951. Sitzung des Bundesrates am 25. November 2016
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die Mitteilung der Kommission zur besseren Rechtsetzung - Bessere Ergebnisse für eine stärkere Union - zur Kenntnis.
- 2. Der Bundesrat nimmt die ebenfalls als Beispiel angeführten Kommissionsvorschläge zur Verringerung des Regulierungsaufwands und der Verwaltungslasten zur Gemeinsamen Agrarpolitik zum Anlass, erste Fortschritte wie zum Beispiel die Vereinfachung beim "aktiven Landwirt" anzuerkennen und auf folgende Aspekte hinzuweisen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zur weiteren bürokratischen Entlastung der Betriebe und Verwaltungen die vorgesehene Option für die Nichtanwendung des "aktiven Landwirts" gemäß Artikel 9 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 auf EU-Ebene zu unterstützen und davon Gebrauch zu machen.
- 3. Der Bundesrat hält auch Vereinfachungen im Cross Compliance (CC)-System weiterhin für erforderlich und begrüßt in diesem Zusammenhang den zwischenzeitlich von der Kommission vorgelegten Lösungsvorschlag für eine Abmilderung von unverhältnismäßigen CC-Sanktionen bei geringfügigen Fehlern im Bereich der Tierkennzeichnung. Er bittet die Bundesregierung, auf EU-Ebene für eine rechtssichere Ausgestaltung dieser Regelung einzutreten.
- 4. Der Bundesrat regt zudem eine Vereinfachung bei denjenigen CC-Kontrollvorgaben an, bei denen bereits explizite Vorgaben seitens des EU-Fachrechts bestehen (zum Beispiel Tierkennzeichnung, Futtermittel-, Lebensmittelsicherheit, Pflanzenschutz).
- 5. Der Bundesrat hält es jedoch für bedenklich, dass die im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes vorgesehenen 15 Vereinfachungsvorschläge der Kommission zur praktikableren Ausgestaltung der Ökologisierung (Working Document DS/EGDP/2016/04 der Kommission vom 4. Juli 2016 zur Änderung der Delegierten Verordnung Nr. (EU) Nr. 639/2014) auch wesentliche inhaltliche Änderungen vorsehen, die über eine technische Anpassung weit hinausgehen.
- 6. Um den Erhalt des Anteils von Brachflächen sicherzustellen und die EU-Eiweißerzeugung nicht zu schwächen, bittet der Bundesrat daher die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene die Verlängerung des Stilllegungszeitraums von sechs auf neun Monate abzulehnen und das fakultative Verbot von Pflanzenschutzmitteln beim Anbau stickstoffbindender Pflanzen als ökologische Vorrangfläche beizubehalten.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei der Ökologisierung über die vorgeschlagenen Vereinfachungen hinaus auch bei der Erhaltung des bestehenden Dauergrünlands dafür einzutreten, dass Fruchtfolgen verschiedener Futterpflanzen (zum Beispiel Ackergras, Ackergras-LeguminosenMischungen) sowie aus der Produktion genommene Ackerflächen (einschließlich aus der Erzeugung genommene und brachliegende Rebflächen) von der Dauergrünlandentstehung ausgenommen werden.
- 8. Im Hinblick auf die Zielsetzung "Bessere Rechtsetzung - Bessere Ergebnisse für eine stärkere Union" sieht der Bundesrat auch die Notwendigkeit, das EU-Fachrecht im Sinne der konsequenten Anwendung des Kosten-Nutzen-Prinzips noch stärker an tatsächlichen Risiken auszurichten, um auch auf diesem Weg zu spürbaren Erleichterungen für landwirtschaftliche Betriebe zu kommen.
- 9. Aus Sicht des [Natur-, Umwelt- und] Verbraucherschutzes ist es grundsätzlich sinnvoll, wenn auf Seiten der EU lediglich eine Mindestharmonisierung stattfindet, so dass es in den einzelnen Mitgliedstaaten möglich ist, im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher [und des Umwelt- und Naturschutzes] auch höhere [Schutzstandards] bzw. {Verbraucherschutzstandards} beizubehalten. Die pauschale Behauptung der Kommission, dass es sich dabei um eine "Überregulierung" handelt, wird zurückgewiesen. Es erscheint auch nicht sachgerecht, warum die Mitgliedstaaten der Kommission künftig {Mitteilung erstatten} bzw. [Rechenschaft darüber ablegen] sollen, dass im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher [sowie unserer Lebensgrundlage - der Umwelt und der Natur -] über bestehende Mindeststandards hinausgegangen wird. Dieser Mechanismus erzeugt - ebenso wie die Erläuterungspflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern - einen sachlich nicht begründeten Rechtfertigungsdruck für hohe Standards, die zum Schutz [der Natur und Umwelt sowie] der Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten werden sollen. Demgegenüber ist für eine denkbare Absenkung des Schutzniveaus keinerlei Begründungspflicht vorgesehen, hier reicht offenbar der allgemeine Hinweis auf die "Entbürokratisierung" aus. Diese Verfahren werden nicht dazu führen, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die europäische Politik wächst.
- 10. Der Bundesrat betrachtet den Vorwurf der Kommission, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von EU-Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene häufig über das von der EU Vorgegebene hinausgehen, als zu pauschal. Er bekennt sich zu dem Ziel, so oft wie möglich 1:1 umzusetzen und nur dort, wo sachliche und fachliche Gründe es erfordern, über Standards der EU-Richtlinien hinauszugehen. Deshalb geht es nicht um so genanntes Gold plating,sondern darum, dass es den Mitgliedstaaten in jedem Einzelfall weiter möglich sein muss zu entscheiden, was zur sinnvollen Umsetzung erforderlich ist. Der Vorschlag der Kommission, dass die Mitgliedstaaten "Gold plating" jeweils begründen sollen, könnte zu mehr Transparenz beitragen; allerdings dürfen verstärkte Rechenschaftspflichten in Bezug auf die nationale und regionale Umsetzung nicht zu einer Einmischung in Fragen der innerstaatlichen Verwaltungsorganisation und des innerstaatlichen Verwaltungsverfahrens führen.
- 11. Der Bundesrat bekräftigt eindringlich seine schon dargelegte Auffassung, dass der - generell zu begrüßende - Bürokratieabbau, zum Beispiel durch das REFIT-Programm, nicht "durch die Hintertür" zu einem Abbau der Sozialstandards bzw. zu einer Verhinderung neuer notwendiger Rechtsetzung in diesem Bereich führen darf.
Er wiederholt seine Auffassung, dass Maßnahmen der besseren Rechtsetzung bestehende oder künftige Standards im Umwelt-, Natur-, Verbraucher-, Gesundheits-, Arbeits- und Sozialschutz sowie im Arbeitsrecht oder bei der Bürgerbeteiligung nicht in Frage stellen dürfen.
Der Bundesrat verweist darauf, dass die Frage der Standardsetzung innerhalb der geregelten EU-Rechtsetzungsverfahren zu klären ist.
- 12. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Zielsetzung von REFIT zur Vereinfachung und zum Abbau von Verwaltungslasten nicht dazu führen darf, dass die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, [des Umwelt- und des Naturschutzes] hinter den Interessen der anbietenden Wirtschaft zurückstehen und [Schutzstandards] {,unter anderem Verbraucherschutzstandards,} abgesenkt werden. Maßnahmen im Sinne einer Entbürokratisierung sind kein Selbstzweck, sondern müssen hinsichtlich ihrer Auswirkungen genau geprüft werden.
- 13. Im Übrigen verweist er auf seine früheren Stellungnahmen zum REFIT-Programm der Kommission
vom 25. September 2015, BR-Drucksache 242/15(B) ,
vom 10. Oktober 2014, BR-Drucksache 272/14(B) ,
vom 19. Dezember 2013, BR-Drucksache 718/13(B) und
vom 1. Februar 2013, BR-Drucksache 771/12(B) .
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- 14. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten, der Rechtsausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.