971. Sitzung des Bundesrates am 19. Oktober 2018 COM (2018) 641 final
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLwie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz die Initiative der Kommission, einen Vorschlag für die Ausweitung der Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) auf grenzüberschreitende terroristische Straftaten vorzulegen. Terroristische Netzwerke sind heute international tätig; ihre Bekämpfung erfordert notwendigerweise auch effektive, grenzüberschreitend tätige Einrichtungen der Strafverfolgung. Europol und Eurojust unterstützen die nationalen Strafverfolgungsbehörden hierbei bereits entscheidend, ihr Aufgabenbereich ist jedoch auf die Koordination von Strafverfolgungsaktivitäten und die Erleichterung des Informationsaustauschs beschränkt. Insofern scheint es konsequent, die EUStA als EU-Strafverfolgungsbehörde, die über EU-weite Ermittlungsbefugnisse verfügt, mit der Bekämpfung der grenzüberschreitenden terroristischen Straftaten zu betrauen.
- 2. Allerdings hält der Bundesrat die von der Kommission vorgeschlagene Befassung des Europäischen Rats in Sibiu im Mai 2019 mit dem Ziel einer Ausweitung der Zuständigkeiten der EUStA auf terroristische Straftaten für verfrüht, da die tatsächlichen Grundlagen für die Erarbeitung eines Verordnungsvorschlags noch nicht gegeben sind:
- - Die Kommission hat in der Mitteilung auf bestehende ineffiziente parallele Ermittlungen und Strafverfolgungsmaßnahmen hingewiesen. Allerdings bleiben die zugrundeliegenden empirischen Befunde vage und unkonkret. Es ist nicht ersichtlich, woher die Kommission ihre Erkenntnisse gewinnt und wo im Einzelnen die grenzüberschreitende Terrorismusbekämpfung Defizite aufweist. Eine genaue Analyse des Standes der grenzüberschreitenden Terrorismusbekämpfung ist aber unabdingbare Voraussetzung dafür, im Rahmen einer Neuverhandlung des Mandats der EUStA überzeugende Antworten auf mögliche Verfolgungsdefizite zu geben.
- 3. - Der Bundesrat merkt an, dass entsprechend der Verordnung (EU) Nr. 2017/1939 vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft die EUStA gemäß Artikel 120 der Verordnung frühestens im Jahre 2020 die ihr durch diese Verordnung übertragenen Ermittlungs- und Strafverfolgungsaufgaben aufnimmt.
- 4. Die EUStA wird ihre operative Tätigkeit nach der Mitteilung der Kommission zum 1. November 2020 aufnehmen.
- 5. Struktur und Arbeitsweise der EUStA stellen für die grenzüberschreitende Strafverfolgung ein Novum dar, die Anwendung der EUStA-Verordnung in der Praxis birgt noch viele Unklarheiten und wird zu Beginn einige Reibungsverluste verursachen.
- 6. Nach Aufnahme der operativen Tätigkeit kann beurteilt werden, ob die Arbeit der EUStA sich bewährt, und erst nach erfolgreicher Tätigkeit sollte über eine Kompetenzerweiterung entschieden werden.
- 7. Die Erarbeitung einer angepassten Verordnung, die die Ausdehnung der Zuständigkeit auf die Terrorismusbekämpfung enthält, sollte daher die bereits gewonnenen Erfahrungen bei der Anwendung der EUStA-Verordnung berücksichtigen können. Gerade bei der Terrorismusbekämpfung braucht es schlagkräftige, effizient arbeitende und flexible Strukturen. Ob die EUStA-Verordnung in ihrer jetzigen Ausgestaltung dieser Anforderung gerecht wird, lässt sich erst nach einigen Jahren praktischer Anwendung verlässlich sagen.
- 8. Der Bundesrat erinnert an die Verhandlungen zu der ab 1. Juli 2017 geltenden Verordnung (EU) Nr. 2016/794 vom 11. Mai 2016 über die Agentur der für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) (Europol-Verordnung). Seinerzeit haben die Mitgliedstaaten der sich eindeutig für eine EU-Agentur Europol ohne Exekutivbefugnisse eingesetzt und damit den Grundgedanken zur Einrichtung von Europol ausdrücklich beibehalten. In Artikel 6 der Europol-Verordnung wurde nach intensiver Diskussion vereinbart, dass Europol in bestimmten Fällen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten um Einleitung, Durchführung oder Koordinierung strafrechtlicher Ermittlungen ersuchen kann. Demgegenüber muss dem Ersuchen von Europol durch die nationalen Stellen der Mitgliedstaaten nicht stattgegeben werden. Im Zuge der Diskussion war es den Mitgliedstaaten der wichtig, ihre nationale Souveränität zu behalten. In den Verhandlungen haben die Länder durchweg ebenfalls diese Auffassung vertreten und sich gegen die Einrichtung von Exekutivbefugnissen und eine verpflichtende Umsetzung von Ersuchen der EU-Agentur Europol durch die nationalen Behörden der Mitgliedstaaten ausgesprochen (vergleiche BR-Drucksache 346/13(B) , Ziffer 8). Nunmehr ist in der Mitteilung vorgesehen, dass die EUStA eng mit "anderen Unionsakteuren wie Eurojust und Europol zusammenarbeiten [...], um für die effektive Umsetzung des Unionsansatzes für die Ermittlungen und Verfolgung terroristischer Straftaten zu sorgen". Die Erweiterung der Zuständigkeit der EUStA darf nicht dazu führen, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten beschnitten werden und nunmehr über die EUStA den EU-Agenturen, wie zum Beispiel Europol, Kompetenzen eingeräumt werden, die dem Grundgedanken der ursprünglichen Einrichtung der Organisation zur Unterstützung der Mitgliedstaaten nicht mehr entsprechen.
- 9. Der Bundesrat sieht kritisch, dass nicht klar ist, für welche Straftaten die Kompetenzen der EUStA nach einer Erweiterung gelten sollen. Auch der Verweis auf eine analoge Anwendung der Richtlinie (EU) Nr. 2017/541 vom 15. März 2017 zur Terrorismusbekämpfung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates und zur Änderung des Beschlusses 2005/671/JI des Rates, verbunden mit dem Hinweis, dass die Straftaten mehr als einen Mitgliedstaat betreffen sollen, dürfte Zuständigkeits- und Abgrenzungsprobleme nach sich ziehen.
- 10. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.