879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Strategie der EU für den Donauraum.
- 2. Sie bildet den Rahmen für eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Ziel, die wirtschaftliche Entwicklung, die Umweltbedingungen, die Verkehrsmöglichkeiten, die Vernetzung der Energiesysteme und die Sicherheit zu verbessern. Mit dem Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaaten wurde die Bedeutung der Donau als wichtige Entwicklungsachse für das neue Europa deutlich verstärkt. Mit einer makroregionalen Strategie wird der Grundstein für eine integrative und grenzüberschreitende Entwicklung dieses wichtigen Raums gelegt, der fast 115 Mio. Einwohner hat und ca. 1/5 der EU-Fläche ausmacht. Die Erweiterung der EU ist für den Donauraum eine grundlegende Entwicklung, die es ermöglicht, dass die Region ihr großes Potenzial bestmöglich entfalten kann und zu einem bedeutenden Lebens- und Wirtschaftsraum Europas aufsteigt.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die Strategie in intensiver Zusammenarbeit und auf der Grundlage umfassender Konsultationen mit den Interessenträgern und Anrainern der betroffenen Region erstellt hat.
- 4. Der Bundesrat begrüßt zudem den integrativen Ansatz der EU-Donaustrategie, die üblicherweise getrennt behandelte Politikfelder in Zusammenhang bringt und dadurch auf das koordinierte Zusammenwirken der Kommission mit den Regionen, Mitgliedstaaten, Organisationen und anderen Interessenträgern abzielt. Dadurch können wichtige Synergieeffekte erreicht werden. Der Bundesrat unterstützt den gewählten Ansatz einer makroregionalen Strategie, wie er für den Ostseeraum bereits erfolgreich umgesetzt wurde und für den Nordseeraum angestrebt wird.
- 5. Die Kommission hat die inhaltlichen Schwerpunkte der Strategie richtig gesetzt: Die Anbindung des Donauraums, der Umweltschutz, der Aufbau von Wohlstand und die Stärkung des Donauraums sind auch nach Auffassung des Bundesrates die Themen, die es im Donauraum anzugehen gilt. Der Vorschlag greift in den vier prioritären Bereichen die Anliegen auf, den Donauraum erreichbar und attraktiv, ökologisch nachhaltig, wohlhabend sowie sicher zu machen. Damit kann die Strategie der weiteren Entwicklung des Donauraums einen dynamischen Rahmen geben.
- 6. Die große Bandbreite von Aktionsfeldern und Projekten innerhalb der vorgeschlagenen thematischen Säulen bietet eine gute Grundlage für eine Stärkung der europäischen Integration auf lokaler und regionaler Ebene. Die Verknüpfung von wirtschaftlicher Stärkung mit der Verbesserung der kulturellen Integration, dem Ausbau von Innovation, der Verbesserung bei Fragen der inneren Sicherheit sowie dem Schutz der Umwelt als spezifischem und horizontalem Ziel trägt zu einer nachhaltigen Entwicklung dieses wichtigen europäischen Großraums bei.
- 7. Der Bundesrat unterstützt den Ansatz der Kommission, dass die Koordinierung der einzelnen vorrangigen Bereiche originäre Aufgabe der Mitgliedstaaten ist. Insbesondere liegt die Verantwortung für die Umsetzung der Projekte und deren Erfolg vorrangig bei den Akteuren vor Ort. In dieser Hinsicht werden die Länder Baden-Württemberg und Bayern eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Strategie übernehmen.
- 8. Der Bundesrat begrüßt es, dass die engere Abstimmung der von den Donau-Anrainerstaaten verabschiedeten Programme deutlich sichtbare Erfolge und bessere Effizienz bringen soll. So leistet die Strategie für den Donauraum einen wichtigen Beitrag für die Umsetzung anderer wichtiger Politiken und Ziele der EU, darunter die Strategie Europa 2020, und unterstützt die bessere Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften, insbesondere im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt und der Umwelt. Sie kann einen Rahmen bilden, existierende politische Initiativen und Instrumente der EU wie etwa die Verkehrs- und Energiepolitik, die Kohäsionspolitik oder die Strategie der EU zur Erhaltung der biologischen Vielfalt besser zu koordinieren und optimal zu nutzen.
- 9. Der europäische Mehrwert der Donaustrategie liegt in der Stärkung der staaten- und regionenübergreifenden Zusammenarbeit. Aus diesem Grund sind die Strukturfonds und einschlägigen Programme der Kohäsionspolitik ein wichtiges Instrument. In der laufenden EU-Förderperiode sind Baden-Württemberg und Bayern allerdings Grenzen gesetzt, da beide nicht Teil des Interreg-IV-B-Kooperationsraums "Südosteuropa" sind. Eine Beteiligung an der transnationalen Zusammenarbeit im Rahmen dieses Kooperationsraums, der alle anderen EU-Donau-Anrainer umfasst, ist somit nur eingeschränkt möglich. Die Kommission wird daher nachdrücklich aufgefordert, diesen Programmraum auch für Bayern und Baden-Württemberg zu öffnen.
- 10. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass die Strategie einen Orientierungsrahmen für den Donauraum bieten soll. Gerade die Vernetzung bestehender Initiativen und Organisationen, wie der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau, der Donaukommission, des Regionalen Kooperationsrates, des Donau-Kooperationsprozesses, des Rates der Donaustädte und -regionen und der Donau-Tourismuskommission, kann einen Mehrwert bringen.
- 11. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission überein, dass die Region als Tor zu den Nachbarn in Europa und Asien dient und von wesentlicher Bedeutung für die Unterstützung anderer außenpolitischer Maßnahmen der EU im Einklang mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik und ihren regionalen Maßnahmen ist.
- 12. Der Bundesrat begrüßt es, dass die Nichtmitgliedstaaten weitgehend die gleichen Möglichkeiten bei der Umsetzung der Strategie erhalten sollen. Ausgenommen sind Nichtmitgliedstaaten allerdings bei der Koordinierung von Themen, die die EU auf der Ebene der Staaten behandelt, wie etwa Sicherheit sowie schwere und organisierte Kriminalität. Der Bundesrat betont, dass eine Zusammenarbeit im Rahmen der Donaustrategie eine Mitgliedschaft in der EU weder vorwegnehmen noch ersetzen kann.
- 13. Der Bundesrat begrüßt es, dass eine zukunftsorientierte Entwicklung der europäischen Verkehrsnetze auf Fluss, Schienen und Straßen ein zentrales Anliegen der europäischen Donaustrategie ist. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass der Förderung der Intermodalität große Bedeutung zukommt. Durch höhere Verkehrssicherheit und verbesserte Verkehrsanbindung wird der Raum leichter zugänglich und damit attraktiver für Bewohner, Tourismus und Unternehmen.
- 14. Der Bundesrat hebt hervor, dass mit der EU-Strategie für den Donauraum auch die Chance ergriffen werden sollte, die sowohl im Interesse der direkten wie insbesondere auch der nicht unmittelbaren (Donau-)Anrainer liegende Verbesserung von national wie international wichtigen Verkehrsverbindungen, insbesondere der Seehafenhinterlandverbindungen, weiter zu entwickeln.
- 15. Der Bundesrat hält es daher für notwendig, die Anbindung des Donauraums auf der West-Ost sowie der Nord-Süd-Achse über die vorhandenen transeuropäischen Verkehrskorridore (TEN-V-Netz) auszubauen und zu verbessern.
- 16. Investitionen in Energieinfrastruktur, die Förderung von nachhaltiger Energie und die bessere Koordination der Energiepolitik stellen zurecht eine Priorität in der Donaustrategie dar. Die sichere Versorgung mit Energie ist für die europäische Bevölkerung und Wirtschaft im Donauraum von großer Bedeutung. Eine bedeutende Rolle werden hier die bereits im Rahmen der Periode 2007 bis 2013 geplanten Projekte zu den "Transeuropäischen Energienetzen - TEN-E" spielen. Auch die Zusammenarbeit mit Nichtmitgliedstaaten im Rahmen der Energiegemeinschaft soll zu einer besseren Energieversorgung beitragen.
- 17. Einzigartige Landschaften und Orte von außergewöhnlichem historischen und kulturellen Erbe prägen den Donau-Raum. Die Entwicklung des touristischen Potenzials und die Förderung der Kultur der Region sind wichtige Ziele für die Zusammenarbeit der Staaten im Donauraum, die im Rahmen der Donaustrategie umgesetzt werden sollen.
- 18. Die Donau als zweitlängster Fluss Europas ist ein vielfältiger und einzigartiger Lebensraum. Ihr Schutz ist eine wichtige Pflicht der Donaustaaten. Der Bundesrat begrüßt es, dass im Zentrum der Donaustrategie der Umweltbereich mit der Verbesserung der Wasserqualität, dem Schutz vor Überschwemmungen und Industrieunfällen und der Erhaltung der biologischen Vielfalt steht. Bei Umsetzung und Fortschritt des Aktionsplans zur Donaustrategie darf deshalb das Ziel, den Umweltstandard der Donau zu verbessern, nicht aus den Augen verloren werden. Es muss gelingen, die Steigerung von Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit mit der gleichzeitigen Verbesserung und dem nachhaltigen Schutz der natürlichen Ressourcen zu verbinden.
- 19. Der Bundesrat begrüßt das Ziel einer umweltgerechten Entwicklung der europäischen Verkehrswege und unterstützt gleichzeitig die Forderung, keine über den gegebenen Rechtsrahmen hinausgehenden Regelungen im Aktionsplan zu verankern. Die Aufnahme des Ziels einer Beseitigung bestehender Engpässe für die Schifffahrt, damit Schiffe der Kategorie VIb (Viererzüge) bis 2015 ganzjährig verkehren können (Nummer 3.1 der Vorlage), widerspricht jedoch diesem Prinzip. Weder existieren hierfür die entsprechenden rechtlichen Grundlagen noch verfolgen die derzeit mit Förderung der EU untersuchten Ausbauvarianten an der bayerischen Donau dieses Ziel. Die Zielsetzung steht nicht im Einklang mit den TEN-Leitlinien, wonach der Ausbau entsprechend den Wasserstraßenklassen IV, Va und Vb erfolgen soll. Auch aus dem von der Kommission genannten Dokument der UNECE "European Agreement on main inland waterways of international importance (AGN)" ergibt sich diese Anforderung nicht. Im Annex III ist die Wasserstraßenklasse Va und VIb lediglich für bestimmte in Annex I genannte "coastal routes" empfohlen. Dazu gehört die Donau nicht. Zudem ist dort für Flüsse mit wechselnden Wasserständen (wie die Donau) eine Abladetiefe von 2,5 m an durchschnittlich 240 Tagen pro Jahr bzw. 60 Prozent der schiffbaren Zeitspanne gefordert, also keine Ganzjährigkeit der Schiffbarkeit. [Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen der Mitteilung und des Aktionsplans für eine Streichung des Verweises auf das Ziel einer ganzjährigen Schiffbarkeit der Donau für Schiffe der Kategorie VIb bis 2015 einzusetzen.]
- 20. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die wirtschaftlichen und sozialen Disparitäten im Donauraum eine Herausforderung darstellen und eine Verbesserung des wirtschaftlichen Wohlstands und der Lebensqualität notwendig ist. Aktivitäten und Projekte im Rahmen der Donaustrategie können einen wesentlichen Beitrag zur Förderung der Wissensgesellschaft, der Vernetzung der Forschung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sowie zur Zusammenarbeit im Bereich Bildung und Qualifikationen leisten.
- 21. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass wirksame Reaktionen auf die gemeinsamen Herausforderungen im Sicherheitsbereich und in der Bekämpfung von schwerer und organisierter Kriminalität eine Koordinierung auf allen Ebenen erfordern. Der Erfahrungsaustausch über gute Verwaltungspraxis ist wichtig, damit die Region sicherer wird.
- 22. Die EU-Strategie für den Donauraum ist neben der EU-Ostseestrategie die zweite Regionalstrategie mit makroregionalem Ansatz. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die mit diesen Strategien verbundene intensive Zusammenarbeit europäischer und nationaler Institutionen sowie Interessensträgern auch die Entwicklung weiterer makroregionaler Strategien, beispielsweise für den Nordseeraum, positiv befördern sollte.
- 23. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung im Übrigen auf, sich in den anstehenden weiteren Verhandlungen insbesondere dafür einzusetzen, dass auch die bereits bestehende makroregionale EU-Ostseestrategie mit hoher Priorität weiter verfolgt wird und die Belange der hoch wertschöpfenden Regionen und Metropolen der Gemeinschaft Berücksichtigung finden. Insbesondere in diesen Regionen muss auch zukünftig ausreichende Wertschöpfung stattfinden können, um u.a. für strukturpolitische Maßnahmen in der Gemeinschaft Mittel bereitstellen zu können.
- 24. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission. B
- 25. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.