Der Bundesrat hat in seiner 953. Sitzung am 10. Februar 2017 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst
Anlage
Entschließung des Bundesrates: Gleichbehandlung aller von Assistenzhunden unterstützten Menschen mit Behinderungen schaffen - Assistenzhunde für Menschen mit Behinderungen anerkennen
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem
- 1. durch Änderung des § 33 SGB V die Möglichkeit geschaffen wird, dass Assistenzhunde Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V finden können,
- 2. die rechtliche Voraussetzung dafür geschaffen wird, dass Assistenzhunde im Schwerbehindertenausweis nach § 69 Absatz 5 SGB IX eingetragen werden können und
- 3. bundesweit einheitliche Qualitätsstandards für Assistenzhunde geschaffen werden.
Begründung:
Zu 1.
Assistenzhunde helfen Menschen mit Behinderungen auf vielfältige Art, ihren Alltag zu bestehen. Ziel ist es, eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben durch unterstützende Assistenzhunde zu gewährleisten. Mit der Einführung des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) wurde in Deutschland ein deutlicher gesellschaftlicher und politischer Paradigmenwechsel eingeleitet: weg von der Fürsorge und Gängelung, hin zu mehr Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen. Spätestens seit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Jahr 2009 hat das Thema "Teilhabe von Menschen mit Behinderungen" deutlich an Fahrt aufgenommen. Das Leitmotiv der UN-BRK "Nichts über uns ohne uns" kommt mehr und mehr in der Gesellschaft an. Schon jetzt besteht die Aufgabe von Assistenzhunden darin, ein selbstbestimmtes Leben, wie es die UN-BRK vorsieht, zu ermöglichen. Assistenzhunde, zu denen Begleithunde, Diabeteswarnhunde, Epilepsiehunde oder auch Blindenführhunde zählen, helfen im Alltag zum Beispiel, indem sie das Telefon holen, Unterarmstützen bringen, vor Unterzuckerung warnen, Türen öffnen, Hilfe rufen und so weiter. Leider fehlt es an einem bundesweit einheitlichen Qualitätsstandard und einer bundeseinheitlichen Regelung in Bezug auf die Assistenzhunde. Außer dem seit Jahrzehnten anerkannten Blindenführhund wurden keine weiteren Assistenzhunde in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen.
§ 33 SGB V regelt in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen einer Kostenübernahme für die Anschaffung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Die in diesem Zusammenhang einschlägige Rechtsprechung verweigert den "sonstigen" Assistenzhunden die Anerkennung als Hilfsmittel, weil sie keinen hinreichenden Beitrag zur Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens leisteten. Es gebe im Übrigen hierzu wirtschaftlichere Alternativen.
Diese Wertung wird der Bedeutung von Assistenzhunden für Menschen mit Behinderungen nicht gerecht. Im Ergebnis wird diesem Personenkreis die Solidarität der Versichertengemeinschaft versagt. Die Betroffenen müssen damit die teilweise erheblichen Kosten selbst tragen - mit dem Ergebnis, dass die weniger Vermögenden, also die große Mehrzahl der Betroffenen, hiervon ausgeschlossen bleiben. Im Ergebnis werden die Ziele der UN-BRK konterkariert.
Zu 2.
Mit Inkrafttreten der UN-BRK hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, wirksame Maßnahmen zu treffen, um "für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicher zu stellen" (Artikel 20 UN-BRK).
Artikel 20 der UN-BRK fordert dazu unter anderem, dass wirksame Maßnahmen getroffen werden, die die persönliche Mobilität von Menschen mit Behinderungen in der Art und Weise und zum Zeitpunkt ihrer Wahl durch den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen, Geräten, unterstützenden Technologien und menschlicher und tierischer Hilfe, auch durch deren Bereitstellung zu erschwinglichen Kosten, erleichtern sollen.
Im nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-BRK wird anerkannt, dass die persönliche Mobilität zu den zentralen Voraussetzungen einer selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zählt (Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Stand: September 2011).
Dennoch ist ein barrierefreier Zutritt zu öffentlichen Gebäuden mit Assistenzhund nicht in jedem Fall sichergestellt. Den Assistenzhundeführerinnen und -führern wird häufig der Zugang zu Lebensmittelgeschäften, Museen, Arztpraxen et cetera verweigert, da bei Assistenzhunden nicht zwingend erkennbar ist, welche Funktion sie innehaben. Es mangelt bisher an einer Legitimationsmöglichkeit. Diese kann durch eine Eintragung der Berechtigung zum Führen eines Assistenzhundes im Schwerbehindertenausweis nach § 69 Absatz 5 SGB IX in Verbindung mit der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) sichergestellt werden.
Durch das Vorzeigen des Schwerbehindertenausweises mit der entsprechenden Kennzeichnung könnte schnell und einfach nachgewiesen werden, dass es sich bei dem mitgeführten Hund um ein Hilfsmittel handelt, auf das die führende Person angewiesen ist.
Zu 3.
Bislang sind für die Bereiche Ausbildung und Prüfung von Assistenzhunden keine einheitlichen Voraussetzungen und Standards festgelegt. Nahezu jeder Verein und jede Hundeschule beschreibt dafür seine eigenen, auf Empfehlungen basierenden Richtlinien. Dies betrifft auch Art, Umfang und Inhalt der abzulegenden Prüfung.
Eine bundesweite Vereinheitlichung der Standards sowie eine einheitliche Definition des Begriffs "Assistenzhund" sind dringend geboten. Zum einen erhalten Menschen mit Behinderungen, die einen Assistenzhund erwerben, damit Sicherheit hinsichtlich der Eignung und Befähigung des Tieres. Zum anderen ist die Definition von Standards/Qualitätskriterien Voraussetzung, damit die Eintragung von Assistenzhunden in den Schwerbehindertenausweis in einem standardisierten Verfahren erfolgen kann.