909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Die EU entwickelt sich zunehmend zu einem gemeinsamen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Daneben sehen sich die Polizeibehörden der Mitgliedstaaten permanent mit neuen Herausforderungen im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung konfrontiert. Aus dieser Situation resultieren auch geänderte Anforderungen an die polizeiliche Aus- und Fortbildung. Das Bemühen der Kommission, den Bildungsauftrag der europäischen Polizeiakademie CEPOL mit Hilfe eines Europäischen Fortbildungsprogramms fortzuschreiben und an die seit der Verabschiedung des aktuellen Rechtsrahmens im Jahr 2005 geänderten Rahmenbedingungen anzupassen, wird daher ausdrücklich begrüßt.
- 2. Bei den entsprechenden Überlegungen gilt es dessen ungeachtet zu berücksichtigen, dass sich das Mandat der EU im Bereich der Aus- und Weiterbildung des Personals der Polizeien der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b AEUV auf die Erbringung von Unterstützungsleistungen beschränkt und zudem den Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung sowie der Subsidiarität nach Artikel 5 EUV Rechnung zu tragen ist.
- 3. In Anbetracht dieser Rechtslage weist der Bundesrat zunächst darauf hin, dass die Ausgestaltung der polizeilichen Aus- und Weiterbildung in den Mitgliedstaaten der nationalen Souveränität unterliegt und die EU in diesem Handlungsfeld daher kein Mandat hat, das in der polizeilichen Ausbildung zu vermittelnde Grundwissen über die EU-Dimension der Strafverfolgung zu definieren und die Umsetzung der entsprechenden Ausbildungsinhalte auf der Ebene der Mitgliedstaaten zu bewerten. Wie auch im Bereich der regionalen und bilateralen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten kann die EU in diesem Handlungsfeld vielmehr lediglich unverbindliche Unterstützungsangebote unterbreiten, deren Nutzung und Umsetzung im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt.
- 4. Das aktuelle CEPOL-Mandat ist auf die Fortbildung von "hochrangigen polizeilichen Führungskräften" sowie von "Polizeibeamten, die eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität spielen" beschränkt. Allein schon aus Kapazitätsgründen sieht der Bundesrat das Erfordernis, die durch CEPOL durchgeführten oder koordinierten Weiterbildungen auch zukünftig nur an die bisherige Zielgruppe sowie sonstige, mit Aufgaben im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit betraute polizeiliche Spezialisten zu adressieren.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Intention der Kommission, die Lehrgänge zur Vorbereitung auf den Einsatz in einer zivilen Mission der EU zukünftig in hierfür qualifizierten Kompetenzzentren der Mitgliedstaaten durchzuführen sowie eine Entsendung in eine solche Mission an die vorherige verpflichtende Teilnahme an adäquaten Vorbereitungsschulungen zu knüpfen. Durch ein solches Vorgehen würde den Belangen der Bürgerinnen und Bürger in den jeweiligen Missionsgebieten, aber auch den Interessen des Mandatgebers und der Missionsteilnehmer verstärkt Rechnung getragen.
- 6. Der Bundesrat ist besorgt über die in der Mitteilung zum Ausdruck gebrachte Absicht der Kommission, die Europäische Polizeiakademie CEPOL in das Europäische Polizeiamt EUROPOL zu integrieren, um dadurch die Gesamtzahl der europäischen Agenturen zu reduzieren. Diese Intention begegnet erheblichen fachlichen Bedenken und lässt zudem weder entscheidende Synergieeffekte noch nennenswerte Einsparungen erwarten.
- - Das Mandat von EUROPOL umfasst die Unterstützung der Mitgliedstaaten der EU bei der Verhütung und Verfolgung von organisierter Kriminalität, Terrorismus und sonstigen Formen schwerer grenzüberschreitender Kriminalität. Das Anfang 2013 bei Europol eröffnete European Cyber Crime Center (EC3) formt diesen Mandatsbereich in einem wichtigen Kriminalitätsfeld weiter aus und wird dazu beitragen, dass EUROPOL auch künftig den Herausforderungen im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung gerecht werden kann. Durch diese Aufgabe ist EUROPOL bereits in hohem Maße gefordert. Eine Übertragung der bislang durch CEPOL wahrgenommenen Fortbildungsaktivitäten würde eine weitere deutliche Mehrbelastung bewirken und es EUROPOL zudem erheblich erschweren, sich auf die mit der Kriminalitätsbekämpfung primär verbundenen Aufgaben zu fokussieren. - Das Ausbildungsmandat von CEPOL betrifft nicht allein den Mandatsbereich und die Aufgabenfelder von EUROPOL, sondern geht weit darüber hinaus. Neben grenzüberschreitender Kriminalität sind insbesondere Themenfelder im Bereich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (z.B. Bewältigung von Einsätzen anlässlich von Veranstaltungen mit internationaler Dimension) relevant. Daneben widmet sich CEPOL z.B. auch Fragen der Managementlehre, um durch die Fortbildung von hochrangigen Polizeikräften zu einem gemeinsamen Verständnis für polizeiliches Handeln in der EU beizutragen. Ergänzend sollen die mit dem Schwerpunktbereich 4 des Europäischen Fortbildungsprogramms verbundenen Aufgaben im Zusammenhang mit Zivilmissionen der EU sowie in der Kooperation mit Drittstatten zukünftig ebenfalls durch die zentrale Fortbildungseinrichtung der EU wahrgenommen werden. Aufgrund der Haushaltslage der öffentlichen Hand in Europa dürften EUROPOL auf absehbare Zeit weder genügend Personal noch Sachmittel zur Verfügung stehen, um allen zugewiesenen Aufgaben in angemessener Form gerecht zu werden. Infolge der vor diesem Hintergrund zwangsläufig vorzunehmenden Priorisierungen würde im Falle einer Fusion der beiden Agenturen deshalb die Gefahr bestehen, dass die dann durch EUROPOL wahrzunehmenden Trainingsaktivitäten generell vernachlässigt oder zumindest auf Bereiche beschränkt werden, die mit dem originären EUROPOL-Mandat korrespondieren.
- - Die Aufgabenbereiche von EUROPOL und CEPOL sind im Grunde nicht kongruent. An den durch EUROPOL bislang in eigener Verantwortung durchgeführten Trainings partizipieren grundsätzlich nur eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Darüber hinaus wurden durch EUROPOL bisher lediglich einzelne CEPOL-Trainingsmaßnahmen durch die Gestellung von Experten unterstützt. Vor diesem Hintergrund wären mit einer Zusammenlegung dieser Einrichtungen keine wesentlichen Synergien verbunden. Die in Aussicht gestellte Reduktion von Verwaltungskosten ist ebenfalls nicht zu erwarten. Dies ist einerseits darauf zurückzuführen, dass die durch CEPOL angebotenen Trainingsmaßnahmen in erster Linie dezentral und damit ressourcenschonend durch das europaweite Netzwerk der nationalen Polizeiakademien durchgeführt werden, andererseits durch den Umstand bedingt, dass die administrativen Kernaufgaben von CEPOL, z.B. im Bereich Personalwesen, auch in einer fusionierten Behörde wahrgenommen werden müssten.
- 7. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
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- 8. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.