Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 beschlossen, zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2019 gemäß Artikel 110 Absatz 3 des Grundgesetzes und zu dem Finanzplan des Bundes 2018 bis 2022 gemäß § 9 Absatz 2 Satz 2 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft und gemäß § 50 Absatz 3 Satz 1 des Haushaltsgrundsätzegesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf und zum Finanzplan allgemein
- 1. Die deutsche Wirtschaft befindet sich derzeit noch in einer Phase der Hochkonjunktur, der Aufschwung hat im ersten Halbjahr jedoch an Dynamik verloren. Dies und die sich zunehmend abzeichnenden Kapazitätsengpässe deuten darauf hin, dass der Höhepunkt der Wachstumsphase überschritten sein könnte. Darüber hinaus haben die Risiken für die weitere konjunkturelle Entwicklung insbesondere im außenwirtschaftlichen Bereich eher zu- als abgenommen. Dies zeigt sich vor dem Hintergrund sich verschärfender internationaler Handelskonflikte, etwa im Zusammenhang mit der US-amerikanischen Zollpolitik. Des Weiteren sind als Risiken der anstehende - bezüglich der Modalitäten immer noch ungeklärte - Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union zu nennen, aber auch die fortbestehende Fragilität innerhalb des europäischen Bankensystems sowie die hohe Verschuldung in einigen europäischen Staaten.
- 2. Die deutschen Staatsfinanzen profitieren aktuell von den positiven wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und entwickeln sich weiterhin günstig. Auf kurze bis mittlere Frist ist - sofern sich die beschriebenen Risiken nicht materialisieren - mit einem fortgesetzten soliden, aber nicht weiter zunehmenden Wachstum der Steuereinnahmen zu rechnen. Auf mittlere bis längerfristige Sicht müssen sich allerdings alle staatlichen Ebenen parallel zu einem absehbar nachlassenden Wirtschaftswachstum auf zunehmende Haushaltsbelastungen einstellen. Neben künftig wieder ungünstigeren Finanzierungskonditionen wird insbesondere der demografische Wandel in den nächsten Jahrzehnten die fiskalische Entwicklung in Deutschland maßgeblich bestimmen. Gleichzeitig das Ziel strukturell ausgeglichener Haushalte beizubehalten und Wachstumsimpulse durch die Bedienung fortdauernder Investitionsbedarfe (z.B. für Verkehrsinfrastruktur, Wohnraumförderung, Digitalisierung, Einhaltung der Klimaschutzziele sowie in den Bereichen Kinderbetreuung, Schulen und Integration) freizusetzen, macht eine solide, verantwortungsvolle und zukunftsorientierte Finanzpolitik unerlässlich. Ausgabendisziplin und die Sicherung der staatlichen Einnahmebasis sind die Voraussetzungen dafür, dass auch künftig finanzpolitische Herausforderungen bei Einhaltung der verfassungsrechtlichen Verschuldungsgrenzen bewältigt werden können.
- 3. Deutschland erfüllt im Projektionszeitraum 2018 bis 2022 die europäischen Anforderungen eines mittelfristig strukturell annähernd ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalts. Auch die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote in Maastricht-Abgrenzung sinkt - absehbar auch für die Zukunft - kontinuierlich. Der Bundesrat erkennt an, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, dass im Jahr 2019 die erlaubte Maastricht-Obergrenze von 60 % des Bruttoinlandsprodukts voraussichtlich erstmals seit dem Jahr 2002 wieder unterschritten wird.
- 4. Gegenwärtig erlauben die günstigen Rahmenbedingungen der Bundesregierung, eine insgesamt expansiv ausgerichtete Ausgabenpolitik und das Ziel eines annähernd strukturell ausgeglichenen Haushalts in Einklang zu bringen. Durch Einhaltung eines angemessenen Sicherheitsabstands zur strukturellen Defizitobergrenze kann auch bei Eintrübung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Weg einer soliden und zukunftsorientierten Finanzpolitik weiter beschritten werden.
- 5. Mit Blick auf den zwischenzeitlich erreichten Schuldenstand des Fonds Deutsche Einheit verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 8. Juni 2018 in der Bundesrats-Drucksache 125/18(B) .
- 6. Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass der Bund seine Beteiligung an den flüchtlingsbedingten Kosten von Ländern und Gemeinden auch im Jahr 2019 weitgehend unverändert weiterführen will. Die dabei vom Bund für 2019 angebotene Beteiligung an den flüchtlingsbedingten Kinderbetreuungskosten i.H.v. 435 Mio. Euro stellt aber nur einen Bruchteil der auch zukünftig anfallenden flüchtlingsbedingten Betreuungskosten dar. Der Bundesrat fordert den Bund auf, in der Haushaltsplanung zu berücksichtigen, dass die Bundesbeteiligung an den flüchtlingsbedingten Kosten von Ländern und Gemeinden auch in den Jahren ab 2020 in adäquater Höhe fortgesetzt wird. Grundlage für eine zukünftige Beteiligung des Bundes müssen die bisherigen Erfahrungen und die zu erwartenden Belastungen sein. Auf dieser Basis muss eine effizientere und lastengerechte Regelung geschaffen werden, wobei nicht davon auszugehen ist, dass die Gesamtkosten zukünftig sinken werden.
- 7. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Erstattungen der ostdeutschen Länder an den Bund nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG), die im Jahr 2016 noch eine Höhe von rund 2,7 Mrd. Euro hatten, im Jahr 2022 insgesamt ein Niveau von voraussichtlich rund 3,1 Mrd. Euro erreicht haben werden. Die Größenordnung und Dynamik der Erstattungen ist für Länder mit einer ausgeprägten Struktur- und Finanzschwäche eine erhebliche Last, die den weiteren ostdeutschen Aufholprozess und die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland erschwert. Der Bundesrat erinnert deshalb an die Zusage des Bundes, schrittweise einen höheren Anteil der Erstattungen an die Deutsche Rentenversicherung nach dem AAÜG zu übernehmen. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, eine erste signifikante Erhöhung des Bundesanteils mit dem Bundeshaushalt 2019 umzusetzen.
- 8. Der Bundesrat begrüßt die Anstrengungen der Bundesregierung, die Förderung der ländlichen Entwicklung, insbesondere die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, zu stärken und finanziell auszubauen. Die Aufstockung der Gemeinschaftsaufgabe zur "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" scheint ein geeignetes Instrument, um dieses Ziel zu erreichen. Allerdings bestehen nach wie vor Bedenken, dass die Flexibilität zum Einsatz der Mittel für die Länder nicht gegeben ist. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, die Veranschlagung der Gemeinschaftsaufgabe zur "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hinsichtlich einer flexibleren Anwendung für die Länder zu überprüfen. Dies betrifft insbesondere die Übertragbarkeit der Bundesmittel, die Erforderlichkeit von Zweckbindungen, die Angleichung der Höhe der Verpflichtungsermächtigungen an das Niveau der GRW und die Einbettung des Sonderrahmenplans in das Gesamtkonzept der Gemeinschaftsaufgabe.