Das Europäische Parlament hat auf seiner Tagung vom 14. bis 17. Februar 2011 die nachstehend aufgeführten Texte angenommen. Sie wurden dem Bundesrat mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments vom 2. März 2011 zugeleitet.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 16. Februar 2011 zu praktischen Aspekten der Überarbeitung der EU-Instrumente zur Unterstützung der KMU-Finanzierung im nächsten Programmplanungszeitraum
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die 23 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU, die ca. 99 % der Unternehmen ausmachen und über 100 Millionen Arbeitsplätze bieten, wesentlich zum Wirtschaftswachstum, zum sozialen Zusammenhalt und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen, eine Hauptquelle für Innovationen und von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung und Zunahme der Beschäftigung sind,
B. in der Erwägung, dass der begrenzte Zugang von KMU zu Finanzierungen ein wesentliches Hindernis für die Gründung und das Wachstum von KMU darstellt, und dass die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise dieses Problem noch verstärkt hat,
C. in der Erwägung, dass die europäischen Finanzmärkte in vielen Bereichen KMU gegenwärtig aus verschiedenen Gründen nicht mit ausreichenden Finanzmitteln ausstatten können, selbst wenn traditionelle Formen der Kreditvergabe an KMU während der gegenwärtigen Krise recht stabil geblieben sind, sowie in der Erwägung, dass Anstrengungen notwendig sind, um in Zukunft jede Verringerung der Bereitschaft der Banken zur Finanzierung der KMU in Folge der derzeitigen Reformen der internationalen Bankenvorschriften und ihrer Umsetzung in Europa auszuschließen,
D. in der Erwägung, dass der europäische Sektor der KMU sehr heterogen ist und sehr viele Kleinst- und Familienunternehmen, die erfolgreich in herkömmlichen Branchen arbeiten, sowie eine wachsende Zahl von Neugründungen und schnell wachsenden Hochtechnologieunternehmen und hochinnovativen Unternehmen umfasst, sowie in der Erwägung, dass all diese unterschiedlichen Geschäftsmodelle unterschiedliche Probleme und daher unterschiedliche Bedürfnisse haben, was den Zugang zu Finanzierungen anbelangt, und dass KMU mit einer hohen Leverage Ratio (hoher Anteil von Fremdfinanzierung) in einer Krise, oder wenn ihre risikoreicheren Vorhaben in Schwierigkeiten kommen, sehr viel anfälliger sind,
E. in der Erwägung, dass ein zunehmend kapital- und risikoempfindlicher Bankensektor strengere Bedingungen für die Darlehensfinanzierung, einschließlich höherer Sicherheitsleistungen und Risikoprämien aufstellt, und dass Banken im Hinblick auf die Finanzierung von risikoreicheren Geschäftsvorhaben - einschließlich Neugründungen, innovativen Produkten und sogar Unternehmensübertragungen - durch die Gewährung herkömmlicher Kredite zunehmend zögerlich sind,
F. in der Erwägung, dass hochinnovative und schnell wachsende Unternehmen für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen von erheblicher Bedeutung sind, insbesondere in den Märkten, die den Übergang zu einer ressourcenschonenden Wirtschaft vorantreiben,
G. in der Erwägung, dass Statistiken zeigen, dass europäische KMU nach wie vor die Möglichkeit der Beteiligungsfinanzierung weniger in Betracht ziehen, als beispielsweise die KMU in den USA,
H. in der Erwägung, dass viele Finanzintermediäre auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene von dem durch die komplexen Regeln für die europäischen Finanzmärkte und durch die strategischen und operativen Leitlinien für europäische Finanzierungsprogramme verursachten Verwaltungsaufwand abgeschreckt werden,
I. in der Erwägung, dass die europäischen Organe nun die gegenwärtigen Instrumente zur Unterstützung der KMU-Finanzierung bewerten und überprüfen und dabei auf den nächsten Programmplanungszeitraum im Zusammenhang mit dem nächsten mehrjährigen Finanzrahmen vorausblicken müssen,
Stärkung des Funktionierens der KMU-Finanzierungsmechanismen
- 1. stellt fest, dass viele KMU weiterhin vorrangig von Krediten und Darlehen abhängen werden, wenn es um die Frage der Fremdfinanzierung geht; ist besorgt, dass ein zunehmend kapital- und risikoempfindlicher Bankensektor höhere Sicherheitsleistungen und Risikoprämien verlangt, wobei beide Anforderungen unzureichende Finanzierung und vergebene Geschäfts- und Beschäftigungsmöglichkeiten in diesem sehr großen Wirtschaftssektor zur Folge haben; betrachtet daher die Verfügbarkeit von Kredit- und Darlehensgarantieregelungen als wesentlich bei der Ausschöpfung des von den KMU angebotenen Wachstums- und Arbeitsplatzpotenzials; sieht die Notwendigkeit, bestehende Programme auf einzelstaatlicher und EU-Ebene wirksam einzusetzen und begrüßt die wichtige Rolle der KMU-Darlehen der EIB;
- 2. weist darauf hin, dass die höheren Eigenmittelanforderungen für Banken, wie sie vom Baseler Ausschuss vorgeschlagen wurden, die Interessen der KMU berücksichtigen sollten;
- 3. begrüßt die Einrichtung eines neuen EU-Mikrofinanzierungsinstruments für Beschäftigung (PROGRESS-Mikrofinanzierungsinstrument), das die Möglichkeiten für diejenigen vergrößert, die EU-weit Unternehmen gründen möchten; stellt fest, dass es eine potenzielle Marktlücke gibt, was das Angebot von und die Nachfrage nach Kleinstkrediten in der EU betrifft; erkennt die Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung von Anbietern von Kleinstkrediten an, da dies einen Beitrag dazu leisten würde, dass diese Aktivität nachhaltig wird, und das Instrument in die Lage versetzen würde, der wachsenden Nachfrage von Kleinstkreditnehmern Rechnung zu tragen; betont, dass die Union kleinere Investitionen unterstützen, Kleinstunternehmen die Chance zum Wachstum geben und insbesondere diejenigen Gruppen - etwa Jungunternehmer - unterstützen muss, die Schwierigkeiten haben, Kreditgeber für ihre Geschäftsideen zu finden;
- 4. unterstützt nachdrücklich die weitere Umsetzung von Garantieinstrumenten im Rahmen des CIP-Programms (Wettbewerbsfähigkeit und Innovation), der Fazilität für Finanzierungen auf Risikoteilungsbasis im Zuge des 7. RP und der Strukturfonds (JEREMIE) mit dem Ziel der Verbesserung der Kreditvergabe an KMU sowie im Rahmen der JASMINE-Initiative zur Unterstützung von Mikrofinanzierungsinstituten; weist darauf hin, dass ihre korrekte Umsetzung gegenwärtig durch die übermäßig komplexen Verwaltungsverfahren behindert wird; fordert die Kommission auf, die Verwendung der Strukturfonds im Zusammenhang mit KMU-Finanzierungsinstrumenten zu erleichtern, insbesondere um revolvierende Fonds für Garantieregelungen zu finanzieren, wobei die Schaffung von Strukturen, die - etwa auf einzelstaatlicher Ebene - bestehende Mechanismen verdoppeln, zu vermeiden ist;
- 5. ist der Ansicht, dass insbesondere die Finanzierung des CIP-Programms unzureichend ist, und dass das Programm im Hinblick auf seine Reichweite geprüft werden sollte; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens für die wirksamere Finanzierung von innovativen Finanzinstrumenten zu sorgen;
- 6. fordert eine deutliche Erhöhung der Finanzierung von innovativen Finanzinstrumenten im Rahmen des EU-Haushalts für den Finanzierungsbedarf der KMU und unterstützt angesichts der Strategie Europa 2020 und branchenübergreifender Vorreiterinitiativen die Umsetzung gemeinsamer Instrumente mit der EIB-Gruppe, insbesondere durch Risikoteilungsmechanismen; fordert ferner, dass für zukünftige Programme für die notwendige Flexibilität gesorgt werden muss, um den Rückgriff auf unangemessene Einheitslösungen zu vermeiden;
Marktversagen
- 7. betont die Notwendigkeit von Neugründungen und innovativen Unternehmen, um einen besseren Zugang zu beteiligungsbasierten und beteiligungsähnlichen Finanzierungsinstrumenten zu haben, die noch nicht in ausreichendem Maße vom Markt angeboten werden; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass in der nächsten Generation von Programmen ein stärkeres Schwergewicht auf Mezzanine-Finanzinstrumente gelegt wird und dass diese mit Fonds und Fazilitäten für Risikoteilung unterstützt werden;
- 8. stellt fest, dass hochinnovative und schnell wachsende Unternehmen Zugang zu größeren europäischen Risikokapital- und Anleihemärkten benötigen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine Initiative zur Beseitigung der Hindernisse für die Entwicklung der europäischen Risikokapital- und Anleihemärkte zu ergreifen, die Fazilitäten mit Risikoteilung für Eigenkapitalanlagen auszudehnen, Fragen der gebündelten Unternehmensanleihen zu unterstützen und die Mitgliedstaaten zu ermutigen, die Tätigkeiten von "Business Angels" durch die Schaffung von Steueranreizen für Investoren zu unterstützen;
- 9. stellt fest, dass die gegenwärtige Struktur der KMU-Finanzierung in vielen europäischen Staaten sowohl auf der Nachfrage- als auch der Angebotsseite stark von den Steuer- und Subventionssystemen abhängt, die starke Anreize für eine Fremdfinanzierung liefern und für eine Beteiligungsfinanzierung abschreckend sind; fordert die Kommission auf, Initiativen zur Sensibilisierung für die Probleme zu ergreifen, die durch die falschen Anreize des Regulierungsrahmens entstehen, und die Mitgliedstaaten zu ermutigen, die notwendigen Reformen durchzuführen;
Beseitigung von administrativen Hindernissen
- 10. ist besorgt über die Komplexität der EU-Regeln für die Finanzmärkte und die Leitlinien für europäische Finanzinstrumente, insbesondere wenn europäische Fonds und Programme zur Unterstützung einzelner Unternehmen durch die Bereitstellung relativ kleiner Finanzierungssummen genutzt werden; ist der Ansicht, dass der Kosten- bzw. Zeitaufwand, der notwendig ist, um diesen Bestimmungen zu entsprechen, völlig außer Verhältnis zum Nutzen für den Endempfänger der Finanzmittel steht; fordert ein gestrafftes Management, effiziente Verwaltung und Berichterstattung sowie Kosteneffizienz im Zusammenhang mit innovativen Finanzinstrumenten; dringt darauf, dass Banken, Intermediäre und Empfänger durch den damit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand nicht entmutigt oder abgehalten werden dürfen, Programme und Fonds zu nutzen; fordert die Kommission auf, vereinfachte und kostengünstigere Regeln und Leitlinien vorzuschlagen, insbesondere für Programme, mit denen eine kleinvolumigere KMU-Finanzierung in Form von Garantien und Mezzanine- oder Equity-Instrumenten unterstützt werden soll;
- 11. begrüßt die Einrichtung des KMU-Finanzforums im Jahr 2010 und fordert die Kommission dringend auf, die Zusammenarbeit mit einzelstaatlichen Entwicklungs- und Geschäftsbanken zu verbessern, um Erfahrungen zusammenzutragen, bewährte Praktiken auszutauschen, Synergien zu entwickeln und Wege zu markieren, auf denen die EU-Finanzierungsprogramme für KMU vereinfacht und gestrafft werden können;
- 12. weist darauf hin, dass Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung für KMU gegenwärtig Teil vieler verschiedener EU-Programme - wie CIP-Programm, Strukturfonds (JEREMIE), 7. RP und andere - ist, und stellt einen Mangel an Kohärenz zwischen diesen Programmen fest; fordert die Kommission auf, eine bessere Kohärenz zwischen den verschiedenen Garantieprogrammen und eine gute Ausgewogenheit zwischen einzelstaatlichen Programmen und EU-Programmen zur finanziellen Unterstützung von Innovationen oder zur Bereitstellung von Risikokapital für KMU herzustellen; fordert die Kommission nachdrücklich auf, eine einzige Anlaufstelle für die verschiedenen EU-Finanzierungsinstrumente für die KMU zu schaffen;
- 13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Februar 2011 zur Lage in Ägypten
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Ägypten,
- - unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, der 1982 von Ägypten ratifiziert wurde,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Europäischen Rates vom 4. Februar 2011 zu Ägypten und zu der Lage in der Region,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 31. Januar 2011 zu Ägypten,
- - unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung von Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates, José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, und Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der EU, vom 11. Februar 2011 zu den jüngsten Entwicklungen in Ägypten,
- - unter Hinweis auf die Erklärung von Jerzy Buzek, Präsident des Europäischen Parlaments, vom 11. Februar 2011 zum Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak,
- - unter Hinweis auf die Erklärung von Herman Van Rompuy, Präsident des Europäischen Rates, vom 29. Januar 2011 zur Lage in Ägypten,
- - unter Hinweis auf die Erklärungen von Catherine Ashton, Hohe Vertreterin der EU, vom 4. Februar, 3. Februar, 28. Januar und 27. Januar 2011 zu Ägypten sowie unter Hinweis darauf, dass am 6. Dezember 2010 Wahlen zur ägyptischen Volksversammlung stattgefunden haben,
- - unter Hinweis auf die fünfte Erklärung des Obersten Rates der ägyptischen Streitkräfte vom 13. Februar 2011,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission über die Umsetzung der Europäischen Nachbarschaftspolitik im Jahr 2009: Fortschrittsbericht zu Ägypten ( KOM (2010) 0207 - SEK(2010)0517),
- - unter Hinweis auf den gemeinsamen Beschluss Ägyptens und der EU vom April 2009, gemäß dem Vorschlag von Ägypten aus dem Jahr 2008 auf eine Verstärkung ihrer Beziehungen hinzuarbeiten,
- - unter Hinweis auf das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Ägypten von 2004 und auf den 2007 vereinbarten Aktionsplan,
- - unter Hinweis auf die Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) seit 2004 und insbesondere auf den Fortschrittsbericht der Kommission über deren Umsetzung,
- - in Kenntnis der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern von 2004, die 2008 aktualisiert wurden,
- - gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass bei den jüngsten Demonstrationen in mehreren arabischen Ländern in Nordafrika und im Nahen Osten politische, wirtschaftliche und soziale Reformen gefordert wurden und ein starkes Verlangen des Volkes nach Freiheit, echter Demokratie und besseren Lebensbedingungen für die Bürgerinnen und Bürger zum Ausdruck kam,
B. in der Erwägung, dass der ägyptische Präsident Hosni Mubarak am 11. Februar 2011 zurücktrat und seine Befugnisse dem Obersten Rat der Streitkräfte übertragen wurden, der die kürzlich von Präsident Mubarak eingesetzte Regierung aufforderte, geschäftsführend zu amtieren, bis eine neue Regierung gebildet werde, zusagte, die Macht an eine gewählte zivile Regierung zu übergeben, und, wie in seiner fünften Erklärung vom 13. Februar 2011 angekündigt, wichtige Beschlüsse fasste,
C. in der Erwägung, dass die Forderung des Volkes nach Freiheit, echter Demokratie und sozialer Gerechtigkeit in Ägypten einen unverzüglichen, ernsthaften und offenen Dialog unter Beteiligung aller politischen und sozialen Kräfte erfordert, die die Demokratie achten, die Rechtsstaatlichkeit wahren und die Menschenrechte und Grundfreiheiten respektieren, wobei dieser Dialog zu realen und bedeutsamen Reformen führen sollte,
D. in der Erwägung, dass die friedlichen Proteste gegen die ägyptische Regierung von der Polizei unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern, Gummigeschossen sowie echten Geschossen gewaltsam unterdrückt und die Demonstranten von bewaffneten Personen und regierungstreuen Milizen angegriffen wurden, wodurch Hunderte Menschen zu Tode kamen, sowie in der Erwägung, dass Hunderte Menschen, unter ihnen Menschenrechtsaktivisten und Journalisten, festgenommen und inhaftiert wurden,
E. in der Erwägung, dass die ägyptische Regierung den bis dahin beispiellosen Schritt des Abschaltens des Internets gegangen ist, um die Demonstranten zum Schweigen zu bringen und die freie Meinungsäußerung des ägyptischen Volkes zu beschränken, und dass Medien und Einrichtungen wie Al Jazeera und das Hisham-Mubarak-Zentrum für Menschenrechte von der Militärpolizei geschlossen wurden,
F. in der Erwägung, dass die Förderung der Achtung der Demokratie, der Menschenrechte und der bürgerlichen Freiheiten zu den Grundprinzipien und Zielen der Europäischen Union gehört und eine gemeinsame Grundlage für die Entwicklung des Europa-Mittelmeer-Raums bildet, sowie in der Erwägung, dass sich die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft hauptsächlich auf Wirtschaftsreformen konzentriert hat und nicht in der Lage war, die notwendigen politischen und institutionellen Reformen herbeizuführen, und dass sich die Union für den Mittelmeerraum, durch die die Politik der EU in der Region gestärkt werden sollte, als nicht fähig erwies, dem wachsenden Misstrauen entgegen zu wirken und die grundlegenden Bedürfnisse der betroffenen Menschen zu erfüllen,
G. in der Erwägung, dass das Streben nach Stabilität in den letzten Jahren oftmals die Werte der Demokratie, der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte in den Beziehungen der EU zu ihren südlichen Nachbarn überschattet hat, sowie in der Erwägung, dass die Menschenrechtsklauseln in Assoziationsabkommen systematisch durch einen Mechanismus zur Umsetzung dieser Klauseln gestärkt werden sollten, und diesbezüglich unter Hinweis auf die derzeit laufende und notwendige Überprüfung der Nachbarschaftspolitik,
H. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament wiederholt die Aufhebung des Ausnahmezustands, der seit 1981 in Kraft ist, sowie die Stärkung der Demokratie und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Ägypten gefordert hat,
I. in der Erwägung, dass Ägypten für die Europäische Union ein Schlüsselpartner im Nahen Osten ist und dass die Europäische Union zur Entstehung eines demokratischen, wohlhabenden und stabilen Ägypten beitragen sollte, indem sie die Erneuerung des Landes fördert und unterstützt,
J. in der Erwägung, dass Ägypten eine aktive und wichtige Rolle bei der Unterstützung des Friedensprozesses im Nahen Osten sowie bei der innerpalästinensischen Aussöhnung spielt und dass der Oberste Rat der Streitkräfte das Engagement Ägyptens bestätigt hat, alle internationalen Verträge und Abkommen, deren Vertragspartner das Land ist, umzusetzen,
- 1. bekundet seine Solidarität mit dem ägyptischen Volk, würdigt seinen Mut und seine Entschlossenheit, insbesondere mit Blick auf die junge Generation, und unterstützt nachdrücklich seine legitimen demokratischen Bestrebungen;
- 2. verurteilt entschieden die Gewaltakte und die unverhältnismäßige Gewaltanwendung gegen Demonstranten und bedauert zutiefst die hohe Zahl von Toten und Verletzten; spricht den Familien der Opfer sein Mitgefühl aus; fordert eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle, die zu Toten, Verletzten und Verhaftungen geführt haben, und verlangt, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden;
- 3. fordert die unverzügliche und bedingungslose Freilassung aller friedlichen Demonstranten, Gesinnungshäftlinge, ägyptischen und internationalen Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Anwälte; fordert die ägyptischen Behörden in diesem Zusammenhang auf, unverzüglich den Aufenthaltsort der Inhaftierten bekannt zu geben und sicherzustellen, dass sie vor jeglicher Form von Folter oder sonstiger Misshandlung geschützt werden;
- 4. vertritt die Auffassung, dass der Rücktritt von Präsident Hosni Mubarak eine neue Phase des politischen Übergangs in Ägypten eingeleitet hat; fordert einen tatsächlichen und offenen nationalen politischen Dialog, der unverzüglich unter Beteiligung aller wichtigen Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft aufgenommen werden muss, um die Aufhebung des Notstands, die Änderung der Verfassung und des Wahlrechts, freie und faire Wahlen, eine demokratisch gewählte zivile Regierung und eine wirkliche Demokratie in Ägypten vorzubereiten;
- 5. fordert die ägyptischen Streitkräfte auf, eine konstruktive Rolle zu übernehmen, indem sie weitere Gewalttaten verhindern und den politischen Prozess erleichtern; nimmt die Beschlüsse des Obersten Rates der Streitkräfte zur Kenntnis, die Verfassung auszusetzen, das Parlament aufzulösen, einen Ausschuss, dem auch unabhängige Mitglieder angehören müssen, einzusetzen, um Artikel der Verfassung zu ändern, ein Referendum über diese Änderungen durchzuführen und Parlaments- und Präsidentschaftswahlen zu organisieren; fordert erneut einen demokratischen Prozess, in den alle Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft einbezogen werden sollten, um einen nationalen Konsens zu erreichen;
- 6. betont, wie wichtig es ist, unverzüglich alle Kommunikationsnetze, einschließlich des Internets wiederherzustellen und die Informationsfreiheit, die freie Meinungsäußerung und die Vereinigungsfreiheit in Ägypten in vollem Umfang zu achten;
- 7. befürwortet nachdrücklich Reformen zugunsten von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Gerechtigkeit in Ägypten; wiederholt seine Forderung nach der Aufhebung des Ausnahmezustands; unterstreicht erneut die Bedeutung einer verantwortlichen Regierungsführung, der Bekämpfung der Korruption und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ein Ägypten - unter besonderer Berücksichtigung der Gewissens-, Religions- und Gedankenfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Freiheit der Presse und der Medien, der Vereinigungsfreiheit, der Rechte der Frauen und der Gleichstellung der Geschlechter, des Schutzes von Minderheiten und der Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung;
- 8. betont die Bedeutung einer beträchtlichen Beschleunigung der wirtschaftlichen und sozialen Reformen in Ägypten, da Freiheit, wirtschaftliche Entwicklung und ein höherer Lebensstandard wichtig für die politische und soziale Stabilität im Land sind;
- 9. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, den raschen Übergang zu einem friedlichen, pluralistischen und gerechten Ägypten aktiv zu unterstützen; teilt im weiteren Kontext die Auffassung des Europäischen Rates, dass die EU den Übergangsprozess in der Region umfassend unterstützen sollte, um eine demokratische Regierung, Pluralismus, bessere Chancen auf wirtschaftlichen Wohlstand und soziale Integration zu schaffen und die Stabilität in der Region zu stärken;
- 10. fordert die EU, die Mitgliedstaaten, Parteien und Stiftungen auf, die demokratischen politischen Kräfte und die Organisationen der Zivilgesellschaft in Ägypten dabei zu unterstützen, sich selbst besser zu organisieren, damit sie in der Lage sind, in vollem Umfang an dem Übergang zur Demokratie teilzunehmen; fordert die ägyptischen Behörden auf, sicherzustellen, dass die Gemeinschaften koptischer Christen nicht Opfer der aktuellen Ereignisse werden und dass alle religiösen Gemeinschaften überall im Land in Frieden leben und ihren Glauben frei bezeugen können;
- 11. fordert die Hohe Vertreterin auf, die Einsetzung einer Task-Force unter Mitwirkung des Europäischen Parlaments als Reaktion auf die von den Akteuren des demokratischen Wandels erhobene Forderung nach Begleitung des demokratischen Übergangsprozesses, insbesondere was freie und demokratische Wahlen und den Institutionenaufbau, einschließlich einer unabhängigen Justiz, betrifft, zu fördern; fordert die Hohe Vertreterin auf, den demokratischen Wandel auch dadurch zu unterstützen, dass zu den kommenden Wahlen eine Wahlbeobachtungsmission entsandt wird;
- 12. begrüßt den Durchführungsbeschluss 2011/79/GASP und die Verordnung (EU) Nr. 101/2011 des Rates vom 4. Februar 20111, durch die Vermögenswerte eingefroren werden, die Personen gehören oder von ihnen kontrolliert werden, die als verantwortlich für die Veruntreuung staatlicher Gelder in Tunesien angesehen werden, was auch für mit ihnen in Verbindung stehende Personen gilt, und fordert den Rat auf, in Bezug auf alle verantwortlichen Personen in Ägypten die gleichen Maßnahmen zu beschließen;
- 13. unterstreicht, dass die Ereignisse in Ägypten und in den anderen Ländern der Region erneut die dringliche Notwendigkeit unterstreichen, ehrgeizigere und effizientere Politiken und Instrumente zu entwickeln und ihre Abstützung mit Haushaltsmitteln zu verstärken, um die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen in den südlichen Nachbarländern der EU zu ermutigen und zu unterstützen; betont, dass die laufende strategische Überprüfung der Europäischen Nachbarschaftspolitik die derzeitigen Entwicklungen in der Region widerspiegeln muss und neue verbesserte Möglichkeiten gefunden werden müssen, um den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen Rechnung zu tragen; fordert eine bessere Abstimmung mit den anderen, diese Länder betreffenden Politikbereichen der Union;
- 14. bekräftigt seine Forderung, dass die Europäische Union ihre Politik zur Unterstützung der Demokratie und der Menschenrechte überarbeitet, um einen Mechanismus für die Umsetzung der Menschenrechtsklausel in allen Abkommen mit Drittstaaten zu schaffen; weist mit Nachdruck darauf hin, dass bei der Überprüfung der Nachbarschaftspolitik den Kriterien Unabhängigkeit der Justiz, Achtung der Grundfreiheiten, Pluralismus, Pressefreiheit und Bekämpfung der Korruption Vorrang eingeräumt werden muss; weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die vorhandenen Aktionspläne im Hinblick auf die Aufnahme klarer Prioritäten und Anreize in Bezug auf politische Reformen radikal überarbeitet werden müssen; fordert den Rat auf, politische Kriterien vorzugeben, die ENP-Länder erfüllen müssen, damit ihnen ein "fortgeschrittener Status" eingeräumt wird;
- 15. erachtet die Rolle als wesentlich, die EU-Finanzinstrumente im Bereich der Außenbeziehungen, insbesondere ENPI, EIDHR sowie das Instrument für Stabilität, in diesem Zusammenhang für die Region spielen können, und fordert deren Verstärkung, damit sie unter diesen außergewöhnlichen Umständen effektiv und konsistent genutzt werden können; fordert die Hohe Vertreterin auf, alle einschlägigen Finanzinstrumente der EU im Bereich der Außenbeziehungen, darunter EIDHR, umfassend zu nutzen; hebt hervor, dass die demokratische Kontrolle dieser Finanzinstrumente durch das Europäische Parlament gewährleistet sein muss; betont außerdem, dass unverzüglich die Frage steigender Lebensmittelpreise und der Ernährungssicherheit und Entwicklung des ländlichen Raums im allgemeinen angegangen werden muss;
- 16. fordert die Union für den Mittelmeerraum auf, dringend Überlegungen zu den jüngsten Ereignissen anzustellen und auf sie mit Vorschlägen dahingehend zu reagieren, wie die Demokratie und die Menschenrechte in ihren Mitgliedstaaten und in der Region am besten gefördert werden können, sowie mit Vorschlägen für mögliche Reformen, um ihre eigene Rolle stärker und effizienter zu gestalten; fordert die Anna-Lindh-Stiftung der Europa-Mittelmeer-Partnerschaft auf, unverzüglich eine aktive Rolle dabei zu übernehmen, die Zivilgesellschaft in der euromediterranen Region für die Förderung von Bürgerengagement und Mitwirkung zu mobilisieren;
- 17. erkennt die entscheidende Rolle Ägyptens in der arabischen Welt und im Friedensprozess im Nahen Osten und die Bedeutung des Friedensabkommens mit Israel an; fordert Ägypten auf, weiterhin eine aktive und konstruktive Rolle zu spielen, um einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten - unter besonderer Berücksichtigung des israelischpalästinensischen Konflikts und der Aussöhnung der Palästinenser - zu verwirklichen, und fordert, dass der ägyptischisraelische Friedensvertrag Bestand hat; begrüßt die Erklärung des Obersten Rates der Streitkräfte in Bezug auf das Engagement Ägyptens, alle internationalen Verträge und Abkommen, deren Vertragspartner das Land ist, umzusetzen;
- 18. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der ägyptischen Regierung zu übermitteln.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Februar 2011 zur Rechtsstaatlichkeit in Russland
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine früheren Berichte und Entschließungen zu Russland und zu den Beziehungen EU-Russland, insbesondere seine Entschließungen vom 17. September 2009 zur Ermordung von Menschenrechtsaktivisten in Russland1, vom 17. Juni 2010 zu den Schlussfolgerungen des Gipfeltreffens EU-Russland (31. Mai und 1. Juni 2010)2 und vom 21. Oktober 2010 zur Menschenrechtslage im Nordkaukasus (Russische Föderation) und dem Strafverfahren gegen Oleg Orlow3,
- - unter Hinweis auf das derzeit geltende Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits sowie auf die laufenden Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland,
- - unter Hinweis auf den Jahresbericht über die Menschenrechte in der Welt 2009, der im Dezember 2010 angenommen wurde, und insbesondere auf den Fall Magnizki,
- - unter Hinweis auf die Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Russland,
- - unter Hinweis auf die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Erklärung der Vereinten Nationen über die Menschenrechtsverteidiger und die Erklärung der Vereinten Nationen über das Recht und die Verpflichtung von Einzelpersonen, Gruppen und Organen der Gesellschaft, die allgemein anerkannten Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern und zu schützen,
- - unter Hinweis auf die Partnerschaft für Modernisierung, die auf dem Gipfeltreffen EU-Russland im Mai 2010 in Rostow am Don in Gang gesetzt wurde, sowie auf die Zusicherung der russischen Führung, dass die Rechtsstaatlichkeit ein grundlegendes Element der Modernisierung Russlands darstellen werde,
- - gestützt auf Artikel 110 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Europäische Union nach wie vor einer weiteren Vertiefung und dem weiteren Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Russland verpflichtet ist, und zwar im Einklang mit den Grundsätzen, die in der Partnerschaft für Modernisierung verankert wurden, welche auf einem klaren Bekenntnis zu demokratischen Grundsätzen, zu den Grund- und Menschenrechten und zur Rechtsstaatlichkeit beruht,
B. in der Erwägung, dass sich die Russische Föderation als Mitglied des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie als Unterzeichnerstaat der Erklärungen der Vereinten Nationen dazu verpflichtet hat, die Menschenrechte, die Grundfreiheiten und die Rechtsstaatlichkeit zu schützen und zu fördern,
C. in der Erwägung, dass in den vergangenen Jahren mehrere Gerichtsverfahren Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justizbehörden der Russischen Föderation haben aufkommen lassen,
D. in der Erwägung, dass die zweite Verurteilung von Michail Chodorkowski und Platon Lebedew am 30. Dezember 2010 im zweiten Prozess um die Vermögenswerte von Jukos von der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der EU, infrage gestellt worden ist,
E. in der Erwägung, dass Boris Nemzow und etwa 70 weitere Personen nach einer Demonstration der Opposition am 31. Dezember 2010 in Moskau verhaftet worden sind,
F. in der Erwägung, dass unabhängige Journalisten, zivilgesellschaftlich engagierte Bürger, Rechtsanwälte und Menschenrechtsverteidiger häufig Bedrohungen und Gewalttaten ausgesetzt sind und dass die Gesetze über die Bekämpfung des Extremismus und die neuen Bestimmungen des Gesetzes über den Föderalen Sicherheitsdienst (FSB) unklar sind und daher häufig dazu benutzt werden, nichtstaatliche Organisationen, religiöse Minderheiten und Medienorganisationen zu drangsalieren,
G. in der Erwägung, dass die Fälle der Journalistinnen Anna Politkowskaja, Natalja Estemirowa und Anastassija Baburova sowie der Tod des Rechtsanwalts Sergei Magnizki von den russischen Behörden bisher nicht aufgeklärt worden sind,
H. in der Erwägung, dass Präsident Medwedew bei zahlreichen Gelegenheiten zugesichert hat, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken, und festgestellt hat, dass es seine Aufgabe sei, völlig unabhängige moderne Gerichte zu schaffen, die dem Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands entsprechen,
- 1. bekräftigt seine Überzeugung, dass Russland weiterhin ein wichtiger Partner der Europäischen Union ist, wenn es darum geht, eine nachhaltige Zusammenarbeit auf der Grundlage von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufzubauen;
- 2. verurteilt den Terroranschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo auf das Schärfste und drückt den Familien der Opfer seit Mitgefühl und den bei dem Anschlag Verletzten seine Solidarität aus; betont, dass die russische Regierung gesetzeskonform und gemäßigt auf diesen Anschlag reagieren und die russischen Justizbehörden frei und unabhängig arbeiten lassen sollte, damit diese die für den Anschlag Verantwortlichen verfolgen und verurteilen können;
- 3. äußert sich besorgt angesichts von Berichten über politisch motivierte Gerichtsverfahren, unfaire Verfahren und nicht durchgeführte Ermittlungen bei schweren Verbrechen wie Mord, bei Drangsalierungen oder bei anderen Gewalttaten; fordert die russischen Justiz- und Strafverfolgungsbehörden auf, ihre Aufgaben gründlich, unparteiisch und unabhängig wahrzunehmen, damit Straftäter vor Gericht gestellt werden;
- 4. äußert seine große Besorgnis angesichts der Schuldsprüche im jüngsten zweiten Prozess gegen Michail Chodorkowski und Platon Lebedew; betont, dass im Zusammenhang mit diesem und mit vorherigen Verfahren gegen die beiden Männer schwerwiegende rechtliche Fragen aufgeworfen wurden, und fordert eine unabhängige gerichtliche Überprüfung im Zusammenhang mit den anhängigen Berufungsverfahren gegen die Urteile; fordert die russische Regierung auf, im Einklang mit den Zusagen von Präsident Dmitri Medwedew, für mehr Rechtsstaatlichkeit und Transparenz zu sorgen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das Justizsystem zu verbessern;
- 5. fordert den Bürgerbeauftragten der Russischen Föderation auf, eine Überprüfung der Anklagepunkte und laufenden Verfahren gegen den Preisträger 2009 des vom Europäischen Parlament verliehenen Sacharow-Preises für geistige Freiheit, Oleg Orlow, in Auftrag zu geben; weist erneut darauf hin, dass nach der Ermordung von Natalja Estemirowa, einem führenden Mitglied von "Memorial" in Tschetschenien, keine wirksamen Ermittlungen durchgeführt worden sind;
- 6. bedauert, dass die friedlichen Kundgebungen, die am letzten Tag jedes zweiten Monats veranstaltet werden, um auf Artikel 31 der russischen Verfassung aufmerksam zu machen, regelmäßig aufgelöst werden, und dass - wie im Fall von Boris Nemzow - immer wieder bekannte Oppositionsvertreter verhaftet werden;
- 7. bestärkt die Präsidenten des Rates und der Kommission sowie die Hohe Vertreterin darin, diese Fälle weiterhin genau zu verfolgen und sie in unterschiedlichen Formaten und Treffen mit Russland, insbesondere auf dem anstehenden Gipfeltreffen EU-Russland, zur Sprache zu bringen;
- 8. weist den Rat und die Hohe Vertreterin auf die ganze Palette geeigneter Maßnahmen hin, die sie ergreifen können, wenn sie feststellen, dass die Menschenrechte systematisch verletzt werden und die Rechtsstaatlichkeit nicht gewahrt wird;
- 9. fordert die EU und Russland auf, die Verhandlungen über ein neues verbindliches und umfassendes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zu intensivieren, und bekräftigt seine nachdrückliche Unterstützung für ein breit angelegtes Abkommen, das auch die Bereiche Demokratie, Rechtsstaatlichkeit sowie Menschen- und Grundrechte umfasst; betont, dass unbedingt für ein echtes Funktionieren der Justiz gesorgt und die Bekämpfung der Korruption verstärkt werden muss;
- 10. äußert seine Besorgnis angesichts der beträchtlichen Anzahl von Berichten über Verstöße gegen die Menschenrechte in Russland, darunter gegen das Recht, sich friedlich zu versammeln, und betont, dass im Rahmen der Menschenrechtskonsultationen zwischen der EU und Russland ein ständiger Dialog über die Menschenrechte geführt werden muss, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf den von der russischen Regierung unternommenen Schritten zur Gewährleistung der Sicherheit von Menschenrechtsverteidigern liegen sollte;
- 11. betont, dass die umfassende Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit das Bild und die Glaubwürdigkeit Russlands in der Welt verbessern werden, was vor allem auch im Hinblick auf seine Beziehungen zur Europäischen Union gilt, die wichtig sind und sich zu einer strategischen Partnerschaft entwickeln sollten, wenn man sich die gegenseitige Abhängigkeit und die vielfältigen gemeinsamen Interessen vor Augen hält, insbesondere bei der Zusammenarbeit in den Bereichen Politik, Sicherheit, Wirtschaft und Energie sowie in Bezug auf die Achtung demokratischer Grundsätze und Verfahren, der Rechtsstaatlichkeit und der grundlegenden Menschenrechte;
- 12. fordert die Kommission auf, dem Europäischen Parlament umgehend eine Bewertung darüber vorzulegen, ob die Maßnahmen der Justiz gegen Jukos und dessen Führungskräfte mit den Anforderungen, die Russland im Zusammenhang mit seinem Wunsch nach einer Vollmitgliedschaft in der WTO erfüllen muss, im Einklang stehen;
- 13. weist darauf hin, dass sich Russland als Mitglied des Europarates dazu verpflichtet hat, die gemeinsamen europäischen Normen im Hinblick auf Demokratie, Grund- und Menschenrechte sowie Rechtsstaatlichkeit umfassend zu achten; fordert in diesem Zusammenhang die staatlichen Stellen in Russland auf, allen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nachzukommen und Maßnahmen zu ergreifen, um Rechtsverletzungen in den einzelnen Fällen beheben indem sie unter anderem für wirksame Ermittlungen sorgen und die Täter zur Rechenschaft ziehen, sowie allgemeine Maßnahmen zu ergreifen, um die Urteile umzusetzen - darunter auch politische und rechtliche Änderungen -, damit ähnliche Verletzungen in Zukunft nicht mehr stattfinden;
- 14. fordert erneut, dass die Menschenrechtskonsultationen intensiviert sowie wirkungsvoller und gezielter gestaltet werden, wobei das Justiz-, das Innen- und das Außenministerium Russland sowohl an den in Brüssel als auch an den in Moskau stattfindenden Treffen teilnehmen und das Europäische Parlament auf allen Ebenen uneingeschränkt einbezogen werden sollte; erinnert die Hohe Vertreterin an die im Haushaltsbeschluss des Europäischen Parlaments vorgesehene Schaffung eines Forums der Zivilgesellschaft;
- 15. fordert den Rat und die Kommission auf, Russland praktische Unterstützung und Fachwissen anzubieten, damit die Unabhängigkeit der Justiz und der Strafverfolgungsbehörden gestärkt und die Fähigkeit des Justizsystems, politischem und wirtschaftlichem Druck zu widerstehen, verbessert wird; betont, dass die Europäische Union bereit ist, einen Beitrag zum Aufbau eines solchen Unterstützungsprogramms für die Justiz zu leisten und sich an der Aus- und Weiterbildung des Personals der Strafverfolgungsbehörden, der Staatsanwälte und der Richter, insbesondere zu Menschenrechtsfragen, zu beteiligen;
- 16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.
- 1. ABl. L 31 vom 5.2.2011, S. 1 und 40.
- 1. ABl. C 224 E vom 17.9.2009, S. 27.
- 2. Angenommene Texte, P7_TA(2010)0234.
- 3. Angenommene Texte, P7_TA(2010)0390.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Februar 2011 zu den Grenzkonflikten zwischen Thailand und Kambodscha
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. Januar 2005, 10. März 2005, 19. Januar 2006, 15. März 2007 und 21. Oktober 2010 zu Kambodscha und seine Entschließungen vom 20. Mai 2010 zu Thailand und vom 1. Dezember 2005 zur Menschenrechtslage in Kambodscha, Laos und Vietnam,
- - unter Hinweis auf das Urteil des Internationalen Gerichtshofs vom 15. Juni 1962 in der Rechtssache betreffend den Tempel von Preah Vihear (Kambodscha gegen Thailand),
- - unter Hinweis auf die Haager Konvention von 1954 zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten, die von Thailand und Kambodscha unterzeichnet wurde,
- - in Kenntnis der Erklärung des Generalsekretärs der ASEAN vom 5. Februar 2011,
- - in Kenntnis der am 7. Februar 2011 abgegebenen Erklärung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton,
- - in Kenntnis der Erklärung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban Kimoon, vom 7. Februar 2011,
- - gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass seit Anfang Februar 2011 zwischen den Streitkräften von Thailand und Kambodscha an der kambodschanischthailändischen Grenze - unter anderem in der Nähe des Tempels von Preah Vihear - Kämpfe stattgefunden haben,
B. in der Erwägung, dass die Zusammenstöße an der Grenze begannen, nachdem ein kambodschanisches Gericht zwei thailändische Staatsangehörige zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt hatte, nachdem sie im Dezember 2010 nach dem Eindringen in das streitige Gebiet der Spionage und der illegalen Einreise schuldig gesprochen worden waren, und in der Erwägung, dass das Urteil unmittelbar auf den erfolgreichen Abschluss der 7. Sitzung des Gemischten Ausschusses zur bilateralen Zusammenarbeit zwischen Thailand und Kambodscha am 3. und 4. Februar 2011 folgte, in der beide Staaten übereinkamen, ihre Zusammenarbeit auf allen Gebieten auszubauen und in der nächsten Zukunft eine Sitzung des Gemischten Ausschusses zur Demarkation der Landgrenzen in Thailand durchzuführen,
C. in der Erwägung, dass der Tempel von Preah Vihear im letzten Jahrhundert im Mittelpunkt wiederkehrender Grenzstreitigkeiten zwischen Thailand und Kambodscha gestanden hat,
D. in der Erwägung, dass der Internationale Gerichtshof in seinem Urteil vom 15. Juni 1962 feststellte, dass sich der Tempel von Preah Vihear auf dem Hoheitsgebiet und unter der Hoheitsgewalt von Kambodscha befindet,
E. in der Erwägung, dass der Tempel von Preah Vihear am 7. Juli 2008 von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde und während der jüngsten Grenzkonflikte angeblich durch Beschuss beschädigt wurde,< /p>
F. in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft eine besondere Verantwortung hat, die in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommenen Denkmäler zu bewahren,
G. in der Erwägung, dass Berichten zufolge auf beiden Seiten Todesopfer sowie verletzte Soldaten und Zivilisten zu beklagen sind und dass im umliegenden Gebiet tausende Zivilisten evakuiert werden mussten,
H. in der Erwägung, dass verschiedenen Nachrichten zufolge Streumunition verwendet worden sein könnte, und in der Erwägung, dass weder Thailand noch Kambodscha das Übereinkommen über Streumunition ratifiziert haben,
I. in der Erwägung, dass die Verschlechterung der Lage an der Grenze zwischen Thailand und Kambodscha den Frieden und die Stabilität in der Region bedroht,
J. in der Erwägung, dass der derzeitige Vorsitz der ASEAN, Indonesien, seine diplomatischen Bemühungen intensiviert hat, um beide Seiten darin zu unterstützen, eine vorläufige Lösung zu erreichen, um einen bilateralen Mechanismus zur Verwirklichung des Ziels der Grenzdemarkation und des allgemeinen Friedens in der Region einzurichten; in der Erwägung, dass der Vorsitz der ASEAN beide Staaten ermutigt, im bestehenden Rahmen des thailändischkambodschanischen Gemischten Ausschusses zur Demarkation der Landgrenzen Gespräche zu führen,
K. in der Erwägung, dass die ASEAN-Charta die Schaffung eines Mechanismus für die Beilegung von Streitigkeiten vorsieht, der den Raum für die Unterstützung bei der Lösung von bilateralen Streitigkeiten vergrößern würde,
L. in der Erwägung, dass die Generaldirektorin der UNESCO, Irina Bokova, ihre Absicht bekundete, eine Mission zur Bewertung des Zustands des Tempels von Preah Vihear zu entsenden,< /p>
- 1. verurteilt die Zusammenstöße an der Grenze zwischen den Streitkräften des Königreichs Kambodscha und des Königreichs Thailand und fordert alle Parteien nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu wahren und die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Spannungen zu reduzieren und ihren Dialog wiederaufzunehmen, um ihre Differenzen friedlich zu lösen und die Unterstützung der ASEAN und der Vereinten Nationen anzunehmen,
- 2. beklagt den Verlust von Menschenleben während der jüngsten Grenzkonflikte und drückt den Familien der Opfer seine aufrichtige Anteilnahme aus;
- 3. fordert beide Regierungen nachdrücklich auf, die notwendige Hilfe für die durch die bewaffneten Konflikte vertriebene Zivilbevölkerung sicherzustellen;
- 4. fordert beide Staaten auf, das Urteil des Internationalen Gerichtshofs von 1962 zu respektieren und eine friedliche Beilegung der Streitigkeiten betreffend das Grenzgebiet in der Nähe des Tempels von Preah Vihear zu erreichen;
- 5. fordert beide Staaten auf, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Handlungen nicht Artikel 4 Absatz 1 der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten verletzen, der es Staaten verbietet, Kulturgut, das sich auf ihrem eigenen Hoheitsgebiet oder auf dem Hoheitsgebiet anderer Hoher Vertragsparteien befindet, für Zwecke zu benutzen, die es im Falle bewaffneter Konflikte der Vernichtung oder Beschädigung aussetzen könnten, und von allen gegen dieses Gut gerichteten feindseligen Handlungen Abstand zu nehmen;
- 6. fordert die Staatsorgane Thailands und Kambodschas auf, den Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit in Südasien einzuhalten, insbesondere im Hinblick auf seine wesentlichen Grundsätze der Beilegung von Differenzen oder Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln, des Verzichts auf Androhung oder Anwendung von Gewalt und der effizienten Zusammenarbeit zwischen den Hohen Vertragsparteien;
- 7. begrüßt die Anstrengungen des Außenministers Indonesiens, das derzeit den ASEAN-Vorsitz innehat, Marty Natalegawa, zur Erleichterung des Dialogs zwischen den beiden Staaten, damit die Streitigkeiten friedlich beigelegt werden können;
- 8. begrüßt die Tatsache, dass Thailand und Kambodscha übereingekommen sind, an einer Dringlichkeitssitzung der südostasiatischen Staaten teilzunehmen, um den Grenzkonflikt zu erörtern;
- 9. begrüßt die Entscheidung der Generaldirektorin der UNESCO, einen Sonderbeauftragten zu einer Gute-Dienste-Mission nach Bangkok und Phnom Penh zu entsenden; fordert beide Seiten nachdrücklich auf, mit einer UNESCO-Mission zur Bewertung des Schadens am Tempel von Preah Vihear zusammenzuarbeiten;
- 10. fordert beide Staaten auf, eine Lösung zu finden, die einen unmittelbaren Zugang von ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zum Tempel von Preah Vihear ermöglicht, und Bürger des jeweils anderen Staates nicht am Betreten des Tempels oder des Grenzgebiets zu hindern;
- 11. äußert seine Besorgnis über die angebliche Nutzung von Streumunition und fordert beide Staaten auf, unter allen Umständen von der Verwendung dieser Munition Abstand zu nehmen;
- 12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Europäischen Auswärtigen Dienst, den Regierungen und Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten, der Regierung des Königreichs Kambodscha, der Regierung des Königreichs Thailand, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, der Generaldirektorin der UNESCO und den Regierungen der ASEAN-Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. Februar 2011 zu Jemen: Strafverfolgung von minderjährigen Straftätern, insbesondere der Fall Mohammed Taher Thabet Samoum
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 10. Februar 2010 zur Lage in Jemen1,
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNCRC) und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), zu deren Vertragsstaaten Jemen gehört,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zur Abschaffung der Todesstrafe, insbesondere seine Entschließung vom 7. Oktober 2010 zum Internationalen Tag gegen die Todesstrafe2,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Dezember 2010 zu dem Jahresbericht zu Menschenrechten in der Welt 2009 und zu der Politik der Europäischen Union in diesem Bereich3,
- - unter Hinweis auf das Strategiepapier der Europäischen Gemeinschaft zu Jemen für den Zeitraum 2007-2013,
- - unter Hinweis auf die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolutionen vom 22. Dezember 2010 zu einem Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe, 062/149 vom 18. Dezember 2007 zu einem Moratorium für die Anwendung der Todesstrafe und 063/168 vom 18. Dezember 2008 zur Umsetzung der Resolution 062/149,
- - unter Hinweis auf die 2008 in Alexandria angenommene Erklärung, in der die Regierungen der Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) aufgefordert werden, als ersten Schritt hin zur Abschaffung der Todesstrafe ein Moratorium für Hinrichtungen in Kraft zu setzen,
- - unter Hinweis auf die revidierte und aktualisierte Fassung der EU-Leitlinien zur Todesstrafe, die am 16. Juni 2008 vom Rat angenommen wurde,
- - gestützt auf Artikel 122 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass im Jemen ähnlich wie in anderen arabischen Ländern, vor allem in Tunesien und Ägypten, in den letzten Wochen bei Demonstrationen mehr Demokratie und Reformen des Staates gefordert wurden; unter Hinweis darauf, dass zahlreiche Demonstranten angegriffen oder von den Sicherheitskräften in Gewahrsam genommen worden sind;
B. unter Hinweis darauf, dass das Strafgericht in Ibb im September 2001 die Todesstrafe gegen Mohammed Taher Thabet Samoum verhängte, nachdem er wegen eines Mordes verurteilt worden war, den er im Juni 1999 begangen haben soll, als er mutmaßlich das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte; unter Hinweis darauf, dass das Todesurteil im Mai 2005 wegen einer fehlenden Geburtsurkunde von einem Berufungsgericht ausgesetzt wurde, vom Obersten Gerichtshof im April 2010 bestätigt wurde und mittlerweile vom Präsidenten Jemens unterzeichnet worden ist; unter Hinweis darauf, dass die Hinrichtung von Mohammed Taher Thabet ursprünglich für den 12. Januar 2011 geplant war, dass ihm jedoch vom Generalstaatsanwalt Jemens ein befristeter Aufschub gewährt wurde,
C. unter Hinweis darauf, dass gegen Fuad Ahmed Ali Abdulla die Todesstrafe verhängt wurde, nachdem er wegen eines Mordes verurteilt worden war, den er angeblich begangen haben soll, als er noch keine 18 Jahre alt war, obwohl diese Vermutung vom Gericht zurückgewiesen wurde; unter Hinweis darauf, dass seine für den 19. Dezember 2010 geplante Hinrichtung im Anschluss an entsprechende Appelle der internationalen Gemeinschaft - insbesondere der EU - und seines Anwalts ausgesetzt wurde,
D. in der Erwägung, dass die Todesstrafe die grausame, unmenschliche und entwürdigende Bestrafung schlechthin ist und gegen das in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankerte Recht auf Leben verstößt,
E. in der Erwägung, dass Jemen Vertragspartei des UNCRC und des ICCPR ist; unter Hinweis darauf, dass in beiden Dokumenten ausdrücklich die Hinrichtung von Personen untersagt wird, die wegen Straftaten verurteilt wurden, welche sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen haben; unter Hinweis darauf, dass die Verhängung der Todesstrafe gegen minderjährige Straftäter auch in Artikel 31 des jemenitischen Strafgesetzbuchs ausdrücklich untersagt wird,
F. unter Hinweis darauf, dass in Jemen im Jahre 2010 eine zweistellige Zahl von Hinrichtungen durchgeführt wurde; unter Hinweis darauf, dass sich Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge Hunderte von Häftlingen im Todestrakt befinden sollen,
G. unter Hinweis darauf, dass es Jemen an angemessenen Instrumenten fehlt, um das Alter von Angeklagten ohne Geburtsurkunde zu bestimmen, einschließlich der erforderlichen gerichtsmedizinischen Einrichtungen und des notwendigen Personals,
H. in der Erwägung, dass hinsichtlich der Entwicklungen in Jemen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Unabhängigkeit der Justiz schwerwiegende Bedenken bestehen; unter Hinweis darauf, dass es Fälle der Verfolgung von Journalisten und Menschenrechtsaktivisten gibt; unter Hinweis darauf, dass die Lage von Frauen besonders schwierig ist, was darin zum Ausdruck kommt, dass sich für sie der Zugang zur Bildung weiter verschlechtert und sie nicht aktiv am politischen Leben teilnehmen,
I. in der Erwägung, dass die Europäische Union entschieden für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe eintritt und die weltweite Anerkennung dieses Grundsatzes anstrebt,
J. unter Hinweis darauf, dass 2010 einschlägigen Berichten zufolge nur ein Land einen minderjährigen Straftäter hingerichtet hat, während es 2009 noch drei Länder waren; unter Hinweis darauf, dass Jemen beträchtliche Fortschritte erzielt hat, was das Verbot der Vollstreckung der Todesstrafe gegen jugendliche Straftäter beträgt; unter Hinweis darauf, dass dies große Hoffnungen weckt, dass die Hinrichtung von minderjährigen Straftätern demnächst weltweit per Gesetz und in der Praxis geächtet wird,
- 1. bekundet seine tiefe Besorgnis über die lange anhaltenden politischen sowie sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Jemen und fordert beträchtliche Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, um einer Eskalation der gegenwärtigen Krise vorzubeugen;
- 2. bekundet seine Solidarität mit den Demonstranten, die demokratische Reformen und verbesserte Lebensbedingungen einfordern; begrüßt in diesem Zusammenhang die Ankündigung von Präsident Saleh, im Jahre 2013 zurückzutreten und fordert die Regierungsstellen auf, sämtlicher Gewalt gegen friedliche Demonstranten ein Ende zu bereiten und alle Demonstranten, die ihren Protest auf friedliche Weise bekundet haben, frei zu lassen;
- 3. verurteilt alle Hinrichtungen unabhängig vom Ort ihrer Vollstreckung und betont erneut, dass die Abschaffung der Todesstrafe zur Förderung der Menschenwürde und zur schrittweisen Entwicklung der Menschenrechte beiträgt;
- 4. fordert den Präsidenten Jemens und die jemenitischen Behörden auf, von der Hinrichtung von Mohammed Taher Thabet Samoum abzusehen, und fordert die jemenitischen Regierungsstellen auf, die Todesurteile gegen Mohammed Taher Thabet Samoum und Fuad Ahmed Ali Abdulla umzuwandeln;
- 5. fordert die jemenitische Regierung auf, der Hinrichtung von Personen für Straftaten, die sie mutmaßlich vor Vollendung des 18. Lebensjahres begangen haben, ein Ende zu setzen, da diese Strafe sowohl gegen jemenitisches Recht als auch gegen die Verpflichtungen Jemens nach internationalen Menschenrechtsübereinkommen verstößt;
- 6. fordert die jemenitischen Regierungsstellen auf, Artikel 31 des jemenitischen Strafgesetzbuches zu achten, wonach Straftaten, die von Personen unter 18 Jahren begangen werden, nicht mit der Todesstrafe geahndet werden;
- 7. fordert die jemenitischen Regierungsstellen auf, die international anerkannten rechtlichen Schutzvorkehrungen für Minderjährige zu achten, wie den ICCPR und das UNCRC über die Rechte des Kindes;
- 8. fordert die jemenitischen Regierungsstellen auf, eine allgemeine Eintragung bei der Geburt einzuführen sowie die Verfahren zur Bestimmung des Alters von Angeklagten, die keine Geburtsurkunde vorlegen können, zu verbessern;
- 9. unterstreicht die Notwendigkeit von Reformen in Jemen, wie sie von zahlreichen Demonstranten eingefordert werden, um die Lebensbedingungen für die Bevölkerung zu verbessern und freie und faire Wahlen, die Achtung der Menschenrechte, insbesondere die Freiheit der Medien, und das Recht auf ein faires Verfahren sowie die Gleichbehandlung von Männern und Frauen sicherzustellen;
- 10. fordert den Rat und die Kommission auf, insbesondere nach der Einrichtung des Europäischen Auswärtigen Dienstes zügig einen koordinierten und umfassenden Ansatz der EU gegenüber Jemen umzusetzen;
- 11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem EAD, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten der Generalversammlung der Vereinten Nationen, den Regierungen der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sowie der Regierung und dem Präsidenten der Republik Jemen
- 1. Angenommene Texte, P7_TA(2010)0017.
- 2. Angenommene Texte, P7_TA(2010)0351.
- 3. Angenommene Texte, P7_TA(2010)0489.