906. Sitzung des Bundesrates am 1. Februar 2013
A der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die EU ihre umweltpolitischen Ziele weiterentwickelt und einen übergeordneten umweltpolitischen Rahmen für die Zeit bis zum Jahr 2020 schaffen will.
- 2. Der Bundesrat erkennt die Vorlage, einschließlich der Vision (Ziffer 10), als eine geeignete Diskussionsgrundlage zur Weiterentwicklung der Umweltpolitik an. Bei den weiteren Beratungen zum Umweltaktionsprogramm sollten die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Mitgliedstaaten sowie deren Wettbewerbsverhältnis zu Drittstaaten berücksichtigt werden.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Vorschlag für einen Beschluss über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 die seit 1973 kontinuierliche Verabschiedung von Umweltaktionsprogrammen zur Festlegung der Rahmenvorgaben für die Umweltpolitik der EU fortgesetzt wird.
- 4. Im Hinblick auf die beabsichtigte weit reichende politische Bindungswirkung (Artikel 3 Absatz 1 der Entscheidung) bittet der Bundesrat, angemessene Beteiligungsmöglichkeiten und -verfahren für alle Betroffenen, einschließlich der Regionen, Kommunen und der Zivilgesellschaft, sicherzustellen.
- 5. Der Bundesrat stellt fest, dass der Vorschlag zwar umweltpolitische Herausforderungen und Handlungsbedarf benennt, in seiner Grundhaltung gegenüber den Akteuren aber oft einen einseitigen und undifferenzierten Eindruck der Verantwortlichkeiten erweckt. Insbesondere die Landnutzer sollten verstärkt als Partner und nicht nur als Verursacher behandelt werden.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf zu achten, dass beim Aufbau neuer Verfahren, der Einführung zusätzlicher Berichtspflichten und systematischer Bewertungen sowie der Schaffung zusätzlicher Indikatoren diese einfach gestaltet und auf das zwingend notwendige Maß beschränkt werden.
- 7. Zu bedauern ist, dass das Umweltaktionsprogramm die Meinung der Kommission zu erkennen gibt, dass die teilweise fehlenden Erfolge bei der Verbesserung der Umweltbedingungen vornehmlich ihre Ursache in Defiziten im Vollzug der Mitgliedstaaten haben und nicht auch auf bestehende europarechtliche Regelungen zurückzuführen sind. Diese Auffassung mag in Teilbereichen richtig sein, sie greift aber in vielen Regelungsbereichen des Umweltschutzes zu kurz. Die im Umweltaktionsprogramm vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beförderung des nationalen Vollzugs sind in diesen Bereichen nicht ausreichend und zielführend. In den Ziffern 17, 19 und 20 dieser Stellungnahme wird diese Problematik beispielhaft für die Bereiche Luftqualität, Lärmschutz und Gewässerschutz näher ausgeführt.
- 8. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der EU, die Anstrengungen für ein ressourceneffizientes und CO₂-armes Wirtschaftssystem zu erhöhen. Zum zweckmäßigen Einsatz der Mittel sollten jedoch ausschließlich Maßnahmen vorgesehen werden, deren Wirksamkeit belegt ist und die eine ausreichende Transparenz hinsichtlich der rechtlichen und ökonomischen Folgen für die Mitgliedstaaten besitzen. Um dies zu gewährleisten, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich im weiteren Verlauf der Verhandlungen in den Gremien der EU für die nachfolgenden Änderungen einzusetzen:
Zu den Zielen des Anhangs
- 9. Zum prioritären Ziel 1 "Schutz, Erhaltung und Verbesserung des Naturkapitals der EU" (Ziffern 16 bis 23 des Vorschlags) bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Festlegung von Zielen für eine nachhaltige Flächen- und Bodennutzung nicht zu Kompetenzübertragungen bzw. verpflichtenden Vorgaben auf EU-Ebene für den Bereich der Stadtplanung führt.
Die Steuerung der Flächennutzung ist zentraler Themenbereich einer nachhaltigen Stadtentwicklung. Gerade im Bereich der nachhaltigen Entwicklung können tragfähige Lösungen nur auf lokaler Ebene unter Berücksichtigung der jeweiligen besonderen regionalen und lokalen Verhältnisse gefunden werden. Städte und Gemeinden dürfen z.B. durch generalisierende Flächenvorgaben auf EU-Ebene nicht eingeschränkt werden, integrierte Strategien zur Entwicklung eigener endogener Potentiale voranzutreiben. Für die Festlegung quantifizierbarer Ziele, Leitlinien oder Vorschriften für eine nachhaltige Flächen- und Bodennutzung auf der EU-Ebene, die Kernbereiche der Stadtplanung umfassen, besitzt die Kommission keine Kompetenz. Dies ist daher abzulehnen (siehe auch Begründung zum prioritären Ziel 8).
- 10. In Ziel 1 wird unter Ziffer 25 die vollständige Umsetzung der EU-Biodiversitätsstrategie angestrebt. Dazu gehört unter anderem die Verbesserung verschlechterter Ökosysteme mit Hilfe von Grüninfrastruktur - beispielsweise durch den Bau von Querungshilfen. Soweit die Kommission im Hinblick auf die Finanzierung dieser Zielsetzung allerdings auf die Inanspruchnahme "innovativer Quellen" abstellt, weist der Bundesrat darauf hin, dass die bisherige Handhabung "innovativer Quellen" sich jedoch lediglich auf den Zugriff auf Budgets bereits vorhandener staatlicher Aufgaben beschränkt.
Dieser Weg wurde erstmals hinsichtlich des Bundesprogramms Wiedervernetzung beschritten. Dieses Programm soll zur biologischen Vielfalt beitragen, indem Querungshilfen an Bundesfernstraßen errichtet werden. Die Kosten von mehreren Millionen Euro pro Bauwerk sollen entsprechend dem Verursacherprinzip aus dem Um- und Ausbautitel des Straßenbauhaushalts finanziert werden. Da hierfür keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt wurden, stehen diese "Grüninfrastruktur-Maßnahmen" in Konkurrenz zu Maßnahmen zum Erhalt der Funktionsfähigkeit und der Sicherheit des Straßenverkehrs. Deren Finanzierung ist schon heute nicht gesichert und weist bis 2020 bei den besonders dringlichen Maßnahmen ein hohes Defizit auf. Ein auf diese Weise organisiertes Sanierungsprogramm ist somit nicht oder nur zu Lasten der Benutzbarkeit und Sicherheit des Straßenverkehrsnetzes realisierbar.
- 11. Angesichts solcher Zielkonflikte ist der Bundesrat der Auffassung, dass die Kommission zur Unterstützung der Zielerreichung unter Ziffer 25 im Rahmen der Maßnahmen nach Ziffer 100 Buchstabe c Vorschläge unterbreiten sollte, wie zusätzliche EU-Fördermittel für besonders kostenintensive und bis 2020 zu realisierende Maßnahmen bereitgestellt werden könnten.
Klima- und Energieziele der EU
- 12. Die EU hat zugesagt, bis 2020 in der EU einen Rückgang der Treibhausgasemissionen um mindestens 20 Prozent zu erreichen. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die EU auf dem Weg zur Erreichung des 20-Prozent-Ziels bereits weit fortgeschritten ist. Die energiebedingten CO₂-Emissionen der 27 Mitgliedstaaten haben seit 1990 bis 2011 um 13 Prozent abgenommen. Die Emissionen pro Einwohner und Jahr sind sogar um 18 Prozent gesunken. Weiterhin hat die EU in ihrem "Fahrplan für eine wettbewerbsfähige und CO₂-arme Wirtschaft bis zum Jahr 2050" CO₂-Reduzierungen gegenüber 1990 von 40 Prozent bis 2030 und 60 Prozent bis 2040 als Ziele festgelegt. Mit diesen ehrgeizigen Festlegungen ist ein 20-Prozent-Ziel bis 2020 nicht vereinbar. Mit einem 30-Prozent-Ziel wäre die Konsistenz zum genannten Fahrplan gewahrt, und die EU gäbe ein Signal für anspruchsvollen Klimaschutz auf internationaler Ebene.
Nachwachsende Rohstoffe
- 13. Der Bundesrat betont die Bedeutung der nachwachsenden Rohstoffe aus der heimischen Land- und Forstwirtschaft für eine künftige ressourcenschonende und CO₂-arme Bioökonomie. Daher schlägt der Bundesrat vor,
- - Ziel 2 (Ziffer 33) entsprechend zu ergänzen,
- - Ziel 3 (Ziffer 49) deutlich positiver zu formulieren und auf die Vermeidung unakzeptabler Nebenwirkungen aufgrund einseitiger Maximierungen auszurichten und - in Ziffer 51 neben den "Kompromissen" auch "synergistische Paketlösungen" (z.B. Beheizung von Gebäuden durch Biobrennstoffe i.V.m. Wärmedämmung und Solarwärme-Nutzung) aufzunehmen.
Schaffung von Ressourceneffizienzindikatoren
- 14. In Ziffer 40 wird die Einführung von Indikatoren und Zielen zu einer effizienten Ressourcenbewirtschaftung vorgeschlagen.
Die Schaffung von Ressourceneffizienzfaktoren wird grundsätzlich unterstützt. Nahezu alle Produktions- und Konsumaktivitäten hängen von der Nutzung natürlicher Ressourcen ab, die als Rohstoffe aus der Natur entnommen werden.
Ein effizienter Umgang mit Rohstoffressourcen wird deshalb eine Schlüsselkompetenz zukunftsfähiger Gesellschaften sein. Nachhaltigkeit ist zu einem zentralen Leitprinzip für alle Politikbereiche geworden, um die Entwicklungen in Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft dauerhaft tragfähig und zukunftsfähig zu gestalten.
Die Bundesregierung hat im Februar ein nationales Ressourceneffizienzprogramm beschlossen. Ziel des Programms ist es, durch Marktanreize, Forschung und Innovation und durch Beratung die Rohstoffproduktivität der deutschen Wirtschaft kontinuierlich weiter zu steigern.
In diesem Zusammenhang besteht die große Schwierigkeit, Ressourceneffizienz zu messen bzw. geeignete Indikatoren zu bestimmen. Für ressourceneffizientes Wirtschaften müssen Ökologie, Ökonomie und Soziales sowohl auf politischer als auch auf unternehmerischer Ebene gleichrangig gewichtet werden.
Die bisherigen Überlegungen zu dem Ressourceneffizienzfaktor Rohstoffproduktivität, der das Bruttoinlandsprodukt mit dem Rohstoffeinsatz ins Verhältnis setzt, ist nicht nur ungeeignet, sondern benachteiligt diejenigen Länder, deren Wirtschaftsstruktur durch Groß- und Schwerindustrie geprägt ist gegenüber solchen, deren Wirtschaftsstruktur dienstleistungsorientiert ist.
Es müssen Ressourceneffizienzindikatoren und -ziele festgelegt werden, die eine Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Branchen ermöglichen und die geeignet sind, Regionen mit unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen objektiv zu bewerten, und somit öffentlichen und privaten Entscheidungsträgern die notwendige Hilfe für die Umstellung der Wirtschaft bieten. Diese Indikatoren und Ziele sollten integraler Bestandteil dieses Aktionsprogramms sein, sobald sie auf EU-Ebene genehmigt wurden.
Luftverschmutzung und Lärm
- 15. Zum prioritären Ziel 3 "Schutz der europäischen Bürger vor umweltbedingten Belastungen, Gesundheitsrisiken und Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität" (Ziffern 42 bis 52) bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die bereits vorhandenen EU-Grenzwerte für die Luftverschmutzung nicht weiter verschärft werden. Bei der Festlegung von EU-Immissionsgrenzwerten für den Verkehrslärm sollte berücksichtigt werden, dass die Empfehlungen der WHO keine echten Grenzwerte sind. Die EU sollte die bisherigen Vorgaben zur Bekämpfung von Luftverschmutzung und Lärm weiterentwickeln und an das technisch und wirtschaftlich Machbare herangehen. Darüber hinausgehende zusätzliche Vorgaben sind abzulehnen.
Derzeit existieren lediglich EU-Grenzwerte für die Luftverschmutzung, jedoch keine Immissionsgrenzwerte der EU für den Verkehrslärm. Die WHO hält für beide Bereiche entsprechend ihrem Risikomanagementansatz eher niederschwellige Werte bereit.
Der Vorschlag zum allgemeinen Umweltaktionsprogramm stellt in Ziffern 42 und 47 fest, dass die europäische Bevölkerung in nicht unerheblichen Teilen einem Maß an Luftverschmutzung und nächtlichem Lärm ausgesetzt ist, das oberhalb des Niveaus der WHO-Empfehlungen liegt. Die in Ziffern 52 Buchstabe a und b angesprochenen Ziele der Aktualisierung der EU-Politik zur Luftreinhaltung und zur Lärmbekämpfung unter Berücksichtigung der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und Identifizierung von Maßnahmen zur Bekämpfung der Luftverschmutzung und zur Reduzierung von Lärm jeweils an der Quelle eröffnen der EU einen großen Handlungsspielraum, der nicht dazu führen darf, dass zusätzliche verschärfende Vorgaben eingeführt werden.
EU-Politik zur Luftreinhaltung
- 16. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass die Anforderungen der EU-Immissionsgesetzgebung zu den EU-Emissionsvorschriften passen, um die ambitionierten Immissionsbegrenzungen der Luftqualitätsrichtlinie erreichen zu können. Dies gilt auch für den Schutz der Ökosysteme: Hier sollten die Maßnahmen an der Quelle im Vordergrund stehen und nicht die Festlegung von Immissionsgrenzwerten. Wie die bisherigen Erfahrungen der Luftreinhalteplanung zeigen, ist der Handlungsspielraum auf regionaler und lokaler Ebene beschränkt, um die Immissionsgrenzwerte einzuhalten. Anspruchsvolle, realistische und einhaltbare Immissionsstandards können nur mit einer integrierten und systematischen Minderungsstrategie erfüllt werden, die alle maßgeblichen Quellen erfasst; d.h. Maßnahmen, wie sie in Luftreinhalteplänen von örtlichen Stellen verfügt werden können, sind ohne flankierende Maßnahmen auf EU-Ebene in der Regel nicht ausreichend, die Einhaltung der Immissionsstandards herbeizuführen.
- 17. Das Umweltaktionsprogramm verlangt (Ziffer 52), dass die EU und ihre Mitgliedstaaten sicherstellen, dass sich die Luftqualität bis 2020 signifikant verbessert hat. Das wird mit der bestehenden europarechtlichen Regelungslage nicht zu erreichen sein. Es ist bislang an vielen Orten, gerade in innerstädtischen Bereichen, nicht gelungen, die Belastung durch PM 10 und NO₂ unter die festgeschriebenen Grenzwerte zu senken. Die Mitgliedstaaten haben hierzu eine Fülle von Maßnahmen ergriffen, die in den zahlreichen aufgestellten Luftreinhalteplänen Niederschlag gefunden haben, z.B. die Einrichtung von Umweltzonen.
Dennoch bleibt die Belastung mit diesen Stoffen (zu) hoch.
Dies ist u.a. auf unterschiedliche Zeithorizonte der europäischen Emissionsanforderungen einerseits und der Immissionsanforderungen andererseits zurückzuführen. Zudem ist die auf Basis der EU-Abgasemissionsstandards im Verkehrsbereich prognostizierte Minderung auf Immissionsebene nicht eingetreten, da im realen Fahrbetrieb insbesondere deutlich höhere Stickoxidemissionen festzustellen sind als ursprünglich erwartet. Viele Mitgliedstaaten, gerade auch Deutschland, haben die Möglichkeiten ihrer Maßnahmen weitgehend ausgereizt, es sind kaum mehr Maßnahmemöglichkeiten vorhanden.
Im Bereich der Luftqualität sind daher auf europäischer Ebene folgende Maßnahmen zu ergreifen:
- - eine maßvolle Revision der Luftqualitätsrichtlinie, die Spielraum für Fristüberschreitungen zur Einhaltung der Grenzwerte unter strengen Randbedingungen lässt, die aber auch die Vielzahl von Grenzwerten reduziert, - eine realistische Revision der NEC-Richtlinie, unter Beteiligung der Mitgliedstaaten bei der Berechnung der Szenarien,
- - eine zeitliche und inhaltliche Abstimmung von Luftqualitätszielen und Emissionsnormen,
- - eine entsprechende Ausgestaltung verbindlicher technischer Normen für die Bekämpfung der Luftverschmutzung an der Quelle, - Evaluation der Abgasnormen bei Fahrzeugen, Schiffs- und Lokomotivmotoren (Grenzwerte, Prüfzyklen, Fristen),
- - außerdem sind Vorschläge für eine Mobilitätsstrategie über die Abgasnormgebung hinaus dringend erforderlich,
- - ferner geht es um die Ausgestaltung der BREFs und um die Reglementierung technischer Maßnahmen bei Hausbrand und Kleinfeuerungsanlagen.
Solange europäische Vorgaben durch andere europäische Vorgaben konterkariert werden, ist zu befürchten, dass die europäischen Luftqualitätsnormen nicht zu erfüllen sind.
EU-Politik zur Lärmminderung
- 18. Der Bundesrat begrüßt den in Ziffer 52 Buchstabe b erstrebten wesentlichen Rückgang der Lärmbelästigung in der EU mit Schwerpunkt auf Maßnahmen "an der Quelle". In diesem Zusammenhang hält er jedoch eine abschließende Aufzählung von Unterzielen für geboten, weil das Umweltaktionsprogramm durch Rechtsetzungsakte umzusetzen ist, die auf konkreten Vorgaben beruhen sollten. Zudem wäre eine darüber hinausgehende Strategie - beispielsweise auf dem Gebiet des Verkehrslärmschutzes - angesichts knapper Finanzierungsmittel im Umweltaktionsprogramm zunächst näher darzulegen. Hier wäre eine transparente und gezielte Schwerpunktsetzung unverzichtbar, um verhältnismäßige, finanzierbare und gleichzeitig effiziente Lösungen zu sichern. Auch deshalb ist die abschließende Aufzählung von Relevanz.
- 19. Die Ergebnisse der Umgebungslärmrichtlinie zeigen, dass EU-weit sehr viele Menschen mit Lärmpegeln oberhalb der WHO-Empfehlungen belastet sind. Die Umgebungslärmrichtlinie fordert eine Lärmaktionsplanung bei Lärmproblemen und Lärmauswirkungen. Zur Umsetzung von Maßnahmen, die zu einer Verbesserung führen, fehlen aber die Werkzeuge. Anstelle neuer Regelungen wird der bessere Vollzug der Maßnahmen als Schwerpunkt des Umweltaktionsprogramms angegeben. Grundsätzlich wird dieser Ansatz begrüßt, allerdings fehlen u.a. in der Umgebungslärmrichtlinie konkrete Vorgaben für den Vollzug und die Umsetzung von Maßnahmen zur Lärmminderung. So ist eine Kontrolle des Vollzugs der Richtlinie, die sich rein auf die Datenerhebung (Lärmkartierung) und Aufstellung von Lärmaktionsplänen bezieht, nur dann sinnvoll, wenn klare Ziele genannt und Instrumente zur Zielerreichung bereitgestellt werden. Um eine Verbesserung der Lärmsituation zu erreichen, sollte sich der Fokus des Umweltaktionsprogramms daher auf konkret bestehende Richtlinien (z.B. Umgebungslärmrichtlinie), die erforderlichen Anpassungen dieser sowie die Synergieeffekte verschiedenen Richtlinien (Umgebungslärm/Luftreinhaltung vs. Verkehr) richten. Folgende Punkte sollten im Rahmen des Umweltaktionsprogramms für eine Verbesserung der Umgebungslärmrichtlinie aufgenommen und überarbeitet werden:
- - Auslöse- und Zielwerte Die Richtlinie führt nicht auf, für welche Lärmprobleme und Lärmauswirkungen eine Lärmaktionsplanung auszuführen ist. Auslösekriterien (z.B. Pegel, Anzahl der Betroffenen), die eine Lärmaktionsplanung veranlassen, und Zielwerte für die Maßnahmenplanung wären sehr hilfreich. Die Einführung europaweit einheitlicher Zielwerte zum Schutz der Gesundheit, die nach Möglichkeit und ggf. in bestimmten Zeiträumen zu verfolgen sind, würden die Lärmaktionsplanung und somit die Verbesserung der Lärmsituation stärken. Zielwerte würden dazu beitragen, den politischen Willen zur Bereitstellung von finanziellen Ressourcen für Lärmschutzmaßnahmen und zur Anpassung emissionsseitiger Regelungen zu fördern.
- - Fachliche und finanzielle Unterstützung Die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, die mit der Umsetzung der EU-Umweltgesetzgebung (z.B. Umgebungslärmrichtlinie) beauftragt sind, benötigen fachliche und finanzielle Unterstützung. Diese Möglichkeiten sollten auf EU-Ebene, z.B. durch die direkte Aufnahme von Lärmminderungsmaßnahmen als z.B. EFRE-förderungswürdig, erfolgen. Die Lärmminderung ist in vielen EU-Programmen nur indirekt enthalten. Dies mag auch an den fehlenden Auslöse- und Zielwerten liegen.
- - Verknüpfung verschiedener Planungen Die Verknüpfung von Luftreinhalteplanung, Lärmaktionsplanung und verschiedenen verkehrlichen Planungen, wie Verkehrssicherheitsstrategien, sollte auch EU-weit erfolgen, um Synergien beim umweltbezogenen Gesundheitsschutz zu erzielen und Kosten zu vermeiden.
- - Datenerhebung und Information der Öffentlichkeit Die Verbesserung und Qualitätssicherung der Datensysteme wird begrüßt. Um eine Vergleichbarkeit der Lärmkarten zu gewährleisten, sind Vorgaben auch an die notwendige Qualität der Eingangsdaten und der Erhebungsmethoden erforderlich.
Die EU informiert die Öffentlichkeit über die Lärmkarten im Informationssystem "Reportnet". Die dortige Darstellung der Lärmkarten ist für die breite Öffentlichkeit ungeeignet und nicht bürgerfreundlich. Hier sollte die EU auf bürgerfreundlichere Lösungen der einzelnen Mitgliedstaaten verweisen.
Ergänzend sind anspruchsvolle Regelungen auf Emissionsseite erforderlich (z.B. Fahrzeuge, Reifen, Straßen, Schienenstrecken) als kosteneffektivste Maßnahmen zur flächendeckenden Lärmbekämpfung. Dies kann nur durch Regelungen für die Lärmquellen auf europäischer Ebene, die entsprechend dem Stand der Technik zur Emissionsbegrenzung fortgeschrieben werden, erfolgen. Die Notwendigkeit verbesserter Emissionsregelungen hat auch die EU erkannt, was aus Ziffer 46 deutlich wird.
Gewässerschutz
- 20. Es ist bereits heute absehbar, dass die in den Erwägungsgründen aufgeführten Zusagen der EU, flächendeckend bis zum Jahr 2015 für alle Gewässer den guten Zustand zu erreichen, nicht eingehalten werden können. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die aus der starken Industrialisierung und den intensiven landwirtschaftlichen Nutzungen resultierenden Belastungen der Umwelt, insbesondere der Gewässer, nicht in wenigen Jahren zurückgeführt werden können. Dies ist bereits auf Grund faktischer Randbedingungen wie z.B. Grundwassererneuerungszeiten nicht möglich.
Aber auch die mangelnde Kohärenz der Umweltpolitik mit anderen Politikfeldern (Prioritäres Ziel 7: Verbesserung der Einbeziehung von Umweltbelangen und der Politikkohärenz, siehe Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe g) trägt zu dem Problem bei. Hier ist zunächst die Landwirtschaftspolitik zu nennen, deren belastende Auswirkungen auf Gewässer-, Wasser- und Bodenqualität sich auf Grund der starken Industrialisierung bzw. Intensivierung der Landwirtschaft gegenüber dem Zustand im letzten Jahrhundert eher noch verstärkt haben. Diese Problematik wird durch die Anmerkung unter Ziffer 2, dass die Schadstoffbelastung von Luft, Gewässern und Böden spürbar zurückgegangen ist, ungerechtfertigterweise abgeschwächt. Es liegt zumindest in weiten Teilen nach wie vor z.B. eine erhebliche Belastung des Grundwassers mit Nitrat vor. Aktivitäten hin zu einer größeren Vereinbarkeit von Landwirtschafts- und Umweltpolitik, insbesondere Gewässerschutz, sind ausdrücklich zu begrüßen, und müssen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik entschieden gefördert werden ("Ökologisierung der GAP"). Zur Erreichung der Ziele bedarf es einer deutlicheren Abstimmung und einer Harmonisierung der europäischen Vorgaben und Richtlinien. Im Gegensatz zur Darstellung im Umweltaktionsprogramm sind die EU-weiten Regelungen ohne weitere Verbesserung nicht geeignet, die vorgegebenen Ziele zu erreichen; daher besteht erheblicher Harmonisierungsbedarf.
Weiter sind die Chemikalienpolitik und die Gesundheitspolitik zu nennen. Hier ist zwischen der Zulassung von Chemikalien (REACH) und der Gewässerüberwachung sowie der Bewirtschaftung eine stärkere Verknüpfung herzustellen. Nationale Anstrengungen alleine reichen hier nicht. Diese Kohärenz darf aber insbesondere vor Arzneimitteln nicht haltmachen. Auch hier ist bereits bei der Zulassung zu prüfen, welche Umweltauswirkungen sich durch den Einsatz neuer (und bereits zugelassener) Arzneistoffe ergeben und ob die gewünschte medizinische Wirkung auch auf andere wesentlich geringere umweltschädliche Weise erzielt werden kann.
Eine weiteres Feld der (Umwelt-) Politik, bei der eine Verbesserung der Kohärenz für die Erreichung der Ziele des Gewässerschutzes und der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie erforderlich erscheint, ist die vorgesehene Förderung der erneuerbaren Energien. Daher sollten bei der Förderung erneuerbarer Energien die Umweltziele Erhaltung der Biodiversität und Gewässerschutz berücksichtigt werden.
Auch die Einbeziehung weiterer Politikfelder (z.B. Planung, Infrastruktur) ist von großem Nutzen für die Verbesserung der Umwelt und deren Auswirkung auf die Menschen. Die Verbesserung des Hochwasserschutzes und die Umsetzung der Hochwasser-Risikomanagementrichtlinie kann für Synergien bei der Erreichung des guten ökologischen Zustands der Fließgewässer genutzt werden. Eine Verminderung der Nährstoffbelastung der Meere und ein effektiver Meeresschutz kann nur erreicht werden, wenn der Nährstoffaustrag aus landwirtschaftlichen Flächen und der Transport der Nährstoffe über das Grundwasser und die Oberflächengewässer in Richtung Meer wirksam begrenzt werden (siehe Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie).
Die Festlegungen zur Erreichung des Schutzziels "Schutz, Erhaltung und Verbesserung des Naturkapitals der EU" im Vorschlag der Kommission, Ziffer 26 Buchstabe a bis g, enthalten zwar explizit den Hinweis auf die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (Buchstabe b). Aber auch in den weiteren prioritären Zielen
4: Maximierung der Vorteile aus dem Umweltrecht der EU
5: Verbesserung der Faktengrundlage für die Umweltpolitik
6: Sicherung von Investitionen für Umwelt- und Klimapolitik und angemessene Preisgestaltung sind wasserwirtschaftliche Ziele enthalten.
Allerdings sind die dazu erforderlichen Schritte, z.B. die Umsetzung des Blueprints für den Schutz der europäischen Wasserressourcen, nicht hinreichend konkret formuliert.
Umwelt und Gesundheit
- 21. Zu begrüßen sind die Überlegungen zum Bereich der Einwirkung von Umweltnoxen auf die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger (3. prioritäres Ziel), die die wichtigsten Handlungsfelder Verbesserung der Luftqualität, Schutz vor Lärm, Chemikalien/Strategie für eine "nichttoxische Umwelt" enthalten.
Beim Handlungsfeld Chemikalien/Strategie für eine "nichttoxische Umwelt" werden als Schwerpunkte u.a. die Kombinationswirkung von Chemikalien, endokrin wirkende Substanzen und Nanomaterialien genannt. Diese Strategie ist besonders zu begrüßen, da es hier bisher nur punktuelle Ansätze bei bestimmten Substanzen oder Substanzgruppen (z.B. Phthalaten) gibt.
Wünschenswert wäre hier sogar, nicht nur einzelne Schwerpunkte unter dem Dach "nichttoxische Umwelt" anzugehen, sondern darüber hinaus eine grundsätzliche Strategie zu entwickeln für die Zulassung von verbrauchernahen Stoffen, die in großen Mengen in vielfältigsten Anwendungen weit verteilt in die Umwelt gelangen (Weichmacher, Flammschutzmittel, Hilfsmittel, Zusatzstoffe). Zwar ist unter Ziel 3 Ziffer 48 vorgesehen, ein "umfassendes Konzept zur Minimierung der negativen Auswirkungen schädlicher Stoffe, einschließlich Chemikalien in Produkten" zu erarbeiten. Es macht aber Sinn, dieses Problem bereits bei der Zulassung der Stoffe und nicht erst bei den Auswirkungen anzugehen. Das Thema ist durch den Einsatz dieser Stoffe in Baumaterialien und Produkten des täglichen Gebrauchs auch innenraumrelevant.
Nachhaltigkeit
- 22. Der Bundesrat stellt fest, dass das neue Umweltaktionsprogramm keine klaren Bezüge zu übergreifenden Nachhaltigkeitsthemen enthält; allenfalls werden in einzelnen Prioritäten Bezüge zu Nachhaltigkeits-Themen genannt. Die Kommission scheint inhaltlich auf die eigene Europa-2020-Strategie zu setzen, die jedoch eine klare wirtschaftliche Schwerpunktsetzung beinhaltet.
Der Bundesrat sieht das vorgeschlagene Umweltaktionsprogramm aber auch als wichtigen Baustein einer breit angelegten EU-Nachhaltigkeitspolitik. Insofern bedauert er, dass der Kommissionsvorschlag nur punktuell Bezüge zum allgemeinen Nachhaltigkeitsrahmen und den wirtschaftlichen und sozialen Dimensionen der Nachhaltigkeit herstellt und insbesondere das Umweltaktionsprogramm nicht in den Kontext der EU-Nachhaltigkeitsstrategie und der bis 2014 anstehenden Novelle dieser Strategie stellt (siehe Schlussfolgerungen des Umweltrats vom 25. Oktober 2012).
Für die notwendige Transformation der europäischen Gesellschaften hin zu einer Wirtschafts- und Lebensweise, die die Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten beachtet, sind nach Ansicht des Bundesrates neben technologischen Innovationen auch soziale Innovationen erforderlich. Wie ein Übergang zu derartigen nachhaltigen und ressourcenschonenden Lebensstilen (nachhaltige Produktions- und Konsummuster) erreicht werden kann, wird aber im allgemeinen Teil des Kommissionsvorschlags gar nicht und bei den prioritären Zielen nur unzureichend thematisiert. Der bisher stark Technologie orientierte Ansatz in Ziffer 8 sollte daher um das Thema soziale Innovation zu nachhaltigen und ressourcenschonenden Lebensstilen ergänzt werden.
Nanotechnologie
- 23. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass neben den Risiken der Nanotechnologie auch Chancen, die die Anwendungen der Nanotechnologie für den Umweltschutz bieten, berücksichtigt werden. Nanomaterialien werden bereits jetzt erfolgreich z.B. zur Ressourcenschonung und zur Steigerung der Energieeffizienz eingesetzt. Sie stehen für eine innovative Umwelttechnologie. Diese Aspekte sollten in die Risikobetrachtung und Risikodiskussion sowie auch in das Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 mit aufgenommen werden.
Anbau von gentechnisch veränderten Organismen
- 24. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass der Vorschlag der Kommission vom 13. Juli 2010 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG betreffend die den Mitgliedstaaten eingeräumte Möglichkeit, den Anbau von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen (COM (2010) 375 final), weiterverfolgt wird, bis regionale Entscheidungen über den Anbau gentechnischer Pflanzen möglich sind. Im September 2009 hat die Kommission in ihren politischen Leitlinien zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) Änderungsvorschläge entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip angekündigt. In der Folge hat sie im Juli 2010 einen Verordnungsvorschlag vorgelegt, mit der innerhalb des EU-weiten Rechtsrahmens für GVO eine Rechtsgrundlage geschaffen werden soll, die den Mitgliedstaaten das Recht einräumt, den Anbau von auf EU-Ebene zugelassenen GVO auf ihrem Hoheitsgebiet oder in Teilen desselben zu beschränken oder zu untersagen. Gründe für die regionale Begrenzung sind, wie zuletzt dem Kompromissvorschlag der dänischen Präsidentschaft vom 2. März 2012 zu entnehmen ist, die Erhaltung bestimmter Natur- und Landschaftselemente, bestimmter Lebensräume und Ökosysteme sowie bestimmter Ökosystemfunktionen und -leistungen sowie sozioökonomische Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen. Bisher haben die Beratungen zu keinem Ergebnis geführt. Ziel bleibt jedoch, den Mitgliedstaaten mehr Entscheidungsfreiheit beim Anbau von GVO zu ermöglichen. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen (GVP) ist nicht vereinbar mit einer kleinteiligen Agrarstruktur. Er kann dort beispielsweise konventionellen Anbau, Ökolandbau und die Imkerei schädigen und so die Lebensqualität beinträchtigen. Eine Entscheidung über den Anbau von GVP sollte daher regional möglich sein. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die Beratungen zu diesem Vorschlag weitergeführt werden und eine Einigung erzielt wird. Wegen der herausragenden Bedeutung ist das Thema in das Umweltaktionsprogramm der EU für die Zeit bis 2020 aufzunehmen. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung diesem Vorschlag zustimmen und in der Folge diese Möglichkeit dann den Ländern übertragen.
Zum prioritären Ziel 4 "Maximierung der Vorteile aus dem Umweltrecht der EU"
- 25. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass bei der Umsetzung der Maßnahmen des Umweltaktionsprogramms keine administrativen Mehrbelastungen für die Mitgliedstaaten entstehen und das Subsidiaritätsprinzip beachtet wird. Zwar wird im vorliegenden Vorschlag an zentralen Stellen auf die Umsetzungsverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten und die Entscheidungsverantwortlichkeit der Behörden auf regionaler und lokaler Ebene verwiesen. Dennoch lässt das Papier Raum für veränderte und neue Instrumente zur Information, Umsetzung, Kontrolle und Überwachung durch die EU. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass keine neuen Dokumentations- und Berichtspflichten entstehen, die genannten partnerschaftlichen Durchführungsvereinbarungen ausschließlich auf freiwilliger Basis zustande kommen können, keine neuen Überwachungs- und Kontrollstrukturen auf EU- und Länderebene geschaffen sowie keine neuartigen Beschwerde- und Informationsverfahren auf mitgliedstaatlicher Ebene installiert werden.
- 26. Zu Ziffern 58 bis 63 bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass der Vorschlag der EU, die Kontroll- und Überwachungsvorschriften im Bereich des Umweltrechts der EU zu erweitern sowie diese durch Kapazitäten auf EU-Ebene zu ergänzen, nicht zu einer Ausdehnung der Bürokratie führt und nicht allen Ansätzen der Deregulierung zuwiderläuft.
Es besteht weder ein Handlungsbedarf für die Ausweitung der Kontroll- und Überwachungsvorschriften auf EU- noch auf nationaler Ebene. Insbesondere besteht keine Veranlassung für die Einrichtung einer eigenständigen EU-Überwachungsbehörde.
Zusätzliche Bürokratie und Bürokratielasten sind zu vermeiden, da von der EU ohnehin bereits eine erhebliche Formalisierung und Bürokratisierung ausgeht. Durch weitere Überwachungs- und Kontrollvorschriften würde diese Tendenz verschärft. Es entstünden zusätzlicher Verwaltungsaufwand und -kosten in nicht abschätzbarem Umfang. Der Nutzen eines solchen Aufwandes ist zudem fraglich, da eine entsprechende Kosten-Nutzen-Analyse nicht vorliegt.
- 27. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit lehnt der Bundesrat die in Ziffer 58 und 63 Buchstabe c vorgesehene Ausweitung von verbindlichen Kriterien für wirksame Kontrollen und Überwachung durch die Mitgliedstaaten auf das gesamte Umweltrecht der EU für den Bereich des Naturschutz- und des Landnutzungsrechts ab, soweit und solange dies nicht nach Ausschöpfung milderer Mittel (Beratung, Förderung, Kooperation) zwingend erforderlich ist.
- 28. Der Bundesrat ist außerdem der Auffassung, dass die unter Ziffer 58 vorgesehene Ausweitung der Überwachungsvorschriften auf das gesamte Umweltrecht und die Ergänzung durch Kapazitäten auf EU-Ebene "zur Behandlung von Fällen mit berechtigtem Grund zur Sorge" konkretisiert werden sollten. Hier sollten aus Gründen begrenzter Mittel eine gezielte Schwerpunktsetzung und Synergien mit bestehenden Überwachungsvorschriften - wie etwa Monitoring nach der FFH-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie - angestrebt werden. Zudem schließt der Zwang zum Schuldenabbau der öffentlichen Haushalte den pauschalen Aufbau weiterer Bürokratie aus.
- 29. Rein vorsorglich spricht sich der Bundesrat gegen neue Kompetenzen der Kommission im Zuge der Umsetzung des Umweltaktionsprogramms aus. Daher sollte durch die Formulierung in Ziffer 58 sichergestellt werden, dass die Kommission im Rahmen ihrer bestehenden Zuständigkeiten tätig wird.
Zugang zu Gerichten
- 30. Der Bundesrat fürchtet, dass die Zielsetzung, den Bürgerinnen und Bürgern einen besseren Zugang zu Gerichten und einen wirkungsvolleren Rechtsschutz zu ermöglichen, zur Aufweichung des deutschen Rechtsschutzsystems führen wird. Dieses ist dadurch gekennzeichnet, dass einerseits der Weg zu Gerichten durch das Erfordernis der Verletzung eines eigenen subjektivöffentlichen Rechtes beschränkt wird, andererseits aber bei einer zulässigen Klage gründlich die Rechtmäßigkeit überprüft wird. Würde mit dem Umweltaktionsprogramm beabsichtigt, "Aarhus 3" wieder aufleben zu lassen, also jeder Bürgerin und jedem Bürger zugestanden werden, ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen umfassend gegen ein Defizit bei Umweltregelungen und ihrer Anwendung zu klagen, würde dieses bewährte deutsche Rechtssystem kaum noch aufrecht erhalten werden können. Die EU selbst hat dadurch, dass sie die Aarhus-Konvention ohne "Aarhus 3" ratifiziert hat, zu erkennen gegeben, dass zur Wirksamkeit der durch die Aarhus-Konvention eingeräumten umfassenden Öffentlichkeitsbeteiligung derart weite Klagerechte nicht erforderlich sind.
Prioritäres Ziel 5: Verbesserung der Faktengrundlage für die Umweltpolitik
- 31. Der Bundesrat ist ferner der Ansicht, dass die in Ziffer 69 genannte Schließung erheblicher Wissenslücken mit Relevanz für die Zielerreichung Priorität besitzen sollte, ebenso der Aufbau von funktionalem Ökosystemverständnis. Hierdurch sind frühzeitig ein gezielter Mitteleinsatz und die Nutzung von Synergien möglich.
Dies gilt beispielsweise für die unter Ziffer 25 beschriebenen Ausgleichsregelungen zur Vermeidung von Nettoverlusten unter anderem an "Ökosystemdienstleistungen". Durch diese Regelungen wird über die umfassende nationale Eingriffsregelung hinaus die Monetarisierung des wirtschaftlichen Wertes von Ökosystemdienstleistungen eingeführt.
Über eine solche Monetarisierung wird für jegliche Infrastrukturentwicklung die Anforderung zur Kompensation der Naturinanspruchnahme erhöht und die Vorhabenrealisierung insgesamt zeit- und kostenaufwändiger. Ein erhöhter Aufwand bei der Kompensation ist jedoch nicht vertretbar, wenn auf dem Gebiet des funktionalen Ökosystemverständnisses Wissenslücken mit Relevanz für die Zielerreichung bestehen. Diese Lücken sollten zunächst geschlossen und dabei das spezialisierte Fachwissen auf einzelnen Sektoren (wie etwa Klima, Boden, Wasser, Flora, Fauna) zügig um Wissen auch über deren funktionales Zusammenwirken ergänzt werden. Hierüber sind nach Auffassung des Bundesrates effiziente Lösungen erreichbar.
Prioritäres Ziel 8 "Förderung der Nachhaltigkeit der Städte in der EU"
- 32. Zu Ziffern 87 bis 91 bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass neue verpflichtende Vorgaben oder Maßnahmen durch die EU-Ebene für eine nachhaltige Stadtplanung und -gestaltung nicht eingeführt werden. Ferner ist bei der Festlegung und Vereinbarung von neuen Kriterien zur Bewertung der Umweltleistungen von Städten darauf hinzuwirken, dass diese zu keiner generellen "Nachhaltigkeits"-Zertifizierung von Städten oder Normierung von Vorgehensweisen im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklung ausgebaut werden.
Generell ist festzuhalten, dass alle Maßnahmen, Ziele und Strategien, die zu einer Kompetenzausweitung der EU führen, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips abzulehnen sind, auch wenn in dem Vorschlag der Kommission mehrfach auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips hingewiesen wird.
Die EU verfügt im Bereich der Stadtentwicklung nicht über Kompetenzen. In Deutschland steuern die Gemeinden im Rahmen ihres verfassungsrechtlich verbürgten Selbstverwaltungsrechts in eigener Zuständigkeit und Verantwortung ihre städtebauliche Erneuerung und Entwicklung. Dabei müssen umweltschützende Belange bei der städtebaulichen Entwicklung und Erneuerung von den Gemeinden im Planungsprozess berücksichtigt und mit anderen Belangen abgewogen werden und sind somit integrierte Bestandteile der Stadtentwicklung.
- 33. In Ziffer 89, letzter Satz, und in Ziffer 91 Buchstabe a wird ausgeführt, dass in Integrierten Stadtplanungskonzepten neben wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen auch langfristige Umwelterwägungen in vollem Umfang Berücksichtigung finden. Diese Formulierung kann zu Missverständnissen im Hinblick auf die Definition des Begriffs Integrierte Stadtplanungskonzepte führen, da sie dahingehend verstanden werden könnte, dass in Integrierten Stadtplanungskonzepten lediglich und abschließend wirtschaftliche, soziale und Umweltaspekte berücksichtigt werden.
Integrierte Stadtplanungskonzepte beurteilen/integrieren hingegen alle eine Stadt und das Zusammenleben der Menschen berührenden Aspekte. Die städtebaulichen und stadträumlichen Aspekte, die das Wesen einer Stadt erheblich mitbestimmen, sollten sowohl in Ziffer 89 als auch in Ziffer 91 Buchstabe a ergänzt werden.
Weiteres
- 34. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den anstehenden Verhandlungen im Rat für Änderungen am Aktionsprogramm unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz der europäischen Regelungen mit Auswirkungen auf Umweltbedingungen und eine Klarstellung bei folgenden Themen einzusetzen:
- - die Einführung bisher noch nicht genauer definierter Partnerschaftsvereinbarungen zwischen der Kommission und einzelnen Mitgliedstaaten bei Vertragsverletzungen, - das "Coaching" von Mitgliedstaaten mit besonders großen Defiziten bei der Umsetzung durch die Kommission,
- - die Erleichterung des Zugangs von Bürgerinnen und Bürgern bei Gerichten im Fall unzureichender Umsetzung von Richtlinien,
- - der Ausbau der Überwachung und Inspektionen im Vollzug und - die stärkere Einbindung lokaler und regionaler Behörden.
- 35. Im Hinblick auf die Unklarheiten und die damit möglicherweise einhergehenden Konsequenzen für Inspektions- und Überwachungsaufwand mit den entsprechenden personellen und finanziellen Folgen für die Länder bittet der Bundesrat darüber hinaus die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass durch weitere Konkretisierungen die Konsequenzen für den Vollzug auf Länderebene geklärt werden. Ein eigenverantwortlicher Vollzug auf Länderebene muss sichergestellt bleiben.
- 36. Der Bundesrat hält es für notwendig, dass zur Verbesserung der frühzeitigen Inanspruchnahme von Mitteln für umwelt- und klimawandelbezogene Maßnahmen die notwendigen EU-Verordnungen mit einem ausreichenden Vorlauf vor Beginn des neuen Programmplanungszeitraums erlassen werden. Die in diesem Zusammenhang geforderte Stärkung der Kapazitäten bei den durchführenden Stellen zur Tätigung kostenwirksamer und nachhaltiger Investitionen in diesem Bereich ist nicht begründet, da das Vorhalten ausreichender Kapazitäten ausreichend ist.
B
- 37. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.