Der Bundesrat hat in seiner 948. Sitzung am 23. September 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Kommission des Themas der Online-Plattformen annimmt und dabei Chancen und Herausforderungen in den Blick nimmt, die mit der großen Bedeutung von Online-Plattformen für den digitalen Binnenmarkt verbunden sind. Er teilt die Auffassung der Kommission, dass Online-Plattformen einen wichtigen Beitrag zu Innovation und digitaler Wertschöpfung leisten, das Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher erhöhen, den Zugang zu Informationen erleichtern und die Möglichkeit der stärkeren Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern in die Gesellschaft und Demokratie bieten; zugleich stellen sich dabei aber auch neue Herausforderungen für Politik und Gesetzgeber.
- 2. Online-Plattformen wie etwa Suchmaschinen, Soziale Medien, App-Plattformen und Plattformen zur Verbreitung von kreativen Inhalten sind nicht nur für den Handel mit Waren und Dienstleistungen von Relevanz, sondern auch für die öffentliche und individuelle Meinungsbildung. Es handelt sich hierbei um Intermediäre mit einer strukturbildenden Funktion für die öffentliche Kommunikation. Der Bundesrat verweist auf das gemeinsame Positionspapier von Bund und Ländern zum Regelungsumfeld für Plattformen, OnlineVermittler, Daten, Cloud Computing und die partizipative Wirtschaft von April 2016, welches der Kommission bereits übermittelt wurde.
- 3. Der Bundesrat unterstützt die Bestrebungen der Kommission, gleiche Ausgangsbedingungen für vergleichbare digitale Dienste auf europäischer Ebene herzustellen.
- 4. Er hebt hervor, dass bei allen Bestrebungen der Kommission bezüglich der Regulierung von Online-Plattformen Spielräume für die Mitgliedstaaten zur Sicherung von Meinungsvielfalt und kommunikativer Chancengleichheit gewahrt bleiben müssen.
- 5. Der Bundesrat stimmt mit der Kommission in der Feststellung überein, dass Over-The-Top-Kommunikationsdienste (OTT-Dienste), das heißt die Übermittlung von Video- und Audioinhalten über Internetzugänge, ohne dass ein Internet-Service-Provider in die Kontrolle oder Verbreitung der Inhalte involviert ist, zunehmend mit klassischen Telekommunikationsdiensten in Wettbewerb treten. Er spricht sich für eine stärkere regulatorische Gleichbehandlung entsprechender Äquivalente mit Telekommunikationsdiensten aus. Hierfür ist zwar eine Modernisierung des existierenden Regulierungsrahmens unabdingbar, gleichwohl betont der Bundesrat, dass er jedenfalls die bestehenden Marktregulierungsmechanismen grundsätzlich auch für OTT-Dienste gleicher Funktionalität für geeignet hält.
- 6. Zu Fragen des Urheberrechts erinnert der Bundesrat an seine der Kommission bereits übermittelten Stellungnahmen vom 10. Juli 2015 (BR-Drucksache 212/15(B) ), 18. März 2016 (BR-Drucksache 015/16(B) ) und 22. April 2016 (BR-Drucksache 167/16(B) ).
- 7. Zu Fragen des Jugendschutzes auf Video-Plattformen wird er sich im Zusammenhang mit dem seitens der Kommission vorgelegten Vorschlag zur Revision der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste äußern.
- 8. Im Zusammenhang mit den Regeln für audiovisuelle Mediendienste auf Plattformen, die in der Bündelung und Verbreitung (Zusammenfassung) von Inhalteangeboten bestehen, verweist er auf die Ausführungen im Positionspapier von Bund und Ländern an die Kommission von April 2016. Insbesondere sind insoweit Transparenz, Auffindbarkeit, diskriminierungsfreie und transparente Zugangsmöglichkeiten sowie Nutzerautonomie zu gewährleisten.
- 9. Der Bundesrat stimmt mit der Feststellung der Kommission überein, dass mehr Transparenz erforderlich ist, damit Nutzerinnen und Nutzer nachvollziehen können, nach welchen Kriterien ihnen angezeigte Informationen gefiltert, aufbereitet oder personalisiert wurden, vor allem dann, wenn diese Informationen die Grundlage für Kaufentscheidungen bilden oder die Teilnahme der Nutzerinnen und Nutzer am gesellschaftlichen oder demokratischen Leben beeinflussen.
- 10. Er verweist darüber hinaus auf das Positionspapier an die Kommission von April 2016, in dem Bund und Länder eine europäische Regelung zur Gewährleistung der notwendigen Transparenz fordern und hierfür Eckpunkte benennen. Insbesondere sollen die Nutzerinnen und Nutzer erkennen können, ob sich Such- und Empfehlungsfunktionen allein an der Relevanz der Inhalte orientieren oder ob etwa eigene Dienste oder Inhalte der Online-Plattform bevorzugt werden. Auch eine Ungleichbehandlung aus politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen soll kenntlich gemacht werden.
- 11. Insbesondere betont der Bundesrat, dass eine entwicklungsoffene Definition von Online-Plattformen gefunden werden muss.
- 12. Er unterstützt die Bestrebungen der Kommission, das EU-Verbraucher- und Wettbewerbsrecht zu überprüfen, um Vertrauen, Transparenz und Fairness bei Unternehmens-Verbraucher-Plattformen (Businessto-Consumer-PlattformenB2C) zu gewährleisten. Der Bundesrat setzt sich vor diesem Hintergrund dafür ein, Transparenzvorgaben für Such- und Empfehlungsfunktionen in die Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr (ECommerce-Richtlinie) aufzunehmen, die in den Artikeln 5 und 6 bereits Informationspflichten enthält.
- 13. Vertrauen, Transparenz und Fairness sind insoweit zudem nicht nur im Hinblick auf geschäftliche Entscheidungen der Nutzer und Nutzerinnen erforderlich, sondern sollten bei allen Such- und Empfehlungsfunktionen auf Online-Plattformen gewährleistet werden. Die Trennung und das Kenntlichmachen bezahlter Inhalte sind wichtige Ansätze, es bedarf aber darüber hinausgehender Transparenzvorgaben. Sollten nur Vergleichsportale dazu angehalten werden, ihre Auswahlkriterien transparent zu machen, andere Online-Plattformen, die Einfluss auf die Meinungsbildung in anderen Lebensbereichen haben können, aber nicht, entsteht eine Schieflage.
- 14. Die Kommission ruft in ihrer Mitteilung die Industrie dazu auf, ihre freiwilligen Bemühungen zu verstärken, um vertrauensmindernde Praktiken zu verhindern. Um das Ziel der Gewährleistung der notwendigen Transparenz zu erreichen, sollte die Kommission legislative Maßnahmen zumindest dann einleiten, wenn effektive Maßnahmen der freiwilligen Selbstregulierung nicht zeitnah ergriffen werden. Das Ziel und die grundlegenden Prinzipien der Regulierung sollten hierbei durch legislative Maßnahmen festgelegt werden. Die weitere Ausformung dieser Prinzipien und die Aufsicht können dann wiederum Gegenstand von Selbst- oder Ko-Regulierung sein.
- 15. Dass die Kommission die Vorteile einer grundsatzbasierten Selbst- und KoRegulierung hervorhebt, ist positiv zu werten. Regelungen zur Selbst- und KoRegulierung dürfen jedoch nicht dazu führen, dass die Möglichkeiten staatlicher Regulierung unsachgerecht eingeschränkt werden.
- 16. Der Bundesrat begrüßt es darüber hinaus, dass die Kommission prüft, ob es über das geltende Wettbewerbsrecht hinausgehender Maßnahmen bedarf, um faire Beziehungen zwischen Plattformanbietern und Unternehmen sicherzustellen, und dabei etwa in den Blick nehmen will, ob Anbieter von Online-Plattformen ihre eigenen Dienste in unfairer Weise bevorzugen und ob ein Mangel an Transparenz von Suchergebnissen besteht.
- 17. Transparenz und Diskriminierungsfreiheit sind insbesondere von großer Bedeutung, soweit meinungsrelevante Inhalte über Online-Plattformen vermittelt werden. Positiv hervorzuheben sind die Überlegungen der Kommission zu Streitbeilegungsmechanismen. Der Bundesrat erinnert an seine der Kommission bereits übermittelte Stellungnahme vom 10. Juli 2015 (BR-Drucksache 212/15(B) ), wonach Diskriminierungsfreiheit über das bestehende allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus europaweit zu gewährleisten ist.
- 18. Er betont die Bedeutung der Nutzerautonomie, die auch beim Wechsel von einer Plattform zur anderen gewahrt sein muss. Die entsprechenden Bestrebungen der Kommission werden unterstützt.
- 19. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.