Der Bundesrat hat in seiner 919. Sitzung am 14. Februar 2014 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat anerkennt die Anstrengungen der Kommission, auf eine wirksame Anwendung der EU-Freizügigkeitsbestimmungen auf der Ebene der Mitgliedstaaten hinzuwirken. Die skizzierten Maßnahmen bieten eine geeignete Grundlage für eine künftig effizientere Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten.
- 2. Er bekennt sich ausdrücklich zur Freizügigkeit von Unionsbürgerinnen und -bürgern und ihren Familienangehörigen als eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Integration. Sie ist ein großer Gewinn für die Menschen in Europa.
- 3. Eine verstärkte Mobilität der Arbeitskräfte stellt einen Beitrag zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, zu einem hohen Beschäftigungsgrad und zu einer ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung dar. Mehr Mobilität zwischen den Mitgliedstaaten fördert zudem die politische Integration in der EU. Auch der deutsche Arbeitsmarkt und die deutsche Wirtschaft profitieren in hohem Maße von der Zuwanderung von Unionsbürgerinnen und -bürgern, die ihre Freizügigkeitsrechte in Anspruch nehmen. Aktuelle Studien zeigen, dass sich die Struktur der Zuwanderung nach Deutschland im vergangenen Jahrzehnt grundlegend verändert hat. Vor allem die Mobilität von Unionsbürgerinnen und -bürgern (über zwei Drittel aller Zuwanderung im ersten Halbjahr 2012) hat in den letzten Jahren zur Abfederung der Folgen der demografischen Entwicklung beigetragen. Diese Menschen sind in der Regel jung, motiviert und qualifiziert. Sie sind für ein demografisch alterndes Land in der Mitte von Europa von unschätzbarem Vorteil. Für die Unternehmen in Deutschland bedeutet die Freizügigkeit innerhalb der EU eine erhebliche Vereinfachung bei der Suche nach qualifiziertem Personal.
- 4. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass verstärkte gemeinsame Anstrengungen von EU und Mitgliedstaaten vonnöten sind, um die zunehmende Armut in vielen Ländern der EU zu bekämpfen. Unionsbürgerinnen und -bürger dürfen nicht gezwungen sein, ihr Land zu verlassen und von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, weil sie über keine oder eine zu geringe soziale Absicherung verfügen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Insbesondere die jüngeren EU-Mitgliedstaaten sollten beim Aufbau angemessener Mindeststandards unterstützt werden.
- 5. Wie bereits in der Stellungnahme des Bundesrates zur sozialen Dimension (BR-Drucksache 721/13(B) ) sowie in der Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates für wirksame Maßnahmen zur Integration der Roma in den Mitgliedstaaten (BR-Drucksache 603/13(B) ) erwähnt, sollte die Kommission den Aufbau der Strukturen in den Mitgliedstaaten mit besonderen sozialen und wirtschaftlichen Problemlagen noch stärker begleiten, damit die vorhandenen Fördermittel zur Unterstützung der ärmeren und in sozialer Not lebenden Menschen in ihren Herkunftsländern sinnvoll eingesetzt werden.
- 6. Er ist der Auffassung, dass die in den vergangenen Wochen diskutierten Herausforderungen für einige deutsche Städte aufgrund der dort erfolgten verstärkten Zuwanderung von sehr armen Menschen aus anderen EU-Ländern grundsätzlich im Rahmen innerstaatlicher Unterstützungsmaßnahmen und mit dem Einsatz von Fördermitteln der EU zu bewältigen sind.
- 7. Der Bundesrat nimmt die vorgeschlagenen Maßnahmen der Kommission zur Unterstützung der Mitgliedstaaten und lokal zuständigen Behörden zur Kenntnis. Er begrüßt den stärkeren Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Bekämpfung der Armut und besseren sozialen Integration in allen Mitgliedsländern. Die Bundesregierung wird gebeten, auf europäischer Ebene auf einen flexibleren und vereinfachten Einsatz von ESF-Mitteln hinzuwirken.
- 8. Die aktuelle Zuwanderung führt in den aufnehmenden Ländern zu Problemen, die eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung darstellen. Deshalb ist eine regelhafte finanzielle Unterstützung der Kommunen bei der Bewältigung der Zuwanderungs- und Integrationsaufgaben seitens des Bundes notwendig.
- 9. Zur kurzfristigen, schnellen Unterstützung der betroffenen Kommunen hält der Bundesrat die Auflegung eines Sofortprogramms durch den Bund über die bereits angekündigten Maßnahmen hinaus für notwendig.
- 10. Darüber hinaus hält der Bundesrat die Auflegung eines gesonderten Bundesprogramms mit unbürokratischen Regelungen zur zügigen und flexiblen Mittelgewährung für erforderlich, damit zusätzliche Infrastrukturkosten der Länder und Kommunen finanziert werden können. Dies ist angesichts der gesamtstaatlichen Veranwortung für Zuwanderungs- und Integrationsaufgaben geboten.
- 11. Der Bundesrat betont, dass die Finanzierung der Krankenversorgung zuwandernder EU-Bürgerinnen und -Bürger nicht Aufgabe der Länder oder der Kommunen sein darf. Bis eine diskriminierungsfreie Ausstellung der europäischen Krankenversicherungskarte durch die Herkunftsländer durchgesetzt ist, bedarf es eines Abrechnungssystems des Bundes, durch das die Kommunen von der Finanzierung der Krankenversorgung zuwandernder EU-Bürgerinnen und -Bürger freigestellt werden.