Punkt 43 der 884. Sitzung des Bundesrates am 17. Juni 2011
Der Bundesrat möge zu der Vorlage gemäß § § 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung nehmen:
- 1. Der Bundesrat sieht in der Währungsunion ein Schlüsselprojekt für die europäische Integration und anerkennt, dass ein stabiler europäischer Währungsraum im deutschen Interesse liegt. Deshalb ist der Bundesrat der Auffassung, dass die Rettungsmaßnahmen zur Stabilisierung von Euromitgliedstaaten mit (Re-)Finanzierungsproblemen am Kapitalmarkt als Ultima Ratio erforderlich sind und aktiviert werden können, wenn die Stabilität der Eurozone als Ganzes gefährdet ist. Gleichzeitig muss eine stärker koordinierte Wirtschaftspolitik forciert werden, um auch das Wachstum in den betroffenen Ländern zu unterstützen.
- 2. Der Bundesrat sieht hohe Risiken in den Rettungsaktionen. Der Bundesrat fordert daher, weiteren Finanzhilfen, auch vor Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), nur zuzustimmen, wenn insbesondere eine angemessene Beteiligung privater Gläubiger erfolgt, die Absicherung der Forderungen der Euro-Mitgliedstaaten geprüft wird und die finanzielle Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an den Hilfen auch künftig gesichert ist.< /li>
- 3. Der Bundesrat betont in Ausübung seiner Rechte aus Artikel 23 Absatz 2 GG, dass es unerlässlich ist, die Eckpunkte des ESM, wie sie von der Eurogruppe am 28. November 2010 sowie dem Europäischen Rat am 24./25. März 2011 beschlossen wurden, vollständig im ESM-Vertrag zu verankern. Dies betrifft insbesondere die Beteiligung privater Gläubiger, die Einfügung von Umschuldungsklauseln in neue Staatsanleihen wie auch die bevorrechtigte Gläubigerstellung des ESM. Darüber hinaus muss der IWF in das Verfahren eingebunden und finanziell im Rahmen seiner bisherigen Beteiligung in die Stabilisierung der Euromitgliedstaaten einbezogen werden.< /li>
- 4. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die Regulierung der Finanzmärkte konsequent vorangebracht werden muss. Hierzu zählen insbesondere strengere Eigenkapitalvorschriften (Basel III) sowie eine bessere Regulierung von Ratingagenturen. Der Aufbau einer europäischen Ratingagentur ist zu prüfen. Der Bundesrat setzt sich für eine zeitnahe Einführung einer europäischen bzw. globalen Finanztransaktionssteuer ein, um eine Lenkungswirkung zugunsten stabilerer Finanzmärkte zu erreichen.
- 5. Der Bundesrat unterstreicht, dass es sich beim ESM um ein Vorhaben der Europäischen Union handelt. Deshalb greifen die bereits bestehenden Mitwirkungsrechte gemäß Artikel 23 GG sowohl bei der Einrichtung des ESM als auch bei der Gewährung von Finanzhilfen. Der Bundesrat fordert aus Gründen der Rechtssicherheit eine gesetzliche Regelung, die diese Mitwirkungsrechte klarstellt. Für die Einrichtung des ESM-Vertrages wie auch dessen nachträgliche wesentliche Änderung ist dabei aus Sicht des Bundesrates ein Zustimmungsgesetz nach Artikel 23 Absatz 1 GG erforderlich.
- 6. Die Möglichkeit, dass im Gouverneursrat des ESM über Änderungen am Grundkapital und Anpassungen des maximalen Darlehensvolumens entschieden werden soll, sieht der Bundesrat kritisch. Sollten hier nachträglich Entscheidungen getroffen werden, die zu einer höheren Belastung des Bundeshaushalts führen, ist aus Sicht des Bundesrates hierfür ebenfalls ein Zustimmungsgesetz erforderlich. Der Bundesrat fordert aus Gründen der Rechtssicherheit auch insoweit eine gesetzliche Regelung, die diese Mitwirkungsrechte klarstellt.
- 7. Der Bundesrat fordert eine umfassende und fortlaufende Unterrichtung zum jeweils frühestmöglichen Zeitpunkt über die beabsichtigten Entscheidungen des ESM (z.B. Gewährung von Finanzhilfen) oder der Europäischen Finanzstabilitätsfazilität und die Entwicklung in den unterstützten Staaten, damit der Bundesrat hierzu im Einzelfall Stellung nehmen kann. Will die Bundesregierung von einer Stellungnahme des Bundesrates abweichen, soll sie verpflichtet werden, dies zu begründen.
- 8. Der Bundesrat wird seine Zustimmung zur Ratifikation der Vertragsänderung des Artikels 136 AEUV und zum ESM-Vertrag davon abhängig machen, dass der Bundesrat in den genannten Fällen angemessen nach Artikel 23 GG beteiligt wird. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Vorschläge für die genannten Rechtsänderungen mit dem Gesetzentwurf für das ESM-Paket vorzulegen.