Punkt 40 der 836. Sitzung des Bundesrates am 21. September 2007
Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zu Artikel 1 Nr. 3a - neu - (§ 3 Nr. 26a EStG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 3 folgende Nummer 3a einzufügen:
- "3a . In § 3 Nr. 26a Satz 1 werden nach der Angabe "(§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung)" die Wörter "sowie Aufwandsentschädigungen, die nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs an ehrenamtliche rechtliche Betreuer gezahlt werden," eingefügt."
Begründung
Der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements nach Artikel 76 Abs. 2 Grundgesetz (BR-Drs. 117/07(B) ) für die Schaffung eines Steuerfreibetrages für ehrenamtliche Betreuer in Höhe der Übungsleiterpauschale von 2.100 Euro ausgesprochen. Er hat dies wie folgt begründet:
- "Das ehrenamtliche Betreuungswesen nimmt in der Gesellschaft in Anbetracht der demografischen Entwicklung eine wachsende überobligatorische Funktion ein. Betreuerinnen und Betreuer übernehmen dieses Ehrenamt häufig auch ohne mit der zu betreuenden Person in einem familiären Verhältnis zu stehen und nicht selten auch gleichzeitig in mehreren Fällen. An diesem ehrenamtlichen Einsatz besteht im Blick auf das dabei regelmäßig zu beobachtende persönliche Engagement der Betreuerinnen und Betreuer, jedoch auch unter fiskalischen Gesichtspunkten ein besonderes öffentliches Interesse.
Die Betreuungstätigkeit ist nach dem seinerzeitigen gesetzgeberischen Willen nicht vom Übungsleiterfreibetrag umfasst, so dass die rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer von der Anhebung des Freibetrags nicht profitieren. Im Rahmen der steuerlichen Begünstigung kommt es gemessen an der Bedeutung des ehrenamtlichen Engagements, welches durch dieses Gesetz gestärkt werden soll, zu einem Gerechtigkeitsgefälle, wenn z.B. der Übungsleiter in einem Sportverein (künftig) bis zu 2.100 Euro steuerfrei einnehmen kann, der ehrenamtliche rechtliche Betreuer dagegen die Aufwandspauschale versteuern muss.
Die vorgeschlagene Änderung verhindert, dass das Gerechtigkeitsgefälle mit der vorgesehenen Anhebung der Übungsleiterpauschale insoweit weiter ausgebaut wird. Das wäre auch im Interesse der Länderhaushalte. Denn ansonsten wäre zu befürchten, dass die Bereitschaft zur Übernahme ehrenamtlicher Betreuungen zurückgeht. Das würde wiederum einen verstärkten Einsatz von Berufsbetreuern erfordern und die ohnehin stetig steigenden Ausgaben der Länder in Betreuungsangelegenheiten weiter erhöhen.
Von der Begünstigung betroffen sind alle rechtlichen Betreuer, unabhängig davon, ob die Aufwandsentschädigung aus dem Vermögen der betreuten Person gezahlt wird oder ob die Staatskasse dafür aufkommt. Eine unmittelbare Aufnahme des ehrenamtlichen rechtlichen Betreuers in § 3 Nr. 26 EStG scheitert daran, dass die Betreuungsleistung nicht im Dienst oder Auftrag des Vormundschaftsgerichts, sondern unmittelbar gegenüber der betreuten Person erbracht wird. Andererseits ergibt sich eine gewisse Nähe zu § 3 Nr. 26 EStG durch die Einwilligung und Genehmigung, die der Betreuer beim Vormundschaftsgericht einholen muss, und dadurch, dass er dessen Kontrolle unterliegt. Das rechtfertigt es, die Steuerbefreiung eng an § 3 Nr. 26 EStG zu koppeln."
Der Deutsche Bundestag ist dieser Stellungnahme des Bundesrates nicht gefolgt. Entsprechende Anträge, die die Umsetzung der Stellungnahme zum Ziel hatten, wurden im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages abgelehnt, obwohl sich auch die Experten in der Sachverständigenanhörung für die Schaffung eines solchen Freibetrages ausgesprochen hatten. Stattdessen ist der Deutsche Bundestag bei der Annahme des Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements am 6. Juli 2007 (BR-Drs. 579/07 (PDF) ) der Empfehlung seines Finanzausschusses gefolgt, in § 3 Nr. 26a EStG einen Steuerfreibetrag von 500 Euro für bestimmte nebenberufliche Tätigkeiten zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke zu schaffen. Mit dieser Regelung wird die Tätigkeit der ehrenamtlichen rechtlichen Betreuer aber nicht umfasst. Die Voraussetzungen für den neuen Steuerfreibetrag von 500 Euro, der an die Stelle der im Regierungsentwurf (Artikel 1 Nr. 4 <§ 34h EStG>, BR-Drs. 117/07 (PDF) ) noch vorgesehenen Steuerermäßigung von 300 Euro getreten ist, treffen auf die von den Vormundschaftsgerichten bestellten ehrenamtlichen rechtlichen Betreuerinnen und Betreuern nicht zu.
Aus Sicht des Bundesrates ist dies nicht sachgerecht. Vielmehr sollte der Steuerfreibetrag des § 3 Nr. 26a EStG auch den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen, die sich ehrenamtlich im Betreuungswesen engagieren. Bürgerinnen und Bürger, die mehr als nur eine Betreuung auf ehrenamtlicher Basis übernommen haben, würden durch eine solche Maßnahme hinsichtlich der von ihnen vereinnahmten Aufwandsentschädigungen zwar nicht vollständig steuerfrei gestellt. Sie erhielten jedoch immerhin eine spürbare Entlastung.
Eine solche Förderung ist wegen der überragenden Bedeutung der ehrenamtlichen Tätigkeit im Betreuungswesen dringend erforderlich. Ende 2005 standen bundesweit knapp 1,2 Millionen Menschen unter rechtlicher Betreuung. Gut 68 % aller neu eingerichteten Betreuungen werden dabei ehrenamtlich geführt, darunter etwa 62 % von Familienangehörigen und etwa 6 % von freiwillig handelnden Dritten (gegenüber etwa 25 % Berufsbetreuern und etwa 6 % Vereins- und Behördenbetreuern). In einzelnen Bundesländern liegt die Quote der ehrenamtlichen Betreuer, die nicht aus der Familie des betreuten Menschen stammen, sogar deutlich über 10 %. Dies zeigt, wie wichtig das Ehrenamt in diesem Lebensbereich ist und angesichts stetig weiter steigender Betreuungszahlen auch bleiben muss. Um das ehrenamtliche Engagement im Betreuungsbereich weiter zu fördern, ist die vom Bundesrat empfohlene gesetzliche Änderung der Besteuerung des Aufwendungsersatzes für ehrenamtliche Betreuungspersonen dringend geboten.
Ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer können ihre Auslagen entweder in Form der Einzelabrechnung oder als jährliche Pauschale in Höhe von 323 Euro geltend machen, wobei diese bei mittellosen Betreuten aus der Staatskasse zu zahlen ist (§ 1908i in Verbindung mit § 1835a BGB). Die Pauschale gehört dabei zu den steuerpflichtigen Einkünften des Betreuers oder der Betreuerin nach § 22 Nr. 3 EStG. Diese Einkünfte sind allerdings steuerfrei, wenn sie den Betrag von 256 Euro nicht übersteigen (§ 22 Nr. 3 Satz 2 EStG); liegen sie über diesem Betrag, sind sie insgesamt zu versteuern. Die Finanzverwaltung anerkennt dabei ohne Nachweis eine Werbungskostenpauschale in Höhe von 25 % der mit der Aufwandsentschädigung erzielten Einkünfte.
Übernimmt ein Familienangehöriger eine einzige Betreuung, bleibt die Aufwandspauschale somit steuerfrei. Denn von der Aufwandspauschale in Höhe von 323 Euro verbleiben ihm nach Abzug der 25-prozentigen Werbungskostenpauschale (80,75 Euro) noch 242,25 Euro. Die Freigrenze in Höhe von 256 Euro wird also nicht überschritten. Übernimmt dagegen ein engagierter Bürger zwei oder gar mehrere ehrenamtliche Betreuungen, muss er einen Großteil der Aufwandspauschale versteuern oder alle Einzelausgaben zum Nachweis seiner Werbungskosten festhalten. Dies widerspricht dem Charakter der Pauschale, die der Betreuungsperson den Aufwand ersparen soll, über jeden Besuch, Behördengang und jede weitere Tätigkeit für den betreuten Menschen einen Nachweis führen zu müssen. Gleichzeitig soll die Pauschale die Gerichte von dem mit einer Einzelabrechnung verbundenen Prüfaufwand entlasten. Außerdem entsteht auch bei den Finanzämtern für die Kontrolle der Nachweise ein vermeidbarer Prüfaufwand.
Diese Ausgestaltung der Besteuerung der Aufwandspauschale hat in der Vergangenheit bereits etliche ehrenamtlich tätige Betreuungspersonen veranlasst, um ihre Entlassung nachzusuchen. Die Bürgerinnen und Bürger, die eine ehrenamtliche Betreuung übernehmen, sind bereit, ihre Fähigkeiten und ihre Zeit für die betroffenen Menschen einzusetzen. Finanzielle Aspekte spielen angesichts des tatsächlichen Aufwandes für eine solche Betreuung und angesichts der geringen Höhe der Pauschale regelmäßig selbst dann keine Rolle, wenn mehr als eine Betreuung übernommen wird. Deshalb sind hier auch keine nennenswerten Steuereinnahmen zu erwarten. Für viele ehrenamtlich tätige Betreuerinnen und Betreuer ist es nicht nachvollziehbar, weshalb sie die ihnen zustehenden bescheidenen Aufwandsentschädigungen auch noch versteuern oder aber zur Vermeidung steuerlicher Nachteile erheblichen Aufwand für den Nachweis ihrer Einzelausgaben betreiben sollen. Sie empfinden dies als unnötige Bürokratie oder sogar als "Bestrafung" ihres freiwilligen Engagements. Etliche nehmen diese Belastung zum Anlass, ihr Ehrenamt niederzulegen.
Die Länder sind aber auf dieses ehrenamtliche Engagement angewiesen, wenn sie die Ausgabensteigerungen im Betreuungswesen eingrenzen wollen. Zum einen ist angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung damit zu rechnen, dass immer mehr betreuungsbedürftige Personen ohne nahe Angehörige dastehen, die zur Übernahme der Betreuung bereit sind. Zum anderen sind gerade die erfahrenen ehrenamtlichen Betreuungspersonen in der Lage, auch schwierigere Betreuungsfälle zu übernehmen. So berichtet die Praxis, dass Angehörige zwar bereit sind, sich regelmäßig persönlich um den betroffenen Menschen zu kümmern, sich aber angesichts der Komplexität der Aufgaben zunehmend nicht in der Lage sehen, auch die rechtliche Betreuung zu übernehmen.
Die Alternative zur ehrenamtlichen Betreuung ist die vermehrte Bestellung von Berufsbetreuern. Während die ehrenamtliche Betreuung eines mittellosen Betreuten die Staatskasse lediglich pauschal 323 Euro kostet, liegen die Ausgaben bei einer Berufsbetreuung im ersten Jahr bei der höchsten Vergütungsstufe zwischen 1.848 und 2.970 Euro. Angesichts der bereits jetzt erheblichen und absehbar noch weiter steigenden Ausgaben für das Betreuungswesen (Gesamtausgaben bundesweit 579 Millionen Euro im Jahr 2006 gegenüber 501 Millionen Euro im Jahr 2005 und 434 Millionen Euro im Jahr 2004), bei denen die Ausgaben für die Berufsbetreuungen mit weitem Abstand den größten Anteil ausmachen, kommt der Förderung des Ehrenamtes im Betreuungswesen höchste Priorität zu. Nur wenn es gelingt, die Quote der ehrenamtlichen Betreuungen weiterhin hoch zu halten oder sogar noch zu steigern, lässt sich die drohende Kostenexplosion im Betreuungswesen abwenden.
Ein wichtiger Beitrag, dieses Ziel zu erreichen, kann mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderung von § 3 Nr. 26a EStG geleistet werden. Die vorgeschlagene Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 3 Nr. 26a EStG hätte etwa hinsichtlich derjenigen Personen, die ehrenamtlich zwei Betreuungen übernommen haben, zur Folge, dass einkommensteuerlich nicht 484,50 Euro (2 x 323 Euro abzüglich 25 % Werbungskostenpauschale), sondern nur 146 Euro (2 x 323 Euro abzüglich des Freibetrags von 500 Euro ohne Möglichkeit eines Abzugs pauschalisierter Werbungskosten) in Ansatz zu bringen sind.
Durch eine solche Änderung von § 3 Nr. 26a EStG können alle Seiten nur gewinnen. Die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements hilft, die zunehmende Belastung der öffentlichen Haushalte mit Ausgaben für Berufsbetreuungen zu begrenzen. Die Einsparungen im Bereich der Berufsbetreuungen werden dabei mögliche Steuermindereinnahmen, die sich aus der vorgeschlagenen Gesetzesänderung ergeben können, um ein Vielfaches übersteigen. Gleichzeitig trägt der Vorschlag zum Bürokratieabbau bei. Denn die Zahl derjenigen Fälle, in denen von einem konkreten Nachweis der angefallenen Werbungskosten abgesehen werden kann, wird deutlich steigen. Außerdem kann der Gesetzgeber mit der vorgeschlagenen Maßnahme ein mehr als nur symbolisches Zeichen der Anerkennung des ehrenamtlichen Engagements im Betreuungswesen setzen und unterstreichen, welche Bedeutung er diesem Engagement bei der Bewältigung der Probleme zumisst, die sich aus der absehbaren demografischen Entwicklung unserer Gesellschaft ergeben.
Die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements muss dort erfolgen, wo sie dringend erforderlich ist. Dies gilt in besonderem Maße für den Bereich des Betreuungswesens. Die Zahlen sprechen hier für sich.