Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 104306 - vom 30. März 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 10. März 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen1,
- - unter Hinweis auf die Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts2,
- - unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 7. Juni 2007 zum Sozialstatut der Künstler und Künstlerinnen3 und vom 3. September 2008 zur Gleichstellung von Frauen und Männern - 20084,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter (A6-0003/2009),
A. in der Erwägung, dass Ungleichbehandlung von Frauen und Männern hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten und Chancen in den darstellenden Künsten in hohem Maße gegeben ist und fortbesteht,
B. in der Erwägung, dass die Mechanismen, die zu dieser Ungleichbehandlung von Frauen und Männern führen, gründlich untersucht werden müssen,
C. in der Erwägung, dass der Grundsatz der Gleichheit von Männern und Frauen auf alle Akteure des Bereichs der darstellenden Künste in allen Disziplinen, allen Strukturen (Produktion, Ausstrahlung und Lehre) und allen Tätigkeitsbereichen (künstlerisch, technisch, administrativ) angewendet werden muss,
D. in der Erwägung, dass Männer und Frauen die verschiedenen Berufe in den darstellenden Künsten nicht in gleichem Umfang ausüben und dass zu dieser ersten Form der Ungleichbehandlung auch noch die Unterschiede bei den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und den Einkünften hinzukommen,
E. in der Erwägung, dass Ungleichbehandlung beim Zugang zu Entscheidungsfunktionen, zu Produktionsmitteln und zu Vertriebsnetzen in allen Disziplinen der darstellenden Künste in unterschiedlichem Ausmaß festzustellen ist,
F. in der Erwägung, dass das Gleichheitsziel in den Berufen der darstellenden Künste die systematische Einführung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter voraussetzt,
G. in der Erwägung, dass Talent allein nicht die künstlerische Qualität einer Produktion oder den Erfolg eines Berufswegs ausmacht und dass eine bessere Berücksichtigung der Vertretung von Männern und Frauen in den Berufen der darstellenden Künste dem gesamten Sektor neue Dynamik verleihen kann,
H. in der Erwägung, dass folglich die derzeitige Situation der Geschlechtertrennung geändert werden muss, die in den darstellenden Künsten immer noch fortbesteht, und zwar nicht nur durch Modernisierung und Demokratisierung des Sektors, sondern auch durch die Setzung realistischer Gleichheitsziele, die die soziale Gerechtigkeit fördern,
I. in der Erwägung, dass Fähigkeiten und Talente aufgrund der festgestellten Ungleichbehandlung ungenutzt bleiben und der künstlerischen Dynamik, der Ausstrahlung und der wirtschaftlichen Entwicklung dieses Tätigkeitsbereichs abträglich sind,
J. in der Erwägung, dass bestehende Vorurteile allzu oft zu diskriminierenden Verhaltensweisen gegenüber Frauen beim Auswahl- und Ernennungsprozess sowie in den Arbeitsbeziehungen führen und Frauen trotz höherem Ausbildungsgrad, Weiterbildungsinteresse und stärkerer Vernetzung häufig ein niedrigeres Einkommen als Männer haben,
K. in der Erwägung, dass Gleichheitshemmnisse zwischen Frauen und Männern in diesem Tätigkeitsbereich besonders hartnäckig sind und die Annahme eines spezifischen Ansatzes für die Verringerung der festgestellten Ungleichbehandlung rechtfertigen, wobei auch die Hebelwirkung zu berücksichtigen ist, die dies auf die Gesellschaft insgesamt haben kann,
L. in der Erwägung, dass es bei der sozialen Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern große Lücken gibt und dadurch vor allem bei Frauen eine schlechtere Einkommenssituation entsteht,
- 1. betont das Ausmaß und das Fortbestehen der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen in den darstellenden Künsten und den Einfluss, den die von wenig Gleichbehandlung geprägte Organisationsweise dieses Sektors auf die gesamte Gesellschaft haben kann, und dies in Anbetracht der besonderen Natur ihrer Tätigkeiten;
- 2. besteht auf der absoluten Notwendigkeit, den Zugang von Frauen zu allen künstlerischen Berufen, in denen sie noch unterrepräsentiert sind, zu fördern und anzuregen;
- 3. weist darauf hin, dass der Anteil der weiblichen Beschäftigten in künstlerischen Berufen und im offiziellen Kulturbetrieb nur sehr gering ist und dass Frauen in Führungspositionen kultureller Einrichtungen als auch an Akademien und Hochschulen unterrepräsentiert sind;
- 4. erkennt die Notwendigkeit an, eine spezifische Vorgehensweise für diesen Tätigkeitsbereich einzuleiten, um die Mechanismen und Verhaltensweisen zu erklären, die diese Ungleichbehandlung hervorrufen;
- 5. weist darauf hin, dass nur eine ausgewogene Vertretung der Geschlechter Verhaltensweisen durch einander ergänzende Blickwinkel, Sensibilität, Vorgehensweisen und Interessen verändern kann;
- 6. besteht auf der Notwendigkeit, den Zugang von Frauen zu allen künstlerischen und allen darstellenden Berufen dort zu fördern, wo sie unterrepräsentiert sind, und fordert die Mitgliedstaaten auf, alle Hindernisse für den Zugang von Frauen zu den Spitzenpositionen der Kulturinstitutionen sowie Akademien und Hochschulen zu beseitigen;
- 7. betont, dass Diskriminierung von Frauen sich nachteilig auf die Entwicklung des Kultursektors auswirkt, in dem so Talente und Fähigkeiten verlorengehen, und weist darauf hin, dass Talente die Begegnung mit der Öffentlichkeit brauchen, um anerkannt zu werden;
- 8. fordert die Einführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Präsenz von Frauen in Führungspositionen insbesondere durch die Förderung der Gleichheit innerhalb von Kulturunternehmen und Kulturstätten sowie Berufsorganisationen;
- 9. fordert die Akteure des Kulturbereichs auf, für eine stärkere Präsenz von Künstlerinnen und ihren Werken in der Programmplanung und in Sammlungen, Verlagsreihen oder Gesprächsforen zu sorgen;
- 10. stellt fest, dass die Fortschritte im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern nach und nach zur Einführung einer ausgewogenen Vertretung der Geschlechter in Arbeitsteams, bei der Programmplanung und in berufsbezogenen Sitzungen führen werden, die heute häufig nach einem System der Aufteilung nach Geschlechtern funktionieren, welches sich mit den Bedürfnissen unserer Gesellschaft kaum vereinbaren lässt;
- 11. hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Anonymität der Kandidaturen wo immer möglich gewährleistet ist, und besteht auf der Notwendigkeit, bei der Einstellung von Orchestermusikern die Praxis der Anhörung hinter einer Stellwand beizubehalten, durch die Frauen in solche Ensembles vorstoßen konnten;
- 12. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, jetzt schon einen ersten realistischen Zwischenschritt bei der Bekämpfung der Ungleichbehandlung in den darstellenden Künsten ins Auge zu fassen und sicherzustellen, dass in allen Branchen des Sektors mindestens ein Drittel der Beschäftigten dem schwächer vertretenen Geschlecht angehören;
- 13. fordert die Mitgliedstaaten auf,
- a) mit ihren Kulturinstitutionen über die Art und Weise nachzudenken, in der Mechanismen, die zu Ungleichbehandlung führen, am besten identifiziert werden können, damit jegliche mit dem Geschlecht verbundene Diskriminierung möglichst unterbleibt,
- b) alle Hindernisse für den Zugang von Frauen zur Spitze der renommiertesten Kulturinstitutionen und -organisationen zu beseitigen,
- c) in diesem Sektor neue Modalitäten der Arbeitsorganisation, der Delegation von Verantwortung und des Zeitmanagements einzuführen, bei denen die Sachzwänge des persönlichen Lebens von Frauen und Männern berücksichtigt werden,
- d) zur Kenntnis zu nehmen, dass in diesem Sektor, in dem atypische Arbeitszeiten, eine erhöhte Mobilität und die Gefährdung der Arbeitsplätze an der Tagesordnung sind und Frauen in höherem Maße treffen, kollektive Lösungen gefunden werden müssen, um die Betreuung von Kindern sicherzustellen (Eröffnung von Krippen in Kulturunternehmen mit an die Proben und Aufführungszeiten angepassten Öffnungszeiten);
- 14. weist die Kulturinstitutionen auf die absolute Notwendigkeit hin, den Demokratiebegriff in die Tat umzusetzen, nach dem Männer und Frauen gleiches Entgelt für gleiche Arbeit bekommen müssen, der aber im künstlerischen Bereich wie auch in vielen anderen Sektoren nicht immer angewandt wird;
- 15. regt schließlich die Mitgliedstaaten an, im Bereich der darstellenden Künste vergleichende Untersuchungen der Ist-Situation in den jeweiligen Ländern der Union durchzuführen, um die Gestaltung und Umsetzung gemeinsamer Politiken zu erleichtern, Statistiken zu erstellen und erzielte Fortschritte vergleichbar und messbar zu machen;
- 16. fordert die Mitgliedstaaten auf, die soziale Lage von im Kunst- und Kulturbereich Tätigen zu verbessern und dabei auf die unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnisse Rücksicht zu nehmen und eine bessere soziale Absicherung zu gewährleisten;
- 17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- 1 ABl. L 269 vom 5.10.2002, S. 15.
- 2 ABl. L 14 vom 20.1.1998, S. 6.
- 3 ABl. C 125E vom 22.5.2008, S. 223.
- 4 Angenommene Texte, P6_TA(2008)0399.