Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag der Irischen Regierung zur Änderung der Verträge mittels Hinzufügung eines Protokolls zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Auswärtiges Amt
Berlin, den 4. Mai 2012
Staatsminister im Auswärtigen Amt

An den Präsidenten des Bundesrates Herrn Ministerpräsidenten Horst Seehofer

Sehr geehrter Herr Präsident,
der Europäische Rat hat im Juni 2009 im Wege eines rechtsverbindlichen Beschlusses der Staats- und Regierungschefs ein zusätzliches Protokoll für den Vertrag von Lissabon vereinbart (Protokoll zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon; sogenanntes "irisches Protokoll"). In dem Protokoll wird festgestellt, dass die Bestimmungen des Vertrages in den Bereichen Recht auf Leben, Familie und Bildung, Steuerpolitik sowie der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) im Einklang mit der irischen Verfassung stehen. Dieser Beschluss muss von allen Mitgliedstaaten nach ihren innerstaatlich vorgeschriebenen Verfahren ratifiziert werden. Vereinbart wurde, das Protokoll im zeitlichen Zusammenhang mit dem nächsten Beitrittsvertrag zu ratifizieren.

Die Verabschiedung dieses Beschlusses der Staats- und Regierungschefs war ein wichtiges Element zur Vorbereitung des Referendums in Irland zum Vertrag von Lissabon im Jahr 2009. Durch die Hinzufügung dieses Protokolls wird der Vertrag von Lissabon in seiner Substanz nicht geändert.

Mit Schreiben ihres Ständigen Vertreters vom 20. Juli 2011 hat die irische Regierung dem Rat einen Vorschlag gemäß Artikel 48 Absatz 2 EUV zur Änderung der Verträge mittels Beifügung des Protokolls übermittelt.

Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung am 23. Oktober 2011 gemäß Artikel 48 Absatz 3 des Vertrages über die Europäische Union die Anhörung des Europäischen Parlaments und der Kommission veranlasst. Gegenstand dieser Anhörung war sowohl der vorgeschlagene Protokollentwurf als auch der Vorschlag, für den Fall dieser Vertragsänderung auf die Einberufung eines Konvents zu verzichten.

Die Bundesregierung hat dem Bundesrat einen Berichtsbogen vom 28. Oktober 2011 zum irischen Protokoll gemäß Ziffer II. 3 der Anlage zu § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) übermittelt.

Das Europäische Parlament hat am 18. April 2012 mittels eines Plenarbeschlusses eine positive Stellungnahme zur weiteren Behandlung des irischen Protokolls abgegeben und zugestimmt, auf die Einberufung eines Konvents zu verzichten. Die Kommission beabsichtigt nach Informationen der Ratspräsidentschaft, ihre positive Stellungnahme am 7. Mai 2012 abzugeben.

Die Ratspräsidentschaft hat am 2. Mai folgendes weitere Verfahren vorgeschlagen. Der Europäische Rat soll, unmittelbar nach Vorliegen der Stellungnahme der Kommission, im schriftlichen Verfahren bis zum 10. Mai 2012 mit einfacher Mehrheit beschließen, keinen Konvent einzuberufen und das Mandat für eine Konferenz der Vertreter der Mitgliedstaaten festlegen. Im Falle eines positiven Beschlusses beabsichtigt der Präsident des Rates, bereits ebenfalls am 10. Mai eine Regierungskonferenz für den 16. Mai 2012 zur Änderung der Verträge einzuberufen. Der Beschluss der Regierungskonferenz über die Zustimmung zum irischen Protokoll ist einstimmig zu fassen; das Protokoll bedarf der anschließenden Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten.

Der Vorsitz hat den erst jetzt vorgelegten sehr engen Zeitplan damit begründet, dass die Regierungskonferenz zum irischen Protokoll möglichst noch vor dem irischen Referendum zum Fiskalvertrag am 31. Mai 2012 abgeschlossen werden solle.

Das Auswärtige Amt steht den zuständigen Gremien des Bundesrates jederzeit für eine weitergehende Unterrichtung und Aussprache zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Georg Link

Europäischer Rat
Brüssel, den 6. Oktober 2011
(OR. en)
EUCO 092/11 (PDF)
CO EUR 21 POLGEN 153 INST 463 Rechtsakte

Betr.: Entwurf eines PROTOKOLLS zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

Entwurf
PROTOKOLL zu den Anliegen der irischen Bevölkerung bezüglich des Vertrags von Lissabon

DAS Königreich Belgien,
DIE Republik BULGARIEN ,
DIE TSCHECHISCHE Republik,
DAS Königreich DÄNEMARK,
DIE Bundesrepublik Deutschland,
DIE Republik ESTLAND,
IRLAND,
DIE HELLENISCHE Republik,
DAS Königreich SPANIEN ,
DIE FRANZÖSISCHE Republik,
DIE ITALIENISCHE Republik,
DIE Republik ZYPERN,
DIE Republik LETTLAND,
DIE Republik LITAUEN ,
DAS GROSSHERZOGTUM LUXEMBURG,
DIE Republik UNGARN,
MALTA,
DAS Königreich der Niederlande,
DIE Republik ÖSTERREICH,
DIE Republik POLEN ,
DIE PORTUGIESISCHE Republik,
RUMÄNIEN ,
DIE Republik SLOWENIEN ,
DIE SLOWAKISCHE Republik,
DIE Republik FINNLAND,
DAS Königreich SCHWEDEN ,

DAS VEREINIGTE Königreich GROSSBRITANNIEN NORDIRLAND im Folgenden "DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN"

Titel I
Recht auf LEBEN , FAMILIE Bildung

Artikel 1

Weder die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon, die der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Rechtsstatus verleihen, noch die Bestimmungen dieses Vertrags im Bereich der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts berühren in irgendeiner Weise den Geltungsbereich und die Anwendbarkeit des Schutzes des Rechts auf Leben nach den Artikeln 40.3.1, 40.3.2 und 40.3.3, des Schutzes der Familie nach Artikel 41 und des Schutzes der Rechte in Bezug auf Bildung nach den Artikeln 42, 44.2.4 und 44.2.5 der Verfassung Irlands.

Titel II
STEUERWESEN

Artikel 2

Durch den Vertrag von Lissabon erfolgt für keinen Mitgliedstaat irgendeine Änderung in Bezug auf den Umfang und die Ausübung der Zuständigkeiten der Europäischen Union im Bereich der Steuerpolitik.

Titel III
Sicherheit VERTEIDIGUNG

Artikel 3

Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der universellen Gültigkeit und Unteilbarkeit der Menschenrechte und Grundfreiheiten, der Achtung der Menschenwürde, dem Grundsatz der Gleichheit und dem Grundsatz der Solidarität sowie der Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des Völkerrechts leiten.

Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist integraler Bestandteil der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und sichert der Union eine Operationsfähigkeit, so dass sie Missionen außerhalb der Union zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen durchführen kann.

Sie berührt weder die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der einzelnen Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, noch die Verpflichtungen irgendeines Mitgliedstaats.

Der Vertrag von Lissabon berührt oder beeinträchtigt nicht Irlands traditionelle Politik der militärischen Neutralität.

Es ist Sache der Mitgliedstaaten - einschließlich Irlands, das im Geiste der Solidarität und unbeschadet seiner traditionellen Politik der militärischen Neutralität handelt -, zu bestimmen, welche Art von Hilfe oder Unterstützung sie einem Mitgliedstaat leisten, der von einem Terroranschlag oder einem bewaffneten Angriff auf sein Hoheitsgebiet betroffen ist.

Ein Beschluss über den Übergang zu einer gemeinsamen Verteidigung erfordert einen einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates. Es wäre Sache der Mitgliedstaaten, einschließlich Irlands, nach Maßgabe des Vertrags von Lissabon und ihrer jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften zu entscheiden, ob der Beschluss zu einer gemeinsamen Verteidigung gefasst wird.

Dieser Titel berührt oder präjudiziert in keiner Weise die Haltung oder Politik anderer Mitgliedstaaten im Bereich der Sicherheit und Verteidigung.

Es ist auch Sache jedes einzelnen Mitgliedstaates, nach Maßgabe des Vertrags von Lissabon und etwaiger innerstaatlicher Rechtsvorschriften zu entscheiden, ob er an der ständigen strukturierten Zusammenarbeit teilnimmt oder sich an der Europäischen Verteidigungsagentur beteiligt.

Der Vertrag von Lissabon sieht weder die Schaffung einer europäischen Armee noch die Einberufung zu irgendeinem militärischen Verband vor.

Er berührt nicht das Recht Irlands oder eines anderen Mitgliedstaates, Art und Umfang seiner Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben sowie die Art seiner Verteidigungsfähigkeit zu bestimmen.

Es ist Sache Irlands und jedes anderen Mitgliedstaats, nach Maßgabe etwaiger innerstaatlicher Rechtsvorschriften einen Beschluss über eine etwaige Teilnahme an Militäroperationen zu fassen.

Titel IV
Schlussbestimmungen

Artikel 4

Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation durch die Hohen Vertragsparteien im Einklang mit ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften. Die Ratifikationsurkunden werden bei der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt.

Dieses Protokoll tritt wenn möglich am [...'] in Kraft, sofern alle Ratifikationsurkunden hinterlegt worden sind, oder andernfalls am ersten Tag des auf die Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde folgenden Monats.

Artikel 5

Dieses Protokoll ist in einer Urschrift in bulgarischer, dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, italienischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, rumänischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist; es wird im Archiv der Regierung der Italienischen Republik hinterlegt; diese übermittelt der Regierung jedes anderen Unterzeichnerstaats eine beglaubigte Abschrift.

ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten Bevollmächtigten ihre Unterschriften unter dieses Protokoll gesetzt.

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