A. Problem und Ziel
Der Europarat hat am 28. Januar 2003 das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art zur Zeichnung aufgelegt. Das Zusatzprotokoll ergänzt das Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität. Deutschland hat das Zusatzprotokoll am 28. Januar 2003 in Straßburg gezeichnet. Eine Ratifikation des Zusatzprotokolls ist nach seinem Artikel 9 Absatz 2 erst ab dem Zeitpunkt möglich, zu dem die Ratifikationsurkunde für das Übereinkommen über Computerkriminalität hinterlegt wurde. Dies ist für Deutschland am 9. März 2009 geschehen.
B. Lösung
Durch den vorliegenden Gesetzentwurf sollen die Voraussetzungen nach Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes für die Ratifikation des Zusatzprotokolls geschaffen werden.
Der gleichzeitig vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art regelt die innerstaatliche Umsetzung des Zusatzprotokolls.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
2. Vollzugsaufwand
Kein Vollzugsaufwand
E. Sonstige Kosten
Für die Wirtschaft entstehen durch das Vertragsgesetz bei normgemäßem Verhalten keine Kosten. Auswirkungen auf Einzelpreise und das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 13. August 2010
Die Bundeskanzlerin
An den Präsidenten des Bundesrates
Hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.
Der Stellvertreter der Bundeskanzlerin
Dr. Guido Westerwelle
Fristablauf: 24.09.10
Entwurf
Gesetz zu dem Zusatzprotokoll vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Dem in Straßburg am 28. Januar 2003 von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität (BGBl. 2008 II S. 1242, 1243) betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art wird zugestimmt. Das Zusatzprotokoll wird nachstehend mit einer amtlichen deutschen Übersetzung veröffentlicht.
Artikel 2
- (1) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
- (2) Der Tag, an dem das Zusatzprotokoll nach seinem Artikel 10 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, ist im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Begründung zum Vertragsgesetz
Zu Artikel 1
Auf das Zusatzprotokoll ist Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes anzuwenden, da es sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht.
Zu Artikel 2
Die Bestimmung des Absatzes 1 entspricht dem Erfordernis des Artikels 82 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes.
Nach Absatz 2 ist der Zeitpunkt, zu dem das Zusatzprotokoll nach seinem Artikel 10 Absatz 2 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft tritt, im Bundesgesetzblatt bekannt zu geben.
Schlussbemerkung
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
Für Bund, Länder und Gemeinden werden sich aus der Ratifikation des Zusatzprotokolls keine unmittelbaren zusätzlichen Kosten ergeben. Auswirkungen auf die Einzelpreise, das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau oder die Umwelt, sind ebenfalls nicht zu erwarten.
Das Vorhaben trägt dazu bei, die Innere Sicherheit zu gewährleisten und die Bürgerinnen und Bürger vor Kriminalität und Extremismus zu schützen; im Übrigen berührt es keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung.
Es werden keine Informationspflichten für Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger oder die Verwaltung eingeführt, vereinfacht oder abgeschafft.
Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art (Übersetzung)
Die Mitgliedstaaten des Europarats und die anderen Vertragsstaaten des am 23. November 2001 in Budapest zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über Computerkriminalität, die dieses Protokoll unterzeichnen - in der Erwägung, dass es das Ziel des Europarats ist, eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern herbeizuführen; eingedenk dessen, dass alle Menschen frei und an Würde und Rechten gleich geboren sind; unter Hinweis auf die Notwendigkeit, eine umfassende und wirksame Verwirklichung aller Menschenrechte, wie sie in den europäischen und anderen internationalen Übereinkünften verankert sind, ohne Unterscheidung oder Diskriminierung sicherzustellen; in der Überzeugung, dass Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art eine Verletzung der Menschenrechte sowie eine Bedrohung des Rechtsstaats und der demokratischen Stabilität bedeuten; in der Erwägung, dass das innerstaatliche Recht und das Völkerrecht eine angemessene rechtliche Antwort auf die mittels Computersystemen betriebene Propaganda rassistischer und fremdenfeindlicher Art vorsehen müssen; in dem Bewusstsein, dass Propaganda für solche Handlungen nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften häufig kriminalisiert ist; im Hinblick auf das Übereinkommen über Computerkriminalität, das flexible, moderne Methoden der internationalen Zusammenarbeit vorsieht, und überzeugt von der Notwendigkeit, die materiellrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung rassistischer und fremdenfeindlicher Propaganda zu harmonisieren; in dem Bewusstsein, dass die Computersysteme eine noch nie da gewesene Möglichkeit bieten, die Freiheit der Meinungsäußerung und der Kommunikation weltweit zu erleichtern; in der Erkenntnis, dass die Freiheit der Meinungsäußerung eine der wesentlichen Grundlagen einer demokratischen Gesellschaft und eine der Grundvoraussetzungen für ihren Fortschritt und für die Entfaltung eines jeden Menschen darstellt; besorgt jedoch über die Gefahr, dass diese Computersysteme missbraucht werden, um rassistische und fremdenfeindliche Propaganda zu verbreiten; eingedenk dessen, dass ein angemessenes Gleichgewicht gewahrt werden muss zwischen der Freiheit der Meinungsäußerung und der wirksamen Bekämpfung von Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art; in der Einsicht, dass mit diesem Protokoll die im innerstaatlichen Recht verankerten Grundsätze in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung nicht beeinträchtigt werden sollen; unter Berücksichtigung der einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkünfte, insbesondere der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und ihres Protokolls Nr. 12 über ein allgemeines Diskriminierungsverbot, der bestehenden Übereinkommen des Europarats über die Zusammenarbeit auf strafrechtlichem Gebiet, namentlich des Übereinkommens über Computerkriminalität, des Internationalen Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 21. Dezember 1965 zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und der Gemeinsamen Maßnahme der Europäischen Union vom 15. Juli 1996 - vom Rat aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union angenommen - betreffend die Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit; erfreut über die jüngsten Entwicklungen, welche die internationale Verständigung und Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Computerkriminalität sowie des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit weiter fördern; im Hinblick auf den Aktionsplan, den die Staats- und Regierungschefs des Europarats bei ihrer Zweiten Gipfelkonferenz (Straßburg, 10. und 11. Oktober 1997) angenommen haben und mit dem auf der Grundlage der Standards und Werte des Europarats gemeinsame Antworten auf die Entwicklung der neuen Informationstechnologien gefunden werden sollen - sind wie folgt übereingekommen:
Kapitel I
Allgemeine Bestimmungen
Artikel 1
Zweck
Dieses Protokoll hat zum Zweck, das am 23. November 2001 in Budapest zur Unterzeichnung aufgelegte Übereinkommen über Computerkriminalität (im Folgenden als "Übereinkommen" bezeichnet) für die Vertragsparteien des Protokolls durch die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art zu ergänzen.
Artikel 2
Begriffsbestimmung
- (1) Im Sinne dieses Protokolls bedeutet "rassistisches und fremdenfeindliches Material" jedes schriftliche Material, jedes Bild oder jede andere Darstellung von Ideen oder Theorien, das beziehungsweise die Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder eine Personengruppe befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt.
- (2) Die in diesem Protokoll verwendeten Wörter und Ausdrücke werden in derselben Weise wie im Übereinkommen ausgelegt.
Kapitel II
Innerstaatlich zu treffende Maßnahmen
Artikel 3
Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über Computersysteme
- (1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das Verbreiten oder anderweitige Öffentlichverfügbar-Machen rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über ein Computersystem.
- (2) Eine Vertragspartei kann sich das Recht vorbehalten, die in Absatz 1 genannten Handlungen nicht unter Strafe zu stellen, wenn das Material nach Artikel 2 Absatz 1 eine Diskriminierung, die nicht mit Hass oder Gewalt einhergeht, befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt, vorausgesetzt, dass andere wirksame Mittel zur Verfügung stehen.
- (3) Unbeschadet des Absatzes 2 kann sich eine Vertragspartei das Recht vorbehalten, Absatz 1 auf Fälle von Diskriminierung nicht anzuwenden, für die sie wegen feststehender Grundsätze ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung wirksame Mittel nach Absatz 2 nicht vorsehen kann.
Artikel 4
Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Drohung
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlung, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben: die Drohung, eine schwere Straftat im Sinne des innerstaatlichen Rechts zu begehen, gerichtet mittels eines Computersystems
- i) gegen eine Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung, die nationale oder ethnische Herkunft oder die Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gekennzeichnet ist, oder
- ii) gegen eine Personengruppe, die durch eines dieser Merkmale gekennzeichnet ist.
Artikel 5
Rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Beleidigung
- (1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlung, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben: die öffentliche Beleidigung
- i) einer Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung, die nationale oder ethnische Herkunft oder die Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gekennzeichnet ist, oder
- ii) einer Personengruppe, die durch eines dieser Merkmale gekennzeichnet ist, mittels eines Computersystems.
- (2) Eine Vertragspartei kann
- a) entweder verlangen, dass die Straftat nach Absatz 1 zur Folge hat, dass die in Absatz 1 genannte Person oder Personengruppe Hass oder Verachtung ausgesetzt oder der Lächerlichkeit preisgegeben wird,
- b) oder sich das Recht vorbehalten, Absatz 1 insgesamt oder teilweise nicht anzuwenden.
Artikel 6
Leugnung, grobe Verharmlosung, Billigung oder Rechtfertigung von Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- (1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben: das Verbreiten oder anderweitige Öffentlichverfügbar-Machen von Material folgender Art über ein Computersystem: Material, das Handlungen leugnet, grob verharmlost, billigt oder rechtfertigt, die den Tatbestand des Völkermords oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne des Völkerrechts erfüllen und die als solche festgestellt wurden in rechtskräftigen Endentscheidungen des durch das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 errichteten Internationalen Militärgerichtshofs oder eines anderen internationalen Gerichts, das durch einschlägige internationale Übereinkünfte errichtet wurde und dessen Zuständigkeit von der betreffenden Vertragspartei anerkannt worden ist.
- (2) Eine Vertragspartei kann
- a) entweder verlangen, dass die Leugnung oder grobe Verharmlosung nach Absatz 1 in der Absicht begangen wird, zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, der nationalen oder ethnischen Herkunft oder der Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben wird, gegen eine Person oder Personengruppe aufzustacheln,
- b) oder sich das Recht vorbehalten, Absatz 1 insgesamt oder teilweise nicht anzuwenden.
Artikel 7
Beihilfe und Anstiftung
Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um die Beihilfe oder Anstiftung, wenn vorsätzlich und unbefugt begangen, zur Begehung einer nach diesem Protokoll umschriebenen Straftat mit dem Vorsatz, dass eine solche Straftat begangen werde, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftat zu umschreiben.
Kapitel III
Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und diesem Protokoll
Artikel 8
Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und diesem Protokoll
- (1) Die Artikel 1, 12, 13, 22, 41, 44, 45 und 46 des Übereinkommens finden entsprechend auf dieses Protokoll Anwendung.
- (2) Die Vertragsparteien erstrecken den Geltungsbereich der Maßnahmen nach den Artikeln 14 bis 21 und 23 bis 35 des Übereinkommens auf die Artikel 2 bis 7 dieses Protokolls.
Kapitel IV
Schlussbestimmungen
Artikel 9
Zustimmung, gebunden zu sein
- (1) Dieses Protokoll liegt für die Staaten, die das Übereinkommen unterzeichnet haben, zur Unterzeichnung auf; sie können ihre Zustimmung, gebunden zu sein, ausdrücken,
- a) indem sie es ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder
- b) indem sie es vorbehaltlich der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen und später ratifizieren, annehmen oder genehmigen.
- (2) Ein Staat kann dieses Protokoll nur dann ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichnen oder eine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn er eine Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde zum Übereinkommen bereits hinterlegt hat oder gleichzeitig hinterlegt.
- (3) Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär des Europarats hinterlegt.
Artikel 10
Inkrafttreten
- (1) Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem fünf Staaten nach Artikel 9 ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch das Protokoll gebunden zu sein.
- (2) Für jeden Staat, der später seine Zustimmung ausdrückt, durch dieses Protokoll gebunden zu sein, tritt es am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Unterzeichnung ohne Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahmeoder Genehmigungsurkunde folgt.
Artikel 11
Beitritt
- (1) Nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann jeder Staat, der dem Übereinkommen beigetreten ist, auch diesem Protokoll beitreten.
- (2) Der Beitritt erfolgt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarats; diese wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung folgt.
Artikel 12
Vorbehalte und Erklärungen
- (1) Vorbehalte und Erklärungen einer Vertragspartei zu einer Bestimmung des Übereinkommens finden auch auf dieses Protokoll Anwendung, sofern die betreffende Vertragspartei bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nicht ihre gegenteilige Absicht zum Ausdruck bringt.
- (2) Jede Vertragspartei kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete schriftliche Notifikation bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungsoder Beitrittsurkunde erklären, dass sie von einem oder mehreren der in den Artikeln 3, 5 und 6 dieses Protokolls vorgesehenen Vorbehalte Gebrauch macht. Zugleich kann eine Vertragspartei von einem oder mehreren der in Artikel 22 Absatz 2 und Artikel 41 Absatz 1 des Übereinkommens vorgesehenen Vorbehalte in Bezug auf dieses Protokoll Gebrauch machen, unabhängig davon, wie sie jene Bestimmungen in Bezug auf das Übereinkommen durchführt. Weitere Vorbehalte sind nicht zulässig.
- (3) Jeder Staat kann durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete schriftliche Notifikation bei der Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde erklären, dass er von der Möglichkeit nach Artikel 5 Absatz 2 Buchstabe a und Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a dieses Protokolls Gebrauch macht, ergänzende Merkmale zu verlangen.
Artikel 13
Status und Rücknahme von Vorbehalten
- (1) Eine Vertragspartei, die einen Vorbehalt nach Artikel 12 gemacht hat, nimmt diesen Vorbehalt ganz oder teilweise zurück, sobald die Umstände es erlauben. Diese Rücknahme wird mit Eingang einer Notifikation über die Rücknahme beim Generalsekretär des Europarats wirksam. Wird in der Notifikation angegeben, dass die Rücknahme eines Vorbehalts zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksam werden soll, und liegt dieser nach dem Eingang der Notifikation beim Generalsekretär, so wird die Rücknahme zu diesem späteren Zeitpunkt wirksam.
- (2) Der Generalsekretär des Europarats kann sich in regelmäßigen Zeitabständen bei den Vertragsparteien, die einen oder mehrere Vorbehalte nach Artikel 12 gemacht haben, nach den Aussichten für eine etwaige Rücknahme erkundigen.
Artikel 14
Räumlicher Geltungsbereich
- (1) Jede Vertragspartei kann bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungsoder Beitrittsurkunde einzelne oder mehrere Hoheitsgebiete bezeichnen, auf die dieses Protokoll Anwendung findet.
- (2) Jede Vertragspartei kann jederzeit danach durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Protokolls auf jedes weitere in der Erklärung bezeichnete Hoheitsgebiet erstrecken. Das Protokoll tritt für dieses Hoheitsgebiet am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Erklärung beim Generalsekretär folgt.
- (3) Jede nach den Absätzen 1 und 2 abgegebene Erklärung kann in Bezug auf jedes darin bezeichnete Hoheitsgebiet durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation zurückgenommen werden. Die Rücknahme wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Artikel 15
Kündigung
- (1) Jede Vertragspartei kann dieses Protokoll jederzeit durch eine an den Generalsekretär des Europarats gerichtete Notifikation kündigen.
- (2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär folgt.
Artikel 16
Notifikation
Der Generalsekretär des Europarats notifiziert den Mitgliedstaaten des Europarats, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung dieses Protokolls beteiligt haben, sowie jedem Staat, der diesem Protokoll beigetreten oder zum Beitritt eingeladen worden ist,
- a) jede Unterzeichnung;
- b) jede Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde;
- c) jeden Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach den Artikeln 9, 10 und 11;
- d) jede andere Handlung, Notifikation oder Mitteilung im Zusammenhang mit diesem Protokoll.
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben.
Geschehen zu Straßburg am 28. Januar 2003 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv des Europarats hinterlegt wird. Der Generalsekretär des Europarats übermittelt allen Mitgliedstaaten des Europarats, den Nichtmitgliedstaaten, die sich an der Ausarbeitung des Protokolls beteiligt haben, sowie allen zum Beitritt zu diesem Protokoll eingeladenen Staaten beglaubigte Abschriften.
Denkschrift
I. Allgemeines
Das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art (ETS-Nr. 189) ergänzt das Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität (ETS-Nr. 185, BGBl. 2008 II S. 1242, 1243), das die Bekämpfung der Computerkriminalität international auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt hat.
1. Entstehungsgeschichte
Mit dem Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität wurde ein Instrument geschaffen, um die gegenseitige Zusammenarbeit im Zusammenhang mit der Verfolgung von Straftaten zu verbessern, die mittels Computersystemen begangen werden. Bei den Verhandlungen des Übereinkommens des Europarats über Computerkriminalität wurde auch die Möglichkeit erörtert, Straftatbestände gegen die Verbreitung rassistischer Propaganda mittels Computersystemen aufzunehmen. Eine Einigung über die Aufnahme entsprechender Straftatbestände in das Übereinkommen selbst konnte jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Ausgestaltungen des Schutzes der Meinungsfreiheit in den Vertragsstaaten nicht erreicht werden. Wegen der Komplexität der Materie wurde deshalb beschlossen, für diese Straftatbestände ein eigenes Rechtsinstrument in der Form eines Zusatzprotokolls zu schaffen. Mit der Erstellung des Zusatzprotokolls zur Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art wurden der Europäische Ausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) und dessen Sachverständigenausschuss beauftragt.
Das Zusatzprotokoll wurde am 28. Januar 2003 in Straßburg zur Unterzeichnung aufgelegt und von Deutschland am gleichen Tag gezeichnet. Eine Ratifikation des Zusatzprotokolls setzt nach seinem Artikel 9 Absatz 2 voraus, dass zuvor das Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität selbst ratifiziert wurde. Dies ist für Deutschland am 9. März 2009 geschehen. Damit ist nun auch eine Ratifikation des Zusatzprotokolls möglich.
2. Inhalt und Würdigung des Zusatzprotokolls
Mit dem Zusatzprotokoll wird der Anwendungsbereich des Übereinkommens des Europarats über Computerkriminalität, einschließlich seiner materiell- und verfahrensrechtlichen Bestimmungen und seiner Bestimmungen über die internationale Zusammenarbeit, auf Straftaten rassistischer und fremdenfeindlicher Propaganda erstreckt. Dies soll die Fähigkeit der Vertragsstaaten verbessern, die in dem Übereinkommen für diesen Bereich vorgesehenen Möglichkeiten und Wege der internationalen Zusammenarbeit zu nutzen. Außerdem sind Vorgaben zur Angleichung des materiellen Strafrechts der Vertragsstaaten im Bereich der Bekämpfung solcher Propaganda im Internet enthalten. Eine solche Angleichung erleichtert ebenfalls die Bekämpfung dieser Straftaten auf internationaler Ebene, insbesondere soweit es für die Gewährung von strafrechtlicher Rechtshilfe auf das Vorliegen einer beiderseitigen Strafbarkeit ankommt.
3. Deutscher Vorbehalt
Die Bundesrepublik Deutschland wird im Zuge der völkerrechtlichen Ratifikation des Übereinkommens erklären, dass von der Vorbehaltsmöglichkeit des Artikels 3 Absatz 2 des Zusatzprotokolls Gebrauch gemacht wird. Nach dieser Bestimmung kann sich eine Vertragspartei das Recht vorbehalten, die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Handlungen nicht unter Strafe zu stellen, wenn das Material nach Artikel 2 Absatz 1 eine Diskriminierung befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt, die nicht mit Hass oder Gewalt einhergeht. Voraussetzung für eine solche Vorbehaltsmöglichkeit ist, dass im nationalen Recht andere wirksame Mittel zum Vorgehen gegen die Diskriminierung zur Verfügung stehen (vgl. II. zu Artikel 3).
II. Zu den einzelnen Bestimmungen
Zu Kapitel I - Allgemeine Bestimmungen
Zu Artikel 1
Artikel 1 beschreibt den Zweck des Zusatzprotokolls, nämlich das Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität für die Vertragsparteien des Zusatzprotokolls zu ergänzen, indem Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, die mittels Computersystemen begangen werden, kriminalisiert werden.
Zu Artikel 2
Artikel 2 Absatz 1 definiert die Begriffe "rassistisches und fremdenfeindliches Material". Der Erläuternde Bericht zum Zusatzprotokoll nimmt in diesem Zusammenhang auf das in Artikel 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung Bezug (Nummer 11) und macht Ausführungen zu den in den Definitionen des Artikels 2 des Zusatzprotokolls verwendeten Begriffen (Nummern 12 bis 22).
Die Definition in Artikel 2 bezieht sich auf schriftliches Material. Unter diesem Begriff sind nach dem Erläuternden Bericht (Nummer 12) z.B. Texte, Bücher, Zeitschriften, Erklärungen, Botschaften etc. zu verstehen. "Bilder" im Sinne dieser Definition sind z.B. Abbildungen, Fotos, Zeichnungen etc. Aber auch andere Darstellungen von Ideen oder Theorien rassistischer oder fremdenfeindlicher Art sollen erfasst werden, wenn sie in einem solchen Format vorliegen, dass sie mittels eines Computersystems gespeichert, bearbeitet und übermittelt werden können.
Nach der Definition in Artikel 2 Absatz 1 muss das Material Hass, Diskriminierung oder Gewalt befürworten, fördern oder dazu aufstacheln. Dabei bezieht sich "befürworten" nach dem Erläuternden Bericht (Nummer 14) auf das sich Aussprechen für Hass, Diskriminierung oder Gewalt, "fördern" auf das Ermutigen zu oder das Vorantreiben von Hass, Diskriminierung oder Gewalt und "aufstacheln" auf das Drängen anderer zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt. Der Begriff "Gewalt" bezieht sich auf die rechtswidrige Gewaltanwendung, der Begriff "Hass" auf starke Abneigung oder Feindseligkeit (vgl. den Erläuternden Bericht Nummer 15).
Für die Auslegung des Begriffs "Diskriminierung" verweist der Erläuternde Bericht auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Nummer 16 des Erläuternden Berichts). Nach dieser Rechtsprechung ist eine unterschiedliche Behandlung diskriminierend "wenn es für sie keine objektive und angemessene Rechtfertigung gibt, d.h. wenn mit ihr kein legitimes Ziel verfolgt wird oder die eingesetzten Mittel zum angestrebten Ziel nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen". Eine Orientierung zur Auslegung des Begriffs "Diskriminierung" sei ferner in Artikel 1 des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD) zu finden. Der Begriff "Rassendiskriminierung" bedeute dort jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleich berechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen kulturellen oder jedem sons tigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.
Absatz 2 stellt klar, dass die in dem Zusatzprotokoll verwendeten Wörter und Ausdrücke in derselben Weise wie im Übereinkommen ausgelegt werden, um eine einheitliche Auslegung beider Instrumente zu gewährleisten.
Zu Kapitel II - Innerstaatlich zu treffende Maßnahmen
Die Artikel 3 bis 6 enthalten die Straftatbestände, die der Angleichung des materiellen Strafrechts und damit der Schaffung eines einheitlichen Mindeststandards dienen, durch den die Bekämpfung der Computerkriminalität im Bereich der rassistischen und fremdenfeindlichen Taten national und international erleichtert werden soll.
Zu Artikel 3
Artikel 3 Absatz 1 fordert, dass jede Vertragspartei die vorsätzliche Verbreitung oder das anderweitige Öffentlichverfügbar-Machen rassistischen und fremdenfeindlichen Materials über Computersysteme unter Strafe stellt. Dabei ist nach Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 das Befürworten, Fördern oder Aufstacheln zu Hass, Diskriminierung oder Gewalt gegen eine Person oder eine Personengruppe unter Strafe zu stellen.
Diese Vorgaben werden im deutschen Recht von § 130 Absatz 2 in Verbindung mit § 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) umgesetzt. Nach § 130 Absatz 2 StGB wird bestraft, wer Schriften, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden, verbreitet, öffentlich ausstellt, anschlägt, vorführt oder sonst zugänglich macht. Nach § 130 Absatz 2 Nummer 2 StGB gilt dies ausdrücklich für die Verbreitung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste. Nach § 11 Absatz 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleich.
Der Wortlaut von § 130 Absatz 2 StGB nennt als Angriffsobjekte im Gegensatz zum Zusatzprotokoll ausdrücklich nur "Teile der Bevölkerung" und "nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppen", d.h. zahlenmäßig nicht unerhebliche Personenmehrheiten. Die Hetze gegen eine Einzelperson wird damit vom Wortlaut der Strafvorschrift bisher nicht erfasst. Die notwendige Anpassung soll durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und zur Umsetzung des Zusatzprotokolls vom 28. Januar 2003 zum Übereinkommen des Europarats über Computerkriminalität betreffend der Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art erfolgen.
§ 130 Absatz 2 StGB erfasst alle Fälle der Verbreitung von diskriminierendem Material im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1, wenn ein Angriff auf die Menschenwürde vorliegt. Ein solcher Angriff ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs z.B. stets gegeben, wenn der Täter sich mit der NS-Rassenideologie identifiziert oder wenn die Äußerung damit in (affirmativem) Zusammenhang steht (vgl. BGHSt 40, 97, 100; 4 StR 283/04; vgl. auch BVerfG NStZ 2001, 26, 28). Daneben kann der Straftatbestand der Beleidigung verschiedene Fallgestaltungen abdecken. Nach Artikel 3 Absatz 2 kann sich eine Vertragspartei im Übrigen das Recht vorbehalten, die in Artikel 3 Absatz 1 genannten Handlungen nicht unter Strafe zu stellen, wenn das Material nach Artikel 2 Absatz 1 eine Diskriminierung, die nicht mit Hass oder Gewalt einhergeht, befürwortet oder fördert oder dazu aufstachelt, vorausgesetzt, dass andere wirksame Mittel zur Verfügung stehen. Diese können nach Nummer 32 des Erläuternden Berichts zum Beispiel zivilrechtlicher oder verwaltungsrechtlicher Natur sein. Solche anderen Mittel stehen im deutschen Recht zur Verfügung. Zum Beispiel geschieht dies im Bereich der Begründung, Durchführung und Beendigung von Schuldverhältnissen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Soweit Diskriminierungen also nicht von § 130 StGB erfasst werden und auch keine Beleidigung nach § 185 StGB darstellen, wird von der Möglichkeit eines Vorbehalts nach Artikel 3 Absatz 2 Gebrauch gemacht.
Das einfache "Befürworten" von Hass und Gewalt ist nach § 130 Absatz 2 StGB zwar noch nicht strafbar; der Begriff des "Befürwortens" im Zusatzprotokoll ist jedoch im Hinblick auf das Recht auf Meinungsfreiheit nach Artikel 10 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) so auszulegen, dass damit "mehr" als eine bloße Meinungsäußerung gemeint ist. Denn Artikel 10 EMRK schützt auch Meinungen, "die den Staat oder eine Bevölkerungsgruppe beleidigen, schockieren oder beunruhigen". Deshalb geht es beim "Befürworten" um eine gesteigerte Form der Einwirkung auf andere, die im deutschen Recht von den Tatmodalitäten des § 130 Absatz 2 StGB (Aufstachelung zum Hass, Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen, Angriff auf die Menschenwürde durch Beschimpfen usw.) erfasst wird.
Das "Fördern" von Hass und Gewalt im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 ist durch die Tatmodalität des Aufstachelns zum Hass im Sinne des § 130 Absatz 2 StGB erfasst. Dieses muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sein, eine gesteigerte, über die bloße Ablehnung und Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen die betreffenden Bevölkerungsteile zu erzeugen oder zu steigern (vgl. BGHSt 40, 97, 102 m. w. N.).
Die Vorgabe des "Verbreitens oder Öffentlichverfügbar-Machens" ist bereits in § 130 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a und b StGB enthalten, sodass insoweit kein Umsetzungsbedarf besteht.
Zu Artikel 4
Nach Artikel 4 ist die Drohung mit einer schweren Straftat mittels eines Computersystems gegen eine Person oder eine Personengruppe wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit unter Strafe zu stellen. Die Gruppenzugehörigkeit kennzeichnet sich durch die Rasse, die Hautfarbe, die Abstammung, die nationale oder ethnische Herkunft oder die Religion, wenn Letztere für eines dieser Merkmale vorgeschoben ist. Auch das Erfordernis, die rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Drohung unter Strafe zu stellen, löst im deutschen Recht keinen Umsetzungsbedarf aus, weil dieses bereits von § 241 Absatz 1, § 12 Absatz 1 sowie von § 126 StGB erfasst ist. Insbesondere ist es nach dem Erläuternden Bericht (Nummer 34) den Vertragsparteien überlassen zu bestimmen, was eine schwere Straftat ist. Die in § 126 StGB genannten Straftaten sowie Verbrechen nach § 12 Absatz 1 StGB sind schwere Straftaten in diesem Sinne.
Zu Artikel 5
Nach Artikel 5 ist die rassistisch und fremdenfeindlich motivierte Beleidigung mittels eines Computersystems unter Strafe zu stellen, wobei diese Forderung mit dem Vorbehalt versehen werden kann, dass die Angriffsobjekte Hass oder Verachtung ausgesetzt oder der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Auch kann sich eine Vertragspartei das Recht vorbehalten, die Vorschrift insgesamt oder teilweise nicht anzuwenden. Ein Umsetzungsbedarf besteht nicht, weil die deutsche Rechtslage mit den Regelungen in den §§ 185 ff. StGB den Vorgaben des Zusatzprotokolls entspricht. Aus diesem Grund ist auch nicht von den Vorbehaltsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
Zu Artikel 6
Das Zusatzprotokoll enthält mit Artikel 6 eine Vorschrift, nach der das Leugnen, grobe Verharmlosen, Billigen oder Rechtfertigen von Völkermorden oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Strafe zu stellen ist, wenn die Verbrechen in rechtskräftigen Endentscheidungen internationaler Gerichte festgestellt wurden. Der Erläuternde Bericht (Nummer 39) führt hierzu aus, in den vergangenen Jahren seien die Gerichte mit verschiedenen Fällen befasst worden, in denen es um die Leugnung von Verbrechen (vor allem während des Zweiten Weltkriegs) ging. Oftmals würde "wissenschaftliche Forschung" vorgeschoben, um in Wirklichkeit die Ideen zu unterstützen und zu fördern, die zum Holocaust geführt haben. Die Äußerung solcher Ideen beleidige die Opfer dieser Verbrechen sowie ihre Familienangehörigen. Es solle klargestellt werden, dass Tatsachen, deren historische Richtigkeit festgestellt worden ist, nicht geleugnet, grob verharmlost, gebilligt oder gerechtfertigt werden dürfen, um diese verabscheuungswürdigen Theorien und Ideen zu unterstützen (vgl. den Erläuternden Bericht Nummer 41).
Ausgangspunkt für die Vorschrift waren die Verbrechen unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die in rechtskräftigen Endentscheidungen des durch das Londoner Abkommen vom 8. April 1945 errichteten Internationalen Militärgerichtshofs festgestellt wurden (vgl. den Erläuternden Bericht Nummer 40). Da es seitdem weitere Fälle von Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegeben hat, die stark durch rassistische und fremdenfeindliche Theorien und Ideen motiviert waren, erachteten es die Verfasser des Zusatzprotokolls als notwendig, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen auch Völkermorde und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzubeziehen, die von anderen internationalen Gerichtshöfen, die seit 1945 durch entsprechende völkerrechtliche Übereinkünfte (z.B. die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats, mehrseitige Verträge etc.) errichtet wurden, festgestellt worden sind. Als Beispiele nennt der Erläuternde Bericht die Internationalen Strafgerichtshöfe für das ehemalige Jugoslawien oder Ruanda oder den Ständigen Internationalen Strafgerichtshof.
Die Strafbarkeit kann zusätzlich davon abhängig gemacht werden, dass mit der Handlung zu Hass aufgestachelt werden soll (Absatz 2 Buchstabe a). Das Zusatzprotokoll erlaubt darüber hinaus den Vorbehalt, die Vorschrift insgesamt oder teilweise nicht anzuwenden (Absatz 2 Buchstabe b).
Ebenso wie der Rahmenbeschluss 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 55) räumt damit auch das Zusatzprotokoll dem nationalen Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum ein. Vor dem Hintergrund, dass das "schlichte Leugnen" ohne eine damit einhergehende Aufstachelung zu Hass und Gewalt gegen die im Zusatzprotokoll genannten Gruppen nicht kriminalisiert werden muss, sind Änderungen im deutschen Strafrecht nicht notwendig.
Mit § 130 Absatz 2 StGB enthält das deutsche Strafrecht eine Vorschrift, welche die Verbreitung von Schriften unter Strafe stellt, die zum Hass gegen Teile der Bevölkerung oder gegen eine nationale, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe aufstacheln, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordern oder die Menschenwürde anderer dadurch angreifen, dass Teile der Bevölkerung oder eine vorbezeichnete Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Nach § 130 Absatz 2 Nummer 2 StGB gilt dies ausdrücklich für die Verbreitung durch Rundfunk, Medienoder Teledienste. Nach § 11 Absatz 3 StGB stehen den Schriften Ton- und Bildträger, Datenspeicher, Abbildungen und andere Darstellungen gleich. Weil § 130 Absatz 2 StGB "jede" Form der Aufstachelung zu Hass unter Strafe stellt, fällt darunter grundsätzlich auch eine Aufstachelung, die in der Form der Leugnung oder gröblichen Verharmlosung von Völkermorden oder Kriegsverbrechen geschieht. Dies ist für bestimmte Fälle der Holocaustleugung auch höchstrichterlich anerkannt (vgl. BGH NStZ 1994, 140). In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall wurde das Schicksal der Juden unter der Herrschaft des Nationalsozialismus als "Erfindung" dargestellt und diese Behauptung mit dem Motiv der angeblichen Erpressung verbunden (so genannte "qualifizierte Auschwitzlüge"). Diese Grundsätze gelten nicht nur für den nationalsozialistischen Völkermord, sondern auch für andere Verbrechen entsprechend.
§ 130 Absatz 3 StGB stellt darüber hinaus die öffentliche Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermordhandlungen (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuchs) unter Strafe und geht insoweit über die Vorgaben des Zusatzprotokolls hinaus. Nach § 130 Absatz 5 StGB gilt dies auch, wenn die Tat mittels einer Schrift im Sinne des § 11 Absatz 3 StGB, also mittels eines Ton- oder Bildträgers, Datenspeichers, Abbildungen oder anderer Darstellungen, begangen wird und der Inhalt durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet wird.
Das öffentliche Billigen von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen ist bereits nach § 140 Nummer 2 in Verbindung mit § 126 Absatz 1 Nummer 2 StGB strafbar, wenn die Handlungen geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören. Zudem stellt § 185 in Verbindung mit § 194 StGB die Beleidigung unter Strafe und verzichtet gemäß § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB auf das Strafantragserfordernis, wenn der Verletzte als Angehöriger einer Gruppe unter der nationalsozialistischen oder einer anderen Gewalt- und Willkürherrschaft verfolgt wurde, diese Gruppe Teil der Bevölkerung ist und die Beleidigung mit dieser Verfolgung zusammenhängt. Schließlich stellt § 189 StGB die Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener unter Strafe. Der Schutzbereich dieser Vorschrift ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHSt 40, 97, 104) verletzt, wenn der nationalsozialistische Völkermord als "Gaskammerlüge", "Gaskammermythos", "Auschwitzlüge" oder mit ähnlichen Begriffen als bloße Erfindung abgetan und dies mit herabsetzenden Begriffen ("Lüge") negativ betont wird. Gleiches gilt für den Versuch, die alle Vorstellungen übersteigende Zahl der Opfer durch pseudowissenschaftliche Berechnungen ins Lächerliche zu ziehen.
Weder § 130 Absatz 2 noch § 130 Absatz 3 StGB enthalten den von Artikel 6 Absatz 1 verwendeten Begriff "rechtfertigt". Der Inhalt dieses Begriffs wird im deutschen Recht jedoch durch die Tathandlungen des " Billigens" und "Verharmlosens" erfasst. Eine Tat wird gebilligt, wenn sie als richtig, akzeptabel oder notwendig dargestellt wird (vgl. Krauß in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Auflage 2009, § 130 Rn. 105 m. w. N.); sie wird verharmlost, wenn sie bagatellisiert oder relativiert wird (vgl. Krauß, a. a. O. Rn. 107 m. w. N.).
Der Leugnungstatbestand des Zusatzprotokolls, der nicht unter den bereits bestehenden Straftatbestand der Holocaustleugnung ( § 130 Absatz 3 StGB) fällt, wird daher über die Tatbestände der Volksverhetzung nach § 130 Absatz 2 StGB, der öffentlichen Billigung von Straftaten nach § 140 Nummer 2 StGB, der Beleidigung nach § 185 in Verbindung mit § 194 Absatz 1 Satz 2 StGB und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener nach § 189 in Verbindung mit § 194 Absatz 2 StGB erfasst und bedarf keiner weiteren Umsetzung.
Weil die deutsche Rechtslage den Vorgaben von Artikel 6 Absatz 1, 2 Buchstabe a entspricht, besteht kein Umsetzungsbedarf, und es muss auch nicht von der Möglichkeit eines Vorbehalts nach Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b Gebrauch gemacht werden.
Zu Artikel 7
Artikel 7 verlangt, dass Anstiftung und Beihilfe zu einer der im Zusatzprotokoll umschriebenen Straftaten unter Strafe zu stellen sind, wenn sie vorsätzlich und unbefugt begangen werden.
Der Erläuternde Bericht (Nummer 45) weist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Vorsatzerfordernis für die Beihilfehandlung hin und betont, dass sich beispielsweise ein Anbieter von Diensten, der ohne Vorsatz handelt, nicht nach dieser Bestimmung strafbar macht, obwohl für die Übertragung rassistischen und fremdenfeindlichen Materials die Unterstützung von solchen Anbietern als Übertragungsweg erforderlich ist. Es bestehe somit für einen Anbieter von Diensten keine Pflicht, Inhalte aktiv zu überwachen, um der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach dieser Bestimmung zu entgehen.
Im deutschen Recht werden Anstiftung und Beihilfe zu den im Zusatzprotokoll genannten Handlungen bereits von den §§ 26, 27 StGB erfasst, sodass kein Umsetzungsbedarf besteht.
Zu Kapitel III - Verhältnis zwischen dem Übereinkommen und dem Zusatzprotokoll
Zu Artikel 8
Artikel 8 regelt das Verhältnis des Übereinkommens des Europarats über Computerkriminalität vom 23. November 2001 zu dem Zusatzprotokoll. In Absatz 1 werden die Artikel des Übereinkommens aufgezählt, die entsprechend Anwendung finden. Nach Absatz 2 erstrecken die Vertragsparteien den Geltungsbereich der Vorschriften des Übereinkommens, die das Verfahrensrecht betreffen, und der Vorschriften des Übereinkommens, die die internationale Zusammenarbeit regeln, auf das Zusatzprotokoll.
Zu Kapitel IV - Schlussbestimmungen
Zu den Artikeln 9 bis 16
Diese Artikel enthalten im Wesentlichen die in Europarat-Übereinkommen üblicherweise verwendeten Schlussklauseln.
In den Artikeln 9 bis 11 sind die Modalitäten der Ratifikation, der Zustimmung, des Beitritts sowie des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls geregelt. Die Artikel 12 und 13 enthalten Regelungen zur Einlegung und Rücknahme von Vorbehalten. Artikel 14 regelt den räumlichen Anwendungsbereich des Zusatzprotokolls. Artikel 15 regelt die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit der Vertragsparteien, und Artikel 16 befasst sich mit der Notifikation.