949. Sitzung des Bundesrates am 14. Oktober 2016
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Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Grundsätzlich befürwortet der Bundesrat, dass die Mitteilung das Thema der Integration von Drittstaatsangehörigen hervorhebt und auch auf europäischer Ebene die Bedeutung von Integration in den Fokus rückt. Der Bundesrat stellt jedoch fest, dass die Gruppe der zu Integrierenden in der Mitteilung sehr breit gefasst ist. So werden unter Drittstaatsangehörigen zum Teil undifferenziert Flüchtlinge, dann wieder nur Drittstaatsangehörige, die sich legal in einem EU-Mitgliedstaat aufhalten, oder andere Migranten gefasst. Dies wird aus Sicht des Bundesrates den unterschiedlichen Rechts- und Problemlagen, welchen sich die verschiedenen Gruppen von Menschen ausgesetzt sehen, nicht gerecht. Darüber hinaus unterscheidet sich die Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten, sodass auch diesbezüglich die pauschalisierende Darstellung in der Mitteilung problematisch scheint.
- 2. Der Bundesrat sieht kritisch, dass in der Mitteilung berufliche Bildung und allgemeine Bildung getrennt thematisiert werden und berufliche Bildung nur unter reinen Arbeitsmarktaspekten behandelt wird. Er erinnert daran, dass Bildung einen ganzheitlichen lebenslangen Prozess darstellt, der sich nicht auf die Generierung von Beschäftigungsfähigkeit beschränkt. Dies gilt auch für die Integration von Drittstaatsangehörigen: Dabei spielt vor allem die Vermittlung sozialer Normen und Werte sowie der grundlegenden Kenntnisse des staatlichen Systems durch politische Bildung eine tragende Rolle.
- 3. Zu den von der Kommission im Rahmen der Europäischen Agenda für neue Kompetenzen angekündigten Maßnahmen für die Integration von Drittstaatsangehörigen nimmt der Bundesrat wie folgt Stellung:
- - Bezüglich der Ankündigung, ein Instrument zur Erstellung von Kompetenzprofilen für Drittstaatsangehörige entwickeln zu wollen, um die zeitnahe Ermittlung von Kompetenzen und Qualifikationen neu angekommener Drittstaatsangehöriger zu unterstützen, erinnert der Bundesrat daran, dass einige Mitgliedstaaten bereits erfolgreich Instrumente hierfür nutzen. Dies gilt auch für die Prüfung und Anerkennung von Bildungsabschlüssen. Die Erstellung weiterer Instrumente auf der Ebene der EU wird zudem vor dem Hintergrund der gewachsenen schulischen Strukturen in den einzelnen Staaten und Ländern als nicht zielführend gesehen. - Die Kommission möchte dafür sorgen, dass über das Europass-Portal bessere Informationen über die Vorgehensweise und die Entscheidungen bezüglich der Anerkennung von Qualifikationen in verschiedenen Ländern erhoben werden. Der Bundesrat hegt gegenüber einer Ausweitung des Europass-Instruments Bedenken.
- - Bezüglich des Vorhabens der Kommission, durch Überarbeitung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (EQR) die Transparenz und das Verständnis über in Drittstaaten erworbene Qualifikationen zu verbessern, weist der Bundesrat darauf hin, dass die Beratungen über den Entwurf einer Empfehlung des Rates über den EQR erst begonnen haben. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass sich die EU und die Mitgliedstaaten zunächst weiter auf den Prozess der innereuropäischen Etablierung des EQR und der Referenzierung der verschiedenen nationalen Qualifikationsrahmen konzentrieren sollten. Zudem wird eine Nutzung des EQR zur Verbesserung von Transparenz und des Verständnisses von in Drittstaaten erworbenen Qualifikationen von Flüchtlingen als nicht realisierbar angesehen. Dies würde voraussetzen, dass die Staaten, aus denen die Flüchtlinge überwiegend stammen, über Qualifikationsrahmen verfügen und in der Lage sind, mit der EU an einer Vergleichbarkeit der Rahmen zu arbeiten. In den typischen Herkunftsstaaten der Flüchtlinge fehlen jedoch häufig die hierfür erforderlichen staatlichen Strukturen oder sind außer Kraft gesetzt.
- 4. Zudem sieht der Bundesrat die Unterstützung der Ausbildung des Personals in den Aufnahmeeinrichtungen, um die Anerkennungsverfahren zu beschleunigen, kritisch. Er fordert die Kommission auf, ihre Pläne weiter darzulegen. Außerdem weist er darauf hin, dass Anerkennungsverfahren und die Schulung des Personals ausschließlich in nationaler Zuständigkeit liegen.
- 5. Angesichts der Ankündigung der Kommission, besondere Unterstützung für die zeitnahe Anerkennung akademischer Qualifikationen von Drittstaatsangehörigen, einschließlich Flüchtlingen, leisten und Instrumente zur Förderung der Erstellung von Kompetenzprofilen und der Anerkennung von Qualifikationen fördern zu wollen, erinnert der Bundesrat erneut daran, dass die Anerkennung von Qualifikationen allein in mitgliedstaatlicher Kompetenz liegt.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass sich einige Aussagen in der Mitteilung nicht auf eine aktuelle Evidenzbasis stützen. So wird die Aussage, dass viele Drittstaatsangehörige für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit überqualifiziert seien, auf Daten gestützt, die vor 2015 erhoben wurden und die aktuelle Situation nicht abbilden.
- 7. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission dahingehend überein, dass Lehrkräfte und Schulpersonal auf den Umgang mit Diversität an den Schulen vorbereitet werden müssen. Bezüglich der Aufforderung der Kommission, die Einstellung von Lehrkräften mit Migrationshintergrund zu fördern, weist er jedoch darauf hin, dass die Einstellung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erfolgt und deshalb der persönliche Hintergrund nicht ausschlaggebend sein kann. Gleichwohl wurden auch bereits Maßnahmen ergriffen, um zum Beispiel insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund gezielt anzusprechen und zu unterstützen, dass sie ein Lehramtsstudium aufnehmen, oder über bestimmte Anforderungen bei der Ausschreibung das Thema Diversität besonders zu berücksichtigen.
- 8. Die Kommission schreibt in ihrer Mitteilung, dass die Frage, ob in den Schulen der Sekundarstufe Staatsbürgerkunde unterrichtet werden sollte, weiter zu prüfen sei. Der Bundesrat verweist hier auf Artikel 165 Absatz 1 AEUV, wonach die alleinige Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems strikt zu beachten ist. Gesellschaftswissenschaftliche Fächer gehören in den Schulen in der jeweiligen landesspezifischen Ausprägung in Deutschland bereits zum Fächerkanon.
- 9. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass die Kommission ankündigt, die Integrationspolitik und Integrationsergebnisse in den Mitgliedstaaten, unter anderem im Rahmen des Europäischen Semesters, zu beobachten. Hierzu möchte die Kommission bestehende Monitoringinstrumente und Indikatoren weiter nutzen und ausbauen. Der Bundesrat warnt in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor einer Intensivierung von Kontrollen im Bildungsbereich und vor der Schaffung weiterer Indikatoren.
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- 10. Der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik, der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.