Der Bundesrat hat in seiner 835. Sitzung am 6. Juli 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass der kulturelle Reichtum und die Vielfalt Europas Grundpfeiler des europäischen Einigungsprozesses und der europäischen Identität sind und Europa seine Einzigartigkeit in der Welt verleihen. Er teilt ebenfalls die Auffassung, dass Kultur eine wesentliche Grundlage für Wohlstand, Solidarität und Sicherheit darstellt. Gleichzeitig begrüßt der Bundesrat die Absicht der Kommission, der Förderung der Kultur im Prozess der europäischen Einigung einen größeren Stellenwert beizumessen.
- 2. Der Bundesrat begrüßt, dass sich die Kommission in ihrer Mitteilung nachdrücklich auf die Grundlage des Vertragstextes von Artikel 151 EGV und das Subsidiaritätsprinzip bezieht, worin hervorgehoben wird, dass die Gemeinschaft
- - ihren kulturpolitischen Beitrag im Zusammenwachsen Europas unter Wahrung der nationalen und regionalen Vielfalt leistet;
- - die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in allen kulturellen Bereichen fördert;
- - in allem Tätigwerden den kulturellen Aspekten Rechnung zu tragen hat, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen;
- - nur dann tätig werden kann, wenn sie unterstützend und ergänzend, nicht aber ersetzend mit eigenen Fördermaßnahmen in Aktion tritt.
- 3. Der Bundesrat begrüßt darüber hinaus, dass die Kommission nun die in Artikel 151 Abs. 4 EGV festgelegte Verpflichtung, die kulturellen Aspekte bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrags zu berücksichtigen, verstärkt beachten will und zu diesem Zweck eine dienststellenübergreifende Gruppe eingesetzt hat.
- 4. Der Bundesrat weist darauf hin, dass der in Aussicht genommene Reformvertrag, mit Ausnahme der Aufhebung des Einstimmigkeitserfordernisses, die Rechtsgrundlage des Artikel 151 EGV unverändert lassen wird. Damit ist die Kompetenzverteilung im Kulturbereich zwischen der EU und den Mitgliedstaaten auch für die Zukunft klar festgelegt. Das Tätigwerden der EU im Kulturbereich kann daher zwar durch einen eigenen Beitrag, aber nur rein subsidiär, als Ergänzung zur Kulturpolitik der Mitgliedstaaten erfolgen. Für eine eigene europäische Kulturpolitik, die neben oder über der Kulturpolitik der Mitgliedstaaten steht gibt es über Artikel 151 EGV hinaus keine Rechtsgrundlage.
- 5. Der Bundesrat lehnt die Absicht der Kommission, im Bereich der Kultur die "offene Methode der Koordinierung" einzuführen, nachdrücklich ab. Die damit verbundene Festsetzung von zentralen europäischen Leitlinien mit Vorgaben für finanzielle organisatorische oder inhaltliche Einzelziele mit Zeitplänen für deren Realisierung sowie Berichtspflichten und Bewertungen der Fortschritte stellen eine Umgehung der klaren Kompetenzregelungen des EGV und somit eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips dar. Obwohl die "offene Methode der Koordinierung" rechtlich keinerlei Bindewirkung besitzt, zielt sie durch politischen Druck auf die tatsächliche Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten ab.
- 6. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die europäische Kultur auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene ihre Heimat hat. In Deutschland gründen Vielfalt und Bedeutung deutscher Kunst und Kultur in den historischen dezentralen Strukturen. Aufgabe der EU ist es, dort tätig zu werden, wo kulturellen Aktivitäten ein europäischer Mehrwert verliehen werden kann. Dies kann dadurch geschehen, dass auf europäischer Ebene die Rahmenbedingungen verbessert werden die den kulturellen Austausch, die Mobilität von Künstlern und von Kunstwerken und andere kulturelle Aktivitäten ermöglichen. Ziel muss es sein in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein Umfeld zu schaffen, in dem die Kultur sich entfalten kann.
- 7. Den zahlreichen Akteuren im Kulturbereich auf kommunaler und regionaler Ebene entsteht durch die Einführung der "offenen Methode der Koordinierung" ein enormer Verwaltungsaufwand, der keine positiven Auswirkungen auf die Qualität und Entwicklung der Kultur in den Mitgliedstaaten oder die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat. Vielmehr entzieht diese Methode dem Zusammenwachsen Europas erhebliche Kräfte zu Gunsten abstrakter, verwaltungsinterner Prozeduren, die für die Menschen in Europa weitestgehend nutzlos sind. Dies steht im Widerspruch zu dem Grundsatz der europaweiten Entbürokratisierung und führt zu einer Vergeudung von nationalen und europäischen Ressourcen.
- 8. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die seit dem Jahr 2002 entwickelten Arbeitspläne für Kultur der Kulturminister, die schwerpunktmäßig die mittelfristigen Arbeitsfelder auf EU-Ebene definieren, bereits zu einer Verstetigung der Arbeit der EU im Kulturbereich geführt haben. Diese Form der Kooperation hat sich grundsätzlich bewährt.
- 9. Der Bundesrat betont im Übrigen den wachsenden Stellenwert der Kulturhauptstadtaktion der Gemeinschaft, die in der Mitteilung der Kommission keine Erwähnung findet. Er verweist darauf, dass innerhalb des Kulturhauptstadtprozesses der Jahre 2007 bis 2011 Kultur als Motor und Ressource gesellschaftlicher Entwicklungen verstanden und behandelt wird, was besondere Impulse für einen regional und kooperativ getragenen europäischen Integrationsprozess freisetzt.
- 10. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Vorschläge der Kommission schwerpunktmäßig in den Kernbereich der Kulturhoheit der Länder fallen. Gemäß Artikel 23 Abs. 6 GG ist damit die Verhandlungsführung auf einen vom Bundesrat benannten Vertreter der Länder zu übertragen. Der Bundesrat unterstreicht seinen Willen, dieses wichtige Ergebnis der Föderalismusreform durchzusetzen.