Beschluss des Deutschen Bundestages
Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 250. Sitzung am 27. Juni 2013 zu dem von ihm verabschiedeten Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Drucksachen 17/13423, 17/14194, 17/14217 - die beigefügte Entschließung unter Buchstabe f auf Drucksache 17/14194 angenommen.

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Internet und Digitalisierung haben den Zugang zu und die Diffusion von Wissen revolutioniert. Die Potenziale des Internets für die digitale Wissensgesellschaft sind allerdings noch nicht voll erschlossen - so erlaubt das geltende Urheberrecht die Nutzung der Chancen der Digitalisierung nur eingeschränkt.

Der Deutsche Bundestag weist darauf hin, dass das Urheberrecht vorrangig der Erhaltung kreativer Tätigkeit und damit der Sicherung der angemessenen Vergütung der Kreativen dient. Es hat darüber hinaus die Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz der Kreativen und den Interessen anderer Wirtschaftszweige, einschließlich der digitalen Wirtschaft, sowie den Interessen von Verbrauchern, Bildung und Wissenschaft und den Belangen des Gemeinwohls herzustellen. Das Urheberrecht hat sich hierbei bewährt. Das vielschichtige Interessengeflecht im Urheberrecht erfordert dabei immer - auch in der digitalen Welt - eine sorgfältige Austarierung der Interessen; es muss im Lichte technischer Neuerungen und geänderter Bedürfnisse von Kreativen, Verwertern und Nutzern überprüft und angepasst werden.

Die Regelungen zum Schutz geistigen Eigentums sind eine wichtige Basis für Kreativität, Innovationskraft und Entwicklergeist in Wissenschaft und Forschung und spielen eine bedeutsame Rolle für Innovationsprozesse. Ein zu rigides Urheberrecht kann allerdings Innovationen verzögern oder gar verhindern und damit gesamtwirtschaftlichen Schaden auslösen, wenn neues Wissen nicht oder nur sehr eingeschränkt für weitere Forschungsaktivitäten zur Verfügung steht und damit nicht in Innovationen münden kann.

Nur wenn Forschungsergebnisse weitestmöglich frei zugänglich sind, können sie Grundlage weiterer Forschungsaktivitäten sein und positive gesamtwirtschaftliche Effekte auslösen. Ein ungehinderter Wissensfluss ist Grundvoraussetzung für Forschung und Innovation und für den Transfer der Ergebnisse in Produkte und Dienstleistungen. Deutschland steht weltweit an der Spitze im Export wissensintensiver Güter. Um diese Position im internationalen Wettbewerb zu halten, ist ein herausragendes Innovations- und Forschungssystem notwendig, das einen offenen Zugang zu Wissen ermöglicht.

Der Deutsche Bundestag begrüßt daher die Bemühungen der Bundesregierung, die unentgeltliche Verfügbarmachung von wissenschaftlichen Ergebnissen im Internet (sog. "open access") zu unterstützen und durch ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht Rechtssicherheit für Wissenschaftler herzustellen, die nach einer 12-monatigen Karenzfrist ihre wissenschaftlichen Publikationen ins Internet einstellen möchten. Den berechtigten Interessen von Verlagen und Herausgebern ist durch eine angemessene Ausgestaltung der Karenzfrist und der Bedingungen, unter denen das Zweitveröffentlichungsrecht möglich ist, Rechnung getragen.

Das Zweitveröffentlichungsrecht ist ein wichtiger Beitrag zur Förderung von Open Access. Um Open Access in Deutschland voran zu bringen und sicherzustellen, dass es ein attraktives und breites Angebot von offen zugänglichen wissenschaftlichen Publikationen gibt, bedarf es aber noch weiterer Schritte.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1.1. Fördermöglichkeiten für Open-Access-Publikationen im Wege des "golden open access", bei dem die Erstveröffentlichung direkt und unmittelbar in einem digitalen Medium (z.B. einer online erscheinenden Open-Access-Zeitschrift) erfolgt, im Rahmen ihrer Projektförderung zu schaffen;

1.2. ein Förderinstrument (z.B. in Form eines Publikationsfonds) zu etablieren, das Publikationskosten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insbesondere an den Hochschulen erstattet, die im Wege von golden open access veröffentlichen möchten. Dabei sind angemessene Publikationsgebühren zu Grunde zu legen. Die Zuwendungsempfänger sollen dabei auch angehalten werden, solche Angebote anzunehmen, sofern ein angemessenes Angebot vorhanden ist;

1.3. dazu beizutragen, dass öffentliche geförderte Open-Access-Angebote so lizensiert sind, dass eine weitere Nutzung der Inhalte möglich ist (z.B. mit einer Creative Commons-Lizenz);

1.4. Forscherinnen und Forscher zur Open-Access-Publikation durch entsprechende Klauseln in den Förderbestimmungen der öffentlichen Fördermittelgeber anzuhalten;

1.5. den Zugang zu und die Auffindbarkeit von digital verfügbaren wissenschaftlichen Informationen durch die Vernetzung von Datenbanken und Repositorien sowie die Entwicklung eines übergreifenden Such-Tools zu verbessern;

1.6. die dauerhafte digitale Archivierung und den Zugang zu Forschungsdaten, die aus überwiegend öffentlicher Forschung hervorgegangen sind, zu fördern. Dabei sind die Rechte des geistigen Eigentums und etwaige Verwertungsinteressen zu berücksichtigen;

1.7. Anreize für Open-Access-Publikationen zu schaffen, indem dies bei wissenschaftlichen Begutachtungen und Berufungsverfahren honoriert wird;

2. weitere Anpassungen zu prüfen, um das Urheberrecht wissenschaftsfreundlicher zu gestalten.