EU-Angelegenheiten (EUZBLG)bzw. des Gesetzes über die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundestag in EU-Angelegenheiten (EUZBBG)abgeben. Gemäß § 5 EUZBLG ist sie dazu verpflichtet, Stellungnahmen des Bundesrates bei der Festlegung ihrer Verhandlungsposition maßgeblich zu berücksichtigen, wenn bei einem EG-Vorhaben im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betroffen sind und der Bund kein Recht zur Gesetzgebung hat oder ein EG-Vorhaben im Schwerpunkt die Einrichtung der Behörden der Länder oder ihre Verwaltungsverfahren betrifft. In anderen Fällen ist die Bundesregierung verpflichtet, die Auffassung des Bundesrates zu berücksichtigen, nicht jedoch dazu, sie zu übernehmen.
2. Subsidiaritätsprüfung durch die Bundesressorts
Die systematische Prüfung der im Berichtszeitraum vorgelegten Vorschläge der Kommission für neue Rechtsakte durch die Bundesressorts hat ergeben, dass die ZahI der Vorschläge, die geprüft wurden und bei denen ein Verstoß festgestellt wurde, zwar gestiegen ist (vgl. Tabelle in der Anlage). Nach wie vor handelt es sich dabei aber nur um eine geringe Anzahl: Die Ressorts haben im Berichtszeitraum 106 neue Vorschläge der Kommission. auf Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip geprüft (im Vorjahr: 93 Vorschläge). Vertieft geprüft wurden 14 neue Vorschläge (im Vorjahr: fünf Vorschläge). Davon wurden in zehn Fällen Bedenken festgestellt, die nicht bzw. noch nicht vollständig ausgeräumt worden sind (im Vorjahr: vier Vorschläge).
Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass diese zehn Vorschläge, bei denen noch Subsidiaritätsbedenken bestehen, vom Rat noch nicht verabschiedet wurden. Die Bundesregierung ist in diesen Fällen weiterhin bestrebt, die Bedenken durch Verhandlungen zu beseitigen. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechtsakte:
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ( KOM (2004) 173 )
- Vorschlag eines Rahmenbeschlusses einer Europäischen Beweisanordnung ( KOM (2003) 688 )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr ( KOM (2004) 143 )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Entschädigungen bei Nichterfüllung vertraglicher Qualitätsanforderungen im Schienengüterverkehr ( KOM (2004) 144 )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden ("Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz")( KOM (2003) 443 )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen ( KOM (2003) 657 )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten ("Århus-Richtlinie")( KOM (2003) 624 )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge ( KOM (2003) 448 )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Statistiken zur Informationsgesellschaft ( KOM (2003) 509 )
- Vorschlag für eine Richtlinie (EURATOM)des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen zusammen mit Vorschlag für eine Richtlinie (EURATOM)des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle ( KOM (2003) 32 )
In vier Fällen wurden zunächst Bedenken von der Bundesregierung geäußert. Durch Verhandlungen konnten diese Bedenken jedoch ausgeräumt werden. Es handelt sich um folgende Vorschläge:
- Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens zur Bekämpfung der Verschmutzung durch Schiffe ( KOM (2003) 277 )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Aushandlung und Durchführung von Luftverkehrsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten ( KOM (2003) 94 )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die allgemeine Einführung und die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft ( KOM (2003) 132 )
- Vorschlag für eine Verordnung des EP und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs ( KOM (2003) 440 )
3. Subsidiaritätsprüfung durch den Bundesrat
a)Vom Bundesrat geprüfte Vorschläge für Rechtsakte
Der Bundesrat hat im Berichtszeitraum 15 neue Rechtsetzungsvorschläge wegen Bedenken im Hinblick auf das Subsidiaritätsprinzip gerügt (im Vorjahr 27):
- Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom)des Rates zur Festlegung grundlegender Verpflichtungen und allgemeiner Grundsätze im Bereich der Sicherheit kerntechnischer Anlagen und Vorschlag für eine Richtlinie (Euratom)des Rates über die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Stoffe, KOM (2003) 32 endg.; Ratsdok. 8990/03
(BR-Beschluss 327/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden, KOM (2003) 443 endg.; Ratsdok. 11830/03
(BR-Beschluss 589/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, KOM (2003) 448 endg.; Ratsdok. 11944/03
(BR-Beschluss 590/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen, KOM (2003) 441 endg.; Ratsdok. 12098/03 (BR-Beschluss 667/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Erteilung kurzfristiger Aufenthaltstitel für Opfer der Beihilfe zur illegalen Einwanderung und des Menschenhandels, die mit den zuständigen Behörden kooperieren, KOM (2002) 71 endg.; Ratsdok. 6181/02
(BR-Beschluss 770/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Schaffung eines Rahmens für die Festlegung von Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung energiebetriebener Produkte und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG des Rates, KOM (2003) 453 endg.; Ratsdok. 12082/03
(BR-Beschluss 618/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Statistiken zur Informationsgesellschaft, KOM (2003) 509 endg.; Ratsdok. 12145/03
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung, KOM (2003) 550 endg.; Ratsdok. 12985/03
(BR-Beschluss 718/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Entscheidung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Entscheidung Nr. 1692/96/EG über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes, KOM (2001) 544 endg.; Ratsdok. 12597/01
(BR-Beschluss 919/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten, KOM (2003) 624 endg.; Ratsdok. 14154/03
(BR-Beschluss 850/03 (PDF) )
- Initiative der Hellenischen Republik im Hinblick auf die Annahme eines Entwurfs eines Rahmenbeschlusses zur Verhütung und Bekämpfung des Handels mit menschlichen Organen und Geweben
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anwendung des Internationalen Codes für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs innerhalb der Gemeinschaft, KOM (2003) 767 endg.; Ratsdok. 16218/03
(BR-Beschluss 019/04 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, KOM (2003) 657 endg.; Ratsdok. 14812/03
(BR-Beschluss 887/03 (PDF) )
- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Elektrizitätsversorgung und von Infrastrukturinvestitionen, KOM (2003) 740 endg.; Ratsdok. 5118/04
(BR-Beschluss 067/04 (PDF) )
- Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen, KOM (2003) 741 endg.; Ratsdok. 16260/03
(BR-Beschluss 068/04 (PDF) )
b)Sonstige Beanstandungen durch den Bundesrat
Der Bundesrat hat ferner in 13 Fällen zu nicht legislativen Maßnahmen der Kommission - wie Mitteilungen, Berichte, Grünbücher - unter Subsidiaritätsgesichtspunkten Stellung genommen (im Vorjahr acht).
4. Unterschiede bei der Beurteilung durch Bundesregierung und Bundesrat
Insgesamt ergibt sich eine große Übereinstimmung bei der Bewertung von Kommissionsvorschlägen durch Bundesregierung und Bundesrat. So teilt die Bundesregierung in sieben Fällen explizit die vom Bundesrat geäußerten Subsidiaritätsbedenken. Die Bedenken richten sich zum einen vor allem gegen Maßnahmen, die infrastrukturelle Einrichtungen zum Gegenstand haben und damit in die innere Organisation der Mitgliedstaaten eingreifen (z.B.. Einrichtung einer unabhängigen Infrastrukturaufsichtsbehörde bei der geplanten Richtlinie über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge oder die Schaffung eines Behördensystems zur Durchsetzung von Verbraucherschutzgesetzen im Falle einer Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz). Zum anderen betreffen sie Maßnahmen, die auch reine Inlandssachverhalte regeln sollen (so etwa im Falle der Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens oder bei der Regelung von Haftungsfragen für Verlust oder Beschädigung von Gütern auch im rein innerstaatlichen Schienengüterverkehr).
Nur in zwei Fällen weicht die Bundesregierung ausdrücklich vom Votum des Bundesrates ab. In einem dieser beiden Fälle bezog sich die Bewertung des Bundesrates auf einen überholten Verordnungsvorschlag, während die letztlich verabschiedete Fassung den Bedenken des Bundesrates voll Rechnung trug (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines Europäischen Zentrums für die Prävention und die Bekämpfung von Seuchen); insofern lag. kein echter Dissens zwischen Bundesregierung und Bundesrat vor. Im anderen Fall unterstützte die Bundesregierung unter anderem aus Sicherheitsgründen den Verordnungsvorschlag der Kommission (Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anwendung des Internationalen Codes für Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs innerhalb der Gemeinschaft).
Bei den restlichen sechs vom Bundesrat beanstandeten Vorschlägen hat seitens der Bundesregierung eine Subsidiaritätsprüfung nicht statt gefunden, da aus Sicht der betroffenen Ressorts Anhaltspunkte für Bedenken nicht bestanden. In diesem Zusammenhang muss aber berücksichtigt werden, dass die Bundesregierung gleichzeitig zahlreiche Kommissionsvorschläge einer Subsidiaritätsprüfung unterzogen (insgesamt 93 mehr als der Bundesrat)und Bedenken geäußert hat, die vom Bundesrat nicht beanstandet worden waren.
Keiner der Vorschläge, bei denen Subsidiaritätsbedenken des Bundesrates von der Bundesregierung nicht geteilt wurden, betrifft Vorhaben, die im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betreffen. In diesen Fällen ist die Bundesregierung gemäß § 5 Abs. 2 EuZBLG verpflichtet, die Auffassung der Länder maßgeblich zu berücksichtigen, soweit nicht gesamtstaatliche Interessen entgegenstehen.
Unabhängig von diesen Bewertungsunterschieden berücksichtigt die Bundesregierung die vom Bundesrat geäußerten Subsidiaritätsbedenken so weit wie möglich und führt sie in die Beratungen der Ratsgremien ein. Dementsprechend hat die Bundesregierung bereits die Bedenken hinsichtlich der in den BR-Beschlüssen 327/03 (PDF) , 598/03 (PDF) , 590/03 (PDF) , 919/03 (PDF) genannten Kommissionsvorschlägen bei den noch laufenden Verhandlungen im Rat mehrfach deutlich gemacht. Diese Verhandlungen erfolgen zum Teil in enger Abstimmung mit den Ländern. Mehrfach konnte die Bundesregierung dort Nachbesserungen bezüglich beanstandeter Regelungen erreichen. Andere vom Bundesrat unter Subsidiaritätsgesichtspunkten kritisierte Vorschläge wurden bislang im Rat noch nicht beraten. Die Bundesregierung wird sich aber auch hier für eine Beachtung des Subsidiaritätsprinzips einsetzen.
Soweit die Beanstandungen des Bundesrates auch Berichte, Mitteilungen, Grün- und Weißbücher betreffen, sind diese in der Aufstellung der Bundesregierung nicht enthalten (siehe unter II.1 sowie unter IV.), da eine formelle Subsidiaritätsprüfung hier nicht stattfindet.
5. Stellungnahmen des Bundestages
Mehrere Ausschüsse des Bundestages - so der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie der Unterausschuss Europarecht des Rechtsausschusses - haben sich im Berichtsjahr im Zusammenhang mit dem Subsidiaritätsbericht der Bundesregierung für 2002 und dem Rechtsetzungsbericht der Kommission für 2003 mit dem Thema Subsidiarität befasst. Die vorgenannten Berichte wurden zur Kenntnis genommen.
III. Jahresbericht "Bessere Rechtsetzung 2003" der Europäischen Kommission
Die Europäische Kommission hat dem Europäischen Rat am 12. Dezember 2003 den Jahresbericht "Bessere Rechtsetzung 2003" gemäß Artikel 9 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit übermittelt ( KOM (2003) 770 endg.). Die Kommission berichtet darin über die Durchführung des Aktionsplanes "Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfeldes" im Jahre 2003 und über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Die Bundesregierung hatte den vorangegangenen Jahresbericht der Kommission von 2002 in ihrem Subsidiaritätsbericht 2002 ausgewertet. Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 12. März 2003 zum Rechtsetzungsbericht der Kommission Stellung genommen. Im Folgenden setzt sich die Bundesregierung mit dem neuen Jahresbericht der Kommission kritisch auseinander.
1. Inhalt des Kommissionsberichtes
Im Einzelnen behandelt die Kommission in ihrem Bericht
- Maßnahmen auf Kommissionsebene hinsichtlich des Aktionsplanes 2002 und der darin geplanten institutionellen Vereinbarung
- Maßnahmen auf der Ebene der Gemeinschaftsorgane
- Maßnahmen der Mitgliedstaaten
- Rechtlicher und institutioneller Rahmen bei der Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit
- Tatsächliche Anwendung dieser Grundsätze durch die Kommission und andere Gemeinschaftsorgane
- Einleitend weist die Kommission auf die Aufgabe hin, bei der Rechtsetzung sowohl die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu wahren als auch die Qualität der Rechtsvorschriften zu verbessern und den Zugang zum Gemeinschaftsrecht zu erleichtern. Der Bericht beschäftigt sich zum einen mit dem allgemeinen Rahmen für eine bessere Rechtsetzung. Er geht dabei insbesondere auf die Durchführung des Aktionsplans 2002 ,;Verbesserung und Vereinfachung des Regelungsumfelds" der Kommission ( KOM (2002) 412 ) ein, in dem konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Ziels einer besseren Rechtsetzung dargestellt sind. Dieser Aktionsplan 2002 wurde durch acht spätere Mitteilungen flankiert. Zum anderen setzt sich der Jahresbericht 2003 mit der Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit durch die Organe der Gemeinschaft auseinander. Beschrieben wird ferner eine Gesamtstrategie für bessere Rechtsetzung, die von der Kommission mit dem Europäischen Parlament und dem Rat entwickelt und zwischenzeitlich durch eine Interinstitutionelle Vereinbarung konkretisiert wurde.
- Ein Schwerpunkt der Kommissionsmaßnahmen liegt bei der besseren Vorbereitung und Durchführung von Gemeinschaftsvorhaben. So führte die Kommission Mindeststandards für öffentliche Konsultationen ein ( KOM (2002) 704 )mit dem Ziel, die Qualität von Vorschlägen durch Öffentliche Diskussionen zu verbessern. Mit einem neuen Folgenabschätzungsverfahren nahm die Kommission 2002 ein System an, wonach jede wichtige Kommissionsinitiative nicht nur auf ihre wirtschaftlichen Auswirkungen untersucht, sondern auch soziale und umweltrelevante Folgen berücksichtigt werden sollen. Die Kommission beurteilt die Ergebnisse des ersten Laufjahres sehr positiv, sieht aber auch gewisse Anfangsschwierigkeiten. Diese sollen aber durch weitere Initiativen des Generalsekretariats beseitigt werden. Darüber hinaus hat die Kommission neue Richtlinien für die Einholung und Nutzung von externem Expertenwissen entwickelt. Diese sind in einer
Mitteilung der Kommission von Dezember 2002 in Bezug auf den Aktionsplan "Wissenschaft und Gesellschaft" ( KOM (2002) 713 ) enthalten, der im Kern die Erweiterung und Systematisierung der Einholung von Expertenwissen betrifft, zum Beispiel durch das elektronische Netz SINAPSE, das 2004 in eine Pilotphase eintritt.
Im Februar 2003 wurde außerdem der Aktionsrahmen "Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis communautaire" ( KOM (2003) 71)beschlossen, der kurze und mittelfristige Maßnahmen zur Verringerung des Umfangs des Gemeinschaftsrechts (Kodifizierung und Eliminierung veralteter Vorschriften)vorsieht und sicherstellen soll, dass die Gemeinschaftsvorschriften klar, verständlich und aktuell sind. Nach der ersten Phase der Durchführung zeigen sich laut Kommission zwar Schwachstellen des Aktionsrahmens bei kurz- bis mittelfristigen Maßnahmen zur Verringerung des Umfangs des Gemeinschaftsrechts. Insgesamt laufe der eingeleitete Prozess aber gut an.
Erhöhte Aufmerksamkeit muss laut Kommission der Wahl ihrer Instrumente zu Kommen. Die Richtlinien sollten wieder der ursprünglichen Definition entsprechen und auf die Festlegung eines rechtlichen Rahmens und eines Zieles begrenzt werden. Außerdem schlägt die Kommission die Nutzung von "Alternativinstrumenten" vor, die zwar im Vertrag nicht vorgesehen sind, die als "Soff law"-Instrumente aber neben den klassischen Instrumenten wie Verordnungen und Richtlinien zum Einsatz Kommen sollen. Ferner soll mehr Gebrauch von Europäischen Agenturen, insbesondere Regulierungsagenturen, gemacht werden, die eine unmittelbare und formale Rolle in der Rechtsetzung der Gemeinschaft spielen sollen. Schließlich empfiehlt die Kommission den Abschluss von Verträgen und Vereinbarungen zwischen der Gemeinschaft, den Mitgliedstaaten und den lokalen Gebietskörperschaften, durch die subnationale Stellen zur Durchführung bestimmter Maßnahmen ermächtigt werden, um den regionalen Rahmenbedingungen bei der Gestaltung und Durchführung der Gemeinschaftspolitik Rechnung zu tragen.
Im Hinblick auf die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts beschreibt die Kommission verschiedene Maßnahmen, die sie zur Verbesserung der Überwachung einer ordnungsgemäßen Umsetzung eingeführt bzw. weitergeführt hat. Dies sind z.B. Konkordanztabellen, der elektronisch geführte Zeitplan für die Umsetzung von Richtlinien, die Datenbank ASMODEE II und der jährliche Bericht über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts ( KOM (2003) 669 ).
Des Weiteren plant die Kommission die verstärkte Aufnahme von Überprüfungsklauseln in die Rechtsakte. Dadurch soll eine regelmäßige Aktualisierung und Anpassung der Rechtsvorschriften gewährleistet werden. Ferner behält sich die Kommission das Recht " vor, nicht mehr aktuelle Vorschläge wieder zurückzuziehen. Die redaktionelle Qualität von Rechtsakten soll durch gemeinsame Leitlinien der Organe für die Abfassung von Rechtstexten verbessert werden.
c)Im Hinblick auf Maßnahmen der Gemeinschaftsorgane weist die Kommission auf das Erfordernis einer engen Zusammenarbeit zwischen allen beteiligten Institutionen zur Verbesserung der Gemeinschaftsrechtsqualität hin. Daher haben sich der Rat, das Europäische Parlament und die Kommission Ende 2003 auf die Interinstitutionelle Vereinbarung "Bessere Rechtsetzung" geeinigt, deren Hauptziele darin bestehen, die Qualität der Gemeinschaftsvorschriften und deren Umsetzung in nationales Recht zu verbessern. Dabei sind als Schlüsselelemente die Verbesserung der interinstitutionellen Koordinierung der Rechtsetzungstätigkeit und der Transparenz, die Schaffung eines stabilen Rahmens für die "Soft-Law"-Instrumente, der verstärkte Einsatz von Folgeabschätzungen im gemeinschaftlichen Entscheidungsprozess und die Verpflichtung zur Festsetzung einer möglichst kurzen, bindenden Frist für die Umsetzung von Richtlinien zu nennen.
d)Bezogen auf die Mitgliedstaaten stellt die Kommission die wichtigsten Initiativen dar, die seitens der Mitgliedstaaten mit dem Ziel einer besseren Rechtsetzung ergriffen worden sind. Gleichzeitig fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, konkrete Maßnahmen zur Vereinfachung und Verbesserung des europäischen Regelungsfeldes zu benennen. Insgesamt beurteilt die Kommission die Praktiken und Leistungen der Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang noch sehr unterschiedlich. Dabei räumt sie jedoch ein, dass es mangels einer gemeinsamen Methodologie schwierig ist, definitive Informationen über die Ergebnisse in den Mitgliedstaaten zu erfassen und zu bewerten.
f)Die Kommission betont in ihrem Bericht nochmals den dynamischen Charakter des Subsidiaritätsprinzips, das je nach Entwicklung auf mitgliedstaatlicher Ebene sowohI zu Erweiterungen als auch zu Beschränkungen der Tätigkeit der Gemeinschaft führen kann. Sie setzt sich kurz mit dem überarbeiteten Subsidiaritätsprotokoll auseinander, wie es der Europäische Konvent im Juli 2003 vorgelegt hat.
Schließlich stellt die Kommission die Auswirkungen des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips auf das Handeln der Union anhand einiger Beispiele dar:
- So kann das Subsidiaritätsprinzip im Bereich Straßenverkehrssicherheit eine
Erweiterung des Tätigkeitsbereichs nach sich ziehen (Richtlinienvorschlag zur
Sicherheit von Tunneln im transeuropäischen Straßennetz, KOM (2002) 769 ).
- Dass dieser Grundsatz auch das Ende der Gemeinschaftstätigkeit erfordern
kann, zeigte die Kommission mit einem Fall aus dem Verbraucherschutz (überarbeitung Richtlinie 75/106/EWG , Richtlinie 80/232/EWG ).
Auch die Auswirkungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit werden an Beispielen verdeutlicht:
- Wie das Beispiel zur Durchführung der EU-Wettbewerbsregeln (Verordnung Nr. 1/2003)veranschaulicht, können Verhältnismäßigkeitserwägungen einerseits ein stärkeres Handeln der Union verlangen.
- Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann aber auch eine Vereinfachung der Handlungsform erfordern, was unter anderem durch ein Beispiel aus dem Bereich Straßenverkehrssicherheit (Aktionsprogramm für die Straßenverkehrssicherheit KOM (2003) 311 ) dargestellt wird.
Im Rahmen der Rechtsetzung haben der Rat und das Europäische Parlament nur wenige Änderungen von Kommissionsvorschlägen auf Grund der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit verlangt. Als Vertretung der Mitgliedstaaten war besonders der Rat auf eine enge Auslegung der Grundsätze bedacht, doch konnten unterschiedliche Auffassungen durch interinstitutionellen Dialog ausgeräumt werden.
Insgesamt zieht die Kommission eine positive Bilanz ihrer Anstrengungen zur Verbesserung der Qualität von Rechtsvorschriften und des Zugangs zu ihnen. Zwar basiere der Bericht nur auf ersten Erfahrungen aus den Jahren 2003 und 2004. Eine Notwendigkeit zur grundlegenden überprüfung ihrer Leitlinien kann die Kommission aus dieser Bestandsaufnahme trotz einiger konkreter Schwachpunkte und Defizite bei der Umsetzung aber nicht erkennen.
Eine Bestätigung ihrer Sichtweise sieht die Kommission schließlich in der geringen Zahl der beim Gerichtshof erhobenen Klagen, in denen ein Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip geltend gemacht wurde, und in der Tatsache, dass die Organe der Union in keinem Fall wegen eines solchen Verstoßes verurteilt wurden.
2. Bewertung des Kommissionsberichts durch die Bundesregierung
Die Bundesregierung begrüßt, dass sich die Kommission in ihrem Rechtsetzungsbericht 2003 weiterhin intensiv mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit auseinandergesetzt und dass sie umfangreiche neue Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität des Gemeinschaftsrechtes aufgezeigt hat. Insbesondere ist der im Jahr 2002 verabschiedete Aktionsplan "Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds" hervorzuheben, mit dem sich die Kommission zur Umsetzung konkreter Schritte zur Verbesserung der Rechtsetzung verpflichtet hat.
Wie schon in den Vorjahren bedauert die Bundesregierung jedoch erneut, dass auch der Rechtsetzungsbericht 2003 keine klaren Kriterien aufstellt, aufgrund derer sich die Prüfung des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips nachvollziehen lässt. Auch fehlt es an einer systematischen übersicht über die Anwendung des Subsidiaritäts- und des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Stattdessen beschränkt sich die Kommission weitgehend auf die beispielhafte Darstellung einzelner Fälle. Positiv ist in diesem Zusammenhang allerdings hervorzuheben, dass die Kommission erstmalig auch eine "umgekehrte Anwendung" des Subsidiaritätsprinzips dokumentiert hat, d.h. die Rücknahme eines existierenden Gemeinschaftsrechtsaktes wegen Subsidiaritätsbedenken.
Die Bundesregierung erkennt die großen Anstrengungen der Kommission beim Aufbau und der Durchführung von Folgenabschätzungen für neue Regelungsvorhaben an. So tragen die
Einbeziehung von Expertenwissen und Folgenabschätzungen verstärkt zur Vermeidung von Fehlern bei, die sonst erst in späteren Arbeitsschritten gefunden und aus den Entwürfen gestrichen werden müssten. Das gegenwärtig praktizierte System weist aber noch zahlreiche Schwächen auf, insbesondere hinsichtlich der methodischen Grundlagen und der geringen Anzahl durchgeführter Folgenabschätzungen, die noch zu beheben sind.
Die Verabschiedung der Interinstitutionellen Vereinbarung Bessere Rechtsetzung wird begrüßt. Die Aktivitäten zwischen Kommission, Rat und Parlament zur Verbesserung der Rechtsetzung können so verstetigt, vereinheitlicht und transparenter gestaltet werden.
Insgesamt hat das Bemühen der Kommission auch zu konkreten Verbesserungen geführt:
Dies zeigt sich. an dem aus Sicht der Bundesregierung positiv zu bewertenden Rückgang des Umfangs der jährlichen Rechtsetzungstätigkeit in den vergangenen Jahren. So blieb die Anzahl neuer Rechtsakte im zweiten Jahr in Folge deutlich unter 400 Vorschlägen (gegenüber knapp 800 in 1990).
- Gleichzeitig werden Grünbücher und Mitteilungen vermehrt genutzt. Dies ist im Vorfeld verbindlicher Gesetzgebungsvorschläge zu begrüßen, da auf diese Weise eine effektive Einbeziehung aller Wirtschaftsteilnehmer in den Konsultationsprozess möglich wird.
Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensgerechtigkeit positiv zu bewerten sind die von der Kommission eingeführten Mindeststandards für öffentliche Konsultationen, die auf wichtige Initiativen Anwendung finden sollen.
- Die Bundesregierung befürwortet in diesem Zusammenhang auch das Bestreben der Kommission, bereits in der Vorbereitung von Rechtsakten die Maßstäbe für eine bessere Qualität des Gemeinschaftsrechts zu berücksichtigen und nicht mehr aktuelle Vorschläge von sich aus zurückzunehmen.
Die Kommission ruft im Bericht die Mitgliedstaaten auf, parallel zu den Initiativen der EU Maßnahmen zur Verbesserung der Rechtsetzung auch in den Mitgliedstaaten zu initiieren. Die Bundesregierung begrüßt diese Forderung und verfolgt hier schon seit längerer Zeit eine Reihe von nationalen Maßnahmen.
- So ist nach der novellierten GGO für neue Regelungsvorhaben verpflichtend eine Gesetzesfolgenabschätzung durchzuführen.
- Handreichungen zur Ermittlung der Folgen von Gesetzen für die Ministerien sind erstellt worden.
Ergänzend zu den Handreichungen zur Folgenabschätzung wird derzeit eine weitere praxisorientierte Arbeitshilfe entwickelt, deren Schwerpunkt insbesondere bei der Ermittlung der Kostenfolgen neuer Regelungsvorhaben liegt.
Ferner werden über die Initiative Bürokratieabbau staatliche Hemmnisse für Wirtschaft, Bürgerinnen und Bürger reduziert sowie in einem umfassenden Programm das Bundesrecht bereinigt.
3. Bewertung des Kommissionsberichts durch den Bundesrat
Der Bundesrat hat sich in seiner 797. Sitzung am 12. März 2004 mit dem Rechtsetzungsbericht der Kommission für 2003 beschäftigt und dazu folgende Aussagen beschlossen:
- Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission in ihrem elften Bericht zur Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, neue Schwerpunkte setzend, den Weg aus dem zehnten Bericht fortführe. Einen Kernpunkt bilde dabei das im Jahre 2002 eingeführte Folgenabschätzungsverfahren, bei dem die Kommission, eine Anregung des Bundesrates aufgreifend, auch auf qualitative Auswirkungen einginge, bei der Durchführung der überprüfung jedoch noch Verbesserungsbedarf erkenne.
- Er begrüßt das Bemühen der Kommission gemäß der Aktualisierung und Vereinfachung des Acquis Rechtsvorschriften verständlicher zu kodifizieren und überholte aufzuheben, da die Gemeinschaftsvorschriften nur so vom Bürger akzeptiert würden. Dabei würde der Bundesrat ein zügigeres Umsetzen dieses Vorhabens begrüßen.
- Als einen Fortschritt erachtet es der Bundesrat, dass die Kommission neben der Subsidiarität auch der Verhältnismäßigkeit größeres Gewicht beimesse.
- Das Bemühen der Kommission um eine veranschaulichende beispielhafte Darstellung ihres Subsidiaritätsprüfungsvorgehens wurde vom Bundesrat festgestellt.
- Der Bundesrat betont die in der zukünftigen europäischen Verfassung jeder Kammer der nationalen Parlamente gebotene Möglichkeit, durch ein Frühwarnsystem mehr Kontrolle und Einfluss auf die Einhaltungsprüfung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit auszuüben und bittet die Bundesregierung, sich dafür weiter einzusetzen.
- Der Bundesrat begrüßt das im Konventsentwurf vorgesehene Klagerecht der Parlamente, da es das Frühwarnsystem Komplettiere, um eine wirksame Subsidiaritätskontrolle zu ermöglichen. Er bittet die Bundesregierung, sich weiter um das Klagerecht zu bemühen.
- Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich auch weiterhin für die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit einzusetzen, da aus seiner Sicht noch weiterer Handlungsbedarf bestehe.
IV. Das neue Subsidiaritätsprotokoll nach der Europäischen Verfassung
Mit Inkrafttreten der Europäischen Verfassung wird das Subsidiaritätsprotokoll von 1997 zahlreichen, vor allem prozeduralen Änderungen unterliegen. Die jetzige als Anhang zur Europäischen Verfassung vorgesehene Fassung entspricht weitgehend dem vom Europäischen Konvent am 18. Juli 2003 vorgelegten Verfassungsentwurf (CONV 850/03 (PDF) ), der bereits im Subsidiaritätsbericht 2002 vorgestellt wurde.
Danach soll insbesondere ein neues Verfahren in Form eines Frühwarnsystems zur überprüfung des Subsidiaritätsprinzips eingeführt werden (Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, Ziffer 3 ff.; Protokoll über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, Ziffer 3). Die Kommission muss nach dem Entwurf künftig alle ihre Vorschläge und geänderten Vorschläge für einen Gesetzgebungsakt gleichzeitig dem Unionsgesetzgeber und den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten übermitteln. Jedes nationale Parlament eines Mitgliedstaats oder jede Kammer eines nationalen Parlaments kann dann binnen sechs Wochen in einer begründeten Stellungnahme an die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Ministerrats und der Kommission Subsidiaritätsbedenken darlegen. Dabei obliegt es dem jeweiligen Parlament bzw. der Kammer, ggf. die regionalen Parlamente mit Gesetzgebungsbefugnissen zu konsultieren. Die Stellungnahmen sind vom Europäischen Parlament, vom Ministerrat und von der Kommission grundsätzlich zu berücksichtigen. Die Kommission muss ihren Vorschlag überprüfen, wenn ein Drittel (bzw. in bestimmten Fällen ein Viertel)der nationalen Parlamente und Kammern nationaler Parlamente der Ansicht ist, der Kommissionsvorschlag verstoße gegen das Subsidiaritätsprinzip.
Weiterhin werden erstmalig Gesetzgebungsvorhaben, die dem Subsidiaritätsprinzip unterliegen, gemeinschaftsrechtlich definiert sein. Im Sinne dieses Protokolls bezeichnet "Entwurf eines Europäischen Gesetzgebungsaktes" die Vorschläge der Kommission, die Initiativen einer Gruppe von Mitgliedstaaten, die Initiativen des Europäischen Parlaments, die Anträge des Gerichtshofs, die Empfehlungen der Europäischen Zentralbank und die Anträge der Europäischen Investitionsbank, die den Erlass eines Europäischen Gesetzgebungsaktes zum Ziel haben. Hierunter werden also auch Initiativen der Mitgliedstaaten nach der zweiten und dritten Säule des EU-Vertrages fallen. Unverbindliche Rechtsakte dürften dagegen jedenfalls keiner formellen Subsidiaritätsprüfung im Sinne des Protokolls unterliegen, da sie nicht unmittelbar den Erlass eines Europäischen Gesetzgebungsaktes zum Ziel haben, sondern lediglich seiner Vorbereitung dienen.
Ferner sieht das neue Subsidiaritätsprotokoll erstmals eine Zuständigkeit des Gerichtshofs für Klagen wegen Verstoßes eines Gesetzgebungsakts gegen das Subsidiaritätsprinzip vor, die gemäß der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung von einem Mitgliedstaat im Namen seines nationalen Parlaments oder einer Kammer dieses Parlaments übermittelt werden (Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, Ziffer 7). Entsprechende Klagen sollen künftig auch vom Ausschuss der Regionen in Bezug auf Gesetzgebungsakte erhoben werden können, für deren Annahme die Anhörung des Ausschusses der Regionen nach der Verfassung vorgeschrieben ist.
V. Gesamtbewertung
- Der vorliegende Bericht zeigt, dass das" Subsidiaritätsprinzip in der gemeinschaftlichen Rechtsetzung zunehmend praktische Relevanz erlangt. Auch die Bundesregierung misst dem Rechtsgedanken der Subsidiarität in der Praxis hohe Bedeutung zu. Die Anzahl der Gesetzgebungsvorschläge, die die Bundesressorts insgesamt geprüft haben, ist gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum leicht gestiegen (106 Rechtsakte). Gleichzeitig gab es nur eine geringe ZahI von Vorschlägen, bei denen nach vertiefter Prüfung Subsidiaritätsbedenken auch im Laufe der Verhandlungen im Rat noch nicht vollständig ausgeräumt werden konnten (zehn Fälle).
- Insgesamt besteht eine hohe Übereinstimmung in der Bewertung von Gesetzgebungsvorschlägen zwischen der Bundesregierung und dem Bundesrat. Die ZahI der Fälle, in denen die Bundesregierung die Subsidiaritätsbedenken des Bundesrates grundsätzlich nicht teilt, ist gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum gesunken. Die Bundesregierung hat die Subsidiaritätsbedenken des Bundesrates auch bei abweichender Einschätzung grundsätzlich in die Beratungen der Ratsgremien eingebracht und Verhandlungserfolge erzielen können. Die Verhandlungen waren zum Berichtszeitpunkt zum Teil noch nicht abgeschlossen.
- Die Bundesregierung begrüßt nachdrücklich, dass sich die Kommission in ihrem Bericht "Bessere Rechtsetzung 2003" eingehend mit den Möglichkeiten einer verbesserten Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips für alle drei Gemeinschaftsorgane auseinandersetzt und konkrete Maßnahmen zur Umsetzung vorschlägt. Darin Kommt das ernsthafte Bemühen der Kommission zum Ausdruck, dem Subsidiaritätsprinzip auch in der Praxis effektive Geltung zu verschaffen. Positiv hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang insbesondere der Aktionsplan "Vereinfachung und Verbesserung des Regelungsumfelds" und die Verabschiedung der Interinstitutionellen Vereinbarung "Bessere Rechtsetzung".
- Die Bundesregierung hält es auch weiterhin für erforderlich, die Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Gemeinschaftsorgane sorgfältig zu überwachen und gegebenenfalls einzufordern. Sie wird deshalb auch in Zukunft bei neuen Rechtsakten die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips eigenständig auf der Grundlage des Subsidiaritätsrasters prüfen. Dabei wird sie insbesondere darauf hinwirken, dass die Rechtsakte, der Gemeinschaft eine hinreichende Begründung bezügIich Subsidiaritätsgesichtspunkten enthalten und damit für den Betroffenen transparent sowie kontrollierbar werden. Auf diese Weise kann die Gemeinschaft dazu angehalten werden, die Grenzen der ihr zugewiesenen Handlungsermächtigungen einzuhalten.
- Die Bundesregierung begrüßt die neuen Verfahrensregelungen, die sich für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips aufgrund des im Rahmen der Europäischen Verfassung geänderten Subsidiaritätsprotokolls ergeben werden. Sie ist der Auffassung, dass das Subsidiaritätsprinzip dadurch erheblich größeres Gewicht erhalten und das Demokratieprinzip durch die neuen prozeduralen Rechte für die nationalen Parlamente in der Gemeinschaft gestärkt wird.