Der Bundesrat hat in seiner 916. Sitzung am 8. November 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt nach den Manipulationen insbesondere von Libor und Euribor die Bestrebungen der Kommission zur Wiederherstellung des Vertrauens in Benchmarks. Auch die mit dem Vorschlag verfolgten Ziele zur Schaffung größerer Transparenz, zur Begegnung von Interessenkonflikten sowie zur Sicherstellung von Integrität, Kontinuität und Qualität grundlegender Benchmarks sind zu unterstützen.
- 2. Aufgrund der häufig internationalen Ausrichtung von Benchmarks verhindert der europaweit einheitliche Ansatz des Vorschlags nach Auffassung des Bundesrates Komplizierungen durch einzelstaatliche Regelungen und Wettbewerbsverzerrungen innerhalb des europäischen Binnenmarkts. Daneben spricht sich der Bundesrat für eine weitere weltweite Abstimmung und international einheitliche Regelungen von Benchmarks aus. Denn in die Ermittlung von Benchmarks fließen häufig auch Daten von Drittstaaten (z.B. USA, Asien) ein und eine international nicht abgestimmte Regulierung kann Informationsdefizite für europäische Finanzmarktteilnehmer verursachen, die im Ergebnis auch zu Nachteilen für die europäischen Unternehmen und Verbraucherinnen und Verbraucher bei Finanzgeschäften führen.
- 3. Nach Auffassung des Bundesrates erfüllen Benchmarks wichtige wirtschaftliche Funktionen für alle Finanzmarktteilnehmer. Die Funktionen der schätzungsweise fünf- bis sechsstelligen Anzahl von Benchmarks in Europa sind sehr verschieden und basieren auf äußerst unterschiedlichen Datengrundlagen. Die potentiellen Interessenkonflikte für Benchmarks, denen der Vorschlag begegnen will, sind daher nach Auffassung des Bundesrates sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. So sind Interessenkonflikte für Benchmarks etwa von Infrastrukturanbietern (wie z.B. Börsen), die selbst keinen Handel mit Indexprodukten betreiben, in vielen Fällen nicht erkennbar. Außerdem wird eine unterschiedslose Behandlung der Benchmarks nach Auffassung des Bundesrates ihrer unterschiedlichen Beschaffenheit nicht gerecht.
- 4. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund der mit dem Verordnungsvorschlag für Verwaltung und Wirtschaft verbundenen Bürokratiekosten. Zudem sieht der Bundesrat durch zu hohe Regulierungsanforderungen für alle Benchmarks die Gefahr, dass viele Benchmark-Anbieter sich hierdurch abschrecken lassen und einen Großteil der Benchmarks einstellen. Damit würden aber wichtige Informationsgrundlagen für Anlageentscheidungen wegfallen und sich die Anlagemöglichkeiten auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher verschlechtern. Das angestrebte Ziel höherer Transparenz für alle Marktteilnehmer kann sich durch den Vorschlag damit ins Gegenteil verkehren, wenn viele Benchmarks nicht mehr angeboten werden und etwa gebündelte Informationen durch Benchmarks nicht mehr bzw. nicht mehr allen Marktteilnehmern zur Verfügung stehen. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass zunächst eine detaillierte Prüfung erfolgen sollte, in welchen Bereichen der "normalen Benchmarks" sich im Hinblick auf die enorme Vielfalt eine umfassende Regulierung erübrigen könnte und eine ausdifferenzierte Anwendung der materiellen und formellen Anforderungen des Verordnungsvorschlags auf "normale" und "kritische" Benchmarks vorgenommen werden könnte.
- 5. Im Übrigen unterliegen nach Auffassung des Bundesrates die regulierten Marktplätze wie Börsen bereits umfangreichen Regulierungsregimes und deren Benchmarks sind in aller Regel bereits sehr transparent für die Öffentlichkeit. Damit besteht die Gefahr, dass der Vorschlag für viele Benchmarks zu einer Mehrfachregulierung führt, die insbesondere bei offenkundig fehlenden Interessenkonflikten unnötige Bürokratiekosten verursacht. Der Bundesrat spricht sich daher für eine deutlich stärkere Abstimmung mit dem bereits geltenden Regulierungsregime aus.