Antrag des Landes Berlin
Entschließung des Bundesrates zur Streichung der Demokratieerklärung und zur Flexibilisierung des Testierungsverfahrens im Bundesprogramm "TOLERANZ fördern - Kompetenz stärken" - Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz -

Punkt 14 der 897. Sitzung des Bundesrates am 15. Juni 2012

Der Bundesrat möge beschließen, die Entschließung in folgender Fassung anzunehmen:

"In den Bundesprogrammen "TOLERANZ fördern - Kompetenz stärken" (Prävention von Rechtsextremismus) und "INITIATIVE Demokratie stärken" (Prävention von Linksextremismus und islamistischem Extremismus) des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist seit Beginn des Haushaltsjahres 2011 die Unterschrift unter eine sogenannte Demokratieerklärung Fördervoraussetzung.

Danach müssen sich die Träger zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und bestätigen, eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit zu leisten. Gegen diesen Teil der Erklärung hat der Bundesrat keine Einwände.

Die in der Erklärung weiter enthaltene Verpflichtung der Träger, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass sich Projektpartner auch zu den Zielen des Grundgesetzes verpflichten, könnte Misstrauen ausdrücken und damit ein gedeihliches, vertrauensvolles Zusammenwirken beeinträchtigen.

Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher dazu auf, die Demokratieerklärung zu überarbeiten und den zweiten und dritten Satz der Demokratieerklärung zu streichen."

Begründung:

Die Träger der Demokratiearbeit in Deutschland haben in ihrer demokratischen Praxis vielfach bewiesen, dass sie eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten und sichern. In diversen wissenschaftlichen Evaluationsberichten wurde die wertvolle Arbeit der Träger als Beitrag zur demokratischen Kultur bestätigt. Der Bundesrat erkennt für die Einführung der dargelegten Überprüfungsverpflichtungen keine plausible Begründung und keinen hinreichenden Anlass. Die Praxis der Demokratiearbeit geschieht bereits sowohl entlang fachlicher als auch demokratischer und menschenrechtlicher Standards. In der großen Mehrzahl der Maßnahmen werden offene und demokratische Dialoge initiiert, in denen sich Menschen auf gemeinsame Normen und Werte verständigen. Einem solchen Prozess laufen Maßnahmen zuwider, die an den Anfang der Verständigung Misstrauen und Überprüfungsanforderungen stellen.

Darüber hinaus liegen erhebliche Bedenken zur praktischen Umsetzung der Erklärung vor: So ist es nach Auffassung des Bundesrates für freie Träger unmöglich, ein rechtlich verwertbares Urteil abzugeben, ob und wieweit außenstehende Dritte (Partner und kooperierende Organisationen) verfassungstreuer Gesinnung sind. Zusätzlich erscheint die anlasslose Einführung einer solch schwerwiegenden Maßnahme auch nicht verhältnismäßig, da der hier in Rede stehende Teil der Erklärung zur Erreichung des erstrebten Zweckes weder geeignet, noch erforderlich oder angemessen ist.

Der Bundesrat verweist im Übrigen auf die grundsätzlichen juristischen Bedenken, die von dem Verfassungsrechtler Prof. Dr. Dr. h.c. Ulrich Battis in einem Rechtsgutachten vom 29. November 2010 zur Demokratieerklärung vorgebracht wurden. In diesem Gutachten wird festgestellt, dass der zweite und dritte Satz des "Demokratiebekenntnisses" gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes verstoßen.

Zu einem ähnlich kritischen Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages vom 13. Januar 2011. Zudem stellt auch ein im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstelltes Gutachten von Herrn Prof. Dr. jur. Fritz Ossenbühl die Interpretationsbedürftigkeit der in Rede stehenden Teile des Demokratiebekenntnisses fest und regt eine Neuformulierung an.