KOM (2004) 642 endg.; Ratsdok. 13495/04
Der Bundesrat hat in seiner 808. Sitzung am 18. Februar 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis. Er ist allerdings der Auffassung, dass für diese Empfehlung des Rates und des Europäischen Parlaments weder eine Zuständigkeit der EU noch eine Veranlassung gegeben ist.
- 2. Nach Artikel 149 EGV beschränken sich die Zuständigkeiten der EU im Bereich Bildung darauf, zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung beizutragen, indem sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten erforderlichenfalls unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Gestaltung des Bildungssystems unterstützt und ergänzt. Der Bundesrat betont, dass durch diese Zuständigkeiten der Gemeinschaft die detaillierten Vorgaben der Einzelempfehlungen A bis E zur Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Qualitätssicherungsorganisation sowie zur Lizenzierung und Finanzierung von Hochschuleinrichtungen nicht gedeckt sind. Die Mitgliedstaaten der EU haben sich verpflichtet, im Rahmen des intergouvernementalen Bologna-Prozesses im Zusammenwirken mit weiteren 15 europäischen Staaten den Europäischen Hochschulraum zu errichten und dabei der Qualitätssicherung Priorität einzuräumen. Die Konferenz in Bergen 2005 soll u. a. auch die Anliegen von
Nichtregierungsorganisationen (EUA, EURASHE und ESIB) einbeziehen. Der Bundesrat fordert, dass diese umfassende Zusammenarbeit aller am Bologna-Prozess beteiligten Staaten und Organisationen nicht durch Empfehlungen gespalten wird, die sich als Instrument des EGV nur an die Mitgliedstaaten richten können. Der in Bergen voraussichtlich zu beratende Vorschlag des Europäischen Netzwerks für Qualitätssicherung in der Hochschulbildung (ENQA) für europaweite Standards, Richtlinien und Verfahren der Qualitätssicherung soll die Grundlage für eine Entscheidung über die künftige Zusammenarbeit auf diesem Feld bilden. Auch insoweit besteht nach Einschätzung des Bundesrats bei dem derzeitigen Stand der Entwicklung im Bologna-Prozess bezüglich der Aktivitäten zur Qualitätssicherung keine Notwendigkeit für ergänzende Empfehlungen der Gemeinschaft.
- 3. Zur Empfehlung A der Kommission, nach der die Mitgliedstaaten allen in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Hochschuleinrichtungen die Einführung strenger interner Qualitätssicherungsmechanismen vorschreiben sollen, weist der Bundesrat darauf hin, dass Qualitätssicherung im Kern und gemäß der Autonomie der Hochschulen Aufgabe der einzelnen Hochschulen ist. Darüber hinaus haben sich alle Signatarstaaten der Berlin-Erklärung 2003 verpflichtet, in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen wirksame Systeme der Qualitätssicherung einzuführen. In Bergen 2005 werden die Bologna-Signatarstaaten u. a. über Auf- und Ausbau der nationalen Qualitätssicherungssysteme und deren internationale Vernetzung berichten. Die Schlussfolgerungen der Bergen-Konferenz bleiben abzuwarten. Sollten Defizite erkennbar werden, wird über geeignete weiterführende Maßnahmen im Rahmen des Bologna-Prozesses zu beraten sein. Zu den Rahmenvorgaben für die Qualitätssicherung an den Hochschulen in Deutschland verweist der Bundesrat auf die entsprechenden Regelungen im HRG (z.B. §§ 6 und 8) und die entsprechende Hochschulgesetzgebung der Länder.
- 4. Zur Empfehlung B an die Mitgliedstaaten, allen in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Qualitätssicherungs- oder Akkreditierungsagenturen vorzuschreiben, bei ihren Bewertungen unabhängig zu sein, die in der Ratsempfehlung vom September 1998 angeführten Qualitätssicherungsaspekte zu berücksichtigen und ein vereinbartes System von Normen, Verfahren und Richtlinien zur Qualitätssicherung anzuwenden, weist der Bundesrat darauf hin, dass es im Rahmen des Bologna-Prozesses einen Grundkonsens hinsichtlich der Anforderungen an die Unabhängigkeit der Agenturen gibt. Zudem unterstreicht der Bundesrat, dass es in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten liegt, strukturell für eine solche Unabhängigkeit der Agenturen und deren Tätigkeit Sorge zu tragen. Europaweit geht es darum, die Entwicklung dezentraler, gleichwertiger und transparenter Systeme auf der Grundlage der in Netzwerken vereinbarten Standards zu befördern. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse ENQA der Bergen-Konferenz bezogen auf Standards, Richtlinien und Verfahren vorlegen wird und was sich aus der Bestandsaufnahme als Handlungsnotwendigkeit ergibt. Die Bindung an die Empfehlung von 1998 hält der Bundesrat für die Festschreibung eines Minimal-Standards aus der Zeit vor dem Bologna-Prozess; nach Auffassung des Bundesrates muss Qualitätssicherung jedoch stets auf der Höhe der Zeit sein und entwicklungsfähig bleiben.
- 5. Die Kommission empfiehlt in C, die Agenturen aufzufordern, gemeinsam mit den den Hochschulbereich vertretenden Organisationen ein Europäisches Register von Agenturen aufzustellen und die Bedingungen für eine Registrierung festzulegen. Dies läuft darauf hinaus, dass auf europäischer Ebene ohne Beteiligung der Mitgliedstaaten, die für die Qualität der mitgliedstaatlichen Bildungssysteme zuständig sind, entschieden werden soll, welche Einrichtung als geeignet angesehen wird, auf der mitgliedstaatlichen Ebene Akkreditierungen und Evaluierungen vorzunehmen. Dafür bedürfte es wiederum einer europäischen Einrichtung, die diese Aufgaben - die Anerkennung der Agenturen und deren regelmäßige Überprüfung - wahrzunehmen hätte. Der Bundesrat betont die mitgliedstaatliche Zuständigkeit auch in diesen Fragen und lehnt nicht nur unter Hinweis auf den zu erwartenden bürokratischen Aufwand die Schaffung einer entsprechenden europäischen Agentur mit Verantwortung über Nicht-Zulassung oder Zulassung entschieden ab.
- 6. Die Empfehlung D sieht vor, den in einem Mitgliedstaat tätigen Hochschuleinrichtungen die Möglichkeit zu geben, aus dem europäischen Register eine Agentur auszuwählen, die ihren Bedürfnissen und ihrem Profil entspricht. Diese Empfehlung scheint dem Bundesrat eher auf die Ausweitung des Handels mit Bildungsdienstleistungen als auf Qualitätssicherung zu zielen. Eine solche Empfehlung verkennt, dass zumindest in manchen Mitgliedstaaten auch die Aufsichtsbehörden (wie z.B. in Deutschland die Länderministerien) eine Mitverantwortung für die Qualität der Einrichtungen und der Ausbildung tragen. Der Bundesrat hebt hervor, dass auch jetzt schon Akkreditierungen deutscher Hochschulstudiengänge durch ausländische Agenturen in Deutschland anerkannt werden können. Er weist aber entschieden darauf hin, dass es mitgliedstaatliche Zuständigkeit ist zu bewerten, ob und welche ausländischen Einrichtungen als geeignet für Maßnahmen der Qualitätskontrolle gelten können. Der Bundesrat lehnt daher die Einräumung eines Auswahlrechts aus dem europäischen Register entschieden ab, sofern die dort verzeichneten Agenturen nicht ihrerseits durch die Akkreditierungs- und Qualitätssicherungsverfahren des jeweiligen Staates akkreditiert sind, in dem sie tätig werden wollen.
- 7. Die Empfehlung E sieht vor, die Gutachten der im europäischen Register eingetragenen Agenturen als Grundlage für innerstaatliche Entscheidungen zu akzeptieren, soweit sie die Lizenzierung oder Finanzierung von Hochschuleinrichtungen betreffen. In Verbindung mit den Empfehlungen C und D greift diese Empfehlung eindeutig in die ausschließlichen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten ein. Im Übrigen macht der Bundesrat darauf aufmerksam, dass Ergebnisse von Qualitätssicherungsverfahren zwar eine wesentliche, aber nicht alleinige Grundlage für strukturelle Entscheidungen im Hochschulbereich sind. Insbesondere kann aus der Akkreditierung kein Rechtsanspruch gegen den Staat auf Finanzierung abgeleitet werden. Der Bundesrat lehnt daher die Empfehlung entschieden ab, innerstaatliche Entscheidungen an solche Akkreditierungen zu binden.
- 8. Die konkrete Ausgestaltung der Qualitätssicherung im Bildungsbereich ist Ländersache. Von den fünf Einzelempfehlungen (A - E) sind Teil-Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes nur durch die Einzelempfehlung A berührt; die übrigen Einzelempfehlungen B - E unterfallen ausschließlich den Gesetzgebungsbefugnissen der Länder. Das betrifft insbesondere die Modalitäten der Akkreditierung von Studiengängen und Hochschuleinrichtungen sowie die Lizenzierung und Finanzierung von Studiengängen. Insoweit liegt der Schwerpunkt des Vorhabens quantitativ und qualitativ in der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis der Länder. Deshalb ist die Stellungnahme gemäß § 5 Abs. 2 EUZBLG maßgeblich zu berücksichtigen. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, die Verhandlungsführung gemäß § 6 Abs. 2 EUZBLG auf die Länderseite zu übertragen.