Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 314590 - vom 9. Oktober 2006. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 7. September 2006 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf Artikel 151 des EG-Vertrags,
- - unter Hinweis auf das UNESCO-Übereinkommen vom 16. November 1972 zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt,
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 3. Oktober 1985 zum Schutz des architektonischen Erbes Europas (Granada),
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 16. Januar 1992 zum Schutz des archäologischen Erbes (Valletta),
- - unter Hinweis auf das Übereinkommen des Europarats vom 20. Oktober 2000 für die Landschaft (Florenz),
- - unter Hinweis auf die Rahmenkonvention des Europarats vom 27. Oktober 2005 über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft (Faro),
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 13. Mai 1974 zum Schutz des kulturellen Erbes Europas1, vom 14. September 1982 zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes Europas2, vom 28. Oktober 1988 zur Erhaltung des architektonischen und archäologischen Erbes der Gemeinschaft3, vom 12. Februar 1993 zur Erhaltung des architektonischen Erbes und zum Schutz der Kulturgüter4 und vom 16. Januar 2001 zur Umsetzung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt in den Staaten der Europäischen Union5,
- - unter Hinweis auf den Beschluss Nr. 508/2000/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Februar 2000 über das Programm "Kultur 2000"6,
- - unter Hinweis auf den am 25. Oktober 2005 in erster Lesung festgelegten Standpunkt des Europäischen Parlaments im Hinblick auf den Erlass des Beschlusses Nr. .../2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Programm "Kultur 2007" (2007-2013)7,
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Kultur und Bildung (A6-0260/2006),
A. in der Erwägung, dass das Kulturerbe ein Schlüsselelement der Identität und der historischen Entwicklung der Völker Europas bildet,
B. in der Erwägung, dass das Kulturerbe sowohl materielle als auch immaterielle Elemente umfasst, die sich inhaltlich ständig erweitern, da jede Generation schöpferisch tätig ist und so zur Kultur beiträgt,
C. in der Erwägung, dass das Kulturerbe sowohl das architektonische als auch das natürliche Erbe umfasst, das in Zeit und Raum durch die Lebensweise des Menschen geprägt wird,
D. in der Erwägung, dass sich die Europäische Union der Förderung und Wahrung der kulturellen Vielfalt und der Lebensqualität sowie dem Schutz der Umwelt verschrieben hat,
E. in der Erwägung, dass die Erhaltung der verschiedenen Elemente des kulturellen Erbes die Grundlage für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung bildet und somit den Umweltschutz, die Beschäftigung und die europäische Integration fördert,
F. in Anbetracht der besonderen Bedeutung des Kulturerbes im ländlichen Raum, auf den 90 % des europäischen Territoriums entfallen und der von Landflucht, Bevölkerungsrückgang und wirtschaftlichem Niedergang betroffen ist,
G. in der Erwägung, dass die Inselregionen Europas, und insbesondere die kleinen Inseln, ihren ursprünglichen Charakter weitgehend unverfälscht erhalten haben und dass ihr beträchtliches kulturelles Erbe in angemessener Weise unterstützt, geschützt und gefördert werden muss,
H. in der Erwägung, dass über die Denkmalarchitektur hinaus auch andere Elemente kultureller Schöpfung erhalten und in die Entwicklung einbezogen werden müssen, mit dem Ziel der Ausgestaltung und Ermöglichung angemessener Lebensbedingungen für die heutige Bevölkerung der Europäischen Union,
I. in der Erwägung, dass das Kulturerbe Europas in seiner Gesamtheit, unabhängig von seiner europäischen, nationalen oder lokalen Dimension, von grundlegender Bedeutung für die europäischen Bürger ist,
- 1. ersucht den Rat, den Beitrag des Kulturerbes zur Integration Europas im Hinblick auf die europäische Identität und europäische Bürgerschaft, die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung, den interkulturellen Austausch und die kulturelle Vielfalt ausdrücklich anzuerkennen;
- 2. ersucht die Kommission, bei der Ausarbeitung ihrer Legislativvorschläge die horizontale Bestimmung des Artikels 151 Absatz 4 des EG-Vertrags wirksam umzusetzen, indem sie eingehend die Auswirkungen der vorgeschlagenen Rechtsvorschriften auf die Kultur und das Kulturerbe prüft, damit Maßnahmen, die der Kultur und dem Kulturerbe förderlich sind, in alle Unionspolitiken einbezogen werden;
- 3. ist der Auffassung, dass das kulturelle Erbe als unteilbares Ganzes begriffen werden muss, das die Ergreifung gemeinsamer Schutzmaßnahmen gebietet;
- 4. betont, dass die nachhaltige Entwicklung ein umfassendes Konzept für das kulturelle, natürliche und architektonische Umfeld, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum, voraussetzt, und fordert, dass der Dimension des europäischen Kulturerbes im ländlichen Raum besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird;
- 5. betont ferner, dass besonderes Augenmerk auf den Schutz und die Förderung des natürlichen und architektonischen Kulturerbes in den Inselregionen Europas zu richten ist;
- 6. ist der Auffassung, dass die Interventionsmaßnahmen im ländlichen Raum und in den Inselregionen den folgenden Grundsätzen Rechnung tragen müssen:
- - nachhaltiges Gleichgewicht zwischen Bevölkerung und Umwelt,
- - integrierte Betrachtungsweise des traditionellen ländlichen Raumes,
- - Beteiligung der lokalen Bevölkerung an Ausarbeitung und Umsetzung politischer Maßnahmen und Berücksichtigung der Standpunkte der Bevölkerung bei der zentralen Beschlussfassung,
- - ständiger Dialog mit Organisationen der Zivilgesellschaft sowie privaten und Freiwilligenorganisationen, die aktiv an der Wahrung des Kulturerbes beteiligt sind;
- 7. fordert die Europäische Union, die Mitgliedstaaten, die örtlichen Behörden und die im Kulturbereich tätigen Nichtregierungsorganisationen auf, Initiativen zur Erhaltung und Valorisierung des europäischen Kulturerbes zu ergreifen und die Öffentlichkeit für die Bedeutung des Kulturerbes zu sensibilisieren, und zwar unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltung, Restaurierung und Valorisierung kleiner traditioneller Siedlungen;
- 8. ist der Auffassung, dass zur Förderung insbesondere dieses Sektors unter gebührender Beachtung des Subsidiaritätsprinzips folgende Punkte zu berücksichtigen sind:
- - systematische Untersuchung des Kulturerbes im ländlichen Raum,
- - Ausarbeitung eines Rechtsrahmens für den Schutz dieses Kulturerbes, einschließlich der Schaffung von Anreizen für die Erhaltung traditioneller Gebäude und Siedlungen sowie der Ergreifung von Maßnahmen, die sicherstellen, dass neue Bauprojekte mit nahe gelegenen historischen Bauten und der örtlichen Architektur in Einklang stehen,
- - finanzielle Unterstützung für die Restaurierung lokaler Denkmäler und die Beibehaltung traditioneller landwirtschaftlicher Arbeitsweisen,
- - Gewährleistung der Restaurierung traditioneller Siedlungen und der Wiederherstellung ursprünglicher architektonischer Formen, einschließlich der angemessenen Verwendung moderner Materialien und moderner Einbauten in traditionellen Bauten in einer Art und Weise, die ihren Charakter wahrt,
- - Erhaltung des örtlichen Knowhows und traditioneller Berufe;
- 9. fordert die Mitgliedstaaten und die regionalen und lokalen Behörden auf, wo notwendig, entsprechende Anreize für den Abriss oder Umbau von Gebäuden zu schaffen, die insbesondere mit dem architektonischen Gesamtbild der Siedlung oder der Lokalität, in der sie sich befinden, aber auch mit der natürlichen Umwelt und umliegenden Gebäuden nicht in Einklang stehen oder diese verschandeln;
- 10. ersucht die Mitgliedstaaten, in Zusammenarbeit mit der Kommission den Schutz und die Erhaltung ihres Kulturerbes über die Strukturfonds und die bestehenden Gemeinschaftsinitiativen LEADER+, URABN II und INTERREG III zu fördern, die im kommenden Haushaltszeitraum (2007-2013) in die neuen Finanzinstrumente der Kohäsionspolitik und der gemeinsamen Agrarpolitik einbezogen werden;
- 11. fordert die Mitgliedstaaten auf zu berücksichtigen, dass die Politik finanzieller Anreize mit den Akteuren der zentralen und lokalen Verwaltung und anderen Stellen und Einrichtungen auf lokaler Ebene (ohne zu vergessen, dass der Hauptteil des klassifizierten Erbes religiösen Ursprungs ist) koordiniert werden muss, und zwar stets in dem Bemühen, das ökologische und kulturelle Umfeld der betreffenden Lokalitäten zu erhalten und zu verbessern;
- 12. ist der Auffassung, dass das natürliche, architektonische und kulturelle Erbe Europas durch die Entwicklung alternativer Tourismusformen in den ländlichen Gebieten und Inselregionen - wie beispielsweise Kultur- und Wanderreisen, Ökotourismus, maritimer Tourismus - beträchtlich valorisiert werden kann und betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, entsprechende Maßnahmen voranzutreiben, damit alle europäischen Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Vorteilen des alternativen Tourismus haben;
- 13. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Entwicklung des alternativen nachhaltigen Tourismus zu fördern und zu unterstützen, indem sie kleinen traditionellen Siedlungen durch Zuschüsse aus gemeinschaftlichen Finanzinstrumenten wie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, dem Europäischen Fischereifonds usw. Vorrang einräumen;
- 14. fordert die Kommission auf, im Rahmen bereits existierender Gemeinschaftsprogramme wie beispielsweise des Rahmenprogramms für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation entsprechende Initiativen zu fördern, die handwerkliche, kunsthandwerkliche und sonstige berufliche Betätigungen unterstützen, insbesondere, wenn deren Fortbestand gefährdet ist oder wenn sie für die angemessene Restaurierung und Erhaltung von Denkmälern des Kulturerbes unersetzlich sind;
- 15. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Ausbildungsmaßnahmen für Fachleute zu fördern, die in den Bereichen Raumnutzung und -management, Architektur, Restaurierung und Reparatur von Gebäuden sowie in anderen einschlägigen Berufssparten tätig sind, um so die Besonderheiten des Kulturerbes zu erhalten und es gleichzeitig an moderne Ansprüche anzupassen; fordert ferner die Ergreifung von Maßnahmen zur Ausbildung von Handwerkern und Lieferanten traditioneller Baustoffe und die Anwendung von Methoden, die die fortgesetzte Verwendung dieser traditionellen Baustoffe garantieren;
- 16. fordert die Kommission auf, im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2007-2013) alle Bemühungen zu unterstützen, die sich auf die Entwicklung neuer Instrumente, Techniken und Verfahren zur Erhaltung des Kulturerbes beziehen;
- 17. ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass aus Gemeinschaftsmitteln keine Maßnahmen gefördert werden, die nachweislich zur Zerstörung wertvoller Bestandteile des Kulturerbes führen;
- 18. fordert die Kommission auf, im Rahmen bestehender Gemeinschaftsprogramme Maßnahmen zu verabschieden, die besseren Zugang ermöglichen, Anreize für Kleinunternehmen bieten, traditionelles Handwerk, traditionellen Handel sowie lokale Sitten und Gebräuche fördern und sich dabei auf eine breit angelegte Werbekampagne für die in den Mitgliedstaaten gelegenen Dörfer und Siedlungen stützen, um entscheidend zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft beizutragen und die Landflucht zu stoppen;
- 19. fordert die Kommission auf, die Weitergabe und den Austausch von in diesem Bereich gewonnenen Erfahrungen durch internationale Kongresse und Sitzungen zu fördern;
- 20. ersucht die Kommission, insbesondere im Rahmen des Programms "Kultur" (2007-2013) Partnernetzwerken in den verschiedenen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zur Durchführung mehrjähriger Projekte zu geben, die der Förderung gut erhaltener traditioneller Siedlungen mit weniger als 1 000 Einwohnern dienen;
- 21. ist der Auffassung, dass im Rahmen derartiger Projekte kulturelle Maßnahmen vorgesehen werden könnten, die darauf ausgerichtet sind, das kulturelle Erbe dieser Siedlungen mit dem längerfristigeren Ziel zu fördern, die Zusammenarbeit zwischen den traditionellen Siedlungen in Europa zu stärken und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre lokalen kulturellen Besonderheiten ebenso wie ihre europäische Dimension zu entfalten;
- 22. wünscht sich, dass in Zukunft eine Aktion zugunsten kleiner traditioneller Siedlungen nach dem Beispiel der Aktion zur Bestimmung von europäischen Kulturhauptstädten entwickelt wird;
- 23. ist der Auffassung, dass der von "Europa Nostra" verliehene "Preis der Europäischen Union für kulturelles Erbe" eine wichtige Maßnahme darstellt, die auch in Zukunft fortgeführt werden sollte; ist der Ansicht, dass in diesem Rahmen und in einem breiteren Zusammenhang eine neue Preiskategorie für den besten gesamten Wiederaufbau einer traditionellen Siedlung eingeführt werden sollte, um Siedlungen, denen es gelungen ist, ihre traditionelle Struktur ganz oder teilweise zu erhalten, Anreize zu geben, ihre diesbezüglichen Bemühungen zu verstärken;
- 24. begrüßt den jüngsten Vorschlag im Rahmen des Rats für die Erstellung einer Liste des europäischen Kulturerbes und fordert die Kommission auf, diesen Vorschlag zu unterstützen; ist der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang vor allem dem lokalen Kulturerbe in ländlichen Gebieten und Inselregionen auch unter Berücksichtigung der nicht materiellen Elemente des Kulturerbes besondere Bedeutung beigemessen werden sollte; ist der Auffassung, dass Kandidatenländer ebenfalls aufgefordert werden sollten, sich an dieser Initiative zu beteiligen;
- 25. ersucht den Rat und die Kommission, ein "Europäisches Jahr des Kulturerbes" auszurufen, um die europäischen Bürger besser für die Bedeutung zu sensibilisieren, die der Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen zur Förderung ihres kulturellen Erbes zukommt;
- 26. ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten, mit dem Europarat zusammenzuarbeiten, damit im Rahmen der Initiative "Europäische Tage des Kulturerbes" die Förderung der traditionellen Siedlungen und des architektonischen Erbes im ländlichen Raum und in den Inselregionen stärker in den Mittelpunkt gerückt wird, um den europäischen Bürgern den Wert der lokalen Denkmalarchitektur besser bewusst zu machen;
- 27. fordert den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die zahlreichen Abkommen des Europarates und der UNESCO betreffend den Schutz des natürlichen, architektonischen und kulturellen Erbes Europas zu berücksichtigen und ihre Zusammenarbeit mit diesen Organisationen gemäß Artikel 151 Absatz 3 des EG-Vertrags zu verstärken;
- 28. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Europarat zu übermitteln.
1 ABl. C 62 vom 30.5.1974, S. 5.
2 ABl. C 267 vom 11.10.1982, S. 25.
3 ABl. C 309 vom 5.12.1988, S. 423.
4 ABl. C 72 vom 15.3.1993, S. 160.
5 ABl. C 262 vom 18.9.2001, S. 48.
6 ABl. L 63 vom 10.3.2000, S. 1.
7 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0397.