- 839. Sitzung des Bundesrates am Freitag, dem 30. November 2007:
Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 313355 - vom 22. August 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 11. Juli 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 48 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union, gemäß dem es vom Rat konsultiert wurde (C6-0206/2007),
- - gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,
- - gestützt auf den am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichneten Vertrag über eine Verfassung für Europa (nachstehend "der Verfassungsvertrag"),
- - gestützt auf die am 7. Dezember 2000 in Nizza unterzeichnete und proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
- - in Kenntnis der Erklärung von Laeken vom 15. Dezember 2001 zur Zukunft der Union,
- - in Kenntnis der Berliner Erklärung vom 15. März 2007 anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge,
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 12. Januar 2005 zu dem Vertrag über eine Verfassung für Europa1 und vom 7. Juni 2007 zu der Roadmap für den EU-Verfassungsprozess2,
- - in Kenntnis der Entschließung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 30. Mai 2007 zum Fahrplan für den Verfassungsprozess und der Stellungnahme des Ausschusses der Regionen vom 6. Juni 2007 zur Wiederaufnahme des Reformprozesses der Europäischen Union im Hinblick auf die Tagung des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 2007,
- - unter Hinweis auf das gemeinsame parlamentarische Treffen zur Zukunft Europas, das am 11. und 12. Juni 2007 in Brüssel stattfand,
- - in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 21. und 22. Juni 2007 in Brüssel mit dem Mandat für die Regierungskonferenz,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für konstitutionelle Fragen (A6-0279/2007),
- - in der Erwägung, dass:
A. zwei Jahre des Nachdenkens über die Zukunft Europas die Notwendigkeit bestätigt haben, den Inhalt der Neuerungen des Verfassungsvertrags in Bezug auf Demokratie, Effizienz und Transparenz zu bewahren und zu verbessern, um das reibungslose Funktionieren der Europäischen Union zu gewährleisten und die Rechte ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie ihre Rolle in der Welt zu stärken,
B. diese Auffassung weitgehend von den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten und vom Europäischen Parlament geteilt wird, deren Vertreter die Grundlage für diese Neuerungen im Konvent zur Ausarbeitung der Charta der Grundrechte und im Europäischen Konvent ausgearbeitet haben,
C. sich der Europäische Rat vom Juni 2007 auf die Einberufung einer Regierungskonferenz geeinigt hat, deren Mandat vorsieht, die meisten im Verfassungsvertrag enthaltenen Neuerungen in Änderungen der geltenden Verträge umzuwandeln,
D. dieses Mandat sehr konkret ist und es der Regierungskonferenz auch ermöglicht, sich rasch auf die Änderung einiger der im Verfassungsvertrag enthaltenen Neuerungen zu einigen, ohne dessen Substanz zu gefährden,
E. in dem Mandat jedoch auf den Anspruch verzichtet wird, einen einzigen Verfassungsvertrag schaffen zu wollen, der die bisherigen Verträge ersetzt, und dieses Mandat keine Formulierungen mehr enthält, die den Bürgerinnen und Bürgern ein klares Verständnis von der Art der Rechtsakte der Union vermitteln würden, keine Symbole mehr vorsieht, die es den Bürgerinnen und Bürgern leichter machen würden, sich mit der Europäischen Union zu identifizieren, und mehrere Ausstiegsklauseln für bestimmte Bereiche enthält, in denen einzelne Mitgliedstaaten Schwierigkeiten vorgebracht haben;
F. das Mandat die neuen Herausforderungen, mit denen die Union seit der Unterzeichnung des Verfassungsvertrags konfrontiert ist, nicht hinreichend berücksichtigt,
G. das Europäische Parlament als einzige von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählte Institution der Union pflichtgemäß das gemeinsame Interesse der Europäischen Union zu Gehör bringen muss, um das europäische Aufbauwerk und die Gemeinschaftsmethode zu stärken, die seit mehr als 50 Jahren eine Quelle des Friedens, der Stabilität und des Wohlergehens sind,
- 1. begrüßt die vom deutschen Ratsvorsitz unternommenen Anstrengungen, auf dem Gipfel vom 21.und 22. Juni 2007 eine einstimmige Einigung zu erreichen;
- 2. nimmt das vom Europäischen Rat festgelegte Mandat für die Regierungskonferenz zur Kenntnis; begrüßt seine große Präzision und den straffen Zeitplan für den Abschluss der Regierungskonferenz und fordert die Mitgliedstaaten auf, sich den Verpflichtungen, die sie im Europäischen Rat eingegangen sind, nicht zu entziehen; befürwortet die Einberufung der Regierungskonferenz;
- 3. bedauert jedoch, dass dieses Mandat den Verlust einiger wichtiger Elemente bedeutet, die während der Regierungskonferenz 2004 vereinbart worden waren, z.B. des Konzepts eines Verfassungsvertrags, der Symbole der Union, einer verständlichen Bezeichnung der Rechtsakte der Union, einer klaren Festlegung des Vorrangs des Rechts der Union und der Definition der Europäischen Union als Union der Bürger und der Staaten, sowie auch eine lange Verzögerung bei der Einführung anderer Elemente;
- 4. zeigt sich besorgt darüber, dass das Mandat eine zunehmende Zahl von Ausnahmeregelungen ermöglicht, die bestimmten Mitgliedstaaten bezüglich der Umsetzung wichtiger Bestimmungen der geplanten Verträge zugestanden werden und die zu einer Schwächung des Zusammenhalts der Union führen könnten;
- 5. bedauert, dass das Mandat verschiedene redaktionelle Änderungen gegenüber dem Verfassungsvertrag ermöglicht, die den Eindruck des Argwohns gegenüber der Union und ihren Institutionen erwecken und somit ein falsches Signal an die Öffentlichkeit darstellen;
- 6. bedauert den nachlassenden guten Willen der Europäer und den geringer werdenden politischen Mut der Vertreter der Mitgliedstaaten und bringt seine Besorgnis über die Entwicklung von Haltungen zum Ausdruck, die den europäischen Ideen der Solidarität und Integration zuwiderlaufen;
- 7. betont, dass das Mandat die Änderung der Bezeichnung von Rechtsakten ermöglicht, jedoch keine grundlegende Veränderung ihrer Struktur und Hierarchie bedeutet, und bekundet seine Absicht, die Art und Weise, in der dies in die einschlägigen Bestimmungen aufgenommen wird, genauestens zu prüfen, um die politische Rechenschaftspflicht zu gewährleisten und seine Legislativbefugnisse zu sichern, insbesondere bezüglich der Kontrolle delegierter Rechtsakte;
- 8. begrüßt jedoch die Tatsache, dass das Mandat viel von der Substanz des Verfassungsvertrags bewahrt, insbesondere die einzige Rechtspersönlichkeit der Union und die Abschaffung der Pfeilerstruktur, die Ausweitung der Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit im Rat und der Mitentscheidung durch Parlament und Rat, die Elemente der partizipativen Demokratie, den rechtsverbindlichen Status der Charta der Grundrechte, die Stärkung der Kohärenz der externen Maßnahmen der Union und das ausgewogene institutionelle Paket;
- 9. bemerkt, dass alle positiven Ergebnisse in Bezug auf die Stärkung der demokratischen Verfahren und der Rechte der Bürgerinnen und Bürger, die Ausweitung von Zuständigkeiten und die Definition der Werte und Ziele der Europäischen Union ausschließlich der Arbeit des Europäischen Konvents zu verdanken sind;
- 10. begrüßt die Tatsache, dass die Wirtschafts- und Währungsunion im Vertrag über die Europäische Union als Ziel der Europäischen Union anerkannt werden wird;
- 11. begrüßt ferner die Tatsache, dass das Mandat die Einfügung bestimmter neuer Elemente in die Verträge vorsieht, z.B. durch die ausdrückliche Erwähnung des Klimawandels und der Solidarität im Energiesektor;
- 12. erinnert daran, dass die Europäische Union sich vor den eigenen Bürgerinnen und Bürgern wie vor der ganzen Welt zu einer Wertegemeinschaft erklärt hat, dass die Grund- und Freiheitsrechte den innersten Kern dieser Wertegemeinschaft darstellen, diese in der Charta der Grundrechte ihren umfassenden Ausdruck gefunden haben und mehrfach von den EU-Institutionen und allen Mitgliedstaaten anerkannt wurden; hält es deshalb für einen dramatischen Rückschlag und eine schwere Beschädigung des innersten Selbstverständnisses der Europäischen Union, wenn nun ein oder mehrere Mitgliedstaaten ein "opt out" von der Charta der Grundrechte für sich in Anspruch nehmen; appelliert daher eindringlich an alle Mitgliedstaaten, noch einmal alle Anstrengungen zu unternehmen, diese innere Spaltung zu überwinden und doch noch zu einem Konsens über die volle Geltung der Charta zu kommen;
- 13. ersucht die Regierungskonferenz, ihre Arbeit vor Ende des Jahres 2007 abzuschließen, damit der neue Vertrag rechtzeitig vor den Europawahlen 2009 in Kraft treten kann;
- 14. begrüßt die vom Europäischen Rat vom Juni 2007 vereinbarte Ausweitung seiner Beteiligung an der Regierungskonferenz auf allen Ebenen;
- 15. behält sich das Recht vor, der Regierungskonferenz konkrete Vorschläge zu spezifischen Themen, die den Inhalt des Mandats betreffen, vorzulegen;
- 16. wird rechtzeitig auf das Ersuchen des Europäischen Rates reagieren, sich mit der Frage seiner eigenen Zusammensetzung zu befassen;
- 17. unterstreicht seine Absicht, das Ergebnis der Regierungskonferenz sorgfältig zu prüfen, um zu bewerten, ob die während der Verhandlungen vereinbarten Reformen in zufrieden stellender Weise seiner Interpretation des Mandats entsprechen;
- 18. fordert die Mitgliedstaaten und ihre eigenen Vertreter auf, vollständige Transparenz der von der Regierungskonferenz geleisteten Arbeit zu gewährleisten, insbesondere durch die Veröffentlichung aller Dokumente, die ihr zur Beratung unterbreitet werden;
- 19. bekräftigt erneut seine Absicht, während des Prozesses zur Änderung der Verträge an sehr enge Beziehungen zu den nationalen Parlamenten und der Zivilgesellschaft festzuhalten;
- 20. fordert die Regierungskonferenz auf, aus Gründen der Transparenz sicherzustellen, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit auch in Form eines Entwurfs einer konsolidierten Fassung der Verträge veröffentlicht werden;
- 21. bringt seine feste Entschlossenheit zum Ausdruck, nach den Wahlen 2009 gemäß der Klausel für die Änderung der Verträge3 neue Vorschläge für eine weiter reichende Verfassungslösung für die Union vorzulegen, da die Europäische Union ein gemeinsames und sich ständig erneuerndes Projekt ist;
- 22. fordert die Organe auf, konkrete Vorschläge zu erarbeiten, um die Unionsbürgerinnen und Unionsbürger erneut an einem Dialog im Rahmen der Fortsetzung des Verfassungsprozesses zu beteiligen;
- 23. ersucht seinen zuständigen Ausschuss, eine Änderung seiner Geschäftsordnung zu prüfen, um der Flagge und der Hymne der Union, die in dem Verfassungsvertrag vorgesehen sind, im Rahmen seiner Tätigkeiten und in seinen Gebäuden offiziellen Charakter zu verleihen;
- 24. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung, die seine Stellungnahme zur Einberufung der Regierungskonferenz darstellt, dem Rat, der Kommission, den Staats- und Regierungschefs sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Europäischen Zentralbank zu übermitteln.
- 1 ABl. C 247 E vom 6.10.2005, S. 88.
- 2 Angenommene Texte, P6_TA(2007)0234.
- 3 Siehe Artikel IV-443 des Verfassungsvertrags.