Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf den aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Vereinten Nationen und der Regierung von Sierra Leone gemäß der Resolution 1315 (2000) des UN-Sicherheitsrates vom 14. August 2000 eingesetzten Sondergerichtshof für Sierra Leone, der dazu dienen soll, diejenigen vor Gericht zu stellen, "die die schwerste Verantwortung für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht sowie gegen das Recht von Sierra Leone im Hoheitsgebiet Sierra Leones seit 30. November 1996 tragen", insbesondere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
- - unter Hinweis auf das (zum Abschluss der Verfahren erforderliche) "Completion Budget" des Sondergerichtshofs für Sierra Leone, das vom Lenkungsausschuss für den Sondergerichtshof am 15. Mai 2007 gebilligt wurde,
- - unter Hinweis auf das Völkerrecht, insbesondere die Genfer Abkommen und deren Zusatzprotokoll II über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte, sowie die Charta der Vereinten Nationen,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen, vor allem diejenigen vom 16. März 2006 zur Straflosigkeit in Afrika, insbesondere im Fall Hissène Habré1, und vom 24. Februar 2005 zum Sondergerichtshof für Sierra Leone: Fall Charles Taylor2,
- - unter Hinweis auf das Partnerschaftsabkommen von Cotonou zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits sowie die Verpflichtung der Vertragspartner zum Frieden, zu Sicherheit und Stabilität sowie zur Achtung der Menschenrechte, der demokratischen Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Engagement gegen die Straflosigkeit einer der Eckpfeiler der Menschenrechtspolitik der Europäischen Union ist und dass die Völkergemeinschaft dafür verantwortlich ist, diese Politik zu unterstützen, um die Wirksamkeit der Verfahren zur Feststellung der politischen Verantwortlichkeit zu fördern,
B. in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone 2002 gemeinsam von den Vereinten Nationen und der Regierung von Sierra Leone nach einem brutalen Bürgerkrieg geschaffen wurde, der mehr als zehn Jahre wütete, und dass sein Mandat darin besteht, diejenigen vor Gericht zu stellen, die die schwerste Verantwortung für die in Sierra Leone begangenen Gräueltaten tragen,
C. in der Erwägung, dass dieser Gerichtshof von der Völkergemeinschaft unterstützt wird und dass seine Tätigkeit vor Ort zu einer stärkeren lokalen Wirkung beiträgt,
D. in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone eine einen Präzedenzfall schaffende völkerrechtliche Entwicklung darstellt, da es sich um den ersten Gerichtshof handelt, der einen amtierenden afrikanischen Staatschef für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anklagt, und da das am 20. Juni 2007 ergangene Urteil gegen drei ehemalige Rebellenführer des "Armed Forces Revolutionary Council" (AFRC) das erste Urteil betreffend die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten sowie Zwangsehen war,
E. in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone eine wichtige Rolle für Frieden und Gerechtigkeit in der westafrikanischen Mano-Fluss-Region spielt und ein dauerhaftes Vermächtnis hinterlassen will, sowie in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof im Hinblick darauf weiterreichende Tätigkeiten sowie Archivierungs- und Übersetzungsprogramme, die Aufschluss über seine Tätigkeit geben, und Opferschutzprogramme initiiert hat und dazu beiträgt, die Kapazität der Bürger von Sierra Leone im Justizbereich aufzubauen, sowie in der Erwägung, dass derartige nichtgerichtliche Aktivitäten wesentlich sind, um ein dauerhaftes Vermächtnis des Gerichtshofs sicherzustellen, und nach wie vor riesige Herausforderungen darstellen, die bewältigt werden müssen,
F. in der Erwägung, dass am 7. März 2003 der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor vom Staatsanwalt des Sondergerichtshofs für Sierra Leone in 17 Punkten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, einschließlich Mord, Verstümmelung, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei und Rekrutierung von Kindersoldaten, angeklagt wurde, sowie in der Erwägung, dass das Verfahren gegen Charles Taylor am 4. Juni 2007 eröffnet wurde,
G. in der Erwägung, dass die Unfähigkeit, das Verfahren gegen Charles Taylor abzuschließen oder die besten und fairsten Bedingungen für sein Verfahren zu schaffen, nicht nur die Begründung eines dauerhaften Friedens in der westafrikanischen Mano-Fluss-Region gefährden würde, sondern auch dem Engagement gegen die Straflosigkeit abträglich wäre und die Entwicklung der internationalen Strafgerichtsbarkeit beeinträchtigen würde, die nach dem fehlgeschlagenen Verfahren gegen Slobodan Milosevic und der umstrittenen Verurteilung von Saddam Hussein ohnehin bereits gefährdet ist,
H. in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone am 20. August 2007 feststellte, es liege im Interesse der Justiz, den neu benannten Verteidigern von Charles Taylor zusätzliche Zeit einzuräumen, und das Verfahren daher bis zum 7. Januar 2008 vertagte,
I. in der Erwägung, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone anders als andere internationale Gerichtshöfe durch freiwillige Beiträge interessierter Staaten finanziert wird, und dass viele Länder, darunter die Mitgliedstaaten und die Kommission, ihr Engagement für das humanitäre Völkerrecht unterstrichen haben, indem sie die Tätigkeit des Sondergerichtshofs finanzieren,
J. in der Erwägung, dass ein Lenkungsausschuss eingesetzt wurde, um den Generalsekretär der Vereinten Nationen dabei zu unterstützen, angemessene Finanzmittel für den Sondergerichtshof zu erhalten, den Etat zu billigen und bezüglich aller nichtgerichtlichen Aufgaben des Gerichtshofs beratend tätig zu sein,
K. in der Erwägung, dass der Lenkungsausschuss im Rahmen des am 15. Mai 2007 gebilligten "Completion budget" feststellte, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone 89 Millionen US-Dollar benötigt, um seine Tätigkeit abzuschließen (36 Millionen US-Dollar für 2007, 33 Millionen US-Dollar für 2008 und 20 Millionen US-Dollar für 2009), sowie in der Erwägung, dass die verfügbaren Finanzmittel aktuellen Schätzungen zufolge im Oktober 2007 aufgebraucht sein werden,
- 1. würdigt die Fortschritte des Sondergerichtshofs für Sierra Leone bei der Strafverfolgung derjenigen, die für die Gräueltaten in Sierra Leone verantwortlich sind; begrüßt vor allem die Urteile des Sondergerichtshofs gegen drei hochrangige Mitglieder des "Armed Forces Revolutionary Council" (AFRC) Sierra Leones, die wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verurteilt wurden; begrüßt insbesondere die Eröffnung des Verfahrens gegen Charles Taylor und vertritt die Auffassung, dass dies führenden Politikern weltweit eine klare Botschaft vermitteln wird, dass ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen nicht mehr straflos hingenommen werden;
- 2. weist darauf hin, dass der Sondergerichtshof für Sierra Leone im Rahmen der Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte Finanzhilfe von der Europäischen Union erhält und dass die Mitgliedstaaten, insbesondere das Vereinigte Königreich und die Niederlande, in hohem Maße und konsequent die Tätigkeit des Gerichtshofs unterstützt haben;
- 3. ist allerdings beunruhigt, dass die verfügbaren Mittel nicht ausreichen, um ein adäquates Umfeld für den Sondergerichtshof zu schaffen; ist tief besorgt, dass dies die Bekämpfung der Straflosigkeit behindern und insbesondere das Verfahren gegen Charles Taylor beeinträchtigen wird, das einen Präzedenzfall für die Entwicklung der internationalen Strafgerichtsbarkeit darstellt, sowie den Aussöhnungsprozess und die Begründung eines dauerhaften Friedens in Sierra Leone und der gesamten westafrikanischen Region erschweren wird;
- 4. warnt außerdem davor, dass ein Versäumnis, die notwendige Finanzhilfe für den Sondergerichtshof für Sierra Leone bereitzustellen, in hohem Maße die Bemühungen der Völkergemeinschaft diskreditieren würde, zur Herstellung des Friedens in Sierra Leone beizutragen und wegen der im Krieg verübten Verbrechen tätig zu werden;
- 5. fordert alle Staaten, einschließlich der Mitgliedstaaten, nachdrücklich auf, weiter zur Tätigkeit des Sondergerichtshofs für Sierra Leone beizutragen, um sicherzustellen, dass der Sondergerichtshof seine Tätigkeit erfolgreich abschließen kann, was auch die Aktivitäten einschließt, die ein dauerhaftes Vermächtnis sicherstellen und die Unabhängigkeit der Justiz in Sierra Leone verbessern sollen;
- 6. fordert die Kommission auf, eine kontinuierliche Finanzierung, sowohl der Kerntätigkeit als auch der sonstigen Tätigkeiten des Sondergerichtshofs im Rahmen der nächsten nationalen Programme mit Sierra Leone sicherzustellen; fordert die Behörden Sierra Leones auf, die Übergangsjustiz und die Unabhängigkeit der Justiz als Priorität anzusehen;
- 7. fordert den UN-Generalsekretär auf, in Absprache mit dem UN-Sicherheitsrat alle finanziellen Möglichkeiten zu prüfen, die den Sondergerichtshof in die Lage versetzen, seine wichtigen Aufgaben abzuschließen;
- 8. befürwortet eine immer engere Zusammenarbeit zwischen dem Sondergerichtshof und den Behörden und Gerichten von Sierra Leone; betont, dass die Opfer in der Lage sein müssen, sich unverzüglich an nationale Gerichte zu wenden, und unterstreicht die Notwendigkeit, dem Vorbild des Sondergerichtshofs dahingehend zu folgen, Amnestien außer Kraft zu setzen, insbesondere diejenigen, die in das "Lomé-Abkommen" über die Schaffung des Gerichtshofs einbezogen wurden, sowie alle auf internationaler Ebene als solche definierten Verbrechen in innerstaatliches Recht einzubeziehen;
- 9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Sondergerichtshof für Sierra Leone, der Regierung und dem Parlament von Sierra Leone, dem UN-Sicherheitsrat, den Mitgliedern der Afrikanischen Union und den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU zu übermitteln.
- 1 ABl. C 291 E vom 30.11.2006, S. 418.
- 2 ABl. C 304 E vom 1.12.2005, S. 408.