869. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2010
A.
- 1. Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderung beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 153a Absatz 2 Satz 1, 2 StPO)
Artikel 1 Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
"1. § 153a Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Satz 1 werden die Wörter "bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können," gestrichen.
- b) In Satz 2 wird der abschließende Punkt durch ein Semikolon ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:
"ist die Entscheidung nach Satz 1 durch das Revisionsgericht getroffen worden, obliegt die Überwachung der Erfüllung der Auflagen und Weisungen dem Gericht, dessen Urteil mit der Revision angefochten wurde." "
Folgeänderung:
Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
- "Zu Nummer 1 (§ 153a Absatz 2 Satz 1, 2 StPO)
Die Änderung des § 153a Absatz 2 StPO führt dazu, das die Vorschrift auch in der Revisionsinstanz anwendbar wird. Vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks - Beschleunigung und Straffung des Verfahrens - erscheinen diesbezügliche Einspareffekte deshalb fraglich, weil dem Revisionsgericht mit der Eröffnung der Einstellungsmöglichkeit nach § 153a StPO die zusätzliche Aufgabe zukommt, die Erfüllung von Auflagen und Weisungen zu überwachen. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Fälle, in denen "die Erfüllung einer Auflage sichergestellt ist" erscheint praxisfremd, da Unwägbarkeiten hinsichtlich der Erfüllung insoweit kaum auszuschließen sind. Es ist daher zur Entlastung des Revisionsgerichts und zur Steigerung der Überwachungseffizienz durch größere örtliche Nähe zum Angeklagten eine Sonderregelung betreffend die der vorläufigen Einstellung nachfolgenden Schritte notwendig. Da das Revisionsgericht für den der Erfüllung der Auflagen und Weisungen folgenden endgültigen Einstellungsbeschluss zuständig sein soll, hat dies auch für die bei Nichterfüllung der Auflagen und Weisungen zu erfolgende Fortsetzung des Verfahrens zu gelten, d.h. in diesem Fall müsste zunächst das Revisionsgericht weiter über die erhobene Revision entscheiden, gegebenenfalls - bei Erfolg der zumeist vom Angeklagten erhobenen Revision - in Form der Zurückverweisung an das Instanzgericht; denn nach Nichterfüllung der Auflagen und Weisungen wäre das Verfahren fortzusetzen, und ein Tatsachengericht könnte dies hinsichtlich des Revisionsverfahrens nicht leisten. Nachträgliche Aufhebung der Auflagen und Weisungen, ihre Änderung sowie Fristverlängerungen sollten in der Entscheidungszuständigkeit des Revisionsgerichts verbleiben, da sie mit der Ursprungsentscheidung über die Verhängung der Auflagen und Weisungen in engem Zusammenhang stehen. Daraus folgt, dass nur hinsichtlich der Überwachung der Erfüllung der Auflagen und Weisungen eine Zuständigkeitsübertragung an das Vordergericht erfolgen kann. Vorbild für einen Zuständigkeitswechsel ist die bindende Delegation nach § 462a Absatz 5 Satz 2 und 3 StPO. Danach kann das Oberlandesgericht, wenn es das Urteil im ersten Rechtszug erlassen hat, bestimmte Entscheidungen - gemäß den §§ 453, 453b Absatz 2 StPO insbesondere die Überwachung von Auflagen und Weisungen - ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben, wobei die Abgabe bindend ist, jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden kann. Zur Vereinfachung des Verfahrens sollte im Fall des § 153a Absatz 2 Satz 2 StPO von vornherein ein Zuständigkeitsübergang durch Gesetz erfolgen. Zuständig für die Überwachung der Erfüllung der Auflagen und Weisungen sollte das Gericht sein, dessen Entscheidung mit der Revision angefochten wurde."
Begründung (nur für das Plenum):
Bei der Anwendung des § 153a StPO in der Revisionsinstanz haben die Bewertung der "Schwere der Schuld" sowie die Bestimmung und Bemessung einer Auflage zwar an sich tatrichterlichen Charakter; diese Schwierigkeit für das Revisionsgericht dürfte sich allerdings durch Vorklärungen der zustimmungspflichtigen Staatsanwaltschaft ausgleichen lassen. Zudem kommt dem Revisionsgericht mit der Eröffnung der Einstellungsmöglichkeit nach § 153a StPO die zusätzliche Aufgabe zu, die Erfüllung von Auflagen und Weisungen zu überwachen. Eine - diesem Einwand nur scheinbar begegnende - Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Fälle, in denen "die Erfüllung einer Auflage sichergestellt ist" - so die Begründung des Entwurfs (BR-Drs. 120/10 (PDF) , S. 4) - erscheint praxisfremd. Entgegen der Entwurfsbegründung ist daher jedenfalls eine Sonderregelung betreffend die der vorläufigen Einstellung nachfolgende Überwachungszuständigkeit notwendig.
B.
- 2. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
C.
- 3. Der federführende Rechtausschuss schlägt dem Bundesrat vor, Ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (Nordrhein-Westfalen) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.