Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 305610 - vom 9. April 2008.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 13. März 2008 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die Ziele der Konsolidierung der Demokratie und der politischen Freiheiten in der Russischen Föderation, wie sie in dem im Jahre 1997 in Kraft getretenen und im Jahre 2007 abgelaufenen Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation1 andererseits festgelegt worden waren,
- - unter Hinweis auf die Menschenrechtskonsultationen zwischen der Europäischen Union und Russland,
- - unter Hinweis auf die Ziele der Europäischen Union und Russlands, wie sie in der Gemeinsamen Erklärung im Anschluss an das Gipfeltreffen von St. Petersburg vom 31. Mai 2003 dargelegt worden waren, und die darin bestanden, einen gemeinsamen Wirtschaftsraum, einen gemeinsamen Raum des Friedens, der Sicherheit und des Rechts, einen gemeinsamen Raum der Zusammenarbeit im Bereich der externen Sicherheit und einen gemeinsamen Raum von Forschung und Bildung einschließlich kultureller Aspekte aufzubauen,
- - unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Russland, insbesondere diejenigen vom 25. Oktober 2006 zu den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland aufgrund der Ermordung der russischen Journalistin Anna Politkowskaja2, vom 26. April 20073, vom 4. November 2007 zum Gipfeltreffen EURussland4 und vom 13. Dezember 2006 zum Gipfeltreffen EU-Russland am 24. November 2006 in Helsinki5,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass eine vertiefte Zusammenarbeit und gutnachbarschaftliche Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland für die Stabilität, die Sicherheit und den Wohlstand in ganz Europa von zentraler Bedeutung sind; in der Erwägung, dass der Abschluss eines strategischen Partnerschaftsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Russischen Föderation für den weiteren Ausbau und die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den beiden Partnern, insbesondere in Bezug auf die Bereiche Politik, Sicherheit, wirtschaftliche und energiepolitische Zusammenarbeit, ebenso aber auch in Bezug auf die Achtung der Rechtsstaatlichkeit, der demokratischen Grundsätze und der demokratischen Verfahren sowie der grundlegenden Menschenrechte nach wie vor von größter Bedeutung ist,
B. in der Erwägung, dass die Russische Föderation nicht nur Mitglied der Vereinten Nationen ist, sondern auch ein vollwertiges Mitglied des Europarats und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und sich damit zu den Grundsätzen der Demokratie und demokratischer Wahlen sowie zur Achtung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, wie sie von diesen Organisationen festgelegt worden sind, verpflichtet hat; in der Erwägung ferner, dass diese Grundsätze und Werte auch die Grundlage für die strategische Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Russland darstellen,
C. in der Erwägung, dass das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (BDIMR) der OSZE in seiner Eigenschaft als internationale Überwachungsbehörde für Wahlstandards seine geplante Mission zur Überwachung der Wahlen aufgrund der von der russischen Regierung gegen ihre Wahlbeobachter ausgesprochenen schweren Reisebeschränkungen annullieren musste,
D. in der Erwägung, dass der Leiter der Beobachtermission der Parlamentarischen Versammlung des Europarats erklärt hat, dass sich die Bedingungen für den Zugang der Kandidaten zu den Medien nicht verbessert haben, so dass der faire Verlauf der Wahlen in Frage gestellt werden muss,
E. in der Erwägung, dass der frühere Ministerpräsident und derzeitige Parteivorsitzende der Demokratischen Volksunion, Michail Kasjanow, sich am 14. Dezember 2007 als Kandidat eintrug, in der Folge aber vom zentralen Wahlausschuss Russlands disqualifiziert wurde mit dem Hinweis, zu viele der 2 Millionen Unterschriften zur Unterstützung seiner Kandidatur seien gefälscht; in der Erwägung, dass Michail Kasjanow diesen Beschluss beim Obersten Gericht anfocht, das seinerseits die Berufung am 6. Februar 2008 zurückwies,
F. in der Erwägung, dass gemäß Berichten der führenden oppositionellen Kräfte die russischen Behörden in der Schlussphase vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen den Druck auf oppositionelle Gruppen und nichtstaatliche Organisationen erhöhten, um sie von jeder Form der gegen den Präsidenten und die Regierung gerichteten Betätigung abzuhalten und zu verhindern, dass die Medien über derartige Aktivitäten berichten,
G. in der Erwägung, dass die Demokratie in Russland insbesondere dadurch geschwächt wurde dass die großen Fernsehsender und die meisten Rundfunksender unter die Kontrolle der Regierung gebracht wurden, dass die Selbstzensur bei den Printmedien zugenommen hat, dass neue Beschränkungen des Rechts auf Ausrichtung öffentlicher Kundgebungen verfügt wurden und dass sich das Klima für nichtstaatliche Organisationen verschlechtert hat,
H. in der Erwägung, dass die Koalition der Oppositionsparteien "Anderes Russland" am 3. März 2008 einen Protestmarsch organisiert hat, um gegen die Präsidentschaftswahlen vom 2. März 2008 in Russland zu protestieren; in der Erwägung, dass die Behörden der Stadt die Genehmigung zur Durchführung des Protestmarsches verweigerten mit der Behauptung, die kremlfreundliche Jugendorganisation "Junges Russland" habe bereits Zusammenkünfte auf allen größeren Sammelplätzen der Hauptstadt geplant; in der Erwägung, dass die Koalition "Anderes Russland" beschloss, den Protestmarsch dennoch durchzuführen und darauf hinwies dass sie die Entscheidung der städtischen Behörden anfechten werde,
I. in der Erwägung, dass mehrere oppositionelle Protestler festgenommen wurden, als Polizeikräfte und Milizen zur Eindämmung von Ausschreitungen, die mit Helmen und Polizeischilden ausgerüstet waren, am Turgenewskaja-Platz im Zentrum von Moskau den Protestmarsch auflösten; in der Erwägung, dass sich unter den Festgenommenen auch Nikita Belikh, der Führer der Partei Union der Rechten Kräfte (SPS), befand; in der Erwägung, dass der Vorsitzende der Yabloko-Partei in St. Petersburg, Maxim Reznik, ebenfalls am 3. März festgenommen wurde,
- 1. verurteilt den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt durch Polizei, Sondereinheiten der Polizei und Milizen zur Eindämmung von Ausschreitungen gegen die Demonstranten am 3. März 2008 und fordert die Behörden auf, Ermittlungen in Bezug auf diese Zwischenfälle durchzuführen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen
- 2. fordert die sofortige Freilassung aller noch inhaftierter Demonstranten;
- 3. bedauert insbesondere, dass die Endphase vor den Präsidentschaftswahlen von der rechtswidrigen Behandlung der Kandidaten der Opposition gekennzeichnet war; bedauert dass die Chance verpasst wurde, die jüngsten Wahlen dazu zu nutzen, die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit in Russland zu stärken;
- 4. bedauert, dass die russischen Behörden die geplante Überwachungsmission von OSZE/BDIMR als Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet haben; bekundet seine nachdrückliche Unterstützung für die wichtige Arbeit dieser Mission und erinnert Russland an seine Verpflichtungen und seine Verantwortung als Mitglied der OSZE und des Europarats einschließlich des Rechts auf Versammlungsfreiheit und auf friedliche Kundgebungen;
- 5. begrüßt das vom neu gewählten Präsidenten Russlands zum Ausdruck gebrachte Engagement, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie zu gewährleisten, und bekundet seine Hoffnung, dass er die Vertiefung der Beziehungen zur Europäischen Union zu seinen Prioritäten zählen wird;
- 6. fordert den neu gewählten Präsidenten Russlands auf, die Behandlung von inhaftierten Persönlichkeiten (darunter Michail Kodorkowski und Platon Lebedew) zu überprüfen, deren Inhaftierung von den meisten Beobachtern als politisch motiviert eingestuft wurde betont, dass dieser Schritt die Glaubwürdigkeit der russischen Behörden stärken und eine noch engere Partnerschaft zwischen Russland und der Europäischen Union fördern würde;
- 7. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die Verpflichtung, dass Russland den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in jeder Hinsicht nachkommt zu einer absoluten Priorität auf allen Ebenen des Dialogs mit Russland zu machen
- 8. fordert den neuen russischen Präsidenten und die neue russische Regierung auf, gemeinsam mit der Europäischen Union die erforderlichen Voraussetzungen für eine zügige Aufnahme der Verhandlungen zu einem neuen Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und Russland zu schaffen; verweist in diesem Zusammenhang erneut darauf, dass die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechten wichtiger Bestandteil einer jeden künftigen Vereinbarung mit Russland sein müssen;
- 9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation sowie dem Präsidenten der Russischen Föderation, dem Europarat und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu übermitteln.
- 1 ABl. L 327 vom 28.11.1997, S. 1.
- 2 ABl. C 313 E vom 20.12.2006, S. 271.
- 3 Angenommene Texte, P6_TA(2007)0169.
- 4 Angenommene Texte, P6_TA(2007)0528.
- 5 ABl. C 317 E vom 23.12.2006, S. 474.