Der Bundesrat hat in seiner 821. Sitzung am 7. April 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat bekräftigt seine am 10. Februar 2006 beschlossene Stellungnahme zum Biomasse-Aktionsplan der Kommission (BR-Drucksache 914/05(B) ) und begrüßt grundsätzlich die Mitteilung der Kommission über eine EU-Strategie für Biokraftstoffe. Mit der Mitteilung sollen Maßnahmen vorgeschlagen und eingeleitet werden, die kurz-, mittel- und langfristig in der EU einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung des Marktanteils von Biokraftstoffen im Verkehrssektor und zum effizienten und umweltfreundlichen Einsatz von Biomasse für diesen Verwendungszweck leisten sollen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt das der Mitteilung der Kommission zu Grunde liegende Ziel, die Nutzung erneuerbarer Energien in Form von Biokraftstoffen voranzutreiben. Da es sich bei den Vorschlägen der Kommission weitgehend nicht um konkretisierte Entwürfe handelt, kann die Eignung der einzelnen Maßnahmen nicht abschließend beurteilt werden.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den anstehenden Beratungen darauf hinzuwirken, dass eine zügige Diskussion der Vorschläge erfolgen kann, damit Forschungseinrichtungen, die Land- und Forstwirtschaft, die betroffenen Industrien sowie die Mitgliedstaaten selbst sich frühzeitig auf die zukünftigen Möglichkeiten und Anforderungen einstellen und entsprechend reagieren können.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Zuge der weiteren Beratungen auf EU-Ebene nachdrücklich darauf hinzuwirken, dass mit der Ausgestaltung der zukünftigen Rahmenbedingungen die bisher in Deutschland getätigten Investitionen in der Bereitstellung und Produktion von Biokraftstoffen, insbesondere für die Verwendung der reinen Biokraftstoffe, nicht gefährdet werden.
- 4. Der Bundesrat stellt fest, dass der für 2005 angestrebte Biokraftstoffanteil von 2 Prozent zwar in Deutschland, aber nicht in allen Mitgliedstaaten erreicht worden ist. Angesichts der Herausforderungen Europas in den Bereichen Klimaveränderung, Energieimportabhängigkeit und Innovationsfähigkeit sind daher verstärkte Anstrengungen erforderlich, um den für 2010 angestrebten Anteil von 5,75 Prozent noch zu erreichen.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Kommission in ihrem Bestreben, das Ziel eines Marktanteils von Biokraftstoffen von 5,75 Prozent verbindlich zu formulieren. Hierfür ist allerdings u. a. eine Änderung der EU-Kraftstoffrichtlinie erforderlich, die derzeit nur eine Beimischung von 5 Prozent erlaubt. Er begrüßt deshalb auch das Vorhaben der Kommission, in 2006 drei weitere Berichte - zur Biokraftstoffrichtlinie, zur Treibstoffqualitätsrichtlinie und zur Energiepflanzen-Prämie - mit spezifischen Maßnahmen und Initiativen vorzuschlagen. Als Fortschreibung ist zukünftig eine Steigerung des Marktanteils für Biokraftstoffe zu formulieren.
- 6. Der Bundesrat spricht sich für eine europaweite Beimischungsverpflichtung aus und begrüßt die Feststellung der Kommission, dass Verpflichtungen bezüglich der Biokraftstoffverwendung gut geeignet sind, um gleichzeitig Klimaschutzziele und höhere Marktanteile von Biokraftstoffen zu erreichen, und dass sich Steuervergünstigungen - insbesondere für Fahrzeugflotten sowie für landwirtschaftliche und Schwerlastfahrzeuge - bewährt haben.
- 7. In diesem Zusammenhang weist der Bundesrat darauf hin, dass bei der Einführung einer Beimischungspflicht von Biokraftstoffen auch die zukünftigen EU-Rahmenbedingungen im Biokraftstoffsektor und deren Auswirkungen auf die entsprechenden Märkte zu berücksichtigen sind.
- 8. Im Übrigen kann nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass die Beimischung hoher Anteile von Biokraftstoffen automatisch zu einer gesteigerten Umweltfreundlichkeit führt.
- 9. Der Bundesrat hält auch weiterhin für den Einsatz von Biokraftstoffen in ausgewählten Sektoren wie dem Agrar- und Forstbereich, der Schifffahrt und dem öffentlichen Verkehr eine längerfristige Steuerbefreiung für Reinkraftstoffe für sinnvoll und erforderlich. Es gelten in diesen Sektoren geringere Steuersätze oder Steuerbefreiungen für fossile Kraftstoffe, so dass die unter Zugrundelegung des regulären Dieselsteuersatzes festgestellte Überförderung für diese Bereiche nicht zutrifft. Für den Agrar- und Forstbereich in Deutschland schafft die Steuerbefreiung außerdem eine Minderung für die bestehenden internationalen Wettbewerbsnachteile bei der Besteuerung von Agrardiesel.
- 10. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission darin überein, dass eine Strategie zu entwickeln ist, die den unterschiedlichen wirtschaftlichen, welthandelsrechtlichen und ökobilanziellen Aspekten sowohl von heimischen als auch von importierten Kraftstoffen Rechnung trägt. Er bittet die Bundesregierung, gemeinsam mit der Kommission einen konkreten Vorschlag zu erarbeiten.
- 11. Der Bundesrat unterstützt die von der Kommission geforderte Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten Generation (insbesondere BTL-Kraftstoffe) und hält dafür eine langfristige Steuerbefreiung und investive Förderung für erforderlich.
- 12. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den anstehenden Beratungen zur Konkretisierung der verschiedenen Maßnahmen für die Förderung von Biokraftstoffen der zweiten und der folgenden Generation sicherzustellen, dass eine objektive Beurteilung der verschiedenen Nutzungspfade im Hinblick auf deren Energieeffizienz, das nutzbare Biomassepotenzial, die Auswirkungen auf die Umwelt und die damit verbundenen CO₂-Minderungskosten stattfindet.
- 13. Dem Treibstoffpfad mit SNG (Substitute Natural Gas) ist bei der Forschung und der Entwicklung und somit in der zukünftigen Umsetzung einer EU-Biokraftstoffstrategie ein hoher Stellenwert einzuräumen. Der Bundesrat begrüßt daher ausdrücklich die Aussagen der Kommission zu dieser Option, da diese auch die grundsätzliche Möglichkeit einer gleichzeitigen Erzeugung von Kraftstoff, Strom und Wärme in dezentralen SNG-Anlagen eröffnet. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang nochmals auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2006 zur Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan für Biomasse (BR-Drucksache 914/05(B) ) hin.
- 14. In Zusammenhang mit dem Vorschlag der Einführung eines Zertifizierungssystems zur Sicherstellung eines nachhaltigen Anbaus von Biomasse für den Kraftstoffsektor betont der Bundesrat, dass keine zusätzlichen bürokratischen Belastungen auf die Biomasseproduzenten in der EU kommen dürfen und verweist hierzu u. a. auf bestehende Zertifizierungssysteme in der Forstwirtschaft sowie auf die gute fachliche Praxis in der Landwirtschaft.
- 15. Der Bundesrat bekräftigt seinen in der 820. Sitzung am 10. März 2006 gefassten Beschluss, wonach der Vorschlag der Einführung einer EEV-Quote für öffentlich beschaffte Fahrzeuge nicht weiterverfolgt werden soll (vgl. BR-Drucksache 011/06(B) ).