Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23. September 2008 zu den Beratungen des Petitionsausschusses im Jahr 2007 und Bericht über die Beratungen des Petitionsausschusses in der Sitzungsperiode 2007

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 317905 - vom 20. Oktober 2008.

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 23. September 2008 angenommen.

Das Europäische Parlament,

A. in Anerkennung der einzigartigen Bedeutung des Petitionsprozesses, der Einzelpersonen die Möglichkeit bietet, die Aufmerksamkeit des Europäischen Parlaments auf konkrete Themen zu lenken, die sie unmittelbar betreffen und die in den Tätigkeitsbereich der Union fallen,

B. in der Erwägung, dass der Petitionsausschuss sich stets bemühen sollte, seine Effizienz zu steigern, um den EU-Bürgern besser zu dienen und ihre Erwartungen zu erfüllen,

C. im Bewusstsein der Tatsache, dass trotz erheblicher Fortschritte bei der Entwicklung von Strukturen und Strategien der Union in diesem Zeitraum den Bürgern nach wie vor die vielen Mängel bei der Anwendung der Strategien und Programme der Union bewusst sind, da sie sie direkt betreffen,

D. in der Erwägung, dass die EU-Bürger gemäß dem EG-Vertrag das Recht haben, Petitionen an das Europäische Parlament zu richten, aber auch Beschwerden bei anderen EU-Organen oder Institutionen, insbesondere bei der Kommission, einreichen können,

E. in der Erwägung, dass Werbe- und Informationskampagnen betreffend das Petitionsrecht der Bürger gegenüber dem Europäischen Parlament auf nationaler Ebene nach wie vor erforderlich sind, um das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken und insbesondere eine Verwechslung der verschiedenen Beschwerdesysteme zu vermeiden,

F. in der Erwägung, dass es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt, die Verordnungen und Richtlinien der Gemeinschaft anzuwenden, eine Verantwortung, die sie an regionale oder kommunale politische Behörden delegieren können, je nachdem wie ihre eigene Verfassung dies vorsieht,

G. in der Erwägung, dass es das Recht des Parlaments ist, eine demokratische Überwachung und Kontrolle der Politikmaßnahmen der Union auszuüben, unter Berücksichtigung des wichtigen Subsidiaritätsprinzips, um zu gewährleisten, dass die Rechtsvorschriften der Union ordnungsgemäß umgesetzt und verstanden werden und dass sie den Zweck erfüllen, für den sie ausgearbeitet, diskutiert und von den zuständigen Organen der Union erlassen wurden,

H. in der Erwägung, dass die EU-Bürger und die in der Union ansässigen Personen aktiv an dieser Tätigkeit teilnehmen können durch Ausübung ihres Petitionsrechts beim Europäischen Parlament in dem Wissen, dass sich der zuständige Ausschuss mit ihren Anliegen befassen, Untersuchungen anstellen und eine entsprechende Antwort erteilen wird,

I. in der Erwägung, dass die derzeit geltenden Verträge bereits Verpflichtungen zur Achtung von Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Gleichheit und Minderheitenrechten als Grundprinzipien der europäischen Gesellschaft enthalten, und in der Erwägung, dass die neuen Verträge über die Europäische Union bzw. über die Arbeitsweise der Europäischen Union, sofern sie von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert werden, dies durch Einbeziehung der Charta der Grundrechte und durch Ermöglichung des Beitritts der Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention und die Einführung einer Rechtsgrundlage für Gesetzgebungsinitiativen seitens der Bürger sowie ein ordnungsgemäßes System von Verwaltungsrecht für die EU-Organe stärken werden,

J. in der Erwägung, dass Artikel 7 des Vertrags über die Europäische Union Verfahren vorgibt, wonach die Union tätig werden kann, um gegen schwerwiegende und anhaltende Verletzungen der Grundsätze, auf die die Union gemäß Artikel 6 des Vertrags gegründet ist, durch einen Mitgliedstaat vorzugehen,

K. diesbezüglich unter Hinweis darauf, dass die EU-Bürger beim Parlament häufig Petitionen mit der Forderung nach Wiedergutmachung einreichen, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre in den Verträgen verankerten Rechte verletzt wurden und Rechtsmittel unpassend, unpraktisch, übermäßig langwierig bzw. - was häufig der Fall ist - teuer sind,

L. in der Erwägung, dass der Petitionsausschuss als der zuständige Ausschuss nicht nur die Pflicht hat, die Einzelpetitionen zu beantworten, sondern auch machbare Lösungen für die von den Petenten zum Ausdruck gebrachten Anliegen binnen eines angemessenen Zeitrahmens anstreben muss, und in der Erwägung, dass dies der Hauptzweck seiner Arbeit ist,

M. in der Erwägung, dass die Lösungen für die Probleme der Petenten in der Regel als Ergebnis einer loyalen Zusammenarbeit zwischen dem Petitionsausschuss einerseits sowie der Kommission, den Mitgliedstaaten und ihren regionalen und kommunalen Behörden andererseits gefunden werden, die gemeinsam außergerichtliche Lösungsmöglichkeiten bieten,

N. in der Erwägung, dass jedoch auf Seiten der Mitgliedstaaten und regionalen oder kommunalen Behörden nicht immer eine klare Bereitschaft erkennbar ist, praktische Lösungen für die von den Petenten angesprochenen Probleme zu finden,

O. ferner in der Erwägung, dass die Behauptungen der Petenten zwar nicht immer wohl begründet sind, dass die Petenten dennoch zu Recht eine Erklärung und Antwort vom zuständigen Ausschuss erwarten können,

P. in der Erwägung, dass durch eine verstärkte interinstitutionelle Abstimmung die Weiterleitung unzulässiger Petitionen an nationale Behörden wirksamer gestaltet werden dürfte,

Q. in der Erwägung, dass Petitionen für unzulässig erklärt werden können, wenn sie nicht den Tätigkeitsbereich der Europäischen Union betreffen, und dass der Petitionsprozess von den Bürgern nicht dafür benutzt werden darf, Entscheidungen zuständiger nationaler Justizbehörden oder politischer Behörden, mit denen sie vielleicht nicht einverstanden sind, anzufechten,

R. in der Erwägung, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, dass sich das Parlament selbst mit entsprechenden Mitteln in Form wirksamer Weisungsbefugnis, Regeln, Verfahren und Ressourcen ausstattet, um wirksam und innerhalb einer vernünftigen Zeit auf die bei ihm eingegangenen Petitionen zu reagieren,

S. in der Erwägung, dass der Petitionsprozess einen positiven Beitrag zur besseren Rechtssetzung leisten kann, insbesondere durch Herausstellung der von den Petenten angesprochenen Bereiche, in denen das geltende EU-Recht schwach oder unwirksam ist angesichts der Ziele des betreffenden Rechtsakts, und dass mit der Zusammenarbeit und unter der Aufsicht des zuständigen Legislativausschusses solche Situationen durch eine Überarbeitung des betreffenden Rechtsakts behoben werden können,

T. in der Erwägung, dass der Petitionsprozess auch einen wichtigen Beitrag zur Ermittlung von Situationen leistet, in denen Mitgliedstaaten das Gemeinschaftsrecht nicht ordnungsgemäß anwenden, was in einer Reihe von Fällen die Kommission zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gemäß Artikel 226 des EG-Vertrags veranlasst,

U. in der Erwägung, dass das Vertragsverletzungsverfahren dafür sorgen soll, dass der betreffende Mitgliedstaat dazu veranlasst wird, sich an das geltende Gemeinschaftsrecht zu halten, und dass ferner nach dem Ermessen der Kommission darüber entschieden wird, ohne dass Bestimmungen über eine direkte parlamentarische Einbeziehung in diesen Prozess bestehen, jedoch unter Hinweis darauf, dass circa ein Drittel der Vertragsverletzungsverfahren im Zusammenhang mit Fragen stehen, die durch Petitionen an das Europäische Parlament aufgeworfen wurden,

V. in der Erwägung, dass ein Vertragsverletzungsverfahren zwar erfolgreich sein kann, aber möglicherweise nicht unmittelbar Abhilfe in Bezug auf das vom einzelnen Petenten vorgetragene konkrete Problem schafft; in der Erwägung, dass diese Tatsache das Vertrauen der Bürger in die Fähigkeit der EU-Institutionen, ihren Erwartungen zu entsprechen, schmälert,

W. in der Erwägung, dass im Jahre 2007, als die Mitgliederzahl des Petitionsausschusses von 25 auf 40 erhöht wurde, das Parlament 1 506 Petitionen registrierte (was eine Zunahme um 50 % im Vergleich zu 2006 bedeutet), von denen 1 089 für zulässig erklärt wurden,

X. unter Hinweis darauf, dass im Jahre 2007 insgesamt 159 Petenten an Sitzungen des Petitionsausschusses teilnahmen, nicht eingerechnet viele andere, die zur Beobachtung des Verfahrens anwesend waren,

Y. in der Erwägung, dass im Jahre 2007 sechs Informationsreisen - nach Deutschland, Spanien, Irland, Polen, Frankreich und Zypern - organisiert wurden, auf die Berichte und Empfehlungen folgten, die anschließend an alle betroffenen Parteien und insbesondere die Petenten übermittelt wurden,

Z. in der Erwägung, dass neun Vollsitzungen des Ausschusses abgehalten wurden, in denen mit wertvoller Unterstützung von Vertretern der Kommission über 500 Einzelpetitionen erörtert wurden, zu denen alle Petenten über das Ergebnis unterrichtet wurden,

AA. in der Erwägung, dass die vorrangigen Anliegen der EU-Bürger, wie im Petitionsverfahren zum Ausdruck gebracht, auf folgende Themenbereiche konzentriert sind: Umwelt und Umweltschutz einschließlich Schwäche der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Wasserrahmenrichtlinie, Trinkwasserrichtlinie, Abfallrichtlinien, Habitatrichtlinie, Vogelschutzrichtlinie, Richtlinie betreffend Geldwäsche und andere einschließlich allgemeiner Anliegen betreffend Umweltverschmutzung und Klimawandel, individuelle und private Eigentumsrechte, Finanzdienste, Freizügigkeit und Rechte von Arbeitnehmern einschließlich Pensionsrechten und anderer Sozialbestimmungen, freier Warenverkehr und Steuerfragen, Anerkennung beruflicher Qualifikationen, Niederlassungsfreiheit und angebliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Geschlechts oder der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe,

AB. in der Erwägung, dass die im Laufe des Jahres 2007 geprüften Petitionen wichtige aktuelle Fragen wie Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, Wasserknappheit, Regulierung von Finanzdienstleistungen sowie die Energieversorgung der Europäischen Union zum Gegenstand hatten,

AC. in Erwägung der ständigen und konstruktiven Beziehungen zwischen dem Europäischen Bürgerbeauftragten, der für die Untersuchung von Beschwerden der Bürger in Bezug auf angebliche Missstände in der Verwaltungstätigkeit der EU-Organe zuständig ist, und dem Petitionsausschuss, der dem Parlament regelmäßig über den Jahresbericht des Bürgerbeauftragten oder über Sonderberichte - der letzten Handlungsmöglichkeit des Bürgerbeauftragten, wenn seinen Empfehlungen nicht Folge geleistet wird - berichtet, von denen im Jahre 2007 einer vorgelegt wurde,

AD. in der Erwägung, dass ein Antrag des federführenden Ausschusses vom Juni 2005 auf Genehmigung zur Ausarbeitung eines Berichts über einen Sonderbericht des Bürgerbeauftragten an das Parlament über Missstände in der Verwaltungstätigkeit des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung mit Beschluss der Konferenz der Präsidenten vom 15. November 2007 abgelehnt wurde,

AE. in dem Bewusstsein künftiger Entwicklungen, die die Einbeziehung der EU-Bürger in die Tätigkeit der Europäischen Union weiter stärken werden, insbesondere durch Einführung der im Lissabon-Vertrag, sofern er von allen 27 Mitgliedstaaten ratifiziert wird, vorgesehenen Bürgerinitiative, die nicht weniger als einer Million Menschen aus mehreren Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumen wird, einen Vorschlag für einen neuen Rechtsakt zu fordern, und für die spezifische Verfahren unter Einbeziehung der Kommission, an die solche Initiativen zunächst gerichtet werden müssen, sowie des Parlaments und des Rates eingeführt werden müssen,

AF. in der Erwägung, dass, wenn das Handeln des Petitionsausschusses wirksam und effizient ist, dies ein klares Signal an die Bürger sendet, dass man sich mit ihren legitimen Anliegen befasst, und dass es eine echte Verbindung zwischen den Bürgern und der Europäischen Union schafft; in der Erwägung jedoch, dass, wenn es zu inakzeptablen Verzögerungen kommt und es bei den Mitgliedstaaten an der Bereitschaft zur Umsetzung der notwendigen Empfehlungen gemäß dem Gemeinschaftsrecht mangelt, dies lediglich zur Vergrößerung der Entfernung zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgern beiträgt und diese in vielen Fällen in ihrer Auffassung, dass ein Demokratiedefizit existiert, bestätigt,

AG. in der Erwägung, dass im Laufe des Jahres 2007 die Mitglieder des Petitionsausschusses Nutzen ziehen konnten aus der beträchtlichen Stärkung der ePetition-Datenbank und des dazugehörigen Verwaltungssystems, die von seinem Sekretariat in Zusammenarbeit mit dem für Informationstechnologie zuständigen Dienst entwickelt wurden und allen Mitgliedern des Ausschusses sowie der Fraktionen einen direkten Zugang zu sämtlichen Petitionen und damit verbundenen Unterlagen ermöglicht und somit ihre Möglichkeiten, den Petenten wirksam zu Dienste zu sein, verbessert,

AH. jedoch unter Hinweis darauf, dass das Parlament es versäumt hat, die in der letztjährigen Entschließung zur Arbeit des Petitionsausschuss geforderten Mittel bereitzustellen, die erforderlich sind, um die Interneteinrichtungen für das Petitionsverfahren zu verbessern, und Artikel 192 Absatz 2 der Geschäftsordnung Wirkung zu verleihen, der Folgendes besagt: "Es wird ein elektronisches Register eingerichtet, in dem sich Bürger und Bürgerinnen dem Petenten anschließen können, indem sie ihre elektronische Unterschrift unter die für zulässig erklärte und ins Register eingetragene Petition setzen",

AI. in der Erwägung, dass es von entscheidender Bedeutung für die EU-Bürger ist, dass sie über die Arbeit des Petitionsausschusses ordnungsgemäß unterrichtet werden, da sie sich anschicken, bei den nächsten EU-Wahlen im Juni 2009 ein neues Parlament zu wählen,

Bericht
über die Beratungen des Petitionsausschusses in der Sitzungsperiode 2007

Der Bericht befindet sich im PDF-Dokument.