Der Bundesrat hat in seiner 882. Sitzung am 15. April 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Kommission für eine Förderung des Einsatzes von Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Förderung elektronischer Behördendienste trägt zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas bei und ermöglicht es öffentlichen Verwaltungen, Dienstleistungen kostengünstiger zu erbringen.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass einzelne Maßnahmen aus Gründen des Subsidiaritätsprinzips nur in Abstimmung mit den Ländern umgesetzt werden dürfen. So sind beispielsweise Fragen des Einsatzes von elektronischen Signaturen auch von den internen Verwaltungsstrukturen der Mitgliedstaaten abhängig. Fragen des Datenschutzes bei der Weitergabe von Informationen können nicht allein auf europäischer Ebene reguliert werden. Auch die Frage, ob und wie Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen in öffentliche Debatten und Entscheidungsprozesse eingebunden werden, können allein die Mitgliedstaaten beantworten. Soweit die Kommission hierbei davon ausgeht, dass die Projekte in den Mitgliedstaaten entwickelt werden, ist dies zu begrüßen. Eine Übertragung von Best-Practice-Beispielen auf alle Mitgliedstaaten, ohne die Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, ist aber abzulehnen.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den Beratungen auf EU-Ebene dafür Sorge zu tragen, dass der durch den Einsatz der IKT für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft generierte Mehrwert gleichermaßen auch für die Verwaltung gilt.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die genannten E-Government-Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen auf die vorhandene bzw. künftige Nachfrage untersucht werden sollten. Ausgehend von dieser Bewertung sollten für alle Maßnahmen vor Umsetzung Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen durchgeführt werden, um gegebenenfalls eine Priorisierung der Maßnahmen vornehmen zu können.
- 5. Die Ausweitung der Aufgaben des einheitlichen Ansprechpartners hin zu einem vollwertigen E-Government-Zentrum wird im jetzigen Stadium der Umsetzung abgelehnt.
Die einheitlichen Ansprechpartner wurden auf Grund der EG-Dienstleistungsrichtlinie eingerichtet. Die Zuständigkeit erstreckt sich somit auf Dienstleistungserbringer und -empfänger, nicht umfassend auf Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger. Die einheitlichen Ansprechpartner befinden sich europaweit noch im Aufbau. Die Bandbreite der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten ist hier sehr groß.
Einige Mitgliedstaaten, wie Großbritannien, haben für den einheitlichen Ansprechpartner eine rein technische Lösung gewählt. Andere, wie Deutschland, haben den einheitlichen Ansprechpartner zusätzlich personell untersetzt. Der Aktionsplan geht in diesem Punkt also von der falschen Vorraussetzung aus, dass es sich bei den einheitlichen Ansprechpartnern um eine rein virtuelle eGovernment-Lösung handelt. Wieder andere haben das Institut des einheitlichen Ansprechpartners noch gar nicht umgesetzt.
Zusätzlich gibt es im Bereich der, von der Kommission zu Recht so bezeichneten, Schlüsselvoraussetzungen erheblichen Regelungsbedarf. Einheitliche eID-Lösungen sind erst bis 2014 geplant, 2011 soll die eSignaturrichtlinie überarbeitet werden. Bis 2015 sollen grenzüberschreitende interoperable Zustelldienste etabliert werden.
Es ist notwendig, erst die entsprechenden Vorraussetzungen für elektronische Behördendienste zu schaffen, gleichzeitig die Umsetzung der EG-Dienstleistungsrichtlinie vollständig zu evaluieren und dann über eine Ausweitung der Aufgaben der einheitlichen Ansprechpartner im Verbund mit der Anpassung des Anwendungsbereichs der EG-Dienstleistungsrichtlinie zu diskutieren. Insoweit kann diese Ausweitung nicht mitten im, sondern erst am Ende des Aktionsplans vorgesehen werden.
Erst nach der vollständigen Evaluation der Richtlinie 2006/123/EG und einer eventuell notwendigen Anpassung, einschließlich der Umsetzung der im Aktionsplan genannten Projekte eID, eSignatur und eDelivery, ist eine solche Ausweitung plan- und umsetzbar.
- 6. Der Bundesrat weist zusätzlich auf folgende Punkte hin, die im Zuge der weiteren Umsetzung des Aktionsplans Berücksichtigung finden sollten, und bittet die Bundesregierung auf EU-Ebene um entsprechende Unterstützung:
- 7. Zu Nummer 2. 1.1 des Aktionsplans (auf die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmte Dienste und barrierefreie Dienste)
Es ist dafür Sorge zu tragen, dass der durch den Einsatz moderner Technologien für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft generierte Mehrwert in einem angemessenen Verhältnis zu den für die Verwaltung entstehenden Kosten (wie z.B. Bereitstellung der IT-Infrastruktur, Service und Support) steht.
- 8. Zu Nummer 2.1.3 des Aktionsplans (Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors)
Bei der Weitergabe der im Besitz der öffentlichen Verwaltung befindlichen Datenbestände ist - trotz der damit verbundenen Einsparungs- und Innovationspotenziale - ein strenger Maßstab anzulegen.
- 9. Zu Nummer 2.3.2 des Aktionsplans (Verringerung der Verwaltungslasten)
Hinsichtlich der mehrmaligen Verwendung von Registrierungsdaten der Bürgerinnen und Bürger ist dafür Sorge zu tragen, dass datenschutzrechtliche Belange gewahrt bleiben.
- 10. Zu Nummer 2.3.3 des Aktionsplans (umweltbewusstes Regierungshandeln)
In Bezug auf den Vorschlag, dass die Mitgliedstaaten Indikatoren und Bewertungsverfahren entwickeln und vereinbaren sollen, mit denen sich die durch elektronische Behördendienste erreichte Verbesserung der Kohlenstoffbilanz ihrer Behörden messen lässt, ist zu fordern, dass dies nicht zu einem unverhältnismäßigen Aufwand für die Mitgliedstaaten führen darf.
- 11. Der Bundesrat erwartet, dass die aus der Mitteilung der Kommission resultierenden Aktivitäten nicht zu einer Mehrbelastung der öffentlichen Haushalte führen. Dies betrifft Aktivitäten, wie formale Berichtspflichten, bei denen zusätzliche Verwaltungskosten entstehen, und die der angestrebten Verwaltungsvereinfachung und dem Bürokratieabbau entgegenstehen.
- 12. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den Beratungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass zusätzliche finanzielle Belastungen der Länder vermieden werden.
- 13. Der Bundesrat begrüßt, dass der IT-Planungsrat den europäischen E-Government-Aktionsplan 2011 bis 2015 im Rahmen der Umsetzung der Nationalen EGovernment-Strategie berücksichtigt.