Der Bundesrat hat in seiner 908. Sitzung am 22. März 2013 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates - Schaffung eines Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetzes
- 1. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass angesichts des demografischen Wandels, längerer Lebensarbeitszeiten, einer Zunahme chronischer Krankheiten und der ungleichen Verteilung von Gesundheitschancen eine Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderung in Deutschland dringend erforderlich ist. Wirkungsvolle Prävention und Gesundheitsförderung sind geeignet, die Lebenserwartung und die Zahl der gesunden Lebensjahre zu steigern und die Lebensqualität zu erhöhen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, ein Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetz vorzulegen.
- 2. Der Bundesrat betont, dass für eine wirkungsvolle Gesundheitsförderung und Prävention, Bund, Länder, Kommunen und alle Sozialversicherungszweige sowie die private Krankenversicherung auf gesetzlicher Grundlage zusammenarbeiten müssen. Dafür sind eine verstärkte und verbindliche Koordinierung und Vernetzung in abgesicherten und angemessen ausgestatteten Strukturen sowie eine klare Definition der jeweiligen Aufgaben notwendig.
- 3. Ein umfassendes Bundespräventions- und Gesundheitsförderungsgesetz sollte folgende inhaltliche und strukturelle Vorgaben erfüllen:
- - alltagsnahe Gestaltung und Intensivierung von langfristig angelegten Prozessen der Gesundheitsförderung und primärer Prävention insbesondere in den Lebenswelten (zum Beispiel Familie, Kindertagesstätte, Schule, Betrieb, Senioreneinrichtung);
- - Förderung der Gesundheitskompetenzen von Menschen und Organisationen; -Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen;
- - Verbesserung der Steuerung und Koordination der Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen von Bund, Ländern, Kommunen, Sozialversicherungsträgern und weiteren Einrichtungen;
- - Stärkung der Evaluation und Qualitätssicherung von Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen.
- 4. Der Bundesrat sieht es als notwendig an, auf der Bundesebene folgende Festlegungen zu treffen:
- - Definition nationaler Gesundheits- und Präventionsziele, die gemeinsam von Bund, Ländern und den Sozialversicherungen abgestimmt und entwickelt werden. Dabei kann an der bisherigen Arbeit von "gesundheitsziele.de" als ein bewährtes, von allen Beteiligten gemeinsam getragenes Konsensgremium angeknüpft werden.
- - Qualitätssicherung und Entwicklung Gesundheitsförderung- und Präventionsmaßnahmen sind nur zu rechtfertigen, wenn sie erfolgversprechend und qualitätsgesichert sind. Qualitätssicherung umfasst sowohl die Art und Weise der Leistungserbringung, als auch Zielkriterien zum Nachweis der Wirksamkeit. Für die Sicherstellung der Qualität soll in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ein nationales Kompetenzzentrum für Qualitätssicherung aufgebaut werden.
- - Gesundheitsförderungs- und Präventionsforschung Die Gesundheitsförderungs- und Präventionsforschung ist eine nationale Aufgabe. Ziel ist es, die konkreten Wirkungen eingeleiteter Interventionen auf die Verbesserung der Gesundheit, der gesundheitlichen Chancengleichheit, von Gesundheitskompetenzen und Gesundheitsverhalten nachzuweisen.
- - Der Bund unterhält aus eigenen Mitteln in Abstimmung mit den Ländern langfristige, themenspezifische nationale Förderprogramme zur Prävention und Gesundheitsförderung.
- 5. Der Bundesrat hält es für erforderlich, die operative Ebene für die Umsetzung von Prävention und Gesundheitsförderung auf der Landesebene mit ihren regionalen und kommunalen Strukturen anzusiedeln:
- - Landespräventionsprogramme Landespräventionsprogramme sollen auf der Grundlage der nationalen Gesundheits- und Präventionsziele, gegebenenfalls ergänzt durch landesweite Schwerpunkte, in eine mehrjährige programmatische Struktur in Kooperation mit den Sozialversicherungsträgern, Leistungserbringern und anderen umgesetzt werden. Kommunen werden auf geeignete Weise in diese Länderpräventionsstrategie durch Landesgesetzgebung eingebunden.
- - Landespräventionsfonds Die Länder werden durch den Bund ermächtigt, Länderpräventionsfonds einzurichten. Darin fließen die Mittel der Sozialversicherungsträger und der Länder ein, die für Maßnahmen im Rahmen der Länderpräventionsprogramme verwendet werden. Die Länder betonen damit auch ihre eigene Verpflichtung, sich in bisherigem Maße für die Prävention und Gesundheitsförderung zu engagieren.
- - Einbindung der Sozialversicherungsträger Die beteiligten Sozialversicherungszweige werden durch das Gesetz veranlasst, auf Länderebene an der Entwicklung und Umsetzung der Länderpräventionsprogramme teilzunehmen. Die Beteiligung erfolgt einerseits durch eine Mitfinanzierung der Länderpräventionsfonds und andererseits in eigener Verantwortung der Sozialversicherungen, soweit individuelle Leistungen zur Förderung von Gesundheitskompetenzen und Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung eigenständig durchgeführt werden sollen.
- 6. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung ist eine Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung notwendig, um Ausgaben für Krankenbehandlung und andere soziale Folgekosten zu vermeiden. Deshalb werden alle Sozialversicherungsträger und die private Krankenversicherung verpflichtet, eine deutliche Steigerung ihrer bisherigen Aufwendungen für diesen Bereich vorzunehmen und in der Zukunft zu dynamisieren. Die aktuell von der gesetzlichen Krankenversicherung aufgebrachten Mittel pro Versicherten sind mindestens zu verdoppeln und um die Beträge der anderen Sozialversicherungen zu ergänzen. Neben der gesetzlichen Krankenversicherung haben die gesetzliche Rentenversicherung, die gesetzliche Unfallversicherung, die gesetzliche Pflegeversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung sich proportional mit insgesamt rund 25 Prozent der aufzubringenden Summe an der Finanzierung zu beteiligen. Die private Krankenversicherung hat ergänzende Zahlungen zu leisten. Die Mittel sollen zu 50 Prozent in die Länderpräventionsfonds für gemeinsame Präventionsmaßnahmen in Lebenswelten fließen. 50 Prozent verbleiben in Eigenverantwortung der Sozialversicherungsträger unter anderem für Maßnahmen der Verhaltensänderung und der betrieblichen Gesundheitsförderung.
- 7. Der Bundesrat hält nur eine gesamtgesellschaftliche und umfassende Präventionsstrategie für erfolgversprechend, insbesondere wenn als Interventionsebene Lebenswelten in den Mittelpunkt gestellt werden. Er betont, dass berufsgruppenübergreifende, nicht nur medizinisch ausgerichtete Präventionsmaßnahmen notwendig sind, um den genannten Zielen Rechnung zu tragen.
- 8. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Bundesregierung zeitnah einen Gesetzentwurf vorlegt, der intensiv mit den Ländern erörtert und abgestimmt wird.