Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2010/73/EU und zur Änderung des Börsengesetzes

Der Bundesrat hat in seiner 892. Sitzung am 10. Februar 2012 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 4 Absatz 1 Nummer 4 WpPG)

Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist wie folgt zu fassen:

"bb) In Nummer 4 werden die Wörter "Aktien, die den Aktionären nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln angeboten werden, sowie" durch die Wörter "an die Aktionäre ausgeschüttete" ersetzt."

Begründung:

In der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb des Gesetzentwurfs heißt es, die Fallgruppe des unentgeltlichen Angebots bzw. der unentgeltlichen Zuteilung von Aktien an vorhandene Aktionäre, die in § 4 Absatz 1 Nummer 4 Wertpapierprospektgesetz (WpPG)

durch die Nennung des Anwendungsfalls "Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln" umgesetzt worden sei, werde gestrichen. Dies entspricht der Richtlinienvorgabe (vgl. Erwägungsgrund 13 und Artikel 1 Nummer 4 Buchstabe a Ziffer i der Änderungsrichtlinie, ABl. L 327 vom 11.12.2010, S. 1).

Der Gesetzentwurf sieht jedoch lediglich eine sprachliche Präzisierung des § 4 Absatz 1 Nummer 4 WpPG vor (Einfügung der Wörter "an die Aktionäre ausgeschüttete" nach dem Wort "sowie"). Die Streichung wird mit dieser Änderung nachgeholt.

2. Zu Artikel 5 Nummer 3a - neu - (§ 5 Absatz 6 - neu - BörsG)

In Artikel 5 ist nach Nummer 3 folgende Nummer 3a einzufügen:

"3a. Dem § 5 wird folgender Absatz 6 angefügt:

(6) Der Börsenträger hat das Land, in dessen Gebiet die Börse ansässig ist, von allen Ansprüchen Dritter wegen Schäden freizustellen, die durch die für die Börse Handelnden in Ausübung der ihnen übertragenen Aufgaben verursacht werden." "

Begründung:

Nach Rechtsprechung (Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 11. Juni 2010, Geschäftsnummer: 9 U 64/09) und Literaturmeinung richten sich Amtshaftungsansprüche wegen Fehlverhaltens der für die Börse Handelnden grundsätzlich nicht gegen die Börse als teilrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ( § 2 Absatz 1 BörsG), sondern gegen das Land, in dem die Börse ansässig ist. Als lediglich beliehenes Unternehmen ist nicht der Träger der Börse, sondern die Körperschaft haftbar, die das Amt dem Beliehenen anvertraut hat. Dies sind regelmäßig die Länder, die die Errichtung der Börse auch genehmigt haben. Die Länder haben aber keinen Einfluss auf etwaige Pflichtverletzungen der Börsenorgane oder ihrer Erfüllungsgehilfen. Im Übrigen stehen allein dem Börsenträger die mit dem Börsenbetrieb entstehenden Erträge zu. Dies ist unbillig.

Der Gesetzgeber hat das Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung (BVerwG, Urteil v. 26.8.2010 - 3 C 35/09 in NVwZ 2011, S. 368 ff.) der Haftungsfolgen einer Beleihung in anderen Rechtsbereichen in der Regel auch erkannt und dem Rechnung getragen (z.B. § 10 Absatz 4 Kraftfahrsachverständigengesetz). Im Börsengesetz fehlt indes eine entsprechende Regelung. Zwar bestimmt das Börsengesetz an anderer Stelle, dass die Wahrnehmung der Aufgaben der Börsenorgane "im öffentlichen Interesse" erfolgt. Unabhängig von den verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegenüber dieser Regelung erhoben werden, greift diese Regelung jedenfalls dann nicht, wenn durch eine missbräuchliche Amtshandlung unmittelbar auf das Vermögen eines Dritten eingewirkt wird. Die bestehenden Regelungen bieten daher keinen umfassenden, sicheren Schutz vor der Inanspruchnahme des Sitzlandes der Börse durch Dritte und erfordern daher eine Ergänzung des Börsengesetzes.