Der Bundesrat hat in seiner 883. Sitzung am 27. Mai 2011 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission zum Energieeffizienzplan 2011. Er begrüßt die Zielsetzung, die mit dem Energieeffizienzplan 2011 verfolgt wird, die Effizienz der Energienutzung zu steigern und das erhebliche Potenzial der Energieeinsparungen bei Gebäuden, im Verkehr, bei Produkten und Prozessen stärker zu nutzen.
- 2. Mit den derzeitigen Strategien wird es der EU lediglich gelingen, die Energieeffizienz um etwa 10 Prozent zu verbessern. Der von der Kommission vorgelegte Energieeffizienzplan 2011 soll zur vollständigen Verwirklichung der EU-Verpflichtung, die Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent zu verbessern, beitragen. Außerdem geht aus der Analyse der Kommissionsmitteilung "Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO₂-armen Wirtschaft bis 2050" ( KOM (2011) 112 endg. ) hervor, dass bei einer Verbesserung der Energieeffizienz bis 2020 um 20 Prozent, EU-intern eine Reduzierung der CO₂- Emissionen um 25 Prozent gegenüber 1990 möglich ist.
- 3. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission rechtzeitig Maßnahmen ergreifen will, um das Ziel der Einsparung von 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs bis zum Jahr 2020 erreichen zu können.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den in der Mitteilung angekündigten Rechtsetzungsvorschlägen für Folgendes einzusetzen:
- 5. Bei den im Energieeffizienzplan vorgesehenen neuen Maßnahmen bittet der Bundesrat die Bundesregierung, bei den anstehenden Verhandlungen zu deren Umsetzung auf Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu achten.
- 6. Der Bundesrat befürwortet ein zweistufiges Verfahren, um das ehrgeizige 20- Prozent-Ziel bis zum Jahr 2020 erreichen zu können. So sollen zunächst die nationalen Maßnahmen und Aktionspläne evaluiert und darauf aufbauend im Anschluss, falls erforderlich, rechtsverbindliche nationale Minderungsvorgaben für die Mitgliedstaaten vorgegeben werden.
- 7. Aus Subsidiaritätsgründen abzulehnen sind auch die angesprochenen Änderungen im Mietrecht, die empfindlich in das im deutschen Mietrecht ausgewogen geregelte Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter eingreifen würden. Aufgrund der Besonderheiten des Mietrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten ist eine allgemeinverbindliche Vorgabe hier kaum möglich und sollte ausschließlich auf der Ebene der Mitgliedstaaten erfolgen.
- 8. Des Weiteren weist der Bundesrat auf den in der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie verankerten Wirtschaftlichkeitsvorbehalt hin, der auch für den festzulegenden "Niedrigstenergiestandard" gilt. Die Bundesregierung wird gebeten, im Rahmen der anstehenden Verhandlungen diesen Wirtschaftlichkeitsvorbehalt - nicht zuletzt auch im Hinblick auf verfassungsrechtliche Grenzen - auf keinen Fall zur Disposition zu stellen.
- 9. Zu dem Bereich "Öffentlicher Sektor: Mit gutem Beispiel vorangehen" merkt der Bundesrat Folgendes an:
Die "Energieeffizienz bei öffentlichen Ausgaben" betrifft im Grunde die Beschaffung von Dienstleistungen und Lieferleistungen. Der in diesem Kontext erfolgende Verweis auf Bauleistungen wird als problematisch angesehen. Die Einführung des Standards des Niedrigstenergiegebäudes stellt auf den Standard des späteren Gesamtgebäudes ab. Die Beschaffung einzelner Baustoffe bzw. gewerkeweiser Bauleistungen kann diese Betrachtung nicht vorwegnehmen oder ersetzen.
Die von der Kommission vorgesehene Verdoppelung des Sanierungsvolumens im Bereich "Sanierung öffentlicher Gebäude" auf jährlich drei Prozent ist mit immensen Kosten verbunden, zumal grundlegende energetische Sanierungen im Regelfall - eben aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten - mit ohnehin erforderlichen Grundinstandsetzungen kombiniert werden sollten. Auch für umfassende Sanierungen ist das angestrebte Sanierungsniveau sehr ehrgeizig und dessen Erreichbarkeit im Einzelfall zu überprüfen.
- 10. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei der Kommission für eine Berücksichtigung des bisherigen Energieffizienzstandards des öffentlichen Gebäudebestands einzusetzen und auf entsprechende Differenzierungen im endgültigen Rechtsetzungsvorschlag der Kommission hinzuwirken. Aus Sicht des Bundesrates empfiehlt es sich, um ein möglichst großes Potenzial zu erschließen, zunächst die energetische Qualität der einzelnen Bestandsgebäude zu beurteilen und darauf basierend gezielte Sanierungen durchzuführen.
- 11. So führt die Forderung der Kommission, dass Bestandsgebäude, die von staatlichen Stellen gemietet oder gekauft werden, immer zur besten verfügbaren Energieeffizienzklasse gehören sollten, dazu, dass die öffentliche Hand nur noch Neubauten oder entsprechend hochwertig sanierte Altbauten mieten oder kaufen könnte.
- 12. Gegen eine pauschale Sanierungsquote spricht auch, dass teilweise ein Ersatzneubau gegenüber der Sanierung die wirtschaftlichere Alternative darstellt. Jedenfalls müsste ein energieeffizienter Ersatzbau in die Berechnung der Sanierungsquote mit einfließen.
- 13. Mit Blick auf die angekündigte Vorgabe der Sanierungsquote von drei Prozent für staatliche Stellen müssen vorab Finanzierungsmöglichkeiten und -wege (z.B. EU-Fördermittel, Beteiligung der Länder an den Einnahmen des Energie- und Klimafonds, Energiespar-Contracting) geprüft und bewertet werden, um den Ländern und Kommunen angesichts ihrer schwierigen Rahmenbedingungen für den Haushalt und mit Blick auf die "Schuldenbremse" die Finanzierung derartiger Maßnahmen zu ermöglichen.
- 14. Ein energieeffizienter Ersatzneubau sollte in die Berechnung der Sanierungsquote miteinfließen, da teilweise ein Ersatzneubau gegenüber der Sanierung die wirtschaftlichere Alternative darstellt.
- 15. Hinsichtlich der im Bereich "Sanierung öffentlicher Gebäude" erhobenen Forderung, dass bei Anmietungen und Ankäufen von Bestandsgebäuden diese immer zur besten verfügbaren Energieeffizienzklasse gehören sollten, weist der Bundesrat darauf hin, dass davon auszugehen ist, dass der Markt selten Gebäude vorhalten wird, die allen Anforderungen des Mieters entsprechen und zugleich zur besten verfügbaren Energieeffizienzklasse gehören.
- 16. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, Hindernisse für die Verbreitung von Einspar-Contracting zu beseitigen, bittet die Bundesregierung jedoch, bei der Erstellung eines Legislativvorschlags durch die Kommission auf Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips zu achten. Das Einspar-Contracting sollte darüber hinaus nicht nur auf einfach zu erreichende Einzelmaßnahmen zur Energieeinsparung eines Gebäudes abzielen, die eine ambitionierte Sanierung des Gebäudes später eher verhindern oder zumindest hinauszögern würden. Vielmehr sollte eine ganzheitliche und längerfristige Betrachtung des energetischen Zustands eines Gebäudes auch beim Einspar-Contracting vorgenommen werden.
- 17. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Effizienz in der Energieerzeugung weiter zu steigern, und ist der Auffassung, dass der Kraft-Wärme-Kopplung hierbei eine zentrale Rolle zukommen wird. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich im Rahmen der angekündigten Überarbeitung der Kraft-Wärme-Kopplungsrichtlinie insbesondere für gezielte Anreize für einen Ausbau von Anlagen zur industriellen Eigenversorgung mit Strom und Wärme einzusetzen.