963. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2017
A
Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den vorliegenden Verordnungsvorschlag. Er ist ein wichtiger Schritt, um Markttransparenz über die CO₂-Emissionen schwerer Nutzfahrzeuge zu schaffen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt den Verordnungsvorschlag der Kommission, der zu höherer Transparenz bei der Ermittlung der CO₂-Emissionen des Straßengüterverkehrs führt und der zudem notwendig für die Umsetzung künftiger CO₂-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge ist. Angesichts der erwarteten Steigerungen der Treibhausgasemissionen (THG) schwerer Nutzfahrzeuge und der künftig notwendigen THG-Reduktionen im europäischen Verkehrssektor ist es sachgerecht und notwendig, die CO₂-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen zu überwachen und zukünftig auch durch Emissionsnormen zu regeln.
- 3. Der Bundesrat begrüßt angesichts des stetig zunehmenden Straßengüterverkehrs, dass die CO₂-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen überwacht und künftig auch geregelt werden sollen. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg hin zur Senkung der CO₂-Emissionen des Verkehrs.
- 4. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es zur Umsetzung der klimaschutzpolitischen Ziele auf nationaler und europäischer Ebene belastbarer und realistischer CO₂-Emissionsdaten bedarf. Der Bundesrat sieht in diesem Kontext die von der Kommission vorgesehene Zertifizierungsverordnung über die Bestimmung von CO₂-Emissionen und Kraftstoffverbrauch für neue schwere Nutzfahrzeuge, die unmittelbar mit dem vorliegenden Verordnungsvorschlag verknüpft ist, kritisch. Demnach sollen die CO₂-Emissionen und Kraftstoffverbräuche schwerer Nutzfahrzeuge auf der Basis von Simulationen ermittelt werden, die von den Fahrzeugherstellern selbst durchzuführen sind. Angesichts der im Pkw-Sektor seit Ende 2015 bekanntgewordenen Abgasmanipulationen der Hersteller bestehen insofern erhebliche Zweifel, ob die herstellerseitigen Simulationen bei schweren Nutzfahrzeugen zu realistischen CO₂-Emissionen führen. So lagen bei Pkw die realen CO₂-Emissionen in 2015 im Schnitt um 42 Prozent höher als die offiziellen Herstellerangaben (ICCT, 2016).
- 5. Der Bundesrat weist darauf hin, dass das Reduktionsziel der Kommission, 30 Prozent Minderung gegenüber den Emissionen des Jahres 2005 bis zum Jahr 2030, nur auf der Basis realistischer CO₂-Emissionsdaten erreicht werden kann.
- 6. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass bei schweren Nutzfahrzeugen ein Verfahren zur Anwendung kommt, mit dem realistische CO₂-Emissionswerte unabhängig ermittelt, staatlich kontrolliert und von der Kommission überwacht werden.
- 7. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich bei der Kommission dafür einzusetzen, dass das bestmögliche Verfahren zur Erzielung realistischer CO₂-Emissionswerte zur Anwendung kommt und ein hohes Maß an Transparenz gewährleistet wird.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass insbesondere in Artikel 5 die Pflichten zu Monitoring und Reporting bei Nutzfahrzeugen mit einem mehrstufigen Aufbauprozess für alle Beteiligten eindeutig und mit entsprechendem zeitlichen Vorlauf geregelt werden. Außerdem sollte Artikel 2 des Verordnungsvorschlags mit dem Anwendungsbereich der CO₂-Zertifizierung (Simulationstool zur Berechnung des Energieverbrauchs von Fahrzeugen - "Vehicle Energy Consumption Calculation Tool" - VECTO) übereinstimmen.
- 9. Aus Sicht des Bundesrates ist der vorliegende Verordnungsvorschlag im Zusammenhang zu sehen mit dem derzeit auf EU-Ebene in Verhandlung befindlichen neuen Kfz-Typgenehmigungsrahmen (BR-Drucksache 049/16 (PDF) ). Dazu unterstützt die Bundesregierung die Einführung einer verpflichtenden behördlichen Marktüberwachung und spricht sich für eine Qualitätsüberprüfung von Typgenehmigungen aus (siehe BT-Drucksache 18/11587). Der Bundesrat begrüßt diese Position, sieht jedoch kurzfristigen Handlungsbedarf auf nationaler Ebene, um den unzulässigen Manipulationen der Automobilhersteller in Verbindung mit offensichtlichen Qualitätsmängeln bei den technischen Diensten und den Unzulänglichkeiten der Typgenehmigungsbehörde ordnungspolitisch zu begegnen.
- 10. Der Bundesrat sieht diesen Handlungsbedarf auch in Bezug auf die wirtschaftliche Bedeutung der deutschen Automobilindustrie und des Transportgewerbes. Für die deutschen Automobilhersteller und Zulieferer steht ihr guter Ruf auf dem Spiel und für das Transportgewerbe führen fehlerhafte Angaben der Automobilindustrie zu nachteiligen Investitionsentscheidungen. Diese Risiken müssen kurzfristig durch geeignete Maßnahmen überwunden werden.
- 11. Der Bundesrat verweist auf seine Stellungnahme vom 22. April 2016 zum Typgenehmigungsrahmen für Kfz (BR-Drucksache 049/16(B) ). Im Hinblick auf die bekanntgewordenen Missstände bei den Emissionsmessungen der Automobilindustrie, den Qualitätsmängeln bei den technischen Diensten und der unzulänglichen Marktüberwachung der Genehmigungsbehörde fordert er die Bundesregierung auf,
- - die in Artikel 11 der Verordnung (EG) Nr. 595/2009 vorgesehenen wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen zu belegten Verstößen der Hersteller hinsichtlich der Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen (Euro VI) umgehend zu ergreifen;
- - eine Neustrukturierung auf nationaler Ebene vorzunehmen, bei der die mit der Fahrzeugprüfung neuer Kfz betrauten technischen Dienste von der Typgenehmigungsbehörde beauftragt und bezahlt werden, um Interessenskonflikte mit den Kfz-Herstellern zu vermeiden;
- - die Konformität der in Betrieb befindlichen Fahrzeuge durch eine nicht mit Typprüfungen beauftragte öffentliche, nicht im Wettbewerb stehende Einrichtung zu prüfen;
- - die mit der Konformitätsprüfung betraute Einrichtung mit Ressourcen auszustatten, die eine wirksame Kontrolle der Kraftfahrzeuge des Bestands ermöglicht;
- - die Ergebnisse der Konformitätsprüfung regelmäßig, mindestens halbjährlich, und vollständig zu veröffentlichen;
- - das Verfahren von Rückrufaktionen einschließlich Fristen für die Nachbesserung und gestufte Sanktionen festzulegen und dafür eine Rechtsgrundlage zu schaffen;
- - erteilte Typgenehmigungen zu widerrufen und Schadensersatzregelungen für betroffene Fahrzeughalter vorzusehen, wenn der Hersteller innerhalb einer Frist von zwölf Monaten an beanstandeten Fahrzeugtypen keine wirksame, von einer unabhängigen Einrichtung bestätigte Abhilfemaßnahme zur Einhaltung der Emissionsgrenzwerte im realen Straßenverkehr nachweisen kann und - die Gültigkeit von Typgenehmigungen auf drei Jahre zu befristen und eine Verlängerung in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Konformitätsprüfung zu erteilen.
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- 12. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.