Der Bundesrat hat in seiner 922. Sitzung am 23. Mai 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich das Ziel der Kommission, die Rechtsvorschriften für die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung entsprechender Erzeugnisse zu verbessern, deren nachhaltige Entwicklung sowie den fairen Wettbewerb für Landwirte und Unternehmer zu fördern und das Verbrauchervertrauen in diese Erzeugnisse zu stärken.
- 2. Er begrüßt ferner grundsätzlich die Absicht der Kommission, die rechtlichen Rahmenbedingungen für den ökologischen Landbau im Hinblick auf die steigende Verbrauchernachfrage und die positiven Umweltwirkungen zukunftsorientiert weiterzuentwickeln.
- 3. Der Bundesrat sieht es mit Sorge, dass die Vorschläge der Kommission für eine neue EU-Öko-Verordnung die bestehenden Regelungen erheblich verschärfen. Er bekräftigt das Ziel einer positiven Entwicklung des Öko-Landbaus in Deutschland.
- 4. Er stellt aber fest, dass die Kommission in dem vorliegenden Verordnungsvorschlag von unzutreffenden Hypothesen ausgegangen ist und die Auswirkungen ihres Revisionsentwurfes auf zusätzlichen Verwaltungs- und erhöhten Personalaufwand deutlich unterschätzt hat.
- 5. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass die Kommission eine Neufassung der EU-Öko-Verordnung vorgelegt hat. Er begrüßt, dass die Kommission beabsichtigt, insbesondere
- a) das Importkontrollsystem zu verbessern,
- b) identifizierte Schwachstellen, wie z.B. die Teilbetriebsumstellung, zu beseitigen und
- c) Gruppenzertifizierungen zu ermöglichen.
- 6. Eine Totalrevision der europäischen Öko-Verordnung hält der Bundesrat grundsätzlich für nicht erforderlich und hinsichtlich der gewünschten Weiterentwicklung des Ökolandbaus auch für bedenklich. Aus Sicht des Bundesrates sollte an der grundsätzlich bewährten Ausrichtung und Struktur der bestehenden Rechtsverordnungen festgehalten werden, sie aber konsequent und zielgerichtet weiterentwickelt und verbessert werden.
- 7. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, in den kommenden Verhandlungen bei den anderen Mitgliedstaaten der EU für diese Position zu werben.
- 8. Er fordert die Bundesregierung auf, sich in den Verhandlungen konsequent dafür einzusetzen, dass die bestehenden Verordnungen (EG) Nr. 834/2007, (EG) Nr. 889/2007 und (EG) Nr. 1235/2008/EG weiter entwickelt und dabei folgende Grundsätze beachtet werden:
- a) Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen die gewünschte Weiterentwicklung der Ökolandwirtschaft fördern und nicht hindern.
- b) Bürokratie und Verwaltungsaufwand müssen reduziert werden.
- c) Das Grundprinzip der Prozessorientierung muss beibehalten werden.
- d) Die Abschaffung von Ausnahmeregelungen muss schrittweise, realistisch und differenziert erfolgen; sie muss von Aktivitäten zur Entwicklung der Märkte für Ökoeiweißfutter, Ökosaat- und -pflanzgut und Ökojungtiere flankiert werden.
- e) Produktionsregeln und Kontrolle müssen eine Einheit bleiben.
- f) Die speziellen Vorgaben zu den Kontrollen in der ökologischen Landwirtschaft müssen auch weiterhin im EU-Fachrecht verbleiben und dürfen nicht in die horizontale Kontrollverordnung verlagert werden (BR-Drucksache 412/13(B) , Ziffer 12).
- g) Das bewährte, zweistufige Kontrollverfahren mit privaten Kontrollstellen und überwachenden Behörden muss grundsätzlich beibehalten werden. Gleichzeitig sind eine stärkere Fokussierung auf Risikobereiche, eine angemessene Sanktionierung und eine Verbesserung der grenzüberschreitenden Kommunikation notwendig.
- h) Die Einfuhrregeln müssen grundsätzlich beibehalten werden; erforderlich sind eine Konzentration auf eine verbesserte Umsetzung, eine Stärkung der Supervision und eine Beibehaltung der Anerkennung gleichwertiger Standards.
- i) Die Planungssicherheit für Ökolandwirte sowie Verarbeitungs- und Handelsunternehmen muss kontinuierlich gesichert werden.
- 9. Der Bundesrat sieht bei dem Vorschlag ferner noch folgenden Prüf- und Änderungsbedarf. Er bittet die Bundesregierung, die nachfolgenden Aspekte in die Verhandlungen auf EU-Ebene einzubringen:
- a) Das Zertifizierungssystem gemäß Artikel 24 sieht keine Befreiungsmöglichkeit für Unternehmen mehr vor, die Bio-Produkte im stationären Handel an den Endverbraucher verkaufen. Dies stellt eine Verschärfung in Bezug auf geltendes Recht dar (Artikel 28 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates) und hätte zur Folge, dass sich künftig auch jedes kleine Fachgeschäft mit Bio-Handel, selbst wenn es nur ein einziges Bio-Produkt vertreiben sollte, registrieren und zertifizieren lassen müsste. Die hiermit verbundenen Kosten und der bürokratische Mehraufwand stellen insbesondere für kleinere Betriebe mit geringer Rentabilität jedoch eine erhebliche Belastung dar. Diese Art von Betrieben ist häufig in den ohnehin von einer geringen Nahversorgungsdichte betroffenen Gebieten des ländlichen Raums angesiedelt, dessen Versorgungssicherheit hierdurch weiter geschwächt würde. Da im Einzelhandel Bio-Produkte häufig verpackt geliefert und durchgehandelt werden, würde eine Zertifizierung ferner zwar Mehraufwand für den Händler, aber keinen Mehrwert für Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung deshalb, auf eine Beibehaltung der bisherigen Ausnahmeregelungen hinzuwirken.
- b) Gemäß Artikel 26 in Verbindung mit der Legaldefinition des Artikels 3 Absatz 7 steht das System einer Gruppenzertifizierung nur Landwirten zur Verfügung. Diese Beschränkung sollte überprüft werden, weil es auch im Einzelhandel sinnvoll ist, wenn sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Verbundgruppe an ein zentrales Konzept halten. Die Ziele der Verringerung der Kontroll- und Zertifizierungskosten sowie des Verwaltungsaufwandes, der Stärkung lokaler Netzwerke und der Verbesserung der Absatzmöglichkeiten sind bei kleineren Geschäften des stationären Einzelhandels ebenso anzustreben.
- 10. Der Bundesrat lehnt insbesondere die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Vielzahl von delegierten Rechtsakten ab. Er sieht die Gefahr, dass für den Sektor wesentliche Regelungen zukünftig ohne Beteiligung der Betroffenen festgelegt werden können. Aus seiner Sicht müssen diese wesentlichen Regelungen unter Einbeziehung von Experten aus den Mitgliedstaaten geschaffen und im Ratsrecht eindeutig festgelegt werden.
- 11. Er teilt die Auffassung der Kommission im "Aktionsplan für die Zukunft der ökologischen Erzeugung in der EU", dass im ökologischen Landbau zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen und insbesondere zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und zum Abbau von Wissens- und Erfahrungslücken Information, Sensibilisierung und verstärkte öffentliche Forschung erforderlich sind. Er bittet die Bundesregierung darauf hinzuwirken, dass eine entsprechende finanzielle Ausstattung in den Forschungs- und Förderprogrammen der Kommission vorgesehen wird.