860. Sitzung des Bundesrates am 10. Juli 2009
Der federführende Verkehrsausschuss (Vk) und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen zuzustimmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 Nummer 2 MobHV)
In In Artikel ist in § 1 Absatz 1 Nummer 2 die Angabe "0,7 m" durch die Angabe "0,9 m" zu ersetzen.
Begründung
Nach Nummer 3.1.1.2 des Anhangs zur Richtlinie 93/93/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über Masse und Abmessungen von zweirädrigen und dreirädrigen Kraftfahrzeugen (vgl. Amtsblatt L 311 vom 14. Dezember 1993, S. 76-82) beträgt die höchstzulässige Abmessung von zweirädrigen Kleinkrafträdern (Mofas) 1 m. Nach Nummer 2.3 des Merkblatts des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für das Mitführen von Anhängern hinter Fahrrädern vom 6. November 1999 (vgl. VkBl. 1999, S. 703) dürfen Anhänger maximal 1 m breit sein. Es ist daher vertretbar, auch elektronische Mobilitätshilfen bis an diese Breite heran zuzulassen. Andernfalls wären am Markt angebotene Mobilitätshilfen im öffentlichen Straßenverkehr nicht nutzbar, wie z.B. das Modell x2 des Herstellers Segway für den Offroad-Bereich (Breite 0,84 m).
2. Zu Artikel 1( § 4 MobHV)
In Artikel 1 ist in § 4 die Angabe "Nummer 1 bis 3" durch die Angabe "Nummer 1 bis 4" zu ersetzen.
Begründung
Die in § 1 Absatz 1 Nummer 4 genannte "lenkerähnliche Haltestange, über die der Fahrer durch Schwerpunktverlagerung die Beschleunigung oder Abbremsung sowie die Lenkung beeinflusst", gehört danach ebenso wesentlich zum Fortbewegungskonzept wie die in den Nummern 1 bis 3 genannten Vorrichtungen.
3. Zu Artikel 1 ( § 5 Absatz 2 MobHV)
In Artikel 1 ist § 5 Absatz 2 wie folgt zu fassen:
- Die Einrichtungen nach Absatz 1 Nummer 1 und 3 können mit einer Lichtmaschine, über das Bordnetz der Mobilitätshilfe oder ausschließlich über Batterie- oder Akku-Versorgung betrieben werden, wenn dem Fahrzeugführer deren Ladezustand ständig angezeigt wird.
Begründung
Je nach Konstruktion der elektronischen Mobilitätshilfe ist der Anbau einer Lichtmaschine aufwändig sowie kostenintensiv oder scheidet eine Stromversorgung über die Lichtmaschine technisch aus, da die elektronische Mobilitätshilfe mit einem geschlossenen System arbeitet (Anmerkung: wie die Mobilitätshilfe des Herstellers Segway). Zudem versorgt die Lichtmaschine die Beleuchtungseinrichtungen nicht mit Strom, wenn mit dem Fahrzeug im Straßenverkehr gewartet wird. Es ist daher notwendig, den Betrieb der Beleuchtungseinrichtungen auch mit Hilfe von (externen) Akkumulatoren zuzulassen. Die Sonderstellung gegenüber Fahrrädern erscheint vertretbar. Neue Entwicklungen der Lichttechnik erreichen bei Scheinwerfern und Schlussleuchten mit Batterie- oder Akku-Versorgung die gleichen technischen Anforderungen wie solche, die von einer Lichtmaschine versorgt werden.
4. Zu Artikel 1 ( § 7 MobHV)
In Artikel 1 ist § 7 wie folgt zu fassen:"
§ 7 Zulässige Verkehrsflächen, Anforderungen an die Teilnahme am Straßenverkehr
- (1) Wer elektronische Mobilitätshilfen im Verkehr führt, unterliegt den Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung.
- (2) Innerhalb geschlossener Ortschaften dürfen abweichend von Absatz 1 nur Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Radwegefurten und Radwege befahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen gefahren werden.
- (3) Außerhalb geschlossener Ortschaften dürfen abweichend von Absatz 1 nur Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Radwegefurten und Radwege befahren werden. Wenn solche nicht vorhanden sind, darf auf Fahrbahnen von Straßen, die nicht Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen sind, und auf Wegen gefahren werden.
- (4) Abweichend von Absatz 1 darf mit elektronischen Mobilitätshilfen von dem Gebot, auf Fahrbahnen mit mehreren Fahrstreifen möglichst weit rechts zu fahren, nicht abgewichen werden. Wer elektronische Mobilitätshilfen führt, muss einzeln hintereinander fahren, darf sich nicht an Fahrzeuge anhängen und nicht freihändig fahren. In Fahrradstraßen darf auch nebeneinander gefahren werden. Ist ein Verbot für Fahrzeuge aller Art (Zeichen 250) angezeigt, dürfen elektronische Mobilitätshilfen geschoben werden. Soweit keine Fahrtrichtungsanzeiger vorhanden sind, sind Richtungsänderungen durch Handzeichen anzuzeigen.
- (5) Wer eine Mobilitätshilfe auf anderen Verkehrsflächen als Fahrbahnen führt, muss seine Geschwindigkeit anpassen. Fußgänger haben Vorrang, sie dürfen weder gefährdet noch behindert werden. Radfahrern ist das Überholen zu ermöglichen. Ist eine Richtung durch Zusatzzeichen vorgegeben, so gilt diese entsprechend für den Verkehr mit elektronischen Mobilitätshilfen.
- 5. (6) Abweichend von den Absätzen 1 bis 3 können die Straßenverkehrsbehörden Ausnahmen für das Fahren mit elektronischen Mobilitätshilfen auf anderen Verkehrsflächen für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller zulassen.
Als Folge sind
in Artikel 1 § 8 Nummer 3 nach den Wörtern "Vorschrift des" die Wörter "§ 7 Absatz 2 und 3 über zulässige Verkehrsflächen sowie des" einzufügen und die Angabe "§ 7 Absatz 1 Satz 2 bis 4 oder Satz 6" durch die Angabe "§ 7 Absatz 4 Satz 1, 2 und 5" zu ersetzen.
Begründung
In seiner Bewertung des von der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2005 initiierten Versuchs mit der elektronischen Mobilitätshilfe des Herstellers Segway im Saarland kommt das Fachgebiet Mobilität & Verkehr (imove) der Technischen Universität Kaiserslautern u. a. zu dem Ergebnis, dass sich die Mobilitätshilfe "am Besten für den Einsatz auf Radverkehrsflächen und in Fußgängerbereichen eignet". Die Mobilitätshilfe weise ein sehr geringes Konfliktpotential auf, das im Bereich oder unter dem von Fahrrädern oder Inlineskatern liege. Auf Fahrradverkehrsflächen sei das Konfliktpotential als etwa gleichwertig mit den Fahrrädern einzuordnen. Die Unfallforschung der Versicherer stellt nach einer Bewertung der Sicherheitseigenschaften der elektronischen Mobilitätshilfe des Herstellers Segway im November 2008 fest, dass die Mobilitätshilfe vorrangig auf dem Radweg benutzt werden sollte. Deshalb sieht der Änderungsantrag vor, elektronische Mobilitätshilfen innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften grundsätzlich auf Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Radwegefurten und Radwegen nutzen zu dürfen.
Nach der vorliegenden Verordnung dürfen die elektronischen Mobilitätshilfen grundsätzlich nur auf Fahrbahnen gefahren werden und abweichend davon innerhalb geschlossener Ortschaften auf anderen Verkehrsflächen, wenn diese mit einem Zusatzzeichen eröffnet sind. Eine solche Regelung würde bei den Straßenverkehrsbehörden, die den Forschungsergebnissen folgen wollten, einen hohen Verwaltungsaufwand und erhebliche Kosten bedingen. Alle erlaubten Flächen mit Zusatzzeichen zu versehen, würde auch der 46. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zuwiderlaufen, mit der einer bestehenden übermäßigen Beschilderung im Straßenverkehr entgegengewirkt werden soll.
Die vorliegende Verordnung beschränkt außerhalb geschlossener Ortschaften die Nutzung von Mobilitätshilfen auf Radwegen auf solche, die entlang von Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- oder Kreisstraßen) liegen; ansonsten sind Fahrbahnen zu benutzen, soweit sie nicht solche des überörtlichen Verkehrs sind. In erster Linie sollten den Führern elektronischer Mobilitätshilfen außerorts die Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Radwegefurten und Radwege zu Verfügung stehen.
In ländlichen Regionen sowie in Städten und Gemeinden, die aus mehreren Stadt- bzw. Gemeindeteilen bestehen, und aus touristischen Gründen besteht ein besonderes Bedürfnis, mit elektronischen Mobilitätshilfen auch auf Fahrbahnen von Gemeindestraßen oder sonstigen öffentlichen Straßen im Sinne der Landesstraßengesetze, wie z.B. Feldwirtschaftswege, fahren zu dürfen, zumal wenn keine Schutzstreifen, Radfahrstreifen, Radwegefurten und Radwege vorhanden sind. Es sind keine Gründe erkennbar, Mobilitätshilfen von der Nutzung dieser Verkehrsflächen auszuschließen, zumal nach § 2 Absatz 4 StVO außerhalb geschlossener Ortschaften auf Radwegen auch mit Mofas gefahren werden darf.
Über die Bestimmung der zugelassenen Verkehrsflächen in den Absätzen 1 bis 3 hinaus soll es den Straßenverkehrsbehörden möglich sein, im Einzelfall auch die Nutzung anderer Verkehrsflächen zu erlauben. Damit würden z.B. Stadtführungen auch in Fußgängerzonen ermöglicht und behinderte Menschen könnten die Mobilitätshilfe zwischen ihrer Wohnung und den generell zugelassenen Verkehrsflächen durchgängig nutzen.